18.11.2024
Die Zahlung eines bewusst überhöhten Kaufpreises für ein Grundstück durch eine GmbH an den Lebensgefährten der Alleingesellschafterin der GmbH kann zwar zu einer steuerlichen Doppelbelastung bei der Grunderwerbsteuer sowie bei der Schenkungsteuer führen. Diese Doppelbelastung kann aber durch eine Korrektur des fehlerhaften Bescheids aufgrund der Korrekturvorschrift wegen widerstreitender Steuerfestsetzung beseitigt werden.
Hintergrund: Eine unentgeltliche Grundstücksübertragung löst grundsätzlich Schenkungsteuer aus. Eine entgeltliche Grundstücksübertragung führt zur Grunderwerbsteuer. Bei einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung entsteht sowohl Schenkungsteuer, und zwar hinsichtlich des unentgeltlichen Teils, als auch Grunderwerbsteuer, die für den entgeltlichen Teil anfällt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, deren Alleingesellschafterin die A war. Ihr Lebensgefährte war der B. Am 24.2.2011 verkaufte B sein Grundstück der Klägerin zu einem Kaufpreis von 1,1 Mio. €. Tatsächlich war das Grundstück aber nur 480.000 € wert. Der steuerlich festgestellte Wert betrug sogar nur 283.000 €. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer gegenüber B fest und erfasste dabei zunächst die Differenz zwischen dem Kaufpreis von 1,1 Mio. € und dem steuerlich festgestellten Grundstückswert von 283.000 €. Außerdem erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin im Juni 2011 einen Grunderwerbsteuerbescheid und bemaß die Grunderwerbsteuer nach dem Kaufpreis von 1,1 Mio. €. Im Mai 2022 änderte das Finanzamt im Rahmen eines Klageverfahrens den Schenkungsteuerbescheid zu Gunsten des B und berücksichtigte nunmehr nur noch die Differenz zwischen dem Kaufpreis von 1,1 Mio. € und dem tatsächlichen Wert von 480.000 €, d.h. 620.000 €. Noch im Mai 2022 beantragte die Klägerin nun die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids und die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer dergestalt, dass nur noch eine Bemessungsgrundlage von 480.000 € zugrunde gelegt wird.
Entscheidung: Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (FG) gab der Klage statt:
Zwar war die Einspruchsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid schon abgelaufen; der Grunderwerbsteuerbescheid konnte aber aufgrund einer Korrekturvorschrift, die im Fall einer widerstreitenden Steuerfestsetzung greift, geändert werden.
Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt vor, wenn ein steuerlicher Sachverhalt in zwei Bescheiden berücksichtigt wird. Dies können auch zwei Bescheide zweier verschiedener Steuerpflichtiger sein, im Streitfall also der Schenkungsteuerbescheid gegen B sowie der Grunderwerbsteuerbescheid gegenüber der Klägerin.
In beiden Bescheiden wurde derselbe Sachverhalt zweimal berücksichtigt. Die Vereinbarung eines 480.000 € übersteigenden Zahlungsbetrags, nämlich 620.000 €, wurde im Schenkungsteuerbescheid des B als Schenkung an B berücksichtigt; zugleich wurde dieser Betrag aber auch bei der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer berücksichtigt, da im Grunderwerbsteuerbescheid der gesamte Kaufpreis von 1,1 Mio. € als Bemessungsgrundlage behandelt wurde.
Die Korrekturvorschrift erlaubt die Änderung des fehlerhaften Bescheids; dies war der Grunderwerbsteuerbescheid. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach der Gegenleistung für das Grundstück. Als Gegenleistung kann aber nur der Betrag von 480.000 € angesehen werden, weil das Grundstück nur 480.000 € wert war. Der darüberhinausgehende Betrag von 620.000 € war keine Gegenleistung, sondern eine Schenkung und darf daher bei der Grunderwerbsteuer nicht angesetzt werden.
Hinweise: Gegen A und B gab es ein Steuerstrafverfahren. Beide wurden wegen versuchter Hinterziehung von Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer verurteilt. Denn der überhöhte Kaufpreis sollte eine Gewinnausschüttung an die A verdecken, indem ihrem Lebensgefährten B als sog. nahestehender Person ein überhöhter Kaufpreis zugewendet wurde. Aus Rechtsgründen kam es nicht zu einer Verurteilung wegen Hinterziehung der Schenkungsteuer.
Die Korrekturvorschrift, die bei einer widerstreitenden Steuerfestsetzung greift, hat eine eigene Verjährungsregelung. So kann der Antrag auf Änderung innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Einspruchsfrist des letzten betroffenen Steuerbescheids – dies war der geänderte Schenkungsteuerbescheid aus dem Monat Mai 2022 – gestellt werden.
Quelle: FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.9.2023 – 1 K 233/22; NWB
13.11.2024
Die Bundesregierung hat am 6.11.2024 die "Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2025" beschlossen. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats kann die Verordnung zum 1.1.2025 in Kraft treten.
Grenzwerte in der Krankenversicherung
In der gesetzlichen Krankenversicherung soll sich die Beitragsbemessungsgrenze einheitlich auf jährlich 66.150 € beziehungsweise 5.512,50 € im Monat erhöhen. 2024 waren es noch 62.100 € im Jahr beziehungsweise 5.175 € im Monat.
Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung soll sich auf jährlich 73.800 € beziehungsweise monatlich 6.150 € belaufen. 2024 waren es noch 69.300 € beziehungsweise 5.775 € im Monat.
Die Beitragsbemessungsgrenze markiert das maximale Bruttoeinkommen, bis zu dem Beiträge in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden. Der Verdienst, der über diese Einkommensgrenze hinausgeht, ist beitragsfrei. Die Versicherungspflichtgrenze bezeichnet den Einkommenshöchstbetrag, bis zu dem Beschäftigte gesetzlich krankenversichert sein müssen. Wer über diesen Betrag hinaus verdient, kann sich privat krankenversichern lassen.
Änderungen in der Rentenversicherung
Auch die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung soll Anfang des Jahres deutlich steigen - erstmals einheitlich in ganz Deutschland auf 8.050 € im Monat. 2024 belief sich die Grenze in den neuen Bundesländern noch auf 7.450 € im Monat, in den alten Bundesländern auf 7.550 €.
In der knappschaftlichen Rentenversicherung soll sich diese Einkommensgrenze von 9.300 € im Monat auf 9.900 im Monat erhöhen. In der knappschaftlichen Rentenversicherung sind Beschäftigte im Bergbau versichert. Sie berücksichtigt die besondere gesundheitliche Beanspruchung von Bergleuten.
Das Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung, das zur Bestimmung der Entgeltpunkte im jeweiligen Kalenderjahr dient, soll für 2025 vorläufig 50.493 € im Jahr betragen. 2024 waren es 45.358 €.
Rechengrößen ab im Überblick
Rechengröße | |
Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung | 8.050 € im Monat / 96.600 € im Jahr |
Beitragsbemessungsgrenze in der knappschaftlichen Rentenversicherung | 9.900 € im Monat / 118.800 € im Jahr |
Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung | 73.800 € im Jahr / 6.150 € im Monat |
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung | 66.150 € im Jahr / 5.512,50 € im Monat |
Vorläufiges Durchschnittsentgelt für 2025 in der Rentenversicherung | 50.493 € im Jahr |
Quelle: Bundesregierung online, Meldung v. 6.11.2024; NWB
12.11.2024
Die Aufwendungen für einen zivilrechtlichen Prozess wegen einer drohenden Rückabwicklung der Schenkung eines Forstbetriebs sind als außergewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn die Rückabwicklung die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen gefährden würde. Diese Gefährdung ist anzunehmen, wenn der Verlust von mindestens 85 % des ertragbringenden Vermögens zu befürchten ist.
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder Hochwasser. Nach dem Gesetz sind Prozesskosten vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, dass der Steuerpflichtige Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Sachverhalt: Der Kläger war ursprünglich angestellter Forstwirt. Seine Arbeitgeberin war die N, die ihm den Forstbetrieb zum 1.1.2015 unentgeltlich gegen Altenteilleistungen übertrug. Auf den Nutzflächen befanden sich noch drei Einfamilienhäuser. Der Kläger führte den Forstbetrieb fort und vermietete die Einfamilienhäuser. Außerdem kaufte der Kläger im Februar 2015 von N noch deren Pferdehof. Im Jahr 2018 verlangte N, vertreten von ihrem Betreuer, die Rückübertragung des Forstbetriebs und des Reiterhofs mit der Begründung, N habe bei der Übertragung an Demenz gelitten. Es kam hinsichtlich der Klage bezüglich des Reiterhofs zu einer Klageabweisung, und hinsichtlich des Forstbetriebs zu einem Vergleich, so dass der Kläger den Forstbetrieb zwar behalten durfte, aber die drei Einfamilienhäuser zurückgegeben musste; dies erfüllte er dann durch Zahlung eines Ablösebetrags. Dem Kläger entstanden im Streitjahr 2018 Prozesskosten für seinen Rechtsanwalt sowie für einen Gutachter in Höhe von insgesamt ca. 18.000 €, die er als außergewöhnliche Belastungen geltend machte. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an und begründete dies damit, dass Prozesskosten grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen seien.
Entscheidung: Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Aufwendungen für das Gerichtsverfahren waren dem Kläger zwangsläufig entstanden und daher als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Hätte der Kläger den Prozess nicht geführt, wäre er Gefahr gelaufen, seine Existenzgrundlage, den Forstbetrieb, zu verlieren. Existenzgrundlage ist die materielle Lebensgrundlage, die den wesentlichen Teil des ertragbringenden Vermögens ausmacht. Eine Gefährdung liegt vor, wenn ein Verlust von mindestens 85 % des ertragbringenden Vermögens des Steuerpflichtigen droht. Eine Quote von 85 % wird auch in anderen Rechtsgebieten anerkannt, etwa bei der Einwilligung des Ehegatten bei Verpflichtungen über das Vermögen im Ganzen, so dass eine Verpflichtung zur Übertragung des Vermögens zustimmungsfrei ist, wenn mindestens 15 % Restvermögen verbleiben.
Der Forstbetrieb machte den wesentlichen ertragbringenden Teil des Vermögens des Klägers aus. Der Kläger erzielte nämlich im Wesentlichen Einkünfte aus dem Forstbetrieb. Seine übrigen Einkünfte, die nicht von einer Rückabwicklung betroffen wären, beliefen sich auf lediglich 3.647 € und betrugen nur ca. 2,5 % der gesamten Einkünfte. Das nicht vom Rückübertragungsanspruch betroffene ertragbringende Vermögen verblieb somit unterhalb einer Restvermögensquote von 15 %.
Hinweise: Der Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen steht nicht entgegen, dass es um eine Schenkung ging. Denn die Schenkung betraf die materielle Lebensgrundlage des Klägers, der seine Angestelltentätigkeit für N nicht mehr ausüben konnte, nachdem er ihren Forstbetrieb übernommen hatte.
Das Gericht folgte nicht der Argumentation des Finanzamts, dass die materielle Existenzgrundlage in Deutschland aufgrund der sozialen Sicherungssysteme stets gewährleistet sei. Dem Steuerpflichtigen ist es nämlich zuzugestehen, seine Lebensgrundlage selbst zu erwirtschaften, ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein.
Dem FG zufolge kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, die Schenkung angenommen zu haben. Immerhin hatte der beurkundende Notar keine Mängel der Geschäftsfähigkeit der N festgestellt, obwohl er Zweifel an der Geschäftsfähigkeit in der Schenkungsurkunde hätte festhalten müssen.
Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.5.2024 - 9 K 28/23, Rev. beim BFH: Az. VI R 22/24; NWB
11.11.2024
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird bei getrennt lebenden Eltern nur einem Elternteil gewährt, nicht aber aufgeteilt. Kinderbetreuungskosten können nur bei demjenigen Elternteil berücksichtigt werden, der sie auch getragen hat.
Hintergrund: Der Gesetzgeber sieht verschiedene steuerliche Entlastungen vor, wenn der Steuerpflichtige minderjährige Kinder hat. So können z.B. Kinderbetreuungskosten abgezogen werden. Außerdem können alleinerziehende Elternteile einen Entlastungsbetrag geltend machen. Schließlich wird für die Kinder Kindergeld gezahlt; allerdings wird eine sog. Günstigerprüfung durchgeführt, bei der geprüft wird, ob es für den Steuerpflichtigen günstiger ist, wenn von seinem Einkommen ein Kinderfreibetrag abgezogen wird. Ist dies der Fall, wird der (höhere) Kinderfreibetrag steuerlich abgezogen und das (niedrigere) Kindergeld wieder dem Einkommen hinzugerechnet.
Sachverhalt: Der Kläger wohnte bis zum 5.9.2015 mit seinem minderjährigen Kind und der Kindesmutter in einem gemeinsamen Haushalt. Die Kindesmutter zog am 5.9.2015 aus. Bis zum Dezember 2015 wohnte das Kind, das nun bei beiden Eltern gemeldet war, wechselseitig eine Woche bei seiner Mutter und eine Woche beim Kläger (sog. paritätisches Wechselmodell). Die Kindesmutter erhielt das Kindergeld.
Der Kläger machte für den Zeitraum September bis Dezember 2015 einen hälftigen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Höhe von 636 € geltend. Außerdem machte er Aufwendungen für Kinderbetreuung (Kindergarten- und Hortgebühren) in Höhe von 690 € als Sonderausgaben geltend; allerdings hatte die Mutter die Gebühren an den Kindergarten überwiesen. Schließlich beantragte der Kläger noch den Abzug des Kinderfreibetrags für einen Elternteil in Höhe von 3.576 €. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Beträge und Aufwendungen nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der Kläger kann keine Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben geltend machen, weil er die Kosten nicht getragen hat. Denn die Gebühren für den Kindergarten und Hort wurden von der Mutter überwiesen. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der den hälftigen Betrag der Kindesmutter erstattet hat oder dass er unmittelbar die Hälfte der Kosten an den Kindergarten und Hort überwiesen hat. Der Kläger hat auch nicht nachgewiesen, dass er im Wege der Aufrechnung die Hälfte der Kosten getragen hat.
Dem Kläger steht auch nicht der hälftige Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu. Der Entlastungsbetrag wird nur einem Elternteil gezahlt und nicht aufgeteilt. Grundsätzlich kommt es darauf an, in wessen Haushalt das Kind gemeldet war. War es in beiden Haushalten gemeldet wie im Streitfall, können die Eltern festlegen, wer von ihnen den Entlastungsbetrag erhalten soll. Treffen die Eltern keine derartige Bestimmung, erhält der Elternteil den Entlastungsbetrag, an den auch das Kindergeld ausgezahlt wird. Im Streitfall haben der Kläger und die Kindesmutter keine Bestimmung dahingehend getroffen, dass der Kläger den Entlastungsbetrag erhalten soll; daher war der Entlastungsbetrag der Kindesmutter, die das Kindergeld erhalten hat, zu gewähren.
Schließlich war dem Kläger auch nicht der einfache Kinderfreibetrag zu gewähren, da sich das hälftige Kindergeld für ihn vorteilhafter ausgewirkt hat. Zwar hat der Kläger das Kindergeld nicht erhalten; der Kläger kann das hälftige Kindergeld aber auf seine Barunterhaltsverpflichtung anrechnen.
Hinweise: Der BFH hält es nicht für verfassungswidrig, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nicht aufgeteilt, sondern nur einem Elternteil gewährt wird. Es dient nämlich der Vereinfachung, eine Aufteilung zu vermeiden. Dies gilt auch beim paritätischen Wechselmodell.
Der Kläger, der den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nun nicht erhält, ist dennoch nicht schutzlos. Er kann z.B. seine Zustimmung zur Kindergeldberechtigung der Kindesmutter nur dann erteilen, wenn diese sich verpflichtet, das Kindergeld zur Hälfte an ihn auszuzahlen. Alternativ kann er der Auszahlung des Kindergelds an die Kindesmutter nur unter der Bedingung zustimmen, dass er den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erhält. Denkbar ist es auch, dass er einen zivilrechtlichen Anspruch auf (teilweise) Auszahlung des Kindergelds geltend macht, solange es an einem unterhaltsrechtlichen Gesamtausgleich zwischen den unterhaltspflichtigen Eltern fehlt.
Quelle: BFH, Urteil vom 10.7.2024 - III R 1/22; NWB
07.11.2024
Die Minijob-Zentrale informiert über bevorstehende Änderungen beim Mindestlohn und den Minijobs. Der Mindestlohn wird im Jahr 2025 auf 12,82 € pro Stunde angehoben. Damit steigt auch die hieran gekoppelte Verdienstgrenze bei den Minijobs von bisher 538 € auf 556 € pro Monat.
Die Verdienstgrenze im Minijob legt fest, wie viel ein Minijobber durchschnittlich pro Monat verdienen darf. Die monatliche Verdienstgrenze ist dynamisch und orientiert sich am Mindestlohn. Wenn der gesetzliche Mindestlohn steigt, wird auch die Minijob-Grenze entsprechend angepasst.
Durch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12,82 € pro Stunde steigt die Verdienstgrenze ab Januar 2025 von 538 € auf 556 € monatlich. Die Jahresverdienstgrenze liegt damit bei 6.672 €.
Trotz der Erhöhung des Mindestlohns bleibt die maximale Anzahl der Arbeitsstunden für Minijobber gleich. Bei einer Verdienstgrenze von 556 Euro pro Monat ergibt sich eine maximale Arbeitszeit von etwa 43 Stunden im Monat. Verdient der Beschäftigte mehr als den Mindestlohn, dann verringert sich die maximal mögliche Arbeitszeit im Minijob.
Hinweis: Weitere Infos zum Thema hat die Minijob-Zentrale auf ihrer Homepage veröffentlicht. So geht die Minijob-Zentrale u.a. darauf ein, wie die Verdienstgrenze berechnet wird und was die neue Minijob-Grenze für Arbeitnehmer bedeutet.
Quelle: Minijob-Zentrale, Newsletter 10/2024; NWB
06.11.2024
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Oktober 2024 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2024 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 1.11.2024 - III C 3 - S 7329/19/10001 :006 (2024/0962673); NWB
05.11.2024
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat das finale Schreiben zur Einführung der elektronischen Rechnung (E-Rechnung) bei der Umsatzsteuer veröffentlicht. Das Schreiben ist für Finanzämter verbindlich, nicht aber für die Finanzgerichte.
Hintergrund: Grundsätzlich müssen inländische Unternehmer, die ab dem 1.1.2025 Leistungen an andere inländische Unternehmer ausführen, eine E-Rechnung ausstellen (zu den Übergangsregelungen s. Hinweis unten). Dabei handelt es sich nicht um die elektronische Übermittlung einer Rechnung, sondern um ein sog. strukturiertes elektronisches Format, das auf einer bestimmten EU-Richtlinie beruht. Eine derartige E-Rechnung kann elektronisch ausgelesen und in einem europäischen Meldesystem erfasst werden, das zur Bekämpfung von Umsatzsteuerhinterziehung eingerichtet wird. Ausgenommen von der E-Rechnungspflicht sind Rechnungen über bestimmte steuerfreie Leistungen, Kleinbetragsrechnungen bis 250 € sowie Fahrausweise. Ferner sollen auch Kleinunternehmer von der Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung befreit werden. Diese geplante Gesetzesänderung ist zurzeit jedoch noch nicht umgesetzt worden.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen Schreibens des BMF:
Zulässige inländische elektronische Formate sind etwa das sog. ZUGFeRD-Format oder die X-Rechnung. Allerdings kann der Unternehmer auch europäische E-Rechnungsformate wie z.B. Factur-X aus Frankreich verwenden.
Die mehrfache Übersendung ein und derselben Rechnung ist unschädlich, solange es sich um dieselbe Rechnung handelt.
Hinweis: Die mehrfache Übersendung ein und derselben E-Rechnung löst also keine Pflicht zur mehrfachen Abführung der Umsatzsteuer aus.
Ist eine E-Rechnung fehlerhaft oder unvollständig, kann sie berichtigt werden. Allerdings muss die Berichtigung ebenfalls im elektronischen Format erfolgen. Die Rechnungsberichtigung wirkt dann auf den Zeitpunkt der ersten, fehlerhaften Rechnung zurück, so dass der Rechnungsempfänger rückwirkend die Vorsteuer geltend machen kann.
Soll ein Vertrag über eine Dauerleistung (z.B. Mietvertrag) als Rechnung dienen, genügt es, wenn bei einem neu abgeschlossenen Vertrag für den ersten Teilleistungszeitraum (z.B. für den ersten Monat bei einem Mietvertrag) eine E-Rechnung ausgestellt wird und der Vertrag als Anhang beigefügt wird.
Hinweis: Ist vor dem 1.1.2027 – dies ist der Zeitpunkt, ab dem die Übergangsregelung endet (siehe Hinweis unten) – eine Dauerrechnung als sonstige Rechnung erteilt worden, muss keine zusätzliche E-Rechnung ausgestellt werden, solange sich die Rechnungsangaben nicht ändern.
Wird gegen die Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung verstoßen, kann der Rechnungsempfänger grundsätzlich keine Vorsteuer aus der Rechnung geltend machen. Der Rechnungsaussteller kann aber eine E-Rechnung nachträglich ausstellen und auf diese Weise die Rechnung berichtigen. Der Vorsteuerabzug wird ohne Berichtigung anerkannt, wenn der Rechnungsempfänger davon ausgehen konnte, dass der Rechnungsaussteller noch unter die bis zum 31.12.2026 oder 31.12.2027 geltende Übergangsregelung fällt (siehe Hinweis unten).
Hinweis: Auch ohne Berichtigung kann die Vorsteuer abgezogen werden, wenn das Finanzamt aus der formell fehlerhaften Rechnung alle Angaben, die für den Vorsteuerabzug erforderlich sind, entnehmen kann. Ein Vorsteuerabzug darf nämlich grundsätzlich nicht allein aus formellen Gründen versagt werden. Für die Praxis empfiehlt sich jedoch eine Berichtigung durch den Rechnungsaussteller, um Streit mit dem Finanzamt zu vermeiden.
Für alle inländische Unternehmer besteht ab dem die Pflicht, E-Rechnungen empfangen zu können. Hierfür genügt es, wenn der Rechnungsempfänger ein E-Mail-Postfach bereitstellt. Hierbei muss es sich nicht um ein gesondertes Postfach nur für den Empfang von E-Rechnungen handeln. Für die Pflicht, E-Rechnungen ab dem 1.1.2025 zu empfangen, gilt keine Übergangsfrist.
Hinweis: Das BMF-Schreiben gilt für alle Umsätze, die nach dem 31.12.2024 ausgeführt werden.
Der Gesetzgeber hat für die Verpflichtung zur Ausstellung einer E-Rechnung Übergangsregelungen eingeführt. So kann der Unternehmer noch bis zum 31.12.2026 das bisherige Rechnungsformat (z.B. Papier oder E-Mail mit Rechnungsanhang) verwenden. Für Unternehmer, deren Umsatz im Vorjahr maximal 800.000 € betragen hat, gilt eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2027.
Quelle: BMF-Schreiben vom 15.10.2024 - III C 2 -S 7287 – a/23/10001 :007; NWB
04.11.2024
Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel, die aufgrund einer Krebserkrankung ärztlich verordnet worden sind, können nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden. Denn es handelt sich trotz der ärztlichen Verordnung nicht um Arzneimittel, sondern um Kosten der privaten Lebensführung.
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder Hochwasser. Aufwendungen für Diätverpflegung sind nach dem Gesetz vom Abzug ausgeschlossen.
Sachverhalt: Der Kläger war seit 2015 an Krebs erkrankt und hatte eine Lebenserwartung von fünf bis sieben Jahren. Er unterzog sich einer Operation sowie einer Chemotherapie, die zu starken Nebenwirkungen führte. In den Streitjahren 2019 und 2020 machte er Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel in Höhe von jeweils ca. 10.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Nahrungsergänzungsmittel waren ihm ärztlich verordnet worden, weil er wegen der Krebserkrankung, die bereits die Knochen und Lymphdrüsen befallen hatte, spezielle Präparate benötigte. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an.
Entscheidung: Das Finanzgericht München (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Aufwendungen für die Nahrungsergänzungsmittel waren keine Krankheitskosten, sondern nicht abziehbare Diätkosten. Das Abzugsverbot für Diätkosten gilt selbst dann, wenn die Diät eine medikamentöse Behandlung ersetzt. Denn auch dann tritt die Diätverpflegung an die Stelle üblicher Nahrungsmittel, die zu den Kosten der privaten Lebensführung gehören.
Zur Diätverpflegung gehört jede Form der Ernährung, die auf die Bedürfnisse des Patienten und auf die Therapie der Erkrankung abgestimmt ist. Die Diät kann in einer Einschränkung der gesamten Ernährung bestehen, aber auch in der Vermeidung oder Vermehrung bestimmter Nahrungsanteile.
Nicht zur Diätverpflegung gehören Arzneimittel, die als Krankheitskosten abgesetzt werden können. Die streitigen Nahrungsergänzungsmittel waren jedoch nicht als Arzneimittel zugelassen. Es genügt nicht, dass sie ärztlich verordnet waren.
Die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel kann auch nicht als Behandlungsmethode, die wissenschaftlich nicht anerkannt ist, angesehen werden. Denn wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden werden steuerlich nur dann anerkannt, wenn es ein vorab erstelltes amtsärztliches Gutachten oder aber eine vorab erstellte Bescheinigung des medizinischen Dienstes über die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen gibt.
Hinweise: Das Urteil ist hart für den schwer erkrankten Kläger. Denn die Nahrungsergänzungsmittel waren durch die Krebserkrankung veranlasst und zudem ärztlich verordnet, da sie die Folgen der Krebserkrankung mildern sollten. Für das Gericht war ausschlaggebend, dass die Nahrungsergänzungsmittel nicht als Arzneimittel zugelassen waren. Das Finanzgericht hat allerdings die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, so dass dort die abschließende Entscheidung über den Fall zu treffen ist.
Quelle: FG München, Urteil vom 25.7.2024 - 15 K 286/23, Rev. beim BFH: Az. VI R 23/24; NWB
31.10.2024
Der Bundesrat hat am 18.10.2024 dem "Vierten Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie" zugestimmt. Das Gesetz wurde am 29.10.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Ziel des Gesetzes ist es, Abläufe und Regeln zu vereinfachen und der Wirtschaft, insbesondere Selbständigen, Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben zu verschaffen, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die Bundesregierung, auf die das Gesetz zurückgeht, erwartet finanzielle Entlastungen in Höhe von 944 Millionen Euro pro Jahr.
Zu den beschlossenen Maßnahmen gehören u.a.:
kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege - diese müssen nur noch acht statt bisher zehn Jahre aufbewahrt werden,
eine zentrale Vollmachtsdatenbank für Steuerberater, so dass Arbeitgeber ihren Steuerberatern nicht mehr schriftliche Vollmachten für die jeweiligen Sozialversicherungsträger ausstellen müssen,
keine Hotelmeldepflicht mehr für deutsche Staatsangehörige,
mehr digitale Rechtsgeschäfte per E-Mail, SMS oder Messenger-Nachricht ohne das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift,
digitale Arbeitsverträge, so dass Arbeitgeber auch per E-Mail über die wesentlichen Vertragsbedingungen informieren können - dies hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 26. April 2024 zum ursprünglichen Regierungsentwurf gefordert,
Erleichterungen bei Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen, indem zukünftig die Unterlagen online zur Verfügung gestellt werden können sowie
digitale Steuerbescheide.
Hinweis: Das Gesetz tritt zu einem großen Teil am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Quelle: BundesratKOMPAKT, Meldung v. 18.10.2024, BGBl. 2024 I Nr. 323; NWB
31.10.2024
Weist die Buchführung eines Unternehmers formelle und materielle Buchführungsmängel auf, darf das Finanzamt eine Hinzuschätzung vornehmen. Sofern im konkreten Einzelfall eine Hinzuschätzung im Wege einer Nachkalkulation oder mit Hilfe der Richtsatzsammlung nicht möglich ist, kann das Finanzamt eine Hinzuschätzung durch Ansatz eines Unsicherheitszuschlags von maximal 20 % auf die erklärten Umsätze vornehmen.
Hintergrund: Das Finanzamt ist zu einer (Hinzu-)Schätzung u.a. dann berechtigt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er führen müsste, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung der Besteuerung wegen Mängeln nicht zugrunde gelegt werden kann.
Sachverhalt: Der Kläger war Inhaber eines Kiosks, zu dem auch eine Lotto-Toto-Annahmestelle sowie eine Verkaufsstelle für Nahverkehrstickets gehörte. Er ermittelte seinen Gewinn durch Bilanzierung. Für seine Kassenführung nutzte er eine elektronische Registrierkasse; für die Lotto- und Totoscheine verwendete er eine separate Lottokasse. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer formelle und materielle Buchführungsmängel fest und schätzte 5 % auf die Umsätze hinzu.
Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Buchführung war formell fehlerhaft, weil der Kläger die Anleitungen zur Kassenbedienung und -programmierung sowie die Programmierungsprotokolle nicht aufbewahrt hatte. Er konnte auch nicht die Tagesendsummenbons lückenlos vorlegen. Zudem war die Kassensturzfähigkeit nicht gegeben, weil die Kassenberichte nicht ordnungsgemäß geführt wurden.
Die Buchführung enthielt auch materielle Mängel. So ergaben sich Abweichungen zwischen den einzelnen Aufzeichnungen und Unstimmigkeiten bei der Abrechnung der Lottogelder.
Das Finanzamt war daher zu einer Hinzuschätzung berechtigt. Eine Nachkalkulation (sog. innerer Betriebsvergleich) war jedoch nicht möglich, weil die hierfür erforderlichen Unterlagen wie z.B. Preislisten und detaillierte Warenumsatzberichte nicht vorhanden waren. Eine Schätzung anhand der in der sog. Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung veröffentlichten Richtsätze (sog. äußerer Betriebsvergleich) schied ebenfalls aus, weil diese zu einem höheren Schätzungsergebnis geführt hätte.
Da weder ein innerer Betriebsvergleich noch ein äußerer Betriebsvergleich möglich waren, war somit der Ansatz eines Unsicherheitszuschlags möglich. Dabei ist u.a. das Maß der Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen zu berücksichtigen; die Obergrenze für einen Unsicherheitszuschlag liegt nach der Rechtsprechung bei 20 %. Der Ansatz eines Unsicherheitszuschlags von 5 % im Streitfall war nicht zu beanstanden, da es sich bei dem Kiosk um einen bargeldintensiven Betrieb handelte und sich der Prozentsatz von 5 % eher am unteren Rande der Bandbreite für einen Zuschlag von bis zu 20 % bewegte.
Hinweise: Bei der Anwendung der Richtsatzsammlung, die von der Finanzverwaltung herausgegeben wird, werden die Rohgewinnaufschlagsätze bzw. Rohgewinnsätze vergleichbarer Betriebe derselben Branche als Schätzungsgrundlage herangezogen. Allerdings ist derzeit zweifelhaft, ob die Richtsatzsammlung überhaupt als Schätzungsgrundlage geeignet ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat deutliche Zweifel in einem derzeit anhängigen Revisionsverfahren geäußert und das Bundesfinanzministerium aufgefordert, das Zustandekommen der einzelnen Rohgewinnaufschlagsätze bzw. Rohgewinnsätze näher zu erläutern.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 11.6.2024 - 11 K 2308/19 U; NWB
29.10.2024
Ein Vermieter, der umsatzsteuerfrei vermietet, kann die Vorsteuer aus dem Erwerb einer Photovoltaikanlage geltend machen, wenn er den mit der Photovoltaikanlage produzierten Strom an seine Mieter verkauft. Der Verkauf des Stroms ist nämlich umsatzsteuerpflichtig, da die Lieferung des Stroms keine unselbständige Nebenleistung der umsatzsteuerfreien Vermietung, sondern eine selbständige umsatzsteuerpflichtige Leistung ist.
Hintergrund: Erbringt ein Unternehmer umsatzsteuerfreie Leistungen, steht ihm grundsätzlich kein Vorsteuerabzug zu. Die Vermietung von Wohnraum ist umsatzsteuerfrei, so dass ein Vermieter von Wohnungen in der Regel keine Vorsteuer geltend machen kann.
Sachverhalt: Der Kläger vermietete Wohnungen umsatzsteuerfrei. Er ließ im Jahr 2018 Photovoltaikanlagen auf seinen Miethäusern installieren. Den hiermit erzeugten Strom bot er seinen Mietern gegen Entgelt an. Entschloss sich der Mieter zum Kauf des Stroms, schloss der Kläger mit dem Mieter eine Zusatzvereinbarung ab, die unabhängig vom Mietvertrag war und auch unabhängig vom Mietvertrag gekündigt werden konnte. Im Fall einer Kündigung musste der Mieter jedoch die Umbaumaßnahmen der Zähleranlagen tragen. Der Stromverbrauch wurde mit jedem Mieter, der die Zusatzvereinbarung abschloss, individuell abgerechnet. Der Kläger machte die Vorsteuer aus dem Erwerb der Photovoltaikanlagen geltend. Das Finanzamt ließ den Abzug der Vorsteuer nicht zu.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Der Kläger konnte die Vorsteuer geltend machen, da er umsatzsteuerpflichtige Umsätze erbrachte. Er lieferte nämlich umsatzsteuerpflichtig Strom an seine Mieter.
Zwar war die Vermietung der Wohnungen an seine Mieter umsatzsteuerfrei. Diese Umsatzsteuerfreiheit galt aber nicht für die Stromlieferungen. Denn die Stromlieferungen waren keine unselbständigen Nebenleistungen der umsatzsteuerfreien Vermietung, so dass die Stromlieferungen ebenfalls umsatzsteuerfrei gewesen wären; vielmehr stellten die Stromlieferungen selbständige Lieferungen dar, für die es nach dem Gesetz keine Umsatzsteuerfreiheit gibt.
Die Selbständigkeit der Stromlieferung ergibt sich daraus, dass über die Stromlieferungen Zusatzvereinbarungen abgeschlossen wurden, die unabhängig vom Mietvertrag waren und auch unabhängig vom Mietvertrag gekündigt werden konnten. Im Fall der Kündigung musste der Mieter zwar die Umbaukosten tragen; dies machte eine Kündigung aber nicht unmöglich, sondern erschwerte sie lediglich.
Für die Selbständigkeit der Stromlieferung sprach außerdem, dass der verbrauchte Strom mit jedem Mieter individuell abgerechnet wurde.
Hinweise: Der Abschluss getrennter Zusatzvereinbarungen war im Übrigen auch gesetzlich erforderlich, weil der Gesetzgeber ein sog. Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsverträgen geregelt hat. Bei einem Verstoß gegen das Kopplungsverbot ist der Stromlieferungsvertrag nichtig. Dies zeigt, dass Mietvertrag und Stromlieferungsvertrag auch umsatzsteuerlich gesondert zu behandeln sind.
Das Urteil ist in allen Fällen der umsatzsteuerfreien Vermietung relevant. Erfolgt die Vermietung umsatzsteuerpflichtig, weil der Vermieter an einen Unternehmer vermietet und zur Umsatzsteuerpflicht optiert, bestehen ohnehin keine Zweifel an der Abziehbarkeit der Vorsteuer.
Der BFH widerspricht mit seinem Urteil der Auffassung der Finanzverwaltung, die die Stromlieferung des Vermieters als Nebenleistung zum Mietvertrag ansieht und deshalb die Stromlieferung ebenfalls als umsatzsteuerfrei behandelt mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug ausscheidet.
Anders ist die Rechtslage, wenn ein Wohnungsvermieter eine Heizungsanlage anschafft. Hier steht dem Vermieter kein Vorsteuerabzug zu, weil die Lieferung der Wärme und des warmen Wassers eine Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung darstellt. Denn ein Vermieter schuldet nach dem Mietrecht die Versorgung des Mieters mit Wärme und warmen Wasser; er schuldet jedoch nicht die Lieferung von Strom.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.7.2024 - XI R 8/21; NWB
28.10.2024
Der Bundesrat hat am 27.9.2024 der Wirtschafts-Identifikationsnummer-Verordnung zugestimmt. Die Veröffentlichung der Verordnung im BGBl. ist ebenfalls erfolgt. Damit wird mit der Erteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) ab November 2024 begonnen.
Hintergrund: Zur eindeutigen Identifizierung wird künftig jedem wirtschaftlich Tätigen durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine sog. Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) zugeteilt. Die W-IdNr. bleibt für die Dauer der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit bestehen und ändert sich nicht. Dies gilt auch bei Adress- oder Namensänderungen. Die Identifikationsnummer (IdNr.), Steuernummer und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) bleiben neben der W-IdNr. bestehen.
Die W-IdNr. wird stufenweise und auf unterschiedlichen Wegen erteilt:
Öffentliche Mitteilung per Bekanntmachung im BStBl. für wirtschaftlich Tätige, denen bis zum 30.11.2024 eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde.
Mitteilung über ELSTER für wirtschaftlich Tätige, die zwar umsatzsteuerlich erfasst oder Kleinunternehmer sind und die bis zum 30.11.2024 über keine USt-IdNr. verfügen.
Allen anderen wirtschaftlich Tätigen wird eine Wirtschafts-Identifikationsnummer ab 1.7.2025 ebenfalls über ELSTER mitgeteilt.
Hinweise:
Eine Mitteilung der W-IdNr. per E-Mail oder Telefon ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Ausführliche Informationen zur W-IdNr. hat das BZSt auf seiner Homepage veröffentlicht.
Quellen: u.a. BGBl. 2024 I Nr. 293 vom 2.10.2024 sowie BR-Drucks. (Beschluss); NWB
25.10.2024
Eine Rechnung über ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft, die keinen Hinweis darauf enthält, dass es sich um ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft handelt und dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, kann nicht rückwirkend korrigiert werden.
Hintergrund: Bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft schließen drei Unternehmer in unterschiedlichen EU-Staaten Verträge über denselben Gegenstand. Der erste Unternehmer liefert den Gegenstand direkt an den dritten Unternehmer, ohne dass der zweite Unternehmer den Besitz an der Ware erlangt. Der Gesetzgeber hat für diesen Fall Vereinfachungsregelungen vorgesehen, die den Unternehmer von umsatzsteuerlichen Pflichten in dem Staat, in den die Ware geliefert wird (Empfängerstaat), befreien. Voraussetzung für eine derartige Vereinfachung ist u.a., dass die Rechnung an den Empfänger im Empfängerstaat einen Hinweis enthält, dass es sich um ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft handelt und dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist.
Sachverhalt: Der Kläger betrieb einen Großhandel für Maschinen, die er in anderen EU-Staaten beim dortigen Hersteller kaufte und nach Polen verkaufte. Die Maschinen wurden direkt vom Hersteller nach Polen versandt. Die Rechnungen des Klägers enthielten in den Jahren 2008 bis 2013 keinen Hinweis darauf, dass es sich um ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft handelt und dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Das Finanzamt gewährte daher nicht die Vereinfachungsregelung. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung im Jahr 2015 berichtigte der Kläger die Rechnungen und nahm nun den Hinweis in den Rechnungen auf; aus Sicht des Klägers ergab sich hierdurch nun die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs aus den erklärten innergemeinschaftlichen Erwerben für die Jahre 2008 bis 2013. Das Finanzamt erkannte die rückwirkende Rechnungsberichtigung nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage in dem hier streitigen Punkt ab:
Bei der nachträglichen Ergänzung der Rechnungen um den Hinweis, dass es sich um ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft handelt und dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, handelt es sich nicht um eine Berichtigung der Rechnung, sondern um eine erstmalig ausgestellte Rechnung. Durch den Hinweis wird nämlich der Empfänger der Lieferung als Steuerschuldner bestimmt; dies ist eine materielle Voraussetzung für die vom Kläger angestrebte Vereinfachungsregelung.
Der Europäische Gerichtshof hat dies in einem Parallelverfahren entschieden und eine rückwirkende Berichtigung abgelehnt. Der BFH schließt sich der Rechtsprechung des EuGH an.
Hinweise: Das Urteil hat für den Kläger zur Folge, dass sich seine Berichtigung erst im Jahr 2015 auswirken kann, als er sie vorgenommen hat.
Der Fall betrifft eine besondere Konstellation, nämlich das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft, bei dem bestimmte Rechnungsanforderungen nicht nur formell, sondern materiell wirken. Bei einer gewöhnlichen Rechnung, die fehlerhaft oder unvollständig ist, wirkt eine Berichtigung zurück, so dass der Vorsteuerabzug aus der Rechnung rückwirkend berichtigt wird.
Quelle: BFH, Urteil vom 17.7.2024 – XI R 35/22 (XI R 14/20); NWB
24.10.2024
Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen wird nicht für freiwillig geleistete Vorauszahlungen des Steuerpflichtigen auf die noch nicht erbrachte Handwerkerarbeit gewährt. Denn zum einen muss eine Rechnung vorliegen, zum anderen müssen auch Handwerkerleistungen erbracht worden sein.
Hintergrund: Nimmt der Steuerpflichtige Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen in seinem Haushalt in Anspruch, wird eine Steuerermäßigung von 20 %, maximal 1.200 €, gewährt. Aufwendungen für das Material sind nicht begünstigt, sondern nur der Lohnanteil. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen setzt voraus, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten und er auf das Konto des Handwerkers gezahlt hat. Barzahlungen sind nicht demnach nicht begünstigt.
Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und planten, in ihrem selbstgenutzten Haus die Heizungsanlage auszutauschen sowie eine Sanitäranlage zu erwerben. Sie erhielten hierüber von zwei Fachfirmen Kostenvoranschläge im Jahr 2022 über ca. 15.000 € brutto (Lohnanteil ca. 1.600 €) sowie über ca. 28.000 € brutto (Lohnanteil ca. 6.200 €). Die Kläger nahmen die Angebote an und schlugen den beiden Firmen vor, einen Teil der Lohnkosten bereits im Jahr 2022 in Rechnung zu stellen; die eigentlichen Handwerkerarbeiten sollten erst 2023 durchgeführt werden. Die Firmen reagierten auf den Vorschlag nicht. Dennoch überwiesen die Kläger im Jahr 2022 an beide Firmen insgesamt ca. 5.200 € als Anzahlung auf den jeweiligen Lohnkostenanteil. Im Jahr 2023 wurden die Arbeiten durchgeführt und Rechnungen an die Kläger ausgestellt, in denen ihre Anzahlungen aus dem Jahr 2022 abgezogen wurden. Die Kläger machten für ihre Anzahlungen in der Einkommensteuererklärung 2022 eine Steuerermäßigung in Höhe von 20 % geltend, die das Finanzamt nicht gewährte.
Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Steuerermäßigung ist nicht zu gewähren, da im Jahr 2022 keine Rechnungen vorlagen, sondern nur Kostenvoranschläge. Erst im Jahr 2023 erhielten die Kläger Rechnungen.
Außerdem haben die Kläger im Streitjahr 2022 keine Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen getragen. Denn Handwerkerleistungen wurden erst im Jahr 2023 erbracht. Zwar kommt es für die Steuerermäßigung auf die Zahlung an; damit ist aber die Zahlung nach Erbringung der Handwerkerleistungen gemeint.
Schließlich widerspricht es auch dem Gesetzeszweck, die Gewährung der Steuerermäßigung in das Belieben des Steuerpflichtigen zu stellen, der durch eine freiwillige Vorauszahlung die Steuerermäßigung zeitlich vorziehen könnte. Erst recht kann der Steuerpflichtige nicht bestimmen, dass seine Vorauszahlung nur die – steuerlich begünstigten – Arbeitskosten betrifft.
Hinweise: Das FG hält Konstellationen für möglich, in denen Vorauszahlungen bzw. Anzahlungen vor der Erbringung der Leistung marktüblich oder aus sonstigen Gründen sachlich begründet sind. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anzahlung vom Handwerksbetrieb angefordert wird. Eine Anzahlung des Steuerpflichtigen „ins Blaue hinein“ ist - wie im Streitfall - nicht begünstigt.
Die Kläger hatten bei ihrem Anschreiben an die beiden Firmen im Jahr 2022 mitgeteilt, dass sie die anfallenden Lohnkosten steuerlich geltend machen wollten. Einen sachlichen, d.h. wirtschaftlichen Grund für die Anzahlungen gab es also nicht.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 18.7.2024 – 14 K 1966/23 E; NWB
22.10.2024
Teilen die Miterben den Nachlass dergestalt auf, dass einer der Miterben erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen erhält und der andere Miterbe nicht begünstigtes Vermögen bekommt, kann der Miterbe, der begünstigtes Vermögen erhält, die erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen wie z.B. Freibeträge in Anspruch nehmen. Erforderlich ist, dass die Übertragung der begünstigten Vermögenswerte im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Dies setzt nicht zwingend eine Teilung des Nachlasses innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall voraus.
Hintergrund: Erbschaftsteuerlich sind bestimmte Arten des Vermögens begünstigt, so dass z.B. Freibeträge oder Steuerbefreiungen gewährt werden. So ist etwa das vererbte Familienheim steuerfrei, wenn der Erbe es unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt, oder das Betriebsvermögen zu 85 % steuerfrei.
Das Gesetz lässt bei mehreren Erben (Miterben) einen sog. Begünstigungstransfer zu. Mehrere Miterben können den Nachlass so teilen, dass einer der Miterben begünstigtes Vermögen erhält, während der andere Miterbe nicht begünstigtes Vermögen erhält. Dem zuerst genannten Miterben, der begünstigtes Vermögen erbt, stehen dann auch die steuerlichen Vergünstigungen zu.
Sachverhalt: Der Kläger und sein Bruder erbten im Dezember 2015 den Nachlass ihrer kurz hintereinander verstorbenen Eltern jeweils zur Hälfte. Zum Nachlass gehörten u.a. ein Familienheim, mehrere Mietimmobilien und verschiedene Beteiligungen an unternehmerisch tätigen Gesellschaften.
Im Februar 2018 übertrugen der Kläger und sein Bruder untereinander mehrere Grundstücke, so dass der Kläger fast alle Grundstücke erhielt. Der Kläger erhielt zudem die hälftige Beteiligung an einer KG sowie die weiteren Gesellschaftsbeteiligungen. Der Kläger beantragte beim Finanzamt, die bisherige Erbschaftsteuerfestsetzung zu seinen Gunsten zu ändern, indem die steuerlichen Vergünstigungen auf Grundlage der Nachlassteilung vom Februar 2018 berücksichtigt werden sollten. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil die Teilung nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt war.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Dem Kläger standen die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen für die Nachlassgegenstände zu, die er aufgrund der Teilung des Nachlasses im Februar 2018 erhalten hatte.
Die Übertragung der begünstigten Grundstücke und Gesellschaftsbeteiligungen auf den Kläger ist nämlich im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt, da der Bruder nicht begünstigtes Vermögen im Gegenzug erhalten hat.
Eine Frist für die Teilung des Nachlasses sieht das Gesetz nicht vor. Für die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass die Teilung innerhalb von sechs Monaten erfolgen müsse, gibt es keine Rechtsgrundlage. Vielmehr genügt ein innerer Zusammenhang zum Erbfall. Der zeitliche Abstand zum Erbfall bildet nur ein Indiz. Je nach Umfang des Nachlasses und nach den Schwierigkeiten bei der Bewertung des Nachlasses kann auch bei einem über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum noch von einer Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses gesprochen werden.
Im Streitfall ließ sich die Dauer der Teilung damit erklären, dass beide Eltern plötzlich gestorben waren und daher eine Vielzahl steuerrechtlicher und bewertungsrechtlicher Fragen beantwortet werden mussten. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung des Vermögens auf den Kläger auf einem neuen Entschluss der beiden Brüder beruhte.
Hinweise: Der Kläger erhielt somit die Vergünstigungen für das Betriebsvermögen (85 % Steuerbefreiung), für die vermieteten Grundstücke (10 % Steuerbefreiung) sowie für das selbstgenutzte Familienheim (100 % Steuerbefreiung). Für die Steuerbefreiung für das Familienheim ist Voraussetzung, dass der Erbe beabsichtigt, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und dass er diese Absicht auch tatsächlich umgehend umsetzt; dies muss nach der Rechtsprechung des BFH in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall geschehen. Bei einem Begünstigungstransfer wie im Streitfall ist außerdem erforderlich, dass die anderen Miterben (hier also der Bruder des Klägers) selbst keinen Selbstnutzungswillen haben und das Familienheim auch nicht selbst nutzen.
Im Ergebnis wird der Kläger aufgrund des Begünstigungstransfers so gestellt, als habe er von Anfang an begünstigtes Vermögen erhalten.
Quelle: BFH, Urteil vom 15.4.2024 – II R 12/21; NWB
21.10.2024
Eine steuerpflichtige Schenkung kann dadurch erfolgen, dass ein GmbH-Anteil zu einem Preis unterhalb des Verkehrswertes an die GmbH verkauft wird, und dadurch der Wert der GmbH-Anteile der anderen Gesellschafter gesteigert wird. Auf eine Bereicherungsabsicht kommt es dabei im Gegensatz zu einer „regulären“ Schenkung nicht an.
Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von GmbH-Anteilen eines GmbH-Gesellschafters, die dadurch eintritt, dass eine andere Person Geld oder andere Wirtschaftsgüter in die GmbH einlegt.
Sachverhalt: Der Kläger war zusammen mit seinen beiden Brüdern zu 1/3 an der H-KG beteiligt, die wiederum 2/3 der Anteile an der T-GmbH hielt. Das verbleibende Drittel gehörte zum Nachlass der D, die insgesamt zehn Erben hatte, darunter den Kläger. Die zehn Miterben verkauften ihren Anteil an der T-GmbH im Oktober 2013 an die T-GmbH, die dadurch eigene Anteile erwarb. Der Kaufpreis betrug 300.000 €; tatsächlich betrug der Wert des Anteils aber ca. 1,8 Mio. €. Das Finanzamt ging von einer Schenkung in Höhe von 1,5 Mio. € aus. Diese Schenkung entfiel zu jeweils 10 % auf die zehn Miterben, die ihrerseits jeweils 1/3 an den Kläger und seine beiden Brüder schenkten. Der Kläger machte geltend, dass alle Miterben aufgrund einer vier Jahre alten Unternehmensbewertung aus dem Jahr 2009 von einem Gesamtwert der T-GmbH von 1 Mio. € ausgegangen seien, so dass der vereinbarte Kaufpreis von 300.000 € für 1/3 grundsätzlich angemessen gewesen sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Schenkung für denkbar, hat die Sache aber wegen der Bewertung der Schenkung an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen:
Der Verkauf des Anteils an der T-GmbH durch die zehn Miterben an die T-GmbH war eine Leistung, die zu einer Schenkung führen kann. Aus Sicht der Miterben war es unerheblich, ob sie ihren Anteil an einen Dritten oder an die T-GmbH veräußern.
Der Gesetzgeber sieht insbesondere verdeckte Einlagen in eine GmbH als Schenkungsgegenstand an, weil sich hierdurch der Wert der Anteile der übrigen Gesellschafter erhöhen kann. Auf eine Bereicherungsabsicht (Freigebigkeit) kommt es nach dem Gesetz nicht an, wenn es um die Werterhöhung von GmbH-Anteilen geht.
Eine Werterhöhung der Anteile der übrigen Gesellschafter kann im Streitfall eingetreten sein. Der Kläger war ebenso wie seine Brüder mittelbar über die H-KG an der T-GmbH beteiligt. Der vereinbarte Kaufpreis von 300.000 € lag deutlich unter dem tatsächlichen Wert des veräußerten Anteils von 1,8 Mio. €. Der Kläger kann nicht geltend machen, dass der Wert der T-GmbH aus Sicht der Miterben nur 1 Mio. € betragen habe; denn die zugrunde liegende Unternehmensbewertung stammte aus dem Jahr 2009 und war daher im Zeitpunkt der Anteilsübertragung bereits vier Jahre alt.
Unklar ist allerdings, ob und ggf. in welchem Umfang es zu einer Werterhöhung der Anteile der H-KG und damit mittelbar des Anteils des Klägers an der T-GmbH kam. Eine Schenkung liegt vor, wenn der gemeine Wert (Verkehrswert) der Anteile der H-KG nach dem verbilligten Verkauf des Anteils durch die Miterben höher ist als der gemeine Wert der Anteile der H-KG vor dem verbilligten Verkauf. Dies muss das FG nun ermitteln; dabei ist die Obergrenze für den Ansatz einer Schenkung die Kaufpreisminderung von 1,5 Mio. €.
Hinweise: Angesichts der hohen Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert des Anteils von 1,8 Mio. € und dem vereinbarten Kaufpreis von 300.000 € spricht viel dafür, dass das FG eine Schenkung annehmen wird; möglicherweise fällt der Wert der Schenkung aber niedriger aus als 1,5 Mio. €, weil die Werterhöhung der Anteile an der T-GmbH nicht ganz 1,5 Mio. € beträgt.
Sollte sich eine Schenkung ergeben, gilt für diese nicht die schenkungsteuerliche Begünstigung für Betriebsvermögen. Denn geschenkt wurden nicht Anteile an der T-GmbH, also Betriebsvermögen, sondern nur eine Werterhöhung bereits bestehender GmbH-Anteile.
Bilanzrechtlich wird der Kauf des Anteils durch die T-GmbH als Kapitalherabsetzung und nicht als Anschaffung behandelt; die eigenen Anteile dürfen also nicht bilanziert werden. Diese bilanzrechtliche Behandlung hat allerdings keine Bedeutung für die Schenkungsteuer.
Quelle: BFH, Urteil vom 10.4.2024 – II R 22/21; NWB
18.10.2024
Die Finanzverwaltung des Landes Schleswig-Holsteins hat in einer sog. Kurzinformation zu Einzelfragen der ertragsteuerlichen Behandlung von Influencern, die auf soziale Plattformen (wie z.B. YouTube, Instagram, TikTok oder twitch) tätig sind, Stellung genommen.
Hintergrund: Unter „Influencern“ versteht man Personen, die im Internet Produkte oder Dienstleistungen vorstellen und hierdurch Einnahmen erzielen. Diese Einnahmen können durch sog. Affiliate-Links erzielt werden, auf die die Interessenten klicken, um derartige oder vergleichbare Produkte oder Dienstleistungen zu bestellen. Ferner können sich Einnahmen aus der Werbung, die während der Beiträge geschaltet wird, ergeben. Und schließlich erhalten die „Influencer“ häufig auch Produkte oder Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung gestellt.
Wesentlicher Inhalt der Kurzinformation:
Grundsätzlich erzielt ein sog. Influencer gewerbliche Einkünfte.
Hinweis: Anders ist dies, wenn ein Freiberufler wie z.B. ein Anwalt in einem Internetbeitrag über Verbraucher- oder Mieterrechte informiert. Eine selbständige Tätigkeit, die keine Gewerbesteuer auslöst, kann bei einer objektiven Berichterstattung, z.B. über eine Reise, zu bejahen sein; allerdings dürfen dann vom Auftraggeber keine Reise- oder Übernachtungskosten übernommen worden sein.
Zu den Einnahmen gehören die kostenlos zur Verfügung gestellten Produkte, z.B. Kosmetik, soweit der sog. Influencer das Produkt behalten darf; hier ist der gemeine Wert (Verkehrswert) anzusetzen. Soweit er das Produkt aufbraucht, steht der Einnahme ein gleich hoher Aufwand gegenüber, so dass sich insoweit kein Gewinn ergibt.
Hinweis: Betriebseinnahmen liegen auch dann vor, wenn der Influencer die ihm überlassenen Produkte an seine Follower im Rahmen eines Preisausschreibens weitergibt.
Aufwendungen für Ernährung, Kleidung und Gesunderhaltung sind grundsätzlich nicht absetzbar, weil sie zur privaten Lebensführung gehören. Ein anteiliger Abzug ist wegen des Fehlens eines sachgerechten Aufteilungsmaßstabs in der Regel ebenfalls nicht möglich.
Hinweis: Anders ist dies bei Aufwendungen für typische Berufskleidung, die nicht privat getragen werden kann.
Reisekosten sind absetzbar, wenn sie betrieblich veranlasst sind, z.B. der Besuch eines Kunden oder einer Messe.
Hinweis: Bei einer gemischt veranlassten Reise, die also sowohl betrieblich als auch privat veranlasst ist, kann der betrieblich veranlasste Teil der Reisekosten als Betriebsausgaben abgesetzt werden, soweit dieser Anteil anhand objektiver Kriterien wie z.B. anhand des Zeitanteils ermittelt werden kann.
Ein sog. Influencer-Profil stellt grundsätzlich kein Wirtschaftsgut dar, das in den Betrieb eingelegt werden könnte.
Hinweis: Sollte es doch einen kommerzialisierbaren Teil eines Namensrechts geben, können für die Bewertung die Reichweite (Anzahl der sog. Follower) und die Zusammensetzung des Gewinns (Einnahmen durch sog. Affiliate-Links, Werbung, eigene Produkte) herangezogen werden. Als Nutzungsdauer wird ein Zeitraum von 10 Jahren akzeptiert.
Quelle: Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein, Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2024/9 vom 2.7.2024 - VI 3010 - S 2240 - 190
17.10.2024
Ein GmbH-Gesellschafter kann einen Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens stellen, wenn er im Jahr, für den der Antrag gestellt wird, mit mindestens 25 % an der GmbH beteiligt ist. Es ist unschädlich, wenn er die GmbH-Beteiligung noch im selben Jahr verkauft. Der auf diese Weise wirksam gestellte Antrag gilt nach dem Gesetz auch für die nächsten vier Veranlagungszeiträume, so dass der Gesellschafter noch Finanzierungszinsen für den früheren Erwerb der Beteiligung steuerlich zu 60 % absetzen kann.
Hintergrund: Für Dividenden gilt ebenso wie für andere Kapitaleinkünfte (z.B. Zinsen) grundsätzlich die Abgeltungsteuer von 25 %. Der Abzug von Werbungskosten ist damit ausgeschlossen. Allerdings können GmbH-Gesellschafter, die zu mindestens 1 % an der GmbH beteiligt sind und für die GmbH in einer bestimmten Weise beruflich tätig sind oder die mit mindestens 25 % an der GmbH beteiligt sind, zum Teileinkünfteverfahren optieren: Die Dividenden sind dann zu 60 % steuerpflichtig, und Werbungskosten können im Umfang von 60 % abgezogen werden. Der Antrag gilt nach dem Gesetz auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind.
Sachverhalt: Der Kläger war an der K-GmbH mit 1/3 beteiligt. Den Erwerb der Beteiligung hatte er mit einem Kredit finanziert, der im Jahr 2010 noch nicht abbezahlt war. Im Jahr 2010 verkaufte der Kläger seine Beteiligung. Der Verkaufserlös war geringer als die noch offene Kreditverbindlichkeit. Der Kläger zahlte daher auch noch in den Streitjahren 2011 bis 2014 Zinsen. Für den Veranlagungszeitraum 2010 stellte der Kläger den Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, dem das Finanzamt stattgab. Allerdings wandte das Finanzamt in den Streitjahren 2011 bis 2014 das Teileinkünfteverfahren nicht mehr an und erkannte die Schuldzinsen steuerlich nicht an.
Entscheidung: Der BFH gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Schuldzinsen sind grundsätzlich absetzbar, weil der Kredit für den Erwerb der Beteiligung an der K-GmbH verwendet wurde und der Kläger aus der Beteiligung Kapitalerträge, nämlich Dividenden, erzielte.
Die grundsätzliche Absetzbarkeit blieb auch nach der Veräußerung der Beteiligung im Jahr 2010 bestehen, da der Verkaufserlös niedriger war als die Kreditverbindlichkeit.
Unbeachtlich ist, dass der Kläger aufgrund der Veräußerung seiner Beteiligung in den Jahren 2011 bis 2014 keine Dividenden mehr erzielen konnte.
Zwar ist ein Schuldzinsenabzug im Rahmen der Abgeltungsteuer ausgeschlossen. Der Kläger hatte aber für den Veranlagungszeitraum 2010 einen wirksamen Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gestellt. Denn er war – jedenfalls zu Beginn des Jahres 2010 – mit mindestens 25 % an der K-GmbH beteiligt.
Es genügte, dass die Voraussetzungen des Antrags im Jahr 2010, für das der Antrag gestellt wurde, vorlagen. Nach dem Gesetz ist für die vier Folgejahre 2011 bis 2014 zu unterstellen, dass die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Es ist daher unschädlich, dass der Kläger ab 2011 nicht mehr an einer GmbH beteiligt war.
Hinweise: Die Klage hätte keinen Erfolg gehabt, wenn der Kläger bereits vor 2010 seine Beteiligung veräußert hätte. Denn dann wäre der für 2010 gestellte Antrag nicht wirksam gewesen, weil der Kläger im Jahr 2010 nicht mehr an einer GmbH beteiligt war.
Der BFH hat in einem vergleichbaren Fall ebenfalls einem GmbH-Gesellschafter Recht gegeben. Dieser hatte für den Veranlagungszeitraum 2013 einen wirksamen Antrag gestellt, da er mit mindestens 1 % beteiligt und beruflich für die GmbH tätig war; im Folgejahr hatte er aber seine berufliche Tätigkeit für die GmbH beendet. Dem BFH zufolge war dies unschädlich, weil der Antrag wirksam gestellt worden war und damit auch für die vier Folgejahre galt, ohne dass der Gesellschafter noch für die GmbH beruflich tätig sein musste.
Quelle: BFH, Urteil vom 17.7.2024 – VIII R 37/23; NWB
15.10.2024
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat einen Gesetzesentwurf zur Einführung und Zuteilung der sog. Wirtschafts-Identifikationsnummer vorgelegt. Die Wirtschafts-Identifikationsnummer soll am 30.9.2024 eingeführt werden, und die Zuteilung soll ab dem 1.11.2024 erfolgen.
Hintergrund: Neben der Steuer-Identifikationsnummer, die jeder Steuerpflichtige bereits erhalten hat, sollen alle Unternehmer auch eine Wirtschafts-Identifikationsnummer erhalten, die die bisherige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ablösen soll. Die Wirtschafts-Identifikationsnummer ist zwar bereits vor geraumer Zeit vom Gesetzgeber eingeführt worden, der genaue Zeitpunkt der Einführung sollte aber vom BMF festgelegt werden und wurde immer wieder verschoben.
Wesentlicher Inhalt des Entwurfs:
Die Wirtschafts-Identifikationsnummer soll zum 30.9.2024 eingeführt werden. Die Zuteilung wird voraussichtlich ab dem 1.11.2024 erfolgen.
Unternehmer, denen bis zum 30.9.2024 eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, erfahren im Wege einer öffentlichen Bekanntmachung durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), dass ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ab einem bestimmten Stichtag auch als Wirtschafts-Identifikationsnummer gilt.
Hinweis: Dieser Stichtag könnte der 1.11.2024 sein.
Unternehmer, die bis zum 30.9.2024 noch keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erhalten haben, aber durch einen Bevollmächtigten vertreten werden, erhalten eine elektronische Mitteilung über die Zuteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer, wenn sie oder ihr Bevollmächtigter über ein Benutzerkonto bei der ELSTER-Plattform der Finanzverwaltung verfügen.
Hinweis: In verschiedenen Gesetzen wird die Angabe der Wirtschafts-Identifikationsnummer verlangt, sobald sie zugeteilt worden ist. So muss etwa künftig bei der Grunderwerbsteuer die Wirtschafts-Identifikationsnummer angegeben werden, wenn ein Unternehmer an einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang beteiligt ist. Auch umsatzsteuerlich wird die Wirtschafts-Identifikationsnummer die bisherige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ablösen.
Aktuell liegt nur der Entwurf des BMF vor. Nachdem jahrelang nichts geschehen ist, scheint es nun mit der Einführung und Zuteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer loszugehen, auch wenn der Zeitpunkt angesichts des Entwurfscharakters noch nicht sicher ist.
Quelle: Entwurf des BMF zur Wirtschafts-Identifikationsnummerverordnung (WIdV) vom 25.6.2024; NWB
Nachricht aktualisiert am :
Inzwischen wurde die Wirtschafts-Identifikationsnummer-Verordnung vom Bundesrat verabschiedet und im Bundesgesetzblatt verkündet. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf gab es Änderungen in Bezug auf die Einführung und zeitliche Vergabe der Wirtschafts-Identifikationsnummer:
So wird das BZSt Unternehmern, denen bis zum 30.11.2024 eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde, diese per öffentlicher Bekanntmachung im Bundessteuerblatt als Wirtschafts-Identifikationsnummer zuteilen.
Einem wirtschaftlich Tätigen, der umsatzsteuerlich erfasst oder Kleinunternehmer ist und dem das BZSt bis zum 30.11.2024 noch keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, teilt das BZSt ab dem 1.12.2024 eine Wirtschafts-Identifikationsnummer zu, sofern für diesen ein ELSTER-Konto eingerichtet ist.
Allen übrigen wirtschaftlich Tätigen wird eine Wirtschafts-Identifikationsnummer ab dem 1.7.2025 zugeteilt.
Quelle: Wirtschafts-Identifikationsnummer-Verordnung, BGBl. 2024 I Nr. 293 vom 02.10.2024; NWB
14.10.2024
Der Erwerb und die Vermietung von Seecontainern über eine Containerverwaltungsgesellschaft der Unternehmensgruppe P&R führt zu Kapitaleinkünften, wenn der Anleger mangels konkreter Bezeichnung der Container kein Eigentum erwirbt. Ein Verlust der Kapitalanlage ist daher erst dann absetzbar, wenn sie endgültig verloren ist.
Hintergrund: Eine Vermietung von Immobilien kann zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, aber unter bestimmten Voraussetzungen auch zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Eine Vermietung beweglicher Gegenstände kann zu sonstigen Einkünften oder aber zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen.
Sachverhalt: Der Kläger schloss in den Jahren 2013 und 2016 mit zwei Gesellschaften der P&R-Unternehmensgruppe Verträge über den Kauf und die Verwaltung von Seecontainern. Hierfür bezahlte er insgesamt ca. 55.000 €. Die P&R-Gesellschaften sollten die Container vermieten und die Miete an den Kläger weiterleiten. Der Kläger sollte ein Eigentumszertifikat für die einzelnen von ihm erworbenen Container verlangen können; davon machte er keinen Gebrauch. Ab dem 4. Quartal 2017 zahlten die P&R-Gesellschaften dem Kläger keine Mieten mehr aus. Im Jahr 2018 wurde über das Vermögen der P&R-Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet. Tatsächlich hatten die P&R-Gesellschaften mehr Container verkauft, als es tatsächlich gab. Der Kläger machte im Jahr 2018 seine Kapitalanlagen abzüglich der in den Vorjahren in Anspruch genommenen Abschreibungen auf die Container als Verlust bei den sonstigen Einkünften und alternativ bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend. Das Finanzamt erkannte nur die jährliche Abschreibung als Verlust bei den sonstigen Einkünften an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der Kläger hat Kapitaleinkünfte erzielt. Denn er hat ca. 55.000 € als Kapital den beiden P&R-Gesellschaften überlassen, die das Kapital verwalten sollten.
Der Kläger hat weder Vermietungs- noch gewerbliche Einkünfte erzielt, da er keine Sachherrschaft über die Container erlangt hatte. Die Container, die der Kläger erworben haben soll, waren nämlich nicht konkretisiert; insbesondere hatte der Kläger kein Eigentumszertifikat angefordert, aus dem sich hätte ableiten können, welche Container ihm gehören und von ihm vermietet werden. Mangels Konkretisierung hatte der Kläger auch kein sog. wirtschaftliches Eigentum an den Containern erlangt, aufgrund dessen er wie ein zivilrechtlicher Eigentümer über die Container hätte verfügen können.
Es handelte sich auch nicht um gewerbliche Einkünfte. Der Kläger hat nämlich außer der Unterzeichnung der Containerverwaltungsverträge und der Überweisung seines Geldes keine unternehmerische Tätigkeit unternommen. Insbesondere hat er sich nicht am Markt betätigt. Zwar kann nach der Rechtsprechung eine gewerbliche Tätigkeit angenommen werden, wenn erst durch den anschließenden Verkauf des vermieteten Wirtschaftsguts nach Beendigung der Vermietung ein Gewinn erzielbar ist. Im Streitfall ließ sich aber theoretisch bereits durch die Mieterlöse ein Überschuss erzielen; zudem konnte der Kläger mangels Konkretisierung der Container keine Vermietungstätigkeit ausüben.
Handelt es sich somit um Kapitaleinkünfte, wirkt sich der Verlust aus der Kapitalanlage erst dann aus, wenn das Kapital endgültig verloren ist. Dies war im Streitjahr 2018 noch nicht der Fall, da der Insolvenzverwalter sogleich angekündigt hatte, dass es noch Zahlungen an die Gläubiger geben werde. Tatsächlich hat der Kläger in den Jahren 2020 und 2021 auch noch Rückzahlungen erhalten.
Hinweis: Aus Sicht des FG war die Berücksichtigung eines Verlustes bei den sonstigen Einkünften in Höhe der Abschreibungen falsch, weil bei den sonstigen Einkünften ein Verlust nicht mit anderen Einkünften verrechnet werden darf, sondern nur mit sonstigen Einkünften des Vorjahres oder der Folgejahre.
Die Rechtsprechung ist derzeit nicht einheitlich, soweit es um Verluste von Anlegern der P&R-Containergruppe geht. Nach einer Entscheidung des FG München erzielt ein Anleger gewerbliche Verluste, die eine Forderungsabschreibung ermöglichen; gegen das Urteil des FG München ist Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt worden.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2023 – 8 K 2173/21; abweichend hiervon: FG München, Urteil vom 5.6.2024 – 9 K 1512/22, Rev. beim BFH: Az. III R 23/24; NWB
11.10.2024
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann anzunehmen sein, wenn der Gesellschafter einen Aufwand, den er üblicherweise tragen müsste, nicht tragen muss, weil die GmbH die Aufwendungen trägt und gegenüber dem Gesellschafter keinen Ersatzanspruch geltend macht.
Hintergrund: Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt bei einer Vermögensminderung oder auch verhinderten Vermögensmehrung einer Kapitalgesellschaft vor, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht zu einer offenen Gewinnausschüttung gehört. Die verdeckte Gewinnausschüttung erhöht das Einkommen der Kapitalgesellschaft. Ein typisches Beispiel für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist ein überhöhtes Gehalt für den Gesellschafter-Geschäftsführer oder die Gewährung eines zinslosen Darlehens an den Gesellschafter.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH und gehörte zu einem U.S.-amerikanischen Konzern; Konzernmutter war die X. Die Klägerin schloss in den Jahren 2004 und 2006 Verträge mit dem in Venezuela ansässigen Unternehmen Y. Im Jahr 2007 beschlossen die USA ein Wirtschaftsembargo gegenüber Venezuela. Die X forderte nun die Klägerin zur vorzeitigen Beendigung der mit Y geschlossenen Verträge auf. Daraufhin erhob Y eine Schadensersatzklage gegen die Klägerin; das Verfahren wurde ab 2009 als Schiedsverfahren fortgeführt. Die Klägerin musste im Streitjahr 2011 Verfahrenskosten für das Schiedsverfahren zahlen und bildete bereits ab 2009 eine Rückstellung in ihrem Jahresabschluss für die drohende Schadensersatzverpflichtung, die sie in den Folgejahren 2010 und 2011 erhöhte. Im Jahr 2012 kam es zu einem Vergleich. Das Finanzamt sah in der Zahlung der Verfahrenskosten sowie in der Zuführung zur Rückstellung im Jahr 2011 eine verdeckte Gewinnausschüttung und begründete dies damit, dass die Stornierung der Verträge allein im Interesse der X gelegen habe.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine verdeckte Gewinnausschüttung für denkbar und verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück:
Allein die Zahlung der Verfahrenskosten im Jahr 2011 oder die Zuführung zur Rückstellung wegen einer drohenden Schadensersatzverpflichtung führte nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Denn sowohl die Verfahrenskosten als auch die drohende Schadensersatzpflicht beruhten auf einer eigenen rechtlichen Verpflichtung der Klägerin gegenüber einem fremden Dritten (Justizkasse bzw. Y). Daher war eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zu verneinen.
Denkbar ist jedoch der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung unter dem Gesichtspunkt einer Aufwandsersparnis der X. An sich hätte die Konzernmutter der Klägerin die Verfahrenskosten tragen und den Schadensersatz an die Y leisten müssen, weil die X die Klägerin zur Stornierung der Verträge veranlasst hat. Dadurch, dass die Klägerin die Kosten tragen musste und keinen Erstattungsanspruch gegen die X geltend gemacht hat, hat sich die X eigenen Aufwand erspart. Diese Ersparnis war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und hat bei der Klägerin eine Vermögensmehrung verhindert.
Die verdeckte Gewinnausschüttung ist in dem Jahr anzusetzen, in dem der Erstattungsanspruch hätte bilanziert werden müssen. Dies war hinsichtlich der im Jahr 2011 gezahlten Verfahrenskosten sowie der im Jahresabschluss 2011 vorgenommenen Zuführung zur Rückstellung das Streitjahr 2011.
Hinweis: Der BFH gab der Klage aber nicht statt, sondern verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, weil die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis noch nicht abschließend feststand. Es ist nämlich denkbar, dass die Stornierung der Verträge nicht von der X ausging, sondern aus dem U.S.-amerikanischen Embargo folgte, da die Klägerin zu einem U.S.-amerikanischen Konzern gehörte. In diesem Fall wären die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung zu verneinen. Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob sich die Verpflichtung zum Vertragsbruch aus dem Embargo ergab.
Quelle: BFH, Urteil vom 22.5.2024 – I R 2/21; NWB
09.10.2024
In einigen Bundesländern sind aktuell mehrere Fälle von gefälschten Steuerbescheiden mit Zahlungsaufforderungen bekannt geworden. Bisher sind Fälle aus der Hansestadt Bremen, dem Freistaat Sachsen und Sachsen-Anhalt bekannt. Auch Steuerpflichtige in Thüringen und in anderen Bundesländern könnten Opfer der neuen Betrugsmasche werden. Hierauf weist das Thüringer Finanzministerium hin.
Die gefälschten Steuerbescheide sind per Post bei den Steuerbürgern angekommen. Darin werden diese aufgefordert, binnen einer Woche Einkommensteuer nachzuzahlen. Einige der Betroffenen haben sich aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der vermeintlichen Steuerbescheide an das für sie örtlich zuständige Finanzamt gewandt. Dabei stellte sich heraus, dass die Steuerbescheide gefälscht sind. In den Bescheiden sind lediglich der Name und die Adresse der Steuerpflichtigen korrekt. Im Übrigen sind alle Angaben (auch die Steuernummer) falsch bzw. können nicht zugeordnet werden.
In einem Fall war sogar die zur Zahlung angegebene IBAN unvollständig, so dass in diesem Fall eine Zahlung nicht möglich gewesen wäre.
Hinweis: Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch Thüringer Steuerbürger von dieser Betrugsmasche betroffen sind, wird empfohlen, bei per Post übermittelten Steuerbescheiden zunächst die Steuernummer und / oder Steueridentifikationsnummer zu prüfen. Sollte diese nicht korrekt oder unvollständig sein, sollten sich die Betroffenen umgehend an ihr örtlich zuständiges Finanzamt wenden und um Überprüfung bitten. Auch die angegebene Bankverbindung des Finanzamts sollte mit früheren Angaben verglichen werden.
Quelle: Thüringer Finanzministerium, Pressemitteilung v. 9.10.2024; NWB
08.10.2024
Geht ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag einer Personengesellschaft im Wege der sog. Anwachsung auf eine bereits als Gesellschafterin beteiligte Kapitalgesellschaft über und verkauft die Kapitalgesellschaft später den verlustverursachenden Geschäftsbereich, führt dies nicht zum Untergang des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags. Für einen Untergang gibt es nämlich keine Rechtsgrundlage.
Hintergrund: Entsteht ein gewerbesteuerlicher Verlust, wird dieser als Verlustvortrag festgestellt und kann mit künftigen Gewinnen verrechnet werden. Nach allgemeinen Grundsätzen setzt die Nutzung eines gewerbesteuerlichen Verlustvortrags aber die Unternehmeridentität sowie die Unternehmensidentität voraus. Das bedeutet, dass sowohl der Unternehmer als auch der Unternehmensgegenstand im Jahr der Verlustentstehung sowie im Zeitpunkt des Verlustabzugs identisch sein müssen.
Sachverhalt: Für die A-GmbH & Co. KG wurde zum 31.12.2010 ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag i. H. von ca. 35 Mio. € festgestellt. An der A-GmbH & Co. KG war eine mit 0 % am Vermögen beteiligte Komplementär-GmbH sowie die Klägerin, die ebenfalls eine GmbH war, als Kommanditistin zu 100 % am Vermögen beteiligt. Im Jahr 2011 wurde die Komplementär-GmbH auf die Klägerin verschmolzen, so dass es nur noch einen Gesellschafter der A-GmbH & Co. KG gab; deshalb ging das Vermögen der A-GmbH & Co. KG auf die Klägerin über (sog. Anwachsung). Auch der gewerbesteuerliche Fehlbetrag von 35 Mio. € ging auf die Klägerin über. Zum 31.12.2012 stieg der gewerbesteuerliche Verlustvortrag aufgrund der in den Jahren 2011 und 2012 erlittenen Verluste auf ca. 43 Mio. €. Im Jahr 2013 veräußerte die Klägerin das operative Geschäft, das von der A-GmbH & Co. KG auf sie übergegangen war, und war fortan nur noch als Holdinggesellschaft tätig. Das Finanzamt kürzte den gewerbesteuerlichen Fehlbetrag zum 31.12.2013 um 35 Mio. € mit der Begründung, dass aufgrund des Verkaufs keine Unternehmensidentität mehr bestehe.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2013 beträgt 43 Mio. €, weil der Verlust nicht aufgrund des Verkaufs des operativen Geschäfts untergegangen ist. Für einen derartigen Untergang fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Zwar kann es nach dem Gesetz zu einem Verlustuntergang kommen, wenn der Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht. Im Streitfall war diese Voraussetzung aber nicht erfüllt, weil die Klägerin lediglich ihr operatives Geschäft verkauft hat, nicht aber ihren gesamten Gewerbebetrieb im Jahr 2013 übertragen hat.
Auch die weitere Voraussetzung für den Erhalt eines gewerbesteuerlichen Verlustvortrags, nämlich die Unternehmer- und Unternehmensidentität, war erfüllt.
Die Unternehmeridentität der Klägerin als GmbH war zwischen den Beteiligten nicht streitig. An der Klägerin als GmbH hatte sich nichts geändert.
Die Unternehmensidentität bestand ebenfalls. Denn bei einer Kapitalgesellschaft ist die Unternehmensidentität grundsätzlich gegeben, weil ihre Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, und zwar auch im Anschluss an eine Anwachsung.
Hinweis: Im Gegensatz zu einer Kapitalgesellschaft ist bei einer Personengesellschaft die Unternehmensidentität zu prüfen. Diese wäre im Streitfall wohl zu verneinen gewesen, weil die Personengesellschaft nach dem Verkauf des operativen Geschäfts nicht mehr selbst wirtschaftlich aktiv gewesen wäre, sondern nur noch als Holding tätig geworden wäre.
Quelle: BFH, Urteil vom 25.4.2024 – III R 30/21; NWB
07.10.2024
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat September 2024 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2024 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 1.10..2024 - III C 3 - S 7329/19/10001 :006 (2024/0861102); NWB
04.10.2024
Das Bundesfinanzministerium (BMF) nimmt zur Weiterbeschäftigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der bereits die Altersgrenze erreicht hat und deshalb Pensionszahlungen von der GmbH erhält, Stellung. Dabei akzeptiert das BMF grundsätzlich die Zahlung sowohl einer Pension als auch eines Geschäftsführergehalts, sofern die Höhe der letzten Aktivbezüge vor dem Erreichen der Altersgrenze insgesamt nicht überschritten wird und es sich nicht um eine Teilzeitbeschäftigung handelt.
Hintergrund: Gewinnminderungen einer Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, werden als verdeckte Gewinnausschüttung dem Einkommen der Kapitalgesellschaft wieder hinzugerechnet. Hierzu zählt z.B. ein überhöhtes Gehalt für den Gesellschafter-Geschäftsführer. Auch der gleichzeitige Bezug von Versorgungsleistungen und einer Geschäftsführervergütung durch einen GmbH-Gesellschafter kann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen. Der BFH hat im Jahr 2023 eine verdeckte Gewinnausschüttung jedoch verneint, wenn das Geschäftsführergehalt des weiterbeschäftigten Gesellschafters zusammen mit den Pensionsbezügen die Höhe der letzten Aktivbezüge vor dem Erreichen der Altersgrenze nicht überschreitet.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen Schreibens des BMF:
Das BMF akzeptiert die neue BFH-Rechtsprechung, wonach die Weiterbeschäftigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt, wenn das Geschäftsführergehalt reduziert wird und zusammen mit den Versorgungsbezügen die Höhe der letzten Aktivbezüge vor dem Erreichen der Altersgrenze nicht überschreitet.
Hinweis: Im Ergebnis darf der weiterbeschäftigte Gesellschafter-Geschäftsführer also nicht mehr von der GmbH erhalten, als er bis zum Erreichen der Altersgrenze bekommen hat. Das bis zum Erreichen der Altersgrenze bezogene Geschäftsführergehalt ist rechnerisch um die Pensionszahlungen zu kürzen und stellt die Obergrenze für das neue Geschäftsführergehalt nach der Weiterbeschäftigung dar.
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn in der Pensionszusage ein Kapitalwahlrecht vereinbart worden ist, so dass der Gesellschafter-Geschäftsführer anstelle der Altersrente eine Abfindung in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtung fordern darf.
Das BMF akzeptiert jedoch keine Teilzeitbeschäftigung des pensionierten Gesellschafter-Geschäftsführers, weil es eine Teilzeittätigkeit mit dem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers für nicht vereinbar hält.
Hinweis: Damit widerspricht das BMF dem BFH, der eine Teilzeitbeschäftigung des pensionierten Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich hält. Dem BFH zufolge ist allerdings die steuerliche Obergrenze entsprechend zu kürzen. Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer also vor dem Erreichen der Altersgrenze 200.000 € verdient, darf er bei einer Weiterbeschäftigung im Umfang von 50 % nun maximal 100.000 € als Summe aus Pensionszahlungen und Geschäftsführervergütung beziehen.
Hinweis: Im Regelfall ist nach dem aktuellen BMF-Schreiben eine Weiterbeschäftigung eines pensionierten Gesellschafter-Geschäftsführers, der bereits Pensionszahlungen von seiner GmbH bezieht, möglich, wenn man die Obergrenze beachtet, also die Höhe der letzten Aktivbezüge vor dem Erreichen der Altersgrenze. Eine Teilzeitbeschäftigung eines pensionierten Gesellschafter-Geschäftsführers ist hingegen problematisch, weil sie zum Streit mit dem Finanzamt führen dürfte, so dass der Rechtsweg zum Finanzgericht beschritten werden müsste.
Das aktuelle BMF-Schreiben ist in allen noch offenen Fällen anwendbar.
Quelle: BMF vom 30.8.2024 - IV C 2-S 2742/22/10003 :009; NWB
02.10.2024
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich zur sog. inkongruenten Gewinnausschüttung bei Kapitalgesellschaften geäußert, bei der eine Gewinnausschüttung abweichend von der Beteiligungsquote erfolgt. Das BMF reagiert damit auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Hintergrund: Bei Kapitalgesellschaften erfolgt die Gewinnausschüttung grundsätzlich auf der Grundlage der Beteiligungsquote. Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber auch eine hiervon abweichende (inkongruente) Gewinnausschüttung vorgenommen werden. Der BFH hat im Jahr 2022 die Möglichkeit einer inkongruenten Gewinnausschüttung bei einer GmbH erweitert. Hierauf reagiert nun das BMF.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen Schreibens des BMF:
Das BMF erkennt die Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2022 an. Danach ist eine einstimmig beschlossene inkongruente Gewinnausschüttung bei einer GmbH steuerlich zu akzeptieren.
Dies gilt auch dann, wenn die inkongruente Gewinnausschüttung weder in der Satzung vereinbart ist noch eine sog. Öffnungsklausel, die inkongruente Gewinnausschüttungsbeschlüsse ermöglicht, in der Satzung enthalten ist.
Hinweis: Aufgrund seiner Einstimmigkeit ist der satzungsdurchbrechende Beschluss zivilrechtlich wirksam, da er nicht angefochten werden kann.
Der Beschluss darf allerdings nur punktuell wirken, also nur für ein Wirtschaftsjahr. Er darf keine Dauerwirkung haben; eine unzulässige Dauerwirkung bestünde auch bei einer Befristung für nur wenige Wirtschaftsjahre. Bei einer Dauerwirkung wäre der Beschluss nichtig und deshalb zivilrechtlich unwirksam.
Hinweis: Eine Dauerwirkung eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses wäre nur dann zulässig, wenn bei der Beschlussfassung alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung eingehalten würden. Der Beschluss müsste also insbesondere notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen werden.
Über den vorstehend genannten satzungsdurchbrechenden Beschluss hinaus ist eine inkongruente Gewinnausschüttung zulässig, wenn sie im Gesellschaftsvertrag vereinbart wird oder wenn der Gesellschaftsvertrag eine Öffnungsklausel enthält, wonach eine inkongruente Gewinnverteilung mit einer bestimmten Mehrheit beschlossen werden kann und der Beschluss dann mit der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Mehrheit gefasst wird.
Bei einer AG genügen eine Öffnungsklausel oder ein satzungsdurchbrechender Beschluss nicht. Eine inkongruente Gewinnausschüttung setzt vielmehr voraus, dass bereits in der Satzung der AG ein abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt worden ist.
Hinweis: Das BMF folgt auch der weiteren BFH-Rechtsprechung zur sog. zeitlich inkongruenten Gewinnausschüttung. Hier erhält der Minderheitsgesellschafter eine Ausschüttung entsprechend seiner Beteiligungsquote, während der Gewinnanteil für den Mehrheitsgesellschafter in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird. Sowohl nach dem BFH als auch nach dem BMF kommt es damit beim Mehrheitsgesellschafter nicht zu einem Zufluss von Kapitalerträgen, da die Einstellung des Gewinnanteils in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage keine Ausschüttung darstellt.
Das aktuelle BMF-Schreiben ist in allen noch offenen Fällen anwendbar.
Quelle: BMF, Schreiben vom 4.9.2024 – IV C 2 – S 2742/19/10004 :003; NWB
01.10.2024
Bei verspäteter Abgabe einer Steuererklärung ist grundsätzlich die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vorgesehen. Ergibt sich aus dem Steuerbescheid aber eine Erstattung, so steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Ermessen des Finanzamts. Bei der Ermessensausübung sind neben dem Verschulden des Steuerpflichtigen auch weitere Kriterien wie z.B. die Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung zu berücksichtigen.
Hintergrund: Bei verspäteter Abgabe einer Steuererklärung droht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags. Der Gesetzgeber sieht in bestimmten Fällen zwingend die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vor, in anderen Fällen steht die Festsetzung im Ermessen des Finanzamts, z.B. im Fall einer Steuererstattung.
Sachverhalt: Die durch einen Steuerberater vertretenen Kläger gaben ihre Einkommensteuererklärung für 2020 erst am 29.3.2023 ab, obwohl die Abgabefrist am 31.8.2022 geendet hatte. Der Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 24.5.2023 führte zu einer Erstattung in Höhe von ca. 9.000 €. Das Finanzamt setzte einen Verspätungszuschlag in Höhe von 175 € fest und begründete dies damit, dass für jeden der sieben Monate Verspätung der Mindestzuschlag von 25 € pro Monat zugrunde gelegt worden sei, also insgesamt 175 €. Die Kläger hätten die Abgabe der Steuererklärung verschuldet. Die Kläger wandten sich gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vor. Die Kläger hatten die Steuererklärung für 2020, zu deren Abgabe sie verpflichtet waren, sieben Monate verspätet abgegeben.
Die Verspätung war nicht entschuldbar. Die Kläger haben ihren Steuerberater erstmals zum 9.3.2023 beauftragt; zu diesem Zeitpunkt war die Abgabefrist, die am 31.8.2022 geendet hatte, längst abgelaufen. Eine etwaige Arbeitsüberlastung des Steuerberaters im Zeitraum bis zum 9.3.2023 kann damit nicht ursächlich für die Verspätung gewesen sein, da er bis zu diesem Zeitpunkt nicht beauftragt worden war.
Das Finanzamt hat jedoch sein Ermessen, ob es einen Verspätungszuschlag festsetzt (sog. Entschließungsermessen), fehlerhaft ausgeübt. Da sich aus dem Steuerbescheid für 2020 eine Erstattung ergab, stand die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Ermessen des Finanzamts. Bei seiner Ermessensausübung muss das Finanzamt die Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung, den Umstand einer Erstattung sowie das Verschulden berücksichtigen. Im Streitfall hat sich das Finanzamt allein auf die Verspätung und auf das Verschulden der Kläger gestützt. Es hat aber weder berücksichtigt, dass die Steuerfestsetzung zu einer Erstattung geführt hat, noch hat es die Dauer und Häufigkeit der aktuellen Fristüberschreitung sowie der bisherigen Fristüberschreitungen in seine Erwägungen einbezogen.
Hinweis: Ein Verspätungszuschlag wird vermieden, wenn eine Fristverlängerung beantragt und gewährt wird. Die Fristverlängerung wird allerdings nicht gewährt, wenn den Steuerpflichtigen oder seinen Steuerberater ein Verschulden an der Verspätung trifft. So gilt Arbeitsüberlastung nach Auffassung der Finanzverwaltung als Verschulden.
Fristen können auch rückwirkend verlängert werden. Allerdings setzt dies ebenfalls fehlendes Verschulden voraus.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 14.6.2024 - 4 K 2351/23; Revision zugelassen, jedoch nicht eingelegt; NWB
30.09.2024
Ermittelt der Unternehmer seinen Gewinn nicht durch Bilanzierung, sondern durch Einnahmen-Überschussrechnung, kann er eine wertlos gewordene GmbH-Beteiligung, die zu seinem Betriebsvermögen gehört, in dem Jahr als Betriebsausgabe berücksichtigen, in dem die finanziellen Mittel, die er für den Erwerb der GmbH-Beteiligung aufgewendet hat, endgültig verloren gegangen sind.
Hintergrund: Eine GmbH-Beteiligung kann zum Betriebsvermögen oder aber auch zum Privatvermögen gehören. Wird die Beteiligung wertlos oder aufgegeben oder mit Verlust veräußert, wird der Verlust grundsätzlich steuerlich berücksichtigt, da auch Gewinne und Verluste aus GmbH-Beteiligungen, die zum Privatvermögen gehören, steuerlich zu Einkünften führen.
Sachverhalt: Der Kläger war Einzelunternehmer und zu 50 % an einer GmbH beteiligt. Im Rahmen seines gewerblichen Einzelunternehmens erbrachte er Leistungen an die GmbH. Die GmbH geriet im Jahr 2000 in Zahlungsschwierigkeiten und stellte im Jahr 2007 ihren Geschäftsbetrieb ein. Im Jahr 2008 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet; nach den Angaben des Insolvenzverwalters war für die Gläubiger eine Quote von lediglich 0,1 % zu erwarten. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn bis einschließlich 2008 durch Bilanzierung und stellte ab 2009 seine Gewinnermittlung auf eine Einnahmen-Überschussrechnung nach Zufluss- und Abflussgesichtspunkten um. Der Kläger machte für das Jahr 2012 und hilfsweise für das Jahr 2013 einen Verlust aus der Wertlosigkeit der GmbH-Beteiligung geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage dem Grunde nach ab:
Eine Berücksichtigung des Verlustes der GmbH-Beteiligung nach den Vorschriften für wesentliche GmbH-Beteiligungen des Privatvermögens schied aus, weil die Beteiligung an der GmbH zum Betriebsvermögen gehörte. Bei der GmbH handelte es sich nämlich um einen Großkunden des Klägers, so dass er die Beteiligung im Zeitpunkt ihres Erwerbs zu Recht seinem Betriebsvermögen zugeordnet hatte. Eine spätere Entnahme war nicht erfolgt. Auch der Wechsel der Gewinnermittlung von der Bilanzierung zur Einnahmen-Überschussrechnung führte nicht zu einer Entnahme.
Eine Berücksichtigung als laufende Betriebsausgabe im Rahmen der gewerblichen Einkünfte ist grundsätzlich möglich, auch wenn der Kläger in den Streitjahren 2012 und 2013 seinen Gewinn durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte. Auch bei einer Einnahmen-Überschussrechnung kann der Verlust einer zum Betriebsvermögen gehörenden GmbH-Beteiligung berücksichtigt werden. Der Zeitpunkt hierfür ist das Jahr, in dem die Mittel, die für den Erwerb der GmbH-Beteiligung aufgewendet wurden, endgültig verlorengegangen sind.
Dieser Zeitpunkt war allerdings das Jahr 2008 und nicht das Streitjahr 2012 oder Streitjahr 2013. Die GmbH war nämlich bereits seit dem Jahr 2000 in finanziellen Schwierigkeiten, hatte im Jahr 2007 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt und befand sich im Jahr 2008 im Insolvenzverfahren; nach einer Auskunft des Insolvenzverwalters aus dem Jahr 2008 war eine Insolvenzquote von lediglich 0,1 % zu erwarten.
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, weil es nach dem bisherigen Klägervortrag im Verfahren möglich ist, dass der Kläger noch im Jahr 2013 Zahlungen in das Vermögen der GmbH geleistet hat. Dies muss das FG noch aufklären, da diese Zahlungen als Betriebsausgaben des Jahres 2013 berücksichtigt werden könnten.
Hinweis: Der BFH macht deutlich, dass auch im Rahmen einer Einnahmen-Überschussrechnung ein Verlust, der sich aus dem Wertverfall einer zum Betriebsvermögen gehörenden GmbH-Beteiligung ergibt, gewinnmindernd berücksichtigt werden kann. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine sog. Teilwertabschreibung, die aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung in Anspruch genommen werden kann und die nur bei der Bilanzierung zulässig ist, nicht aber bei der Einnahmen-Überschussrechnung. Vielmehr geht es um den vollständigen Verlust der Beteiligung.
Der Kläger hätte den Verlust bereits früher geltend machen sollen, nämlich spätestens im Jahr 2008. Da er bis einschließlich 2008 bilanziert hatte, hätte er bis 2008 auch Teilwertabschreibungen vornehmen können und müssen, weil es nach der bis einschließlich 2008 geltenden Rechtslage die Pflicht bei der Bilanzierung gab, Teilwertabschreibungen im Fall der dauernden Wertminderung vorzunehmen. Seit 2009 ist die Vornahme einer Teilwertabschreibung bei der Steuerbilanz ein Wahlrecht.
Quelle: BFH, Urteil vom 31.1.2024 – X R 11/22; NWB
27.09.2024
Der Abriss eines formaldehydbelasteten Einfamilienhauses, das den zulässigen Grenzwert geringfügig überschreitet, und der anschließende Neubau führen nicht zu außergewöhnlichen Belastungen, wenn der Abriss nicht notwendig war, sondern die Belastung mit Formaldehyd durch weniger aufwendige Maßnahmen hätte beseitigt werden können.
Hintergrund: Zu den außergewöhnlichen Belastungen gehören Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder Hochwasser.
Sachverhalt: Der Kläger erwarb vor 2002 ein Grundstück, das mit einem Einfamilienhaus bebaut war, zum Kaufpreis von 565.000 DM. Das Einfamilienhaus nutzte der Kläger zu 73,85 % zu eigenen Wohnzwecken und vermietete es im Übrigen. Im Jahr 2017 ließ der Kläger das Haus baubiologisch untersuchen. Der Gutachter stellte im Rahmen eines sog. Kurzberichts eine Formaldehydkonzentration von 0,112 ppm fest, die über dem Grenzwert von 0,1 ppm lag. Der Gutachter schlug verschiedene Reduzierungsmaßnahmen wie z.B. Abdichtungen vor. Der Kläger entschied sich jedoch für den Abriss des Hauses und ließ einen Neubau errichten. Ihm entstanden hierbei Kosten für den Abriss und Neubau in Höhe von ca. 260.000 €, die er im Umfang der Selbstnutzung von 73,85 % als außergewöhnliche Belastungen geltend machte. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar können Aufwendungen für die Beseitigung einer konkreten Gesundheitsgefährdung, die von einem existenznotwendigen Gegenstand wie einem Einfamilienhaus ausgehen, außergewöhnliche Belastungen sein. Hierzu kann auch die Beseitigung einer Belastung durch Formaldehyd gehören.
Die vom Steuerpflichtigen getroffenen Maßnahmen müssen aber notwendig sein, um die Formalaldehydbelastung zu beseitigen.
An der Notwendigkeit fehlte es im Streitfall. So war bereits nicht erkennbar, ob die Belastung mit Formaldehyd vom gesamten Haus oder nur von einzelnen Bauteilen ausging, etwa von den Holzbalken oder den Spanplatten.
Zudem hatte der Gutachter nur Minimierungsmaßnahmen empfohlen, um die Belastung mit Formaldehyd unter den zulässigen Grenzwert von 0,1 ppm zu senken. Zu den empfohlenen Maßnahmen gehörten die Abdichtung von Fugen und Öffnungen sowie eine Verbesserung der Ent- und Belüftung. Einen Abriss und Neubau hatte der Gutachter nicht vorgeschlagen.
Hinweis: Der Kläger hatte noch ein ärztliches Attest vorlegt, das dem FG aber nicht konkret genug war, da detaillierte Angaben zum zeitlichen Verlauf und zur Schwere der Krankheiten, zu den bereits eingetretenen Gesundheitsschäden sowie zum Zusammenhang zwischen den Symptomen und der Formaldehydkonzentration fehlten.
Das FG lehnte es auch ab, die Kosten, die bei Durchführung der vom Gutachter vorgeschlagenen Minimierungsmaßnahmen entstanden wären, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn der Besteuerung darf nur der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde gelegt werden.
Hätte das FG den Abriss und Neubau für notwendig erachtet, wäre ein Abzug „neu für alt“ erforderlich geworden. Der Kläger hätte sich also die bei einem Neubau ergebende Wertverbesserung im Wege des sog. Vorteilsausgleichs anrechnen lassen müssen.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.2.2024 – 1 K 1855/21; NWB
25.09.2024
Betreiben ausschließlich Ärzte ein Corona-Testzentrum, sind die Einkünfte aus dem Testzentrum freiberuflich und lösen keine Gewerbesteuer aus. Dies galt jedenfalls im Jahr 2020 aufgrund der zu Beginn der Corona-Krise bestehenden Bedeutung der ärztlichen Durchführung von Corona-Tests.
Hintergrund: Freiberufliche Einkünfte unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Zu den freiberuflichen Einkünften gehören insbesondere die Einkünfte von Ärzten, Rechtsanwälten, Künstlern und Architekten.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die im Jahr 2020 ein Testzentrum betrieb. An der GbR waren eine Fachärztin für Laboratoriumsmedizin sowie eine andere Ärzte-GbR, an der zwei Allgemeinmediziner beteiligt waren, beteiligt. Das Testzentrum befand sich außerhalb der Praxisräume der an der Klägerin beteiligten Ärzte bzw. Ärzte-GbR. Sämtliche Test-Abstriche wurden von den drei Ärzten vorgenommen; erforderliche Laborleistungen wurden ausgelagert. Gelegentlich half der Sohn der Laboratoriumsärztin, der Medizinstudent war, bei den Abstrichen mit. Die Leistungen des Testzentrums wurden über die Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet. Das Finanzamt stellte die Einkünfte des Testzentrums als gewerblich fest. Hiergegen erhob die Klägerin Klage.
Entscheidung: Das Finanzgericht Köln (FG) gab der Klage statt:
Der Betrieb eines Corona-Testzentrums im Jahr 2020 führte zu freiberuflichen Einkünften. Denn ein Corona-Test und der damit verbundene Nasen- oder Rachenabstrich gehört zur ärztlichen Tätigkeit, da der Abstrich dazu dient, eine Erkrankung festzustellen.
Der Freiberuflichkeit stand nicht entgegen, dass ein Abstrich eine einfache Tätigkeit darstellt, die auch von nicht ärztlichem Personal durchgeführt werden kann. Denn es gibt auch andere ärztliche Tätigkeiten, die einfach sind, z.B. das Messen des Blutdrucks, das Fiebermessen oder das Anlegen eines Verbands. Trotz der Einfachheit sind diese Tätigkeiten ebenso wie die Vornahme eines Abstrichs jedoch eine berufstypische, d.h. ärztliche Tätigkeit.
Für eine Einstufung als ärztliche und damit freiberufliche Tätigkeit spricht weiterhin, dass zu Beginn der Corona-Krise im Jahr 2020 die Tätigkeit von Ärzten bei der Vornahme von Corona-Tests als wichtig angesehen wurde und ein höheres Maß an Sicherheit und Gesundheitsvorsorge garantieren sollte. Die Durchführung der Tests in einem ausgelagerten Testzentrum diente ferner dazu, die Ansteckungsgefahr in den Arztpraxen zu mindern.
Hinweis: Das Urteil betrifft das Jahr 2020. Das FG begründet seine Entscheidung vor allem mit den besonderen Umständen und der Bedeutung der ärztlichen Durchführung von Corona-Tests zu Beginn der Corona-Krise. Erst ab April 2021 wurde der Antigen-Schnelltest eingeführt, der auch von nicht ärztlich organisierten Testzentren durchgeführt wurde.
Die Einstufung einer Personengesellschaft als freiberuflich verlangt im Übrigen, dass alle Gesellschafter Freiberufler, im Streitfall also Ärzte, sind. Zwar gab es neben der Laboratoriumsmedizinerin noch eine weitere Ärzte-GbR als Gesellschafterin; insoweit genügte es aber, dass deren Gesellschafter, die beiden Allgemeinmediziner, zumindest in geringfügigem Umfang leitend und eigenverantwortlich bei der Klägerin tätig waren. Soweit auch noch der Sohn der Laboratoriumsmedizinerin, der ein Medizinstudent war, Abstriche vorgenommen hatte, führte dies nicht zur Gewerblichkeit. Denn nach der Überzeugung des FG wurde er nur unter Mitwirkung und unter Aufsicht seiner Mutter, der Fachärztin für Laboratoriumsmedizin, tätig.
Quelle: FG Köln, Urteil vom 24.4.2024 - 3 K 910/23; NWB
24.09.2024
Das Bundesfinanzministerium teilt mit, dass ab 2025 die Pflicht besteht, den Einsatz oder die Außerbetriebnahme elektronischer Registrierkassen mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung sowie den Einsatz oder die Außerbetriebnahme eines EU-Taxameters oder Wegstreckenzählers dem Finanzamt elektronisch mitzuteilen. Hierdurch soll das Finanzamt Kenntnis darüber erlangen, welche elektronischen Aufzeichnungssysteme, die mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung versehen sind, der Unternehmer in seinen Betriebsstätten einsetzt.
Hintergrund: Elektronische Registrierkassen und PC-Kassen müssen grundsätzlich mit einer sog. zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung ausgestattet sein, die eine Manipulation verhindern soll. Entsprechendes gilt für EU-Taxameter und Wegstreckenzähler, die vergleichbare Sicherheitsmodule enthalten. Der Gesetzgeber hat bereits geregelt, dass Unternehmer eine Mitteilungsverpflichtung über den Einsatz oder die Verwendung derartiger Systeme erfüllen müssen; bislang war diese Mitteilungspflicht jedoch ausgesetzt, weil noch kein Verfahren zur elektronischen Übermittlung der Mitteilung eingerichtet war.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen Schreibens des BMF:
Ab dem 1.1.2025 wird die Mitteilungspflicht nun umgesetzt. Unternehmer, die ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwenden oder außer Betrieb nehmen, müssen das Finanzamt hierüber informieren und hierzu die offiziellen elektronischen Übermittlungsmöglichkeiten verwenden. Dies gilt auch für eine Mitteilung über den Einsatz und die Außerbetriebnahme von EU-Taxametern und Wegstreckenzählern.
In der Mitteilung ist u.a. anzugeben, welches elektronische Aufzeichnungssystem (einschließlich EU-Taxameter und Wegstreckenzähler) und welche zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verwendet oder außer Betrieb genommen wird. Dabei sind die Anzahl der jeweiligen Systeme bzw. Sicherheitseinrichtungen und das Datum der Anschaffung bzw. Außerbetriebnahme anzugeben.
Für die Mitteilung gelten die folgenden Fristen:
Ist das elektronische Aufzeichnungssystem (einschließlich EU-Taxameter und Wegstreckenzähler) vor dem 1.7.2025 angeschafft worden, muss die Mitteilung bis zum 31.7.2025 erfolgen.
Ist das elektronische Aufzeichnungssystem ab dem 1.7.2025 angeschafft worden, muss die Mitteilung innerhalb eines Monats nach Anschaffung erfolgen.
Wird ein elektronisches Aufzeichnungssystem, das dem Finanzamt gemeldet worden ist, ab dem 1.7.2025 außer Betrieb genommen, ist dies ebenfalls dem Finanzamt innerhalb eines Monats nach Außerbetriebnahme mitzuteilen.
Ist das elektronische Aufzeichnungssystem vor dem 1.7.2025 endgültig außer Betrieb genommen worden, muss dies nur dann mitgeteilt werden, wenn die Anschaffung dem Finanzamt bereits mitgeteilt worden ist.
Hinweis: Die Mitteilungspflicht gilt auch dann, wenn das elektronische Aufzeichnungssystem (einschließlich Taxameter und Wegstreckenzähler) gemietet oder geleast worden ist, also nicht im Eigentum des mitteilungspflichtigen Unternehmers steht.
Quelle: BMF-Schreiben vom 28.6.2024 - IV D 2 – S 0316-a/19/10011 :009; NWB
20.09.2024
Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die Entsorgung gefährlicher Chemikalien, die ein Entsorgungsfachbetrieb vornimmt, richtet sich nach dem vereinbarten Entsorgungspreis. Sie erhöht sich nicht um den Wert der verunreinigten Chemikalien, die der Entsorgungsfachbetrieb nach entsprechender Verwertung als sog. Regenerat ggf. wieder verkaufen kann.
Hintergrund: Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage ist das Entgelt. Besteht das Entgelt für eine sonstige Leistung (Dienstleistung) in einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung, spricht man von einem tauschähnlichen Umsatz; in diesem Fall gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Wird zusätzlich noch Geld gezahlt, nennt man dies einen tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe, so dass als Bemessungsgrundlage der gezahlte Betrag zuzüglich des Wertes des anderen Umsatzes anzusetzen ist.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die einen Entsorgungsfachbetrieb für Chemikalien betrieb. Sie holte bei ihren Kunden verunreinigte Chemikalien ab, um sie fachgerecht zu entsorgen. Sie löste die Verunreinigungen aus den Chemikalien heraus und entsorgte diese; die auf diese Weise gereinigten Chemikalien veräußerte die Klägerin als sog. Regenerat, falls die Qualität dies hergab. Das Finanzamt setzte als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage den Entsorgungspreis sowie den Wert des Regenerats an, weil es einen tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe annahm.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Ein tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe setzt voraus, dass der Vertragspartner neben der Zahlung noch eine Lieferung oder sonstige Leistung (Dienstleistung) erbringt.
Die Überlassung der verunreinigten Chemikalien stellte keine sonstige Leistung der Kunden an die Klägerin dar.
Es handelte sich bei der Überlassung der verunreinigten Chemikalien auch nicht um eine Lieferung an die Klägerin, da der Klägerin keine Verfügungsmacht an den Chemikalien verschafft wurde. Die Übergabe der Chemikalien an die Klägerin erfolgte nämlich nur zum Zweck der Entsorgung nach den gesetzlichen Vorschriften; die Klägerin sollte über die verunreinigten Chemikalien nicht frei verfügen können.
Gegen eine Lieferung von Chemikalien spricht zudem, dass die verunreinigten Chemikalien keine marktfähige Handelsware darstellten und dass nicht stets ein Regenerat hergestellt werden konnte.
Unbeachtlich ist, dass die verunreinigten Chemikalien nach der Reinigung in Gestalt des sog. Regenerats einen Wert haben konnten. Die Klägerin hat den möglichen Verkaufspreis des Regenerats lediglich im Rahmen ihrer eigenen Kalkulation als Preisnachlass zugunsten des jeweiligen Kunden berücksichtigt.
Hinweis: Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage war daher der vereinbarte Netto-Entsorgungspreis, nicht aber zusätzlich der Wert des Regenerats.
Für eine Annahme einer Lieferung an die Klägerin und damit für einen tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe wäre es erforderlich gewesen, dass die verunreinigten Chemikalien im Zeitpunkt der Überlassung der Klägerin bereits einen Wert gehabt hätten, ohne dass es einer späteren Reinigung bedurft hätte. So hat die Rechtsprechung bislang einen tauschähnlichen Umsatz angenommen, wenn ein Abbruchunternehmer zusätzlich zum vereinbarten Preis noch verwertbaren Metallschrott oder Mobiliar erhält. Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage erhöht sich dann um den Wert des verwertbaren Metallschrotts bzw. Mobiliars.
Quelle: BFH, Urteil vom 18.5.2024 - V R 7/22; NWB
19.09.2024
Unterlässt ein Betriebsinhaber die gewinnmindernde Passivierung von Verpflichtungen und erfüllt er die Verpflichtungen, nachdem die Bescheide für die Zeit seiner Betriebsinhaberschaft bestandskräftig geworden sind und er seinen Betrieb übertragen hat, kann er die Zahlungen im Zeitpunkt der Zahlung steuerlich absetzen, und zwar als sog. nachträgliche Betriebsausgaben.
Hintergrund: Mitunter fallen Betriebseinnahmen oder Betriebsausgaben erst nach der Beendigung der Tätigkeit an. Der Gesetzgeber hat für diesen Fall geregelt, dass nachträgliche Betriebseinnahmen und nachträgliche Betriebsausgaben noch nachträglich berücksichtigt werden.
Ist eine Bilanz fehlerhaft, kann sie korrigiert werden, wenn die entsprechende Steuerfestsetzung, die auf der fehlerhaften Bilanz beruht, noch geändert werden kann. Ist dies nicht der Fall, kann der Fehler in der ersten, verfahrensrechtlich noch offenen Bilanz eines Folgejahres korrigiert werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war vom 1.5.2000 bis 30.9.2004 Inhaberin eines Betriebs. Sie führte keine Beiträge an die Urlaubskasse ab. Das Arbeitsgericht verurteilte die Klägerin in mehreren Verfahren in den Jahren 2003, 2005, 2007 und 2009 zur Beitragsabführung. Die Klägerin passivierte in ihren Bilanzen der Jahre 2000 bis 2004 aber keine Verpflichtungen zur Beitragsabführung. Die Steuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2004 wurden bestandskräftig. Am 1.10.2004 übertrug die Klägerin ihren Betrieb unentgeltlich auf ihren Vater V, der sich verpflichtete, sämtliche Rechte und Pflichten zu übernehmen. In der Folgezeit entrichtete V einen Teil der Beiträge. Den Rest der Beiträge zahlte die Klägerin in den Jahren 2014 bis 2016, und zwar ca. 6.000 € im Jahr 2014 und jeweils 12.000 € in den Jahren 2015 und 2016. Die Klägerin machte diese Zahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben in den Streitjahren 2014 bis 2016 geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Beiträge zur Urlaubskasse waren betrieblich veranlasst und sind daher als Betriebsausgaben abziehbar.
Zwar hätte die Klägerin die Verpflichtungen zur Entrichtung der Beiträge an sich in den Bilanzen der Jahre 2000 bis 2004 (Bilanzstichtag 30.9.2004) als Rückstellung bzw. Verbindlichkeit passivieren müssen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin jedoch nicht nachgekommen und kann die Bilanzen aufgrund der Bestandskraft der Bescheide für die Jahre 2000 bis 2004 auch nicht mehr korrigieren. Eine Nachholung der Passivierung in einer Folgebilanz der Jahre 2005 oder später scheidet ebenfalls aus, weil die Klägerin aufgrund der Betriebsübertragung zum 1.10.2004 ab 2005 keine Bilanzen mehr aufstellen musste.
Der somit auf Seiten der Klägerin nicht mehr korrigierbare Bilanzierungsfehler führt aber nicht dazu, dass die Klägerin die Betriebsausgaben nicht mehr geltend machen kann. Die Klägerin blieb trotz der Betriebsübertragung Schuldnerin der Beiträge, so dass die Beitragsverbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse zum sog. Restbetriebsvermögen der Klägerin gehörten, das nach der Betriebsübertragung bei ihr verblieb. Da nach dem Gesetz nachträgliche Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden können, wenn sie bezahlt werden, war ein Betriebsausgabenabzug in den Jahren 2014 bis 2016 möglich.
Hinweis: Der steuerliche Abzug bei der Klägerin ist unabhängig von der steuerlichen Behandlung des Sachverhalts durch V zu beurteilen. V hatte den Betrieb unentgeltlich erhalten und konnte daher in der nächsten, verfahrensrechtlich noch offenen Bilanz eine Verpflichtung gewinnmindernd passivieren. Zwar war er nicht Schuldner der Beiträge, aber er hatte sich im Innenverhältnis zur Klägerin verpflichtet, die Rechte und Pflichten zu übernehmen, und musste daher die Klägerin freistellen.
Sollte V noch Zahlungen an die Klägerin leisten, würden diese Zahlungen bei der Klägerin ebenfalls nachträglich berücksichtigt werden und ihren Betriebsausgabenabzug mindern.
Quelle: BFH, Urteil vom 6.5.2024 – III R 7/22; NWB
17.09.2024
Am 4.9.2024 wurde die Künstlersozialabgabe-Verordnung 2025 im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit wird der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung im Jahr 2025 – wie auch im Jahr 2024 - 5,0 Prozent betragen.
Hintergrund: Über die Künstlersozialversicherung werden derzeit mehr als 190.000 selbständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Die selbständigen Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 Prozent) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen, die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten (30 Prozent), finanziert.
Die Künstlersozialabgabe wird als Umlage erhoben. Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium bestimmt und beträgt derzeit 5,0 Prozent. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.
Mit der nun verkündeten Künstlersozialabgabe-Verordnung 2025 wird festgelegt, dass der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung im Jahr 2025 weiterhin 5 Prozent beträgt.
Quelle: BGBl. 2024 I Nr. 274 vom 4.9.2024; NWB
16.09.2024
Mit dem sog. Wachstumschancengesetz wurde die Einführung der E-Rechnung beschlossen. Die Einführung soll bereits ab dem 1.1.2025 in mehreren Etappen erfolgen, wobei u.a. zwischen der Möglichkeit zum Empfang und der Ausstellung der E-Rechnung differenziert wird. Auch wenn viele Details noch nicht final sind, geben wir Ihnen hier einen ersten Überblick (Stand: 23.8.2024). Bitte beachten Sie, dass Änderungen noch möglich sind:
Definition der E-Rechnung
Die E-Rechnung ist eine elektronische Rechnung, die in einem vorgegebenen strukturierten Daten-Format im Sinne der europäischen Normenreihe EN 16931 erstellt, übermittelt und empfangen wird. Damit wird zugleich eine automatisierte Weiterverarbeitung gewährleistet, insbesondere können Rechnungsdaten direkt und ohne Medienbruch in die verarbeitenden Systeme importiert werden.
Hinweis: Bei PDF-Dateien sowie anderen nicht nach der o.g. Norm strukturierten Formaten wie beispielsweise “.tif”, “.jpeg”, “.docx-Dateien” handelt es sich nicht um E-Rechnungen. Diese Formate eignen sich zwar für eine digitale, bildhafte Darstellung der Rechnung, erfüllen jedoch nicht die Anforderungen an die Weiterverarbeitung der Rechnung.
Zeitplan zur Einführung der E-Rechnung
Ab dem 1.1.2025 besteht die Pflicht zur Entgegennahme von E-Rechnungen für im Inland steuerbare Umsätze, wenn es sich bei den Beteiligten um inländische Unternehmen handelt (sog. B2B-Umsätze im Inland).
Ab dem 1.1.2025 ist die Ausstellung und Übermittlung von E-Rechnungen für im Inland steuerbare Umsätze möglich, wenn es sich bei den Beteiligten um inländische Unternehmen handelt (B2B-Umsätze im Inland).
Ab dem 1.1.2027 besteht die Pflicht zur Ausstellung und Übermittlung von E-Rechnungen für B2B-Umsätze im Inland für Unternehmen mit einem Vorjahres-Umsatz von mehr als 800.000 €.
Ab 1.1.2028 besteht die Pflicht zur Ausstellung und Übermittlung von E-Rechnungen für B2B-Umsätze im Inland für alle inländischen Unternehmen.
Hinweis: Ausgenommen von der E-Rechnungspflicht sind Rechnungen über bestimmte steuerfreie Leistungen sowie Rechnungen über Kleinbeträge bis 250 € und Fahrausweise. Darüber hinaus werden Umsätze an private Endverbraucher (B2C) und nicht innerdeutsche B2B-Umsätze ebenfalls nicht von der E-Rechnungspflicht erfasst.
Handlungsbedarf
Jeder Unternehmer muss ab dem - vor allem technisch - in der Lage sein, eine E-Rechnung zu empfangen. Denn für den Vorsteuerabzug ist grundsätzlich eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erforderlich. Hierbei wird nicht differenziert, um welche Art oder Größe eines Unternehmens es sich handelt. So müssen z.B. auch Kleinunternehmer, Unternehmer mit nur steuerfreien Umsätzen (z.B. Vermieter einer Wohnung) und Land– und Forstwirte oder aber auch (gemeinnützige) Vereine ab dem 1.1.2025 technische Vorkehrungen zur Entgegennahme und zur Speicherung von E-Rechnungen treffen.
Um eine E-Rechnung auf elektronischem Weg entgegennehmen zu können, reicht es regelmäßig aus, wenn der Rechnungsempfänger über ein E-Mail-Postfach verfügt. Abweichend hiervon können die Beteiligten andere elektronische Übermittlungswege vereinbaren, wie die Bereitstellung der Daten mittels elektronischer Schnittstelle oder per Download über ein Kundenportal. Die bloße Übergabe der Daten auf einem externen Speichermedium (z.B. USB-Stick) erfüllt die Anforderung an die Übermittlung in elektronischer Form dagegen nicht. Darüber hinaus sollte zeitnah mithilfe einer geeigneten Software-Lösung die notwendige digitale Archivierung der E-Rechnung sichergestellt werden (mehr zur Aufbewahrungspflicht siehe unten).
Hinweis: Verweigert der Rechnungsempfänger die Annahme einer E-Rechnung bzw. ist er technisch hierzu nicht in der Lage, hat er kein Anrecht auf eine alternative Ausstellung einer sonstigen Rechnung durch den Rechnungsaussteller. In diesem Fall gelten die umsatzsteuerrechtlichen Pflichten des Rechnungsausstellers auch als erfüllt, wenn er eine E-Rechnung ausgestellt und sich nachweislich um eine ordnungsgemäße Übermittlung bemüht hat.
Hinsichtlich der Aufbewahrungspflicht von E-Rechnungen gelten die allgemeinen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. So ist der strukturierte Teil einer E Rechnung so aufzubewahren, dass dieser in seinem ursprünglichen Format vorliegt und u.a. die Anforderungen an die Unveränderbarkeit erfüllt werden. Die Aufbewahrungsfrist beträgt nach derzeitigem Recht zehn Jahre.
Hinweis: Die hier dargestellten Grundsätze basieren auf einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums, welches derzeit als Entwurf vorliegt. Das finale Schreiben soll im 4. Quartal dieses Jahres veröffentlicht werden. Über eventuelle Änderungen werden wir Sie informieren.
Quelle: Entwurf eines BMF-Schreibens v. 13.6.2024 - III C 2 - S 7287-a/23/10001 :007 sowie BayLfSt zur Einführung der E-Rechnung; NWB
13.09.2024
Der sich aus einem Verzicht auf eine zum Privatvermögen gehörende Darlehensforderung ergebende Verlust ist steuerlich nicht absetzbar, wenn der Darlehensvertrag vor dem 1.1.2009 zustande gekommen ist. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens an.
Hintergrund: Verluste aus dem Verkauf oder aus dem Ausfall einer Darlehensforderung, die zum Privatvermögen gehört, sind steuerlich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen absetzbar. Hierzu gehört auch der Verlust, der sich aus einem Verzicht auf die Darlehensforderung ergibt. Nach dem Gesetz setzt die Berücksichtigung entsprechender Verluste aber voraus, dass die Forderung nach dem angeschafft oder begründet worden ist.
Streitfall: Die Klägerin als Darlehensgeberin schloss mit der Q-Limited am 1.1.2008 einen Darlehensvertrag über einen Höchstbetrag von 150.000 € ab. Die Q-Limited sollte das Darlehen jederzeit abrufen können. Die einzelnen Zahlungsbewegungen und -zeitpunkte zwischen der Klägerin und der Q-Limited stehen nicht fest. Die Darlehensforderung belief sich am 31.12.2018 auf ca. 112.000 € und gehörte zum Privatvermögen der Klägerin. Am 31.12.2018 verzichtete die Klägerin auf die Darlehensforderung und machte den sich hieraus ergebenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust steuerlich nicht an, weil es davon ausging, dass die Darlehensforderung bereits am 1.1.2008 und damit vor dem 1.1.2009 begründet worden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die steuerliche Berücksichtigung von Darlehensverlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen setzt nach dem Gesetz voraus, dass die Darlehensforderung nach dem 31.12.2008 angeschafft oder begründet worden ist.
Eine Darlehensforderung wird begründet, wenn der Darlehensvertrag wirksam zustande kommt. Bei einer Darlehensforderung handelt es sich nämlich um einen vertraglich begründeten Anspruch, so dass es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags ankommt. Mit dem Abschluss des Darlehensvertrags erwirbt der Darlehensgeber auch den Rückzahlungsanspruch.
Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens an. Denn dann wäre eine einfache und rechtssichere Anwendung des Gesetzes nicht möglich, weil in jedem Einzelfall ermittelt werden müsste, wann die vereinbarte Darlehenssumme ausgezahlt worden ist.
Im Streitfall ist der Darlehensvertrag am 1.1.2008 und damit vor dem 1.1.2009 zustande gekommen, so dass ein Darlehensverlust steuerlich nicht berücksichtigt werden kann. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Q-Limited das Darlehen zwischenzeitlich vollständig getilgt habe und die Klägerin anschließend erneut Geld an die Q-Limited ausgezahlt habe, so dass ein neuer Darlehensvertrag zustande gekommen sei – und zwar nach dem 31.12.2008 – ist dem nicht zu folgen, weil der Darlehensvertrag durch eine vollständige Rückzahlung nicht erloschen wäre; vielmehr hätte die Q-Limited dasselbe Darlehen nach zwischenzeitlicher Tilgung erneut in Anspruch genommen.
Hinweis: Der Darlehensverlust wäre hingegen steuerlich absetzbar gewesen, wenn die Darlehensforderung zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört hätte.
Der BFH hat die Annahme eines Kontokorrentkontos, bei dem die einzelnen Ein- und Auszahlungen miteinander verrechnet werden und am Ende des vereinbarten Zeitraums (z.B. Quartals) ein Saldo festgestellt wird, abgelehnt. Es fehlte nämlich bereits im Darlehensvertrag vom 1.1.2008 eine entsprechende Vereinbarung; außerdem war nicht feststellbar, dass die Vertragspartner den Saldo des Kontos tatsächlich festgestellt haben. Hätte es sich bei der Darlehensvereinbarung um ein Kontokorrent gehandelt, wäre der Streitfall wegen der zwischenzeitlichen Tilgung des Darlehens möglicherweise anders entschieden worden.
Quelle: BFH, Urteil vom 18.6.2024 - VIII R 25/23; NWB
12.09.2024
Erhält ein deutscher Polizist, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, für einen vorübergehenden Einsatz für Frontex in Griechenland eine Vergütung der EU, ist diese in Deutschland steuerpflichtig. Für eine derartige Vergütung gibt es keine Steuerbefreiung.
Hintergrund: Wer seinen Wohnsitz in Deutschland hat, ist grundsätzlich mit seinem gesamten Einkommen in Deutschland steuerpflichtig, also auch mit dem im Ausland erzielten Einkommen (sog. Welteinkommensprinzip). Allerdings können im Einzelfall Steuerbefreiungen gelten, oder es greift eine Regelung eines Doppelbesteuerungsabkommens, nach der das in einem ausländischen Staat erzielte Einkommen nur dort besteuert wird, nicht aber in Deutschland.
Sachverhalt: Der Kläger war Polizeibeamter in Deutschland und hatte in Deutschland auch seinen Wohnsitz. In den Streitjahren 2015 bis 2017 wurde er mehrfach für jeweils vier bis sechs Wochen an die Bundespolizei abgeordnet, die ihn wiederum der griechischen Küstenwache im Rahmen von Frontex-Einsätzen als Experte für Fingerabdrücke zuordnete. Für seine Auslandseinsätze erhielt der Kläger Vergütungen der EU, die die Gelder an die Bundespolizei zahlte, die die Gelder wiederum an den Kläger weiterleitete. Das Finanzamt hielt die Vergütungen der EU für steuerpflichtig, soweit sie bestimmte fiktive steuerfreie Reisekostenerstattungen und steuerfreie Auslandsdienstbezüge überstiegen. Der Kläger war der Auffassung, dass die Vergütungen der EU insgesamt steuerfrei seien.
Entscheidung: Der BFH bejahte eine Steuerpflicht der von der EU gezahlten Vergütungen und wies die Klage ab:
Der Kläger war in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, da er in Deutschland seinen Wohnsitz hatte. Die Vergütungen der EU gehörten zu seinem Arbeitslohn.
Die Steuerfreiheit für eine Tätigkeit im Ausland, die u.a. Beschäftigten im öffentlichen Dienst gewährt wird, war nicht zu gewähren, da hierfür erforderlich gewesen wäre, dass die Vergütungen aus einer inländischen öffentlichen Kasse gezahlt werden. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt, da sie von der EU gezahlt wurden.
Eine weitere Steuerbefreiung schied ebenfalls aus, weil sie ein Dienstverhältnis zu einer anderen Person als dem öffentlichen Dienst vorausgesetzt hätte; der Kläger war aber nicht bei der Frontex beschäftigt, sondern bei der deutschen Polizeibehörde seines Bundeslands.
Eine Steuerbefreiung nach EU-Vorschriften kam ebenfalls nicht in Betracht, da der Kläger weder EU-Beamter noch sonstiger Bediensteter der EU war.
Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Griechenland bewirkte nicht, dass die EU-Vergütungen nur in Griechenland zu versteuern waren. Denn das Besteuerungsrecht liegt bei Deutschland, wenn sich der Kläger nicht länger als 183 Tage in Griechenland aufgehalten hat und wenn der Arbeitgeber, der die Vergütungen gezahlt hat, nicht in Griechenland ansässig ist und wenn die Vergütungen nicht vom Gewinn einer Betriebsstätte in Griechenland abgezogen worden sind. Diese Voraussetzungen waren erfüllt, so dass das Besteuerungsrecht bei Deutschland lag und der Kläger seine Vergütungen in Deutschland versteuern musste.
Hinweis: Der BFH lehnte auch eine Besteuerung der Vergütungen in Polen ab. Zwar hat die Frontex ihren Sitz in Warschau; der Kläger hat jedoch seine Tätigkeit nicht in Polen, sondern in Griechenland ausgeübt.
Dem Kläger blieb als Erfolg seines Einspruchsverfahrens eine Kürzung der zu versteuernden EU-Vergütungen um fiktive steuerfreie Reisekostenerstattungen und Auslandsdienstbezüge. Da diese Kürzung, die sich zugunsten des Klägers auswirkte, vom Kläger nicht angegriffen wurde, hat sich der BFH zu den Einzelheiten dieser Kürzung nicht geäußert.
Quelle: BFH, Urteil vom 16.5.2024 – VI R 31/21; NWB
10.09.2024
Eine Aufwandsentschädigung, die ein Rechtsanwalt für eine nebenberufliche Tätigkeit als Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH im Auftrag der Stadt, die Gesellschafterin der GmbH ist, erhält, ist bis zur Höhe von 840 € steuerfrei. Es ist nicht erforderlich, dass der Kläger oder die kommunale GmbH gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke erfüllt.
Hintergrund: Nach dem Gesetz sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in der EU oder im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist, oder einer gemeinnützigen Körperschaft zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke bis zur Höhe von 840 € steuerfrei.
Sachverhalt: Der Kläger war Rechtsanwalt und nebenberuflich Mitglied des Aufsichtsrats einer kommunalen GmbH, die im Bereich der Wasserversorgung tätig und deren Gesellschafterin die Stadt D zu 90,5 % war; die Stadt D hatte den Kläger in den Aufsichtsrat bestellt. Er erhielt eine Aufwandsentschädigung von 620 €, die er als steuerfrei ansah. Das Finanzamt behandelte die Aufwandsentschädigung als steuerpflichtig, weil weder der Kläger noch die GmbH gemeinnützig tätig waren.
Entscheidung: Der BFH gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen der gesetzlichen Steuerfreiheit. Er war nebenberuflich für eine juristische Person des öffentlichen Rechts tätig, nämlich für die Stadt D, die ihn in den Aufsichtsrat der GmbH bestellt hatte.
Auf die Art der Tätigkeit des Klägers oder der kommunalen GmbH kam es nicht an. Es war daher nicht erforderlich, dass der Kläger oder die kommunale GmbH gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke erfüllten.
Zwar werden im Gesetz gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke erwähnt. Dies betrifft aber nicht die Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern nur Tätigkeiten für andere Einrichtungen. Es genügte daher, dass der Kläger nebenberuflich für eine juristische Person des öffentlichen Rechts tätig war.
Die im Streitjahr gültige Grenze für die Steuerfreiheit von 720 € wurde nicht überschritten.
Hinweis: Unbeachtlich war, ob der Kläger die Aufwandsentschädigung von der Stadt D oder von der kommunalen GmbH erhielt. Entscheidend war, dass er im Auftrag der Stadt D nebenberuflich tätig war.
Dem Kläger waren Aufwendungen in Höhe von ca. 225 € entstanden. Diese Aufwendungen waren steuerlich nicht absetzbar, da die Einnahmen steuerfrei waren.
Wäre die Steuerfreiheit zu verneinen gewesen, hätte die Aufwandsentschädigung zu Einnahmen aus sonstiger selbständiger Tätigkeit geführt, und die Aufwendungen von 225 € wären als Betriebsausgaben abziehbar gewesen.
Quelle: BFH, Urteil vom 8.5.2024 – VIII R 9/21; NWB
09.09.2024
Der X. Senat des BFH hält ebenso wie der XI. Senat auch weiterhin die Höhe von Säumniszuschlägen, die 1 % monatlich bzw. 12 % jährlich betragen, für verfassungskonform. Zwar ist der VIII. Senat des BFH von der Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge ausgegangen; dies erfolgte aber in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, so dass eine Anrufung des Großen Senats des BFH nicht geboten ist.
Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden für jeden Monat Säumniszuschläge in Höhe von 1 % des rückständigen Betrags verwirkt (jährlich 12 %). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert. Für Säumniszuschläge bleibt es aber bei dem Satz von 1 % pro Monat. Ob diese Höhe verfassungskonform ist, ist umstritten. Der BFH hat bislang überwiegend die Verfassungsmäßigkeit bestätigt; die einzelnen Entscheidungen sind jedoch von unterschiedlichen Senaten getroffen worden.
Sachverhalt: Die Klägerin war überschuldet und zahlungsunfähig und konnte daher ihre Steuern nicht zahlen. Das Finanzamt verlangte von ihr Säumniszuschläge in Höhe von ca. 3.700 €. Auf Antrag erließ das Finanzamt die Hälfte der Säumniszuschläge. Die Klägerin wandte sich gegen den verbleibenden Betrag mit der Begründung, die Säumniszuschläge seien verfassungswidrig. Nachdem das Finanzgericht ihre Klage abgewiesen hatte, erhob sie beim BFH eine Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidung: Der X. Senat des BFH hält die Höhe der Säumniszuschläge für verfassungskonform und hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen:
Der BFH verweist auf die bisherigen Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge. Danach ist geklärt, dass Säumniszuschläge verfassungskonform sind. Dies gilt sowohl für Zeiträume bis zum 31.12.2018, als die Nachzahlungszinsen noch 6 % jährlich betrugen, als auch für Zeiträume ab dem 1.1.2019, in denen für Nachzahlungszinsen ein Zinssatz von 1,8 % jährlich gilt.
Säumniszuschläge sind nicht mit Nachzahlungszinsen vergleichbar. Bei Säumniszuschlägen geht es nämlich vorrangig um die Sanktionierung einer verspäteten Zahlung, während bei Zinsen die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen im Vordergrund steht.
Zwar geht der VIII. Senat des BFH von der Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge aus; dabei handelte es sich aber um einen Beschluss im Rahmen eines Verfahrens über den vorläufigen Rechtsschutz, also nicht um ein Urteil. Daher ist es nicht geboten, zur Vermeidung einer uneinheitlichen Rechtsprechung den Großen Senat des BFH anzurufen. Eine Divergenz gäbe es nur, wenn der VIII. Senat in einem Urteil, also in einer abschließenden Entscheidung, von der Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge ausgegangen wäre.
Hinweis: Eine abschließende Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge kann nur vom Bundesverfassungsgericht gefällt werden.
Im Fall einer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit werden Säumniszuschläge in der Regel zur Hälfte verlassen, weil sie ihre Funktion als Druckmittel verlieren. Ihre weitere Funktion als Ausgleich für die verspätete Zahlung (Zinsfunktion) bleibt hingegen auch bei einer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit erhalten, so dass die verbleibende Hälfte – wie im Streitfall – bezahlt werden muss.
Säumniszuschläge fallen bei einer verspäteten Zahlung an. Wird hingegen die Steuererklärung verspätet abgegeben, wird ein Verspätungszuschlag festgesetzt, dessen Höhe grundsätzlich 0,25 % der festgesetzten Steuer beträgt.
Quelle: BFH, Beschluss vom 17.7.2024 - X B 79/23; NWB
06.09.2024
Der Europäische Gerichtshof hat die europarechtlichen Meldepflichten bei internationalen Steuergestaltungen für Steuerpflichtige und für sog. Intermediäre, die derartige Steuergestaltungen entwickeln oder vermarkten, als europarechtskonform gebilligt. Damit hat ein Begehren der Vereinigungen der belgischen Rechtsanwälte und Steuerberater keinen Erfolg.
Hintergrund: Die EU hat im Jahr 2018 Meldepflichten für Steuerpflichtige und sog. Intermediäre eingeführt, die internationale Steuergestaltungen durchführen, bei denen z.B. Einkünfte in niedrig besteuerte Staaten verlagert werden. Intermediäre sind Berater, die derartige Steuergestaltungen für eine Vielzahl von Fällen entwickeln oder vermitteln. Diese EU-Regelungen sind im Jahr 2019 in Deutschland umgesetzt worden.
Sachverhalt: Die Vereinigungen der belgischen Rechtsanwälte und Steuerberater wenden sich vor dem belgischen Verfassungsgerichtshof gegen die europarechtlichen Meldepflichten für Intermediäre, weil sie die Meldepflichten für europarechtswidrig hielten. Der belgische Verfassungsgerichtshof hat den EuGH angerufen.
Entscheidung: Der EuGH hält die europarechtlichen Meldepflichten bei internationalen Steuergestaltungen für europarechtskonform:
Die Regelungen über die Meldepflichten sind hinreichend bestimmt genug und auch klar. Insbesondere wird der mit der Meldepflicht verbundene Eingriff in das Privatleben des Intermediärs und des Steuerpflichtigen bezüglich der Informationen, die dem Finanzamt in der Meldung mitgeteilt werden müssen, hinreichend genau bestimmt.
Die Meldepflicht beinhaltet einen verhältnismäßigen und gerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens.
Hinweise: Die abschließende Entscheidung muss nun noch der belgische Verfassungsgerichtshof treffen, der aller Voraussicht nach der Begründung des EuGH folgen wird.
Die Meldepflichten treffen zwar grundsätzlich nur den Intermediär, nicht den Steuerpflichtigen selbst. Ist der Intermediär aber der Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen und wird der Intermediär nicht von der Verschwiegenheitspflicht befreit, dann kommt es zu der rechtlich ungewöhnlichen Situation, dass der Steuerpflichtige als Mandant die Meldepflicht des Bevollmächtigten erfüllen muss.
Der Gesetzgeber in Deutschland wollte vor kurzem die Meldepflichten auch auf nationale Steuergestaltungen, die also nur Deutschland betreffen, ausweiten. Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist allerdings vorerst nicht umgesetzt worden.
Ob die bisherigen Meldepflichten tatsächlich etwas bringen und die Steuergestaltungen eindämmen, wird von zahlreichen Fachleuten bezweifelt. In jedem Fall ist der bürokratische Aufwand erheblich.
Quelle: EuGH, Urteil vom 29.7.2024 – C-623/22 „Belgian Association of Tax Lawyers u.a.”; NWB
05.09.2024
Die Antragsfrist für Anträge auf Vorsteuervergütung in der EU für das Jahr 2023 läuft am 30.9.2024 ab.
Hintergrund: Anders als bei inländischen Rechnungen kann die von inländischen Unternehmern in einem anderen EU-Mitgliedstaat gezahlte Umsatzsteuer nicht im Rahmen der (deutschen) Umsatzsteuer-Voranmeldung geltend gemacht werden. Vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer können sich die Umsatzsteuer daher unter bestimmten Voraussetzungen im sog. Vorsteuervergütungsverfahren auf Antrag von der zuständigen Behörde des jeweiligen Mitgliedstaates über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erstatten lassen, es sei denn, der Unternehmer hat dort bereits steuerbare, eine Registrierung auslösende Umsätze im Vergütungszeitraum getätigt.
Der Antrag ist elektronisch beim BZSt zu stellen – und zwar innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist.
Beachten Sie: Für das Jahr 2023 endet damit die Antragsfrist auf Vorsteuervergütung am . Wurde Vorsteuer in einem Nicht-EU-Mitgliedstaat gezahlt, muss die Vergütung direkt in diesem Staat beantragt werden.
Weitere Informationen zum Vorsteuervergütungsverfahren hat das BZSt auf seiner Homepage veröffentlicht. Hier finden Sie u.a. auch einen Fragen-Antworten-Katalog zum Thema.
Quelle: BZSt online, NWB
03.09.2024
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat August 2024 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2024 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 2.9.2024 - III C 3 – S 7329/19/10001 :006 (2024/0745025); NWB
02.09.2024
Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) hält die derzeitige Regelung zur Höhe der Aussetzungszinsen für verfassungswidrig. Da das Gericht nicht selbst über die Verfassungswidrigkeit einer Norm entscheiden kann, hat der BFH das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Klärung der Rechtsfrage angerufen. Im konkreten Fall geht es um den Aussetzungszinssatz in Höhe von 0,5 %, der für den Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 erhoben wurde.
Hintergrund: Einspruch und Klage haben im Steuerrecht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, d.h. die Erhebung einer Abgabe wird nicht aufgehalten und der Steuerpflichtige muss die festgesetzte Steuer zunächst zahlen. Die aufschiebende Wirkung von Einspruch und Klage kann aber in einem summarischen Verfahren auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids von Finanzamt oder Finanzgericht gesondert durch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) angeordnet werden. Für den Steuerpflichtigen bedeutet das einerseits, dass er die Steuer zunächst nicht zahlen muss. Andererseits droht ihm eine Belastung mit Zinsen, wenn sein Rechtsmittel endgültig ohne Erfolg bleibt und er die Steuer „nachträglich“ zahlen muss. Er hat dann nämlich für die Dauer der AdV und in Höhe des ausgesetzten Steuerbetrags Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat, also 6 % pro Jahr zu entrichten (sog. Aussetzungszinsen).
Für Nachzahlungszinsen, die bei einer Nachzahlung grundsätzlich anfallen, beträgt der Zinssatz für Verzinsungszeiträume seit dem 1.1.2019 0,15 % pro Monat (= 1,8 % jährlich) und für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 0,5 % pro Monat (= 6 % jährlich); die Senkung ab 1.1.2019 ist Folge einer Entscheidung des BVerfG, das den Zinssatz von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig angesehen hat.
Sachverhalt: Der Kläger hatte seinen Einkommensteuerbescheid 2012 angefochten. Dessen Vollziehung setzte das Finanzamt auf Antrag des Klägers aus. Die Klage war erfolglos. Aussetzungszinsen von 0,5 % wurden für 78 Monate festgesetzt, u.a. für den Zeitraum von 1.1.2019 bis zum 15.4.2021. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung, in erster Instanz ohne Erfolg.
Entscheidung: Die Richter BFH dagegen halten den Zinssatz im Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 für verfassungswidrig:
Der Zinssatz von 0,5 % monatlich verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn er ist für Zeiträume ab dem 1.1.2019 deutlich höher als der Liquiditätsvorteil, der sich für den Steuerpflichtigen aufgrund der Aussetzung der Vollziehung ergibt. Spätestens seit 1.1.2019 bestand eine Niedrigzinsphase, in der der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen entsprechend niedrig ausfiel und geringer als 0,5 % monatlich war.
Es besteht eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen, die eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) in Anspruch nehmen und solchen, die den streitigen Steuerbetrag direkt leisten. Auch führt der Zinssatz von 0,5 % monatlich zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Steuerpflichtigen, die für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 Nachzahlungszinsen entrichten mussten, deren Zinssatz lediglich 0,15 % monatlich beträgt.
Darüber hinaus haben Steuerpflichtige in der Regel keinen Einfluss auf die Dauer des Verfahrens und damit auch nicht auf die Höhe der Aussetzungszinsen.
Hinweis: Erfahrungsgemäß ziehen sich Verfahren vor dem BVerfG über Jahre hin. Bis zu einer Entscheidung kann gegen Zinsbescheide, die Aussetzungszinsen für Zeiträume ab 2019 betreffen, Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.
Der Zinssatz von 6 % gilt auch für Hinterziehungszinsen und Stundungszinsen, so dass sich eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Aussetzungszinsen mittelbar auch auf den Zinssatz für Hinterziehungszinsen und Stundungszinsen auswirken könnte.
Quelle: BFH, Beschluss vom 8.5. 2024 - VIII R 9/23; NWB
Anmerkung: Nachricht am 3.9.2024 u.a. um weitere Entscheidungsgründe ergänzt.
30.08.2024
Die Finanzverwaltung gewährt Aussetzung der Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide, die für die neue Grundsteuer maßgeblich sind, wenn der Steuerpflichtige schlüssig darlegt, dass der festgestellte Grundsteuerwert den Verkehrswert des Grundstücks um mindestens 40 % übersteigt. Damit reagiert die Finanzverwaltung auf die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der in derartigen Fällen bereits Aussetzung der Vollziehung gewährt hat.
Hintergrund: Im Rahmen der Grundsteuerreform werden ca. 36 Mio. Grundstücke neu bewertet. Die Bewertung erfolgt schematisch anhand der Bodenrichtwerte, einer fingierten Restnutzungsdauer und eines typisierten Reinertrags. Der Nachweis eines niedrigeren Wertes durch Vorlage eines Gutachtens ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dennoch hat der BFH vor kurzem in zwei Fällen Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheides gewährt, in denen der Steuerpflichtige geltend gemacht hat, dass der Verkehrswert seines Grundstücks erheblich niedriger ist als der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert.
Wesentlicher Inhalt des Schreibens der obersten Finanzbehörden der Länder:
Die Finanzverwaltung gewährt die Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheids, wenn und soweit der Steuerpflichtige schlüssig darlegt, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 % übersteigt.
Für die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist die Vorlage eines Gutachtens noch nicht erforderlich, sondern es genügen substantiierte Angaben des Steuerpflichtigen zur entsprechend niedrigeren Höhe des Verkehrswertes.
Allerdings soll die Aussetzung der Vollziehung befristet werden und der Steuerpflichtige innerhalb der Frist zum Nachweis des niedrigen Verkehrswertes, z.B. durch Vorlage eines Gutachtens, aufgefordert werden.
Hinweise: Die Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids führt verfahrensrechtlich im Ergebnis zu einer anschließenden Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuermessbescheids sowie des Grundsteuerbescheids, so dass die Grundsteuer zunächst nicht gezahlt werden muss, soweit der Verkehrswert erheblich unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegt.
Das Gesetz sieht den Ansatz eines niedrigeren Verkehrswertes (gemeinen Wertes) nicht vor. Der BFH hat jedoch das verfassungsrechtliche Übermaßverbot als Begründung dafür herangezogen, dass der Steuerpflichtige die Möglichkeit haben muss, erhebliche Abweichungen vom festgestellten Grundsteuerwert geltend zu machen. Die Finanzverwaltung folgt dieser Begründung im Ergebnis und stützt sich auf eine verfassungskonforme Anwendung der gesetzlichen Vorschriften.
Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes kann durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder aber durch ein Gutachten eines amtlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen erbracht werden. Alternativ kann auch ein Kaufpreis, der ein Jahr vor oder nach dem Feststellungszeitpunkt erzielt worden ist, als Nachweis dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse unverändert geblieben sind.
Quelle: Oberste Finanzbehörden der Länder vom 24.6.2024 – S 3017, BStBl. I 2024, 1073; NWB
29.08.2024
Setzt das Finanzamt in einem sog. Bauträgerfall, bei dem ein Bauunternehmer bis 2013 eine Bauleistung an einen Bauträger erbracht hat und der Bauträger zu Unrecht die Umsatzsteuer für den Bauunternehmer abgeführt hat, nunmehr die Umsatzsteuer gegenüber dem Bauunternehmer fest, kann dieser seinen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung der geschuldeten Umsatzsteuer an das Finanzamt abtreten. Das Finanzamt darf ein Abtretungsangebot des Bauunternehmers nicht ermessensfehlerhaft ablehnen.
Hintergrund: Bei Bauleistungen unter Unternehmern gilt grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, d.h. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistungsempfänger (Auftraggeber). Nach ursprünglicher Auffassung der Finanzverwaltung galt dies auch bei Bauleistungen an einen Bauträger, der unbebaute Grundstücke bebaut und anschließend verkauft. Im Jahr 2013 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) aber, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an einen Bauträger nicht gilt, weil der Bauträger selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern nur Grundstücke verkauft. Daraufhin beantragten viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht entrichteten Umsatzsteuer. Die Finanzämter versuchten nun anschließend, die Umsatzsteuer von den Bauunternehmern zu erhalten. Der Gesetzgeber hat die Rückabwicklung dieser Fälle gesetzlich geregelt und u.a. eine Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs des Bauunternehmers gegen den Bauträger auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags, der für die Bauleistungen entstanden ist, vorgesehen. Die Abtretung wirkt wie eine Zahlung, setzt aber u.a. voraus, dass der Bauunternehmer seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt hat.
Sachverhalt: Der Kläger war in den Jahren 2012 und 2013 Bauunternehmer und erbrachte Bauleistungen an die Bauträger F und G. Der Kläger sowie F und G gingen damals – in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung – zu Unrecht davon aus, dass F und G die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen müssen. Im Jahr 2013 entschied nun der BFH, dass die Bauträger die Umsatzsteuer nicht hätten abführen müssen, sondern der jeweilige Bauunternehmer. Daraufhin beantragten F und G die Erstattung der von ihnen zu Unrecht abgeführten Umsatzsteuern. Das Finanzamt des Klägers forderte Ende 2014 den Kläger zur Abgabe berichtigter Umsatzsteuererklärungen für 2012 und 2013 auf. Der Kläger berief sich auf Vertrauensschutz, da die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens der Auffassung der Finanzverwaltung entsprochen hatte. Im März 2015 bot der Kläger dem Finanzamt aber an, seine Ansprüche gegen F und G auf Zahlung der Umsatzsteuer auf das vereinbarte Entgelt an das Finanzamt abzutreten. Das Finanzamt verlangte von ihm jedoch eine Bestätigung, dass diese Ansprüche nicht streitbefangen seien; diese Bestätigung lehnte der Kläger ab. Im September 2015 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 2012 und 2013, die auf die Bauleistungen des Klägers entfiel, gegenüber dem Kläger fest. Nach verschiedenen Gesprächsversuchen berichtigte der Kläger am 19.12.2017 seine Rechnungen gegenüber F und G, indem er nun Umsatzsteuer auswies. Am 21.12.2017 gab er ein erneutes Abtretungsangebot gegenüber dem Finanzamt ab, bestätigte aber weiterhin nicht, dass seine Ansprüche gegen F und G nicht streitbefangen seien. Das Finanzamt nahm das Angebot am 22.12.2017 an; es verneinte aber eine Erfüllungswirkung der Abtretung, weil der Kläger seine Mitwirkungspflichten verletzt habe. Hiergegen wehrte sich der Kläger.
Entscheidung: Der BFH gab dem Kläger Recht:
Der Gesetzgeber bietet dem Bauunternehmer, der vom Finanzamt im Rahmen der Rückabwicklung eines sog. Bauträgerfalls in Anspruch genommen wird und Umsatzsteuer nachzahlen soll, die Möglichkeit, seinen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung der für die Bauleistung geschuldeten Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten und damit seine Umsatzsteuerzahllast zu begleichen.
Das Finanzamt darf ein solches Abtretungsangebot nicht ermessensfehlerhaft ablehnen. Der Kläger hatte dem Finanzamt bereits im Jahr 2015 eine Abtretung angeboten und im Jahr 2016 einen Abtretungsvertrag übersandt. Dieses Angebot durfte das Finanzamt nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger sich geweigert habe zu bestätigen, dass seine Ansprüche gegen F und G nicht streitbefangen waren. Das Risiko, dass die Ansprüche sich nicht durchsetzen lassen, liegt nämlich beim Finanzamt. Der Kläger hat somit seine Mitwirkungspflicht im Rahmen der Abtretung nicht verletzt.
Die spätere Annahme des erneuten Abtretungsangebots im Dezember 2017 wirkt damit wie eine Zahlung der Umsatzsteuer, so dass der Kläger keine Umsatzsteuer mehr schuldet.
Hinweise: Dem Kläger konnte auch kein Vorwurf gemacht werden, dass er sich zunächst gegen die Umsatzsteuerfestsetzung gewehrt und sich auf Vertrauensschutz berufen hat; denn die Rückabwicklung der Umsatzsteuer in den sog. Bauträgerfällen war durchaus umstritten. Zudem war zu berücksichtigen, dass die Klägerin wiederholt Gespräche mit dem Finanzamt und dem Finanzministerium vorgeschlagen hatte, die das Finanzamt aber abgelehnt hat.
Dem Kläger konnte schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass zum 31.12.2017 eine Verjährung seiner Ansprüche gegen F und G drohte. Zum einen war die Abtretung noch vor dem 31.12.2017 erfolgt; zum anderen hätte das Finanzamt mit den abgetretenen Ansprüchen sogar noch nach dem 31.12.2017 aufrechnen können, weil vor dem 31.12.2017 eine Aufrechnungslage bestanden hatte. Dass sich das Finanzamt dieser Möglichkeit selbst beraubt hat, lag daran, dass es voreilig die Umsatzsteuererstattungen an F und G ausgezahlt hatte.
Quelle: BFH, Urteil vom 17.4.2024 – XI R 16/22; NWB
27.08.2024
Erneut versuchen Betrüger per E-Mail im Namen des Online-Finanzamts ELSTER oder über gefälschte Webseiten mit ELSTER-Bezug an Informationen von Bürgerinnen und Bürgern zu gelangen. Hierauf macht das Thüringer Finanzministerium aufmerksam.
Zu den Details:
Mit E-Mailadressen wie „elstersportall@t-online.de“ und unter dem Betreff „Infosteuer 2023 Finanzamt“ lotsen sie Bürgerinnen und Bürger auf gefälschte Webseiten mit ELSTER-Bezug.
Es ist offensichtlich, dass es sich nicht um offizielle E-Mail-Adressen des ELSTER-Online-Portals handelt, denn diese enden immer auf elster.de und nicht auf den Namen eines freien E-Mailanbieters (z.B. t-online.de). Die offiziellen E-Mailadressen enthalten zudem keine Rechtschreibfehler. Die genannte Beispieladresse ist grammatisch nicht korrekt (die Buchstaben s und l sind zu viel).
Die Betrüger nutzen auch einen E-Mailverteiler (verborgene_empfaenger) zum Versand der E-Mail. Auch daran wird deutlich, dass ein- und derselbe Betrugstext an viele Steuerpflichtige gleichzeitig versendet wird. Offizielle E-Mails über das ELSTER-Portal gehen dagegen immer nur an das individuelle E-Mailpostfach des einzelnen Betroffenen.
In der falschen E-Mail wird den Empfängern erklärt, dass für das Jahr 2023 noch keine Rückzahlung berechnet werden und auf dem Postweg niemand erreicht werden konnte. Es wird darum gebeten, ein Formular unter einer falschen ELSTER-Webseite auszufüllen, damit der Betrag berechnet werden kann. Der Link zu der Webseite steht nicht in Zusammenhang mit der wahren ELSTER-Plattform.
Auf diese Weise versuchen die Betrüger per E-Mail an Anmeldedaten sowie Konto- und/oder Kreditkarteninformationen von Steuerzahlern zu gelangen und / oder Viren bzw. Trojaner auf dem Computer zu installieren.
Die Finanzverwaltung und ELSTER warnen ausdrücklich davor, auf diese Betrugs-E-Mails zu reagieren bzw. die Links in den E-Mails zu öffnen. Die Steuerverwaltung versendet Steuerdaten oder Rechnungen nie in Form eines E-Mail-Anhangs und fordert auch keine persönlichen Informationen per E-Mail an.
Weitere Informationen zu Betrugs-E-Mails erhalten Sie auf der Seite von ELSTER zur IT-Sicherheit.
Hinweis: Betroffene sollen sich in solchen Fällen an die örtliche Polizeidienststelle wenden.
Quelle: Thüringer Finanzministerium, Pressemitteilung v. 22.8.2024; NWB
26.08.2024
Verpflichtet sich der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern zur Gewährung von zwei Tagen Altersfreizeit pro Jahr der Betriebszugehörigkeit, muss er hierfür eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gewinnmindernd bilden. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer die für die Altersfreizeit erforderlichen Bedingungen, nämlich eine Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren und die Vollendung des 60. Lebensjahres, am Bilanzstichtag noch nicht erfüllt haben.
Hintergrund: Für ungewisse Verbindlichkeiten, die entweder dem Grunde oder der Höhe nach am Bilanzstichtag noch nicht feststehen, sind Rückstellungen zu bilden, die den Gewinn mindern. Die spätere Erfüllung der Verbindlichkeiten erfolgt dann gewinnneutral.
Sachverhalt: Die Klägerin war Arbeitgeberin und bilanzierte. Nach dem Manteltarifvertrag war sie verpflichtet, ihren Arbeitnehmern eine sog. Altersfreizeit zu gewähren, wenn die Arbeitnehmer mindestens zehn Jahre ununterbrochen für die Klägerin tätig waren und das 60. Lebensjahr vollendet haben; die Altersfreizeit betrug dann 2 Tage für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit. Die Klägerin bildete für diese Verpflichtung zum 31.12.2016 eine Rückstellung in Höhe von 349.000 €. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an.
Entscheidung: Der BFH gab der Klägerin Recht und erkannte die Rückstellung an:
Am Bilanzstichtag bestand eine der Höhe nach ungewisse Verpflichtung, soweit die Arbeitnehmer am Bilanzstichtag die Voraussetzungen für die Altersfreizeit bereits erfüllt hatten, also seit mindestens zehn Jahren im Betrieb beschäftigt waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten. Hierfür war eine Rückstellung zu bilden.
Soweit die Arbeitnehmer die Voraussetzungen am Bilanzstichtag noch nicht erfüllt hatten, war ebenfalls eine Rückstellung zu passivieren. Zwar war am Bilanzstichtag noch keine Verbindlichkeit entstanden; jedoch war das künftige Entstehen einer Verbindlichkeit, pro Jahr der Betriebszugehörigkeit zwei Tage Altersfreizeit zu gewähren, hinreichend wahrscheinlich; denn es sprachen mehr Gründe für das Entstehen der Verbindlichkeit als dagegen. Soweit nicht alle Arbeitnehmer die Voraussetzungen erfüllen, sondern vorher ausscheiden werden, ist dies durch einen sog. Fluktuationsabschlag zu berücksichtigen und die Rückstellung entsprechend zu mindern.
Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft nicht bilanziert werden, weil sie sich grundsätzlich ausgleichen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich eine Vertragspartei in einem Erfüllungsrückstand befindet. Dies war hier der Fall; denn der Kläger musste noch die freien Tage gewähren, während die Arbeitnehmer bereits jährlich ihre Arbeitsleistung erbracht hatten. Die Arbeitnehmer waren insoweit also in Vorleistung getreten.
Die ungewisse Verbindlichkeit war auch bereits durch das abgelaufene Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht worden. Es handelte sich bei der Altersfreizeit nämlich um ein Entgelt für die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer, da es an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfte und für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit zwei Tage Freizeit gewährt wurden.
Hinweise: Die Höhe der Rückstellung war unstreitig. Die Klägerin hatte die Rückstellung abgezinst, da die Laufzeit der Verpflichtung am 31.12.2016 mindestens zwölf Monate betrug. Außerdem hatte die Klägerin einen Fluktuationsabschlag vorgenommen, da nicht alle Arbeitnehmer im Betrieb bleiben werden, bis sie das 60. Lebensjahr vollendet bzw. die zehnjährige Zugehörigkeitsdauer erreicht haben.
Nach dem BFH ist die Rückstellung für Altersfreizeit mit einer Rückstellung für eine Jubiläumszusage zu vergleichen, bei der sich der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Erreichen einer bestimmten Beschäftigungsdauer, z.B. nach 15 Jahren, eine Prämie zu zahlen. Für eine Jubiläumszusage ist ebenfalls eine Rückstellung zu bilden, wobei steuerlich bestimmte Voraussetzungen, z.B. die Schriftform, zu beachten sind.
Quelle: BFH, Urteil vom 5.6.2024 – IV R 22/22; NWB
23.08.2024
Der Ausfall einer bis zum 27.9.2017 begründeten Darlehensforderung eines wesentlich beteiligten GmbH-Gesellschafters kann nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, wenn der Darlehensausfall nach dem vom Bundesfinanzhof (BFH) gewährten Vertrauensschutz den nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen gewerblicher Einkünfte zuzuordnen ist. Der GmbH-Gesellschafter kann auf diesen Vertrauensschutz nicht verzichten.
Hintergrund: Verkauft ein GmbH-Gesellschafter, der mit mindestens 1 % in den letzten fünf Jahren an der GmbH beteiligt war und die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält, GmbH-Anteile mit Gewinn oder Verlust, führt dies nach dem Gesetz zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Der Verlust oder Gewinn wird nach dem sog. Teileinkünfteverfahren nur zu 60 % berücksichtigt. Auch ein Verlust aus einem Darlehensausfall wird nach der aktuellen Rechtslage sowie nach der bis zum Jahr 2017 geltenden Rechtsprechung hierbei berücksichtigt, und zwar als nachträgliche Anschaffungskosten. Allerdings gilt das Gesetz nur für Veräußerungen oder Aufgaben (einer GmbH-Beteiligung) nach dem 31.7.2019. Für Veräußerungen oder Aufgaben vor diesem Zeitpunkt kann die aktuelle Rechtslage auf Antrag angewendet werden. Wird kein Antrag gestellt, kann der Darlehensausfall aufgrund eines vom BFH im Jahr 2017 gewährten Vertrauensschutzes steuerlich gleichwohl bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt werden, wenn das Darlehen bis zum 27.9.2017 gewährt worden ist oder bis zum 27.9.2017 eigenkapitalersetzend geworden ist, d.h. von einem Dritten nicht gewährt oder nicht stehengelassen worden wäre; der BFH gewährte diesen Vertrauensschutz, weil er in seinem Urteil aus dem Jahr 2017 seine bisherige Rechtsprechung geändert und Darlehensausfälle eines GmbH-Gesellschafters grundsätzlich nicht mehr steuerlich anerkannt hatte.
Sachverhalt: Der Kläger war zu 80 % an einer GmbH beteiligt. Er gewährte der GmbH im Jahr 2015 zwei Darlehen in Höhe von 150.000 €. Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet; der Insolvenzverwalter bestätigte, dass der Kläger kein Geld von der GmbH zurückbekommen wird. Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für 2016 den Darlehensausfall in Höhe von 150.000 € bei der Ermittlung seines Verlustes aus der Aufgabe seiner GmbH-Beteiligung geltend. Das Finanzgericht (FG) erkannte den Darlehensausfall bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an und berücksichtigte ihn damit vollständig und nicht nur nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 %. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein.
Entscheidung: Der BFH gab der Revision des Finanzamts statt und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück:
Der Darlehensausfall führt grundsätzlich zu nachträglichen Anschaffungskosten, die bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu 60 % zu berücksichtigen sind.
Der Darlehensausfall kann entgegen der Auffassung des FG nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, weil die Einkünfte aus Kapitalvermögen nachrangig gegenüber den Einkünften aus Gewerbebetrieb sind.
Zwar gilt die Neuregelung, die einen Darlehensausfall eines wesentlich beteiligten GmbH-Gesellschafters den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuordnet, nur für Veräußerungen oder Aufgaben von GmbH-Beteiligungen nach dem 31.7.2019, während die Aufgabe im Streitfall bereits im Jahr 2016 erfolgt ist. Der Kläger hat auch keinen Antrag auf vorzeitige Anwendung der Neuregelung für GmbH-Aufgaben vor dem 1.1.2019 gestellt.
Jedoch greift im Streitfall der vom BFH ausgesprochene Vertrauensschutz, da das Darlehen bis zum 31.7.2019 gewährt worden ist. Der Vertrauensschutz führt zu einer Zuordnung des Darlehensausfalls zu den gewerblichen Einkünften, so dass die Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen verdrängt wird. Auf den Vertrauensschutz kann der GmbH-Gesellschafter nicht verzichten.
Hinweise: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, welches nun die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten ermitteln muss. Der Darlehensausfall wird nämlich nur dann mit dem Nennwert bewertet, wenn das Darlehen in der Krise gewährt wurde oder krisenbestimmt war, also auch in der Krise nicht zurückgefordert werden sollte. Sollte das Darlehen hingegen vor dem Kriseneintritt gewährt worden und nicht krisenbestimmt gewesen sein, sondern lediglich in der Krise stehengelassen worden sein, wäre lediglich der gemeine Wert des Darlehens im Zeitpunkt des Kriseneintritts anzusetzen; dies ist häufig ein Wert von unter 10 % des Nennwertes.
Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2024 – IX R 12/23; NWB
22.08.2024
Eine Tierhaltungsgemeinschaft erzielt nicht gewerbliche, sondern land- und forstwirtschaftliche Einkünfte, wenn alle ihre Gesellschafter einen Land- und Forstbetrieb unterhalten. Auch eine unternehmerisch tätige Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) kann ein derartiger Gesellschafter sein, der einen Land- und Forstbetrieb unterhält. Die Qualifizierung der Einkünfte der Tierhaltungsgemeinschaft als land- und forstwirtschaftliche Einkünfte führt dazu, dass Verluste nicht dem gesetzlichen Ausgleichs- und Abzugsverbot für Verluste aus gewerblicher Tierhaltung unterliegen.
Hintergrund: Eine Tätigkeit aus Tierzucht und Tierhaltung kann zu gewerblichen oder aber zu land- und forstwirtschaftlichen Einkünften führen. Betreibt eine Gesellschaft Tierzucht und Tierhaltung, führt dies nach dem Gesetz zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn alle Gesellschafter Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs mit selbstbewirtschafteten regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen sind und wenn alle Gesellschafter die sich für sie ergebende Möglichkeit zur landwirtschaftlichen Tiererzeugung oder Tierhaltung in Vieheinheiten ganz oder teilweise auf die Gesellschaft übertragen haben. Darüber hinaus sind noch weitere Voraussetzungen zu beachten.
Handelt es sich hingegen um gewerbliche Einkünfte, dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung nach dem Gesetz weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Derartige Verluste können nur mit Gewinnen aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung verrechnet werden.
Sachverhalt: Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) war landwirtschaftlich tätig, indem sie 200 Hektar gepachtete Flächen bewirtschaftete und eine Milchviehhaltung sowie eine Putenmast betrieb. An der GbR waren die beiden Kläger zu jeweils 50 % beteiligt. Zum 1.11.2011 gründete die GbR zusammen mit dem B, der ebenfalls Landwirt war, eine Kommanditgesellschaft (KG). Die KG betrieb eine Schweinemast; die hierfür erforderlichen Schweine wurden von der GbR und von B in die KG eingebracht. Die KG erzielte in den Streitjahren 2013 bis 2015 Verluste. Das Finanzamt ging von Verlusten aus einer gewerblichen Tierzucht und Tierhaltung aus und stellte entsprechende gewerbliche Einkünfte fest. Nachdem die KG 2016 aufgelöst worden war, klagten die beiden Kläger gegen den Bescheid der KG und machten land- und forstwirtschaftliche Einkünfte geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage der beiden Kläger statt:
Die KG erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, da alle Gesellschafter Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs waren. Gesellschafter der KG waren B und die GbR.
B war selbst Landwirt; dies war auch nicht streitig.
Die GbR war eine unternehmerisch tätige Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft), die ebenfalls einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt, nämlich eine Fläche von 200 ha bewirtschaftete und in den Bereich der Milchviehhaltung und Putenmast tätig war; es genügte, dass sie die Flächen gepachtet hatte. Nicht erforderlich war, dass die Gesellschafter der GbR auch noch einzelunternehmerisch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft tätig waren.
Die weiteren Voraussetzungen für die Qualifizierung als land- und forstwirtschaftliche Einkünfte waren unstreitig erfüllt.
Hinweise: Die Einstufung als land- und forstwirtschaftliche Einkünfte führt dazu, dass die Verlustausgleichsbeschränkung, die für Verluste aus gewerblicher Tierhaltung und Tierzucht gegolten hätte, nicht anwendbar war.
Dadurch, dass die GbR als Gesellschafterin der KG land- und forstwirtschaftliche Einkünfte erzielte, wurden auch den Klägern, die an der GbR beteiligt waren, land- und forstwirtschaftliche Einkünfte zugerechnet, und zwar Verluste, die sie uneingeschränkt mit ihren positiven Einkünften verrechnen konnten.
Die Gesetzeslage ändert sich zwar zum Ende dieses Jahres, weil ein Teil der Voraussetzungen nicht mehr im Bewertungsgesetz, sondern im Einkommensteuergesetz geregelt sein wird; der wesentliche Kern der Regelungen bleibt aber unverändert, so dass das Urteil auch für die Zukunft Bedeutung haben wird.
Quelle: BFH, Urteil vom 16.5.2024 – VI R 6/22; NWB
19.08.2024
Hält eine GmbH eigene Anteile und überträgt sie diese unentgeltlich auf ihren Gesellschafter, führt dies zu einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe des gemeinen Wertes. Ein fremder Dritter, der nicht Gesellschafter ist, hätte nämlich einen Kaufpreis in Höhe des gemeinen Wertes zahlen müssen.
Hintergrund: Zu einer verdeckten Gewinnausschüttung bei einer GmbH kommt es, wenn das Vermögen der GmbH gemindert wird oder eine Vermögensmehrung verhindert wird, dies jeweils durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht Teil einer offenen Gewinnausschüttung (Dividende) ist. Der Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung erhöht das Einkommen der Kapitalgesellschaft und führt beim Gesellschafter zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Typische Beispiele für eine verdeckte Gewinnausschüttung sind ein überhöhtes Gehalt für den Gesellschafter-Geschäftsführer oder die Gewährung eines zinslosen Darlehens an den Gesellschafter.
Sachverhalt: Der Kläger war Alleingesellschafter der A-GmbH. Die A-GmbH hielt 1/3 der Anteile als eigene Anteile, so dass der Kläger die übrigen 2/3 der Anteile hielt. Im Jahr 2016 übertrug die A-GmbH die eigenen Anteile unentgeltlich auf den Kläger, der nun mit 3/3 beteiligt war. Das Finanzamt setzte beim Kläger eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe des gemeinen Wertes der Anteile als Einnahmen aus Kapitalvermögen an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab:
Die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung waren erfüllt. Bei der GmbH ist eine Vermögensmehrung verhindert worden, da die GmbH die Anteile unentgeltlich übertragen und keinen Kaufpreis verlangt hat. Dies war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, da ein fremder Dritter einen Kaufpreis in Höhe des gemeinen Wertes hätte zahlen müssen.
Dem Kläger ist durch die Übertragung auch ein Vermögensvorteil zugewendet worden. Zwar war der Kläger bereits vor der Übertragung Alleingesellschafter gewesen, da er 2/3 der Anteile hielt und sich insgesamt nur 2/3 der Anteile in der Hand der Gesellschafter befanden. Er hatte damit aber nur eine vorläufige Rechtsposition inne, da es denkbar war, dass das verbleibende Drittel, das die GmbH als eigene Anteile hielt, auf einen Dritten übertragen werden. Erst mit der Übertragung der eigenen Anteile erlangte der Kläger die gesicherte Position eines Alleingesellschafters.
Der Vermögensvorteil kann nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Kläger als Alleingesellschafter, der 2/3 der Anteile hielt, eine Übertragung der eigenen Anteile der GmbH auf einen fremden Dritten hätte verhindern können.
Hinweise: Bilanziell wird die Übertragung eigener Anteile als Kapitalerhöhung angesehen und nicht als Veräußerungsgeschäft. Diese bilanzielle Sichtweise betrifft aber nur die Ebene der GmbH. Auf der Ebene des Klägers als Gesellschafter stellte die Übertragung einen Anschaffungsvorgang dar und konnte daher zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.
Das FG hat nur über die verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach entschieden, nicht aber über die Höhe. Es hat deshalb ein sog. Zwischenurteil erlassen. Sofern dieses Zwischenurteil rechtskräftig wird, kann das FG über die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung entscheiden, sofern sich die Beteiligten hierüber nicht verständigen. Die Höhe richtet sich nach dem gemeinen Wert der GmbH-Anteile.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.3.2024 – 5 K 2301/21; NWB
16.08.2024
Ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens 1 % an einer GmbH beteiligt ist, die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält und die Beteiligung veräußert, kann die Steuerberaterkosten, die für die spätere Ermittlung des Veräußerungsgewinns entstehen, als Veräußerungskosten absetzen. Dieser Abzug ist bereits im Veranlagungszeitraum der Anteilsveräußerung möglich.
Hintergrund: Der Gewinn aus dem Verkauf einer GmbH-Beteiligung gehört zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Verkäufer in den letzten fünf Jahren mit mindestens 1 % an der GmbH beteiligt war. Vom Veräußerungspreis sind die Anschaffungskosten und nachträglichen Anschaffungskosten sowie die Veräußerungskosten abzuziehen, um den Veräußerungsgewinn zu ermitteln. Der Veräußerungsgewinn ist nach dem sog. Teileinkünfteverfahren nur zu 60 % steuerpflichtig.
Sachverhalt: Die Klägerin war mit 5,93 % an der A-GmbH beteiligt und hielt die Beteiligung in ihrem Privatvermögen. Im Jahr 2021 verkaufte sie ihre Beteiligung mit Gewinn. Im Jahr 2023 ließ sie durch ihren Steuerberater die Einkommensteuererklärung für 2021 erstellen, in der der Gewinn aus der Veräußerung erklärt wurde. Der Steuerberater berechnete für die Gewinnermittlung eine Gebühr, die die Klägerin in der Steuererklärung für 2021 als Veräußerungskosten geltend machte.
Entscheidung: Das Hessische Finanzgericht (FG) bejahte Veräußerungskosten und gab der Klage statt:
Veräußerungskosten sind anzunehmen, wenn bei den Aufwendungen ein Veranlassungszusammenhang zu der Veräußerung besteht. Abzustellen ist auf das „auslösende Moment“ für die Entstehung der Aufwendungen und darauf, ob sie eine größere Nähe zur Veräußerung oder zum laufenden Gewinn aufweisen.
Nicht zu folgen ist der Auffassung, nach der Veräußerungskosten Aufwendungen sind, die durch die Veräußerung wirtschaftlich veranlasst sind. Danach müssten die Aufwendungen zwecks Durchführung der Anteilsveräußerung entstanden sein.
Im Streitfall waren die Steuerberaterkosten durch die Veräußerung veranlasst. Das auslösende Moment war nämlich der Veräußerungsvorgang selbst, der die Pflicht auslöste, den Gewinn aus der Veräußerung zu ermitteln und in der Steuererklärung anzugeben.
Hinweise: Wird eine wesentliche GmbH-Beteiligung, d.h. mit einer Beteiligungsquote von mindestens 1 %, im Privatvermögen gehalten, ist ein allgemeiner Betriebsausgabenabzug nach dem Gesetz nicht vorgesehen. Der Veräußerungsgewinn mindert sich vielmehr nur um Anschaffungskosten, nachträgliche Anschaffungskosten und um Veräußerungskosten. Das aktuelle Urteil ist daher für GmbH-Gesellschafter erfreulich.
Ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen kam übrigens nicht in Betracht. Denn die Aufwendungen für den Steuerberater waren nicht durch den Erhalt oder die Begründung einer Einkunftsquelle, d.h. der GmbH-Beteiligung, die Gewinnausschüttungen ermöglicht, ausgelöst worden.
Die Aufwendungen sind zwar erst 2023 entstanden, als der Steuerberater die Einkommensteuererklärung erstellt hat; sie wirken aber auf den Zeitpunkt der Veräußerung im Jahr 2021 zurück.
Quelle: Hessisches FG, Urteil vom 22.2.2024 – 10 K 1208/23; NWB
14.08.2024
Die Kosten eines Ehepaares für die Adoption zweier Kinder sind nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar, auch wenn das Ehepaar ungewollt kinderlos ist und medizinische Kinderwunschbehandlungen keinen Erfolg hatten. Adoptionskosten sind nämlich keine Krankheitskosten, sondern beruhen auf einer freiwilligen Entscheidung.
Hintergrund: Zu den außergewöhnlichen Belastungen gehören Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder Hochwasser.
Streitfall: Die Kläger konnten aufgrund einer Zeugungsunfähigkeit des Ehemanns keine Kinder bekommen. Medizinische Kinderwunschbehandlungen waren erfolglos geblieben. Im Jahr 2022 adoptierten die Kläger zwei im Ausland geborene Mädchen. Die Adoption wurde von einer staatlich anerkannten Adoptionsvermittlungsstelle begleitet. Die Kläger machten die Kosten für die Adoption als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die Klage ab:
Bei den Adoptionskosten handelt es sich nicht um Krankheitskosten, weil die Krankheit, nämlich die Sterilität des Ehemanns, nicht geheilt bzw. nicht überwunden wird.
Eine Adoption kann einer medizinischen Behandlung nicht gleichgestellt werden. Denn sie ist in erster Linie ein Mittel der Fürsorge für elternlose und verlassene Kinder, um in einer Familie aufwachsen zu können.
Die Annahme einer medizinischen Behandlung würde auch gegen die Menschenwürde des adoptierten Kindes verstoßen, weil diese Annahme das Kind zu einem bloßen Objekt, das der Linderung einer Krankheit dient, herabwürdigen würde.
Die Adoptionskosten waren auch nicht aus sonstigen Gründen, die nichts mit einer Krankheit zu tun haben, zwangsläufig. Denn die Entscheidung, ein Kind zu adoptieren, ist freiwillig. Dies gilt auch dann, wenn es um die Verwirklichung eines Kinderwunsches geht.
Hinweis: Das Urteil entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Der Streitfall weist die Besonderheit auf, dass die Kläger den Entschluss zur Adoption erst nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung gefasst haben. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Die Kosten für eine künstliche Befruchtung oder einen künstlichen Befruchtungsversuch werden als medizinische Behandlungskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Hiervon ist allerdings noch die sog. zumutbare Eigenbelastung abzuziehen, die von der Einkommenshöhe abhängig ist.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 25.6.2024 – 14 K 1085/23 E (Revision zugelassen, jedoch nicht eingelegt); NWB
24.07.2024
Für eine „Dinner-Show“, die aus einem mehrgängigen Menü und mehreren künstlerischen Darbietungen besteht, gilt im Zeitraum vom 1.7.2020 bis 31.12.2023 ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 %. Denn die „Dinner-Show“ ist eine einheitliche komplexe Leistung, die aus zwei gleichwertigen Einzelleistungen zusammengesetzt ist, für die in dem genannten Zeitraum jeweils der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % galt.
Hintergrund: In der Zeit vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2023 unterlagen Umsätze eines Restaurants für Speisen einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Dies galt jedoch nicht für Getränke, die weiterhin mit 19 % besteuert wurden.
Sachverhalt: Die Klägerin veranstaltete im Jahr 2021 eine sog. Dinner-Show. Die „Dinner-Show“ bestand aus einem mehrgängigen Menü, und in den Pausen zwischen den einzelnen Menügängen fanden verschiedene künstlerische und artistische Darbietungen statt. Die Getränke wurden gesondert in Rechnung gestellt. Die Klägerin versteuerte ihre Umsätze aus dem Eintrittspreis für die „Dinner-Show“ mit 7 % und die Umsätze aus dem Verkauf der Getränke mit 19 %. Das Finanzamt wandte hingegen insgesamt einen Umsatzsteuersatz von 19 % an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Für die „Dinner-Show“ gilt ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 %. Es handelt sich um eine einheitliche komplexe Leistung, die sich aus zwei gleichwertigen Elementen zusammensetzt. Dies ist zum einen das mehrgängige Menü und zum anderen die Unterhaltung mit künstlerischen und artistischen Darbietungen.
Beide Elemente, das Menü und die Unterhaltung, unterlagen im streitigen Zeitraum jeweils dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. In diesem Zeitraum wurden nämlich Restaurationsumsätze, soweit es um Speisen ging, nur ermäßigt besteuert. Und künstlerische Darbietungen unterliegen ohnehin nur einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %.
Da beide Elemente – Menü und Unterhaltung – gleichwertig waren und jeweils einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterlegen hätten, wenn sie separat angeboten worden wären, gilt für die einheitliche Leistung „Dinner-Show“ nichts anderes.
Hinweise: Seit dem 1.1.2024 gilt für Restaurationsumsätze wieder der reguläre Steuersatz von 19 %; die Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes auf 7 % bis zum 31.12.2023 war coronabedingt erfolgt.
Die Entscheidung des BFH würde für eine Dinner-Show, die ab dem 1.1.2024 durchgeführt wird, aufgrund des Wegfalls des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurationsumsätze daher anders ausfallen. Denn in seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes abgelehnt, wenn eine einheitliche Leistung aus mehreren gleichwertigen Elementen besteht, von denen aber mindestens ein Element dem regulären Umsatzsteuersatz unterliegt.
Quelle: BFH, Beschluss vom 29.5.2024 – XI B 3/23; NWB
23.07.2024
Erhält ein Arbeitnehmer Zuschläge für die Tätigkeit während einer nächtlichen Rufbereitschaft, sind die Zuschläge steuerfrei, soweit sie 25 % des Grundlohns nicht übersteigen. Als Grundlohn ist der Stundenarbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit anzusetzen und nicht das niedrigere Entgelt für den Bereitschaftsdienst.
Hintergrund: Zuschläge, die für eine tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind nach dem Gesetz steuerfrei, soweit sie bestimmte Grenzen nicht übersteigen, z.B. 25 % des Grund-lohns im Falle der Nachtarbeit.
Sachverhalt: Die Kläger betrieb eine Förderschule mit angeschlossenem Internat. Die Arbeitnehmer mussten nachts die Kinder beaufsichtigen. Die nächtliche Beaufsichtigung wurde als Bereitschaftsdienst behandelt. Ein Viertel der Bereitschaftsdienstzeit wurde als Arbeitszeit behandelt und vergütet. Zusätzlich erhielten die Arbeitnehmer für den Bereitschaftsdienst einen Zeitzuschlag von 15 % des regulären Stundenlohns. Das Finanzamt erkannte die Steuerfreiheit für den Zeitzuschlag nicht an, weil es als Grundlohn lediglich ein Viertel des Entgelts für den Bereitschaftsdienst ansetzte. Damit überstiegen die 15 %, die auf den regulären Stundenlohn gezahlt wurden, die 25 %-Grenze für steuerfreie Nachtzuschläge.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der gezahlten Nachtzuschläge waren erfüllt. Die Nachtzuschläge in Form des sog. Zeitzuschlags wurden zusätzlich zum Grundlohn gezahlt. Außerdem wurden sie für tatsächlich geleistete Nachtarbeit entrichtet. Auch ein Bereitschaftsdienst ist Arbeit, ohne dass es auf die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Tätigkeit ankommt und ohne dass es darauf ankommt, ob der Bereitschaftsdienst den Arbeitnehmer konkret belastet. Die Klägerin hat zudem auch Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden zur Nachtzeit vorgelegt.
Die Höhe des Zeitzuschlags überschritt nicht 25 % des Grundlohns. Denn als Grundlohn ist der reguläre Arbeitslohn, der auf die Stunde umzurechnen ist, an-zusetzen und nicht das niedrigere Bereitschaftsdienstentgelt, das lediglich 1/4 des regulären Arbeitslohns betrug. Der Zeitzuschlag überschritt damit nicht die 25 %-Grenze des regulären Stundenlohns und war daher steuerfrei.
Hinweise: In einer früheren Entscheidung hatte der BFH noch anders entschieden und bei der Ermittlung des Grundlohns auf das Entgelt, das für die Stunden der Rufbereitschaft gewährt wird, abgestellt; der BFH hatte dies damit begründet, dass ein nächtlicher Bereitschaftsdienst den Arbeitnehmer nicht so sehr belastet wie ei-ne durchgängige Arbeitsleistung in der Nacht. Hieran hält der BFH nun nicht mehr fest. Aus Arbeitnehmersicht ist das aktuelle Urteil daher zu begrüßen.
Quelle: BFH, Urteil vom 11.4.2024 – VI R 1/22; NWB
19.07.2024
Zwar gelten die Datenschutzvorschriften auch bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Finanzamt. Ein Anspruch auf Übermittlung einer Kopie der personenbezogenen Daten besteht aber nur dann, wenn dies unerlässlich ist, dem Steuerpflichtigen die wirksame Ausübung seiner Datenschutzrechte zu ermöglichen. Dieser Anspruch kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen offenkundig unbegründeten Antrag oder um einen exzessiven Antrag handelt.
Hintergrund: Der Datenschutz spielt im Steuerrecht eine immer größere Rolle. Nach den Regelungen des Datenschutzes hat ein Bürger das Recht, von einer Behörde eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob die Behörde personenbezogene Daten verarbeitet. Falls dies der Fall ist, kann der Bürger Auskunft über diese personenbezogenen Daten verlangen. Außerdem stellt die Behörde dem Bürger eine Kopie der personenbezogenen Daten zur Verfügung.
Sachverhalt: Der Kläger beantragte beim Finanzamt eine Zurverfügungstellung elektronischer Kopien von Steuerakten mit personenbezogenen Daten. Sein Antrag bezog sich auf Steuerakten, Betriebsprüfungsakten, Rechtsbehelfsakten und Handakten bezüglich der Gewerbesteuermessbescheide 2013 bis 2015; der Kläger führte hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide 2013 bis 2015 ein Klageverfahren beim Finanzgericht (FG). Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Anspruch für denkbar und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück:
Die Datenschutzvorschriften gelten auch im Steuerrecht, und zwar umfassend für alle Steuerarten. Der Datenschutz ist nur insoweit eingeschränkt, als es um die nationale Sicherheit geht.
Der Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten besteht, wenn die Zurverfügungstellung unerlässlich ist, um dem Steuerpflichtigen die wirksame Ausübung seiner Datenschutzrechte zu ermöglichen; dies kann auch die Zurverfügungstellung von Kopien von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken umfassen. Der Steuerpflichtige muss aber darlegen, welche Datenschutzrechte er ausüben möchte und aus welchen Gründen die Zurverfügungstellung von Kopien von Akten mit personenbezogenen Daten hierfür unerlässlich ist.
Ist der Antrag des Steuerpflichtigen offenkundig unbegründet oder aber exzessiv, weil der Antrag z.B. häufig wiederholt wird, kann die Behörde ein angemessenes Entgelt verlangen oder aber sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden. Die Behörde muss dann jedoch die offenkundige Unbegründetheit oder den exzessiven Charakter nachweisen.
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, welches nun prüfen muss, ob der Kläger geltend gemacht hat, dass die begehrten Kopien für ihn unerlässlich sind, um ihm die wirksame Ausübung seiner Datenschutzrechte zu ermöglichen. Außerdem muss das FG ermitteln, welche Datenschutzrechte der Kläger überhaupt geltend machen will. Ferner wird das FG prüfen müssen, ob der Antrag des Klägers offenkundig unbegründet ist oder einen exzessiven Charakter aufweist.
Hinweise: Der Steuerpflichtige wird grundsätzlich bereits durch das Steuergeheimnis hinreichend vor einer unbefugten Weitergabe seiner Daten an Dritte geschützt. Eine Verletzung des Steuergeheimnisses ist auch eine Straftat.
Beim Datenschutz geht es hingegen um die Verarbeitung und Nutzung der Daten, die sich aus den Steuererklärungen und Anträgen des Steuerpflichtigen ergeben.
Quelle: BFH, Urteil vom 12.3.2024 – IX R 35/21; NWB
18.07.2024
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 11.7.2024 die Ressort- und Verbändebeteiligung zur Bestimmung der Künstlersozialabgabe für das Jahr 2025 eingeleitet. Danach soll der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung unverändert 5,0 Prozent betragen.
Hintergrund: Über die Künstlersozialversicherung werden derzeit mehr als 190.000 selbständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Die selbständigen Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge.
Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 Prozent) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen (30 Prozent), die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten, finanziert. Die Künstlersozialabgabe wird als Umlage erhoben. Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr durch das BMAS im Einvernehmen mit dem BMF bestimmt und beträgt derzeit 5,0 Prozent. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.
Hinweis: Weitere Informationen zur Künstlersozialversicherung sind auf der Homepage des BMAS veröffentlicht.
Quelle: BMAS online, Meldung v. 11.7.2024; NWB
17.07.2024
Erfasst das Finanzamt den Arbeitslohn, der vom Arbeitgeber in elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen dem Finanzamt mitgeteilt worden ist, nicht in voller Höhe, kann es den Bescheid später zuungunsten des Arbeitnehmers ändern. Die Änderung ist möglich, obwohl die unvollständige Erfassung des Arbeitslohns im bisherigen Bescheid auf einem Fehler des Finanzamts beruht.
Hintergrund: Ein bekanntgegebener Bescheid kann nur noch dann geändert werden, wenn es eine Änderungsvorschrift gibt. Eine Änderung ist z.B. zulässig, soweit von einer mitteilungspflichtigen Stelle (z.B. Arbeitgeber, Krankenversicherung) Daten an das Finanzamt elektronisch übermittelt wurden und diese Daten vom Finanzamt nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitnehmer. Sein Arbeitgeber übermittelte dem Finanzamt zwei Lohnsteuerbescheinigungen für zwei Zeiträume im Jahr 2018, aus denen sich ein Arbeitslohn für den Zeitraum Januar bis August 2018 in Höhe von ca. 34.000 € und für Dezember 2018 in Höhe von ca. 3.000 € ergab. In dem Betrag von 34.000 € war eine tarifbegünstigte Entschädigung von 9.000 € enthalten. Im Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 25.9.2019 setzte das Finanzamt einen Arbeitslohn von 28.000 € an (34.000 € - 9.000 € + 3.000 €). Von dem zu versteuernden Einkommen, in dem der Betrag von 28.000 € enthalten war, besteuerte das Finanzamt einen Teilbetrag von 9.000 € ermäßigt.
Am 20.5.2021 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2018 und setzte nunmehr einen Arbeitslohn von 37.000 € an (34.000 € + 3.000 €); hiervon besteuerte es einen Teilbetrag von 9.000 € ermäßigt. Hiergegen wehrte sich der Kläger.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Voraussetzungen einer Änderungsnorm waren erfüllt. So darf das Finanzamt einen Bescheid ändern, soweit von einer mitteilungspflichtigen Stelle Daten an das Finanzamt elektronisch übermittelt wurden und vom Finanzamt nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
Im Streitfall hat der Arbeitgeber als mitteilungspflichtige Stelle elektronische Lohnsteuerbescheinigungen an das Finanzamt übermittelt, und das Finanzamt hat die Daten im Erstbescheid vom 25.9.2019 nicht zutreffend berücksichtigt; denn das Finanzamt hat den Arbeitslohn zunächst um 9.000 € gemindert, anstatt bei der Anwendung des Steuersatzes einen Teilbetrag von 9.000 € tarifbegünstigt zu besteuern.
Es kommt nicht darauf an, worauf die unzutreffende Berücksichtigung der übermittelten Daten beruht. Die Änderungsnorm verlangt weder einen Schreib- oder Rechenfehler des Steuerpflichtigen noch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen. Es spielt auch keine Rolle, ob das Finanzamt die Tatsachen falsch gewürdigt, das Recht fehlerhaft angewendet oder aber einen mechanischen Fehler wie z.B. einen Schreib- oder Rechenfehler begangen hat.
Es ist nicht geboten, die Änderungsnorm einschränkend auszulegen; denn der Gesetzgeber wollte eine umfassende Korrektur ermöglichen, wenn es im steuerlichen Massenverfahren zu Fehlern bei der Übernahme elektronisch übermittelter Daten kommt. Hinzu kommt, dass der Kläger in der Anlage N den Arbeitslohn auch nicht richtig angegeben hatte; denn er hatte die Entschädigung in Höhe von 9.000 € zu Unrecht aus dem Gesamtarbeitslohn herausgerechnet und gesondert angegeben.
Hinweise: Zwar hatte das Finanzamt in dem Änderungsbescheid eine fehlerhafte Korrekturnorm angegeben. Dies führte jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheids, weil die Angabe der Korrekturnorm nur eine Begründung darstellt und eine fehlerhafte Begründung den Bescheid nicht fehlerhaft macht, wenn eine andere Änderungsnorm existiert, die die Änderung rechtfertigt.
Das aktuelle Urteil erweitert die Korrekturmöglichkeiten für das Finanzamt erheblich, wenn es zu einem Fehler bei der Umsetzung elektronisch übermittelter Daten wie z.B. dem Arbeitslohn, den Renten oder den Krankenversicherungsbeiträgen gekommen ist. Denn es kommt nicht darauf an, weshalb es zu einem Fehler gekommen ist. Im Streitfall war es daher irrelevant, dass sich das Finanzamt bei der Besteuerung des Arbeitslohns verrechnet hat. Die gute Nachricht für die Steuerpflichtigen ist aber, dass auch eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen künftig leichter herbeigeführt werden kann, wenn es – aus welchen Gründen auch immer – bei der Berücksichtigung elektronisch übermittelter Daten zu einem Fehler zuungunsten des Steuerpflichtigen gekommen ist und die Einspruchsfrist bereits abgelaufen ist.
Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2024 – IX R 20/23; NWB
16.07.2024
Eine Leasing-Sonderzahlung für ein Kfz, das über die Dauer des Leasingvertrags nur in geringem Umfang betrieblich genutzt wird, kann im Wege der Nutzungseinlage anteilig abgesetzt werden. Dabei ist die Leasing-Sonderzahlung rechnerisch auf die Dauer des Leasingvertrags zu verteilen, und in jedem Jahr der Leasingdauer ist der jeweilige betriebliche Nutzungsanteil dieses Jahres zu berücksichtigen.
Hintergrund: Wird ein Wirtschaftsgut des Privatvermögens auch betrieblich genutzt, kann der betriebliche Anteil steuerlich geltend gemacht werden. Dies erfolgt im Wege einer sog. Nutzungseinlage, bei der der anteilige betriebliche Aufwand als Einlage gebucht wird. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Unternehmer mit seinem privaten Pkw gelegentlich betriebliche Fahrten unternimmt.
Sachverhalt: Der Kläger war Freiberufler und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Zudem erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger leaste Anfang Dezember 2013 ein Kfz, das er für seine freiberufliche Tätigkeit, für seine Vermietungstätigkeit sowie privat nutzte. Über die Dauer des Leasingvertrags betrug der betriebliche (freiberufliche) Nutzungsanteil 12,16 %, der Vermietungsanteil 6,24 % und der private Anteil 81,6 %. Im Dezember 2013 belief sich der betriebliche Nutzungsanteil jedoch auf 71,03 % und der Vermietungsanteil auf 12,96 % (zusammen 83,99 %). Der Kläger leistete im Dezember 2013 eine Leasing-Sonderzahlung in Höhe von ca. 36.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Der Kläger machte daher 83,99 % der Leasing-Sonderzahlung als Betriebsausgaben bei seinem freiberuflichen Gewinn und als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Leasingsonderzahlung im Streitjahr 2013 nur mit 1/36. Das Finanzgericht (FG) der ersten Instanz berücksichtigte 12,16 % der Leasing-Sonderzahlung als Betriebsausgaben für 2013 sowie 6,24 % der Leasing-Sonderzahlung als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften für 2013.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab; denn das FG hatte bereits einen zu hohen Betrag als Ausgaben berücksichtigt:
Zwar hat der Kläger im Dezember 2013 eine Leasing-Sonderzahlung in Höhe von 36.000 € geleistet und seinen Gewinn nach Zufluss- und Abflussgesichtspunkten ermittelt. In Betracht kommt allerdings nur ein Abzug im Rahmen einer sog. Nutzungseinlage, da das Kfz über die Dauer des Leasingvertrags überwiegend privat genutzt worden ist.
Eine Leasing-Sonderzahlung ist im Wege einer sog. wertenden Zuordnung auf die Leasingdauer zu verteilen. Denn die Sonderzahlung dient dazu, die Leasingraten zu mindern. Würde man die Sonderzahlung auf einen Schlag berücksichtigen, käme es zu einem unzutreffenden Besteuerungsergebnis. Die Leasingdauer betrug 36 Monate, so dass auf den Dezember 2013 1/36 der Sonderzahlung entfällt und maximal abziehbar ist.
Weiterhin kann der auf den Dezember 2013 entfallende Anteil der Leasing-Sonderzahlung nur im Umfang des Nutzungsanteils für die freiberuflichen und für die Vermietungseinkünfte im Jahr 2013 berücksichtigt werden. Dies waren 71,03 % für die freiberuflichen Einkünfte und 12,96 % für die Vermietungseinkünfte. Auf die freiberuflichen Einkünfte des Jahres 2013 entfallen damit 1,97 % der Leasing-Sonderzahlung (1/36 x 71,03 %) und auf die Vermietungseinkünfte 0,36 % (1/36 x 12,96 %).
Die sich danach ergebenden Beträge sind niedriger als die vom FG in der ersten Instanz anerkannten Beträge; denn das FG hat die Leasing-Sonderzahlung nicht auf 36 Monate verteilt. Der BFH darf jedoch nicht „verbösern“, so dass es bei der Entscheidung des FG bleibt.
Hinweise: Das Leasing-Fahrzeug gehörte nicht zum Betriebsvermögen, da der Kläger weder rechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer des Leasing-Kfz geworden ist. Die Leasing-Sonderzahlung war keine Betriebsausgabe, sondern nur im Wege der Nutzungseinlage zu berücksichtigen; denn über die gesamte Leasingdauer ist das Kfz nur im Umfang von 12,16 % für die freiberuflichen Einkünfte genutzt worden, also nicht zu mehr als 50 %. Daher ist auch keine Nutzungsentnahme für die Privatnutzung anzusetzen.
Quelle: BFH, Urteil vom 12.3.2024 – VIII R 1/21; NWB
15.07.2024
Beiträge des Arbeitgebers an einen Pensionsfonds, der den Arbeitnehmern Ansprüche auf Renten bzw. Kapitalabfindungen gewährt, sind keine Sachzuwendungen, sondern Barlohn und können daher nicht pauschal mit 30 % versteuert werden.
Hintergrund: Betrieblich veranlasste Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, die nicht in Geld bestehen und die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden, können auf Antrag des Arbeitgebers pauschal mit 30 % besteuert werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine zum B-Konzern gehörende Konzerngesellschaft. Der B-Konzern bot seinen Arbeitnehmern eine betriebliche Altersvorsorge in Gestalt eines Pensionsfonds an. Die Arbeitnehmer, die dieses Angebot annahmen, erwarben Ansprüche gegenüber dem Pensionsfonds desjenigen Landes, in dem die jeweilige Konzerngesellschaft, für die sie tätig waren, ihren Sitz hatten; diese Konzerngesellschaft, für die sie tätig waren, war gegenüber dem Pensionsfonds zur Beitragszahlung verpflichtet. Arbeitnehmer der Konzerngesellschaft wurden häufig auch in anderen Ländern bei den dort ansässigen Konzerngesellschaften vorübergehend eingesetzt, so dass auch bei der Klägerin im streitigen Zeitraum 2012 bis 2015 Arbeitnehmer ausländischer Konzerngesellschaften tätig waren; die hierfür entstandenen Beiträge an den ausländischen Pensionsfonds wurden der Klägerin konzernintern belastet. Das Finanzamt behandelte diese Beiträge als Barlohn und erließ gegenüber der Klägerin einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid. Die Klägerin machte geltend, dass eine Pauschalierung zulässig sein müsse.
Entscheidung: Das Finanzgericht Hamburg (FG) wies die Klage ab:
Eine Pauschalierung für Arbeitslohn ist nur zulässig, wenn die Zuwendung des Arbeitgebers nicht in Geld besteht. Es muss sich also um einen Sachbezug handeln.
Für die Abgrenzung zwischen Sachbezug und Barlohn ist der Rechtsgrund des Zuflusses maßgeblich. Ein Sachbezug unterscheidet sich vom Barlohn durch die Art des vom Arbeitgeber zugesagten und daher vom Arbeitnehmer zu beanspruchenden Vorteils, nicht aber durch die Art und Weise des Vorteils selbst. Ein Sachbezug liegt somit vor, wenn der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen kann. Hat der Arbeitnehmer hingegen einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihm anstelle der Sache den Barlohn ausbezahlt, handelt es sich um Barlohn. Bei der Sache kann es sich auch um einen Anspruch handeln, z.B. um einen Anspruch gegen den Pensionsfonds.
Die Beiträge an die ausländischen Pensionsfonds stellten Barlohn dar und konnten daher nicht pauschal versteuert werden. Der Anspruch der Arbeitnehmer war nämlich auf Geldleistungen in Form von Altersrenten, Invaliditätsrenten, Hinterbliebenenrenten und ggf. Kapitalabfindungen gerichtet.
Hinweise: Die Abgrenzung zwischen Bar- und Sachlohn bleibt auch nach dem aktuellen Urteil sehr schwierig. Ein anderes Finanzgericht hätte möglicherweise mit einer ähnlichen Begründung Sachlohn angenommen. In der Praxis kann es daher ratsam sein, eine Lohnsteuer-Anrufungsauskunft beim Finanzamt zu beantragen, um vorab Klarheit zu erlangen, ob und inwieweit steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt und eine Pauschalierung zulässig ist.
Ein Teil der Beiträge an die Pensionsfonds war im Streitfall steuerfrei, da Leistungen des Arbeitgebers für die betriebliche Altersversorgung nach dem Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise steuerfrei sind.
Quelle: FG Hamburg, Urteil vom 14.3.2024 – 6 K 109/20; NWB
15.07.2024
Tätigt ein Unternehmer anlässlich einer Verkaufsveranstaltung Bewirtungsaufwendungen, sind die Bewirtungsaufwendungen steuerlich nicht absetzbar, wenn der Unternehmer sie nicht einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzeichnet, sondern allgemein als Betriebsausgaben bucht. Die Pflicht zur gesonderten Aufzeichnung von Bewirtungsaufwendungen gilt auch dann, wenn neben den Geschäftsfreunden auch Arbeitnehmer an den Verkaufsveranstaltungen teilgenommen haben.
Hintergrund: Verschiedene Betriebsausgaben sind nach dem Gesetz nicht oder nur beschränkt bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen (etwa bis zu einem Höchstbetrag) abziehbar. So können z.B. Bewirtungskosten nur zu 70 % steuerlich abgesetzt werden. Einige der nicht abziehbaren bzw. nur beschränkt abziehbaren Betriebsausgaben sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die neu gebaute Immobilien verkaufte. Sie führte in den Jahren 2013 und 2014 sog. Kick-Off-Veranstaltungen durch, zu denen sie ihre potenziellen Kunden einlud und bei denen sie Speisen und Getränke anbot. Die Veranstaltungen fanden auf Baustellen statt und dauerten jeweils vier Stunden. Ein Unterhaltungsprogramm gab es nicht, die Speisen und Getränke konnten an Stehtischen verzehrt werden. An den Veranstaltungen nahmen auch Arbeitnehmer teil. Ferner führte die Klägerin im Jahr 2015 eine Betriebsveranstaltung durch, deren Teilnehmerkreis zu ¾ aus Kunden und zu ¼ aus Arbeitnehmern bestand. Die Klägerin buchte die Aufwendungen für die Veranstaltungen auf einem allgemeinen Betriebsausgabenkonto, nicht aber auf einem Konto für nicht bzw. nur beschränkt abziehbare Betriebsausgaben. Das Finanzamt erkannte den Betriebsausgabenabzug für die Speisen und Getränke nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Bewirtungskosten waren nicht abziehbar und daher dem Einkommen der Klägerin hinzuzurechnen, da die Klägerin gegen die Pflicht zur gesonderten Aufzeichnung verstoßen hatte. Bewirtungsaufwendungen sind nach dem Gesetz nämlich einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen, wenn sie geschäftlich veranlasst sind.
Die geschäftliche Veranlassung der Aufwendungen war im Streitfall zu bejahen, da es sich um Verkaufsveranstaltungen und um eine Betriebsveranstaltung handelte. Eine geschäftliche Veranlassung besteht nicht, wenn ausschließlich Arbeitnehmer teilnehmen. Hingegen entfällt die geschäftliche Veranlassung nicht deshalb, weil auch Arbeitnehmer an den Veranstaltungen teilgenommen hatten.
Es kommt nicht darauf an, ob die Speisen und Getränke im Vordergrund der Veranstaltungen standen.
Hinweise: Die Pflicht zur gesonderten Aufzeichnung besteht nach dem Gesetz auch bei Aufwendungen für Geschenke, Gästehäuser, Repräsentation, häusliche Arbeitszimmer und unangemessene Aufwendungen. Es ist daher ratsam, diese Aufwendungen gesondert aufzuzeichnen, und zwar auf denjenigen Buchführungskonten, die für nicht abziehbare bzw. beschränkt abziehbare Aufwendungen vorgesehen sind.
Die gesonderte Aufzeichnung soll dem Finanzamt eine Prüfung der Abziehbarkeit dieser Aufwendungen erleichtern, weil diese Aufwendungen nicht unter den übrigen Betriebsausgaben „versteckt“ werden sollen.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.10.2023 – 6 K 6089/20; NWB
12.07.2024
Übernehmen Mieter einer Wohnungsgenossenschaft freiwillig Anteile an einer Genossenschaft, die den Mietern dafür eine Mietminderung anbietet, ist der Mietnachlass gewerbesteuerlich nicht als Aufwendungen für Fremdkapital dem Gewinn der Genossenschaft hinzuzurechnen. Bei den freiwillig übernommenen Genossenschaftsanteilen handelt es sich nämlich um Eigenkapital und nicht um Fremdkapital.
Hintergrund: Gewerbesteuerlich werden Zinsen für Fremdkapital zu 1/4 wieder dem Gewinn hinzugerechnet, soweit der Betrag der gesamten Hinzurechnungen – neben den Zinsen sind z.B. auch Mieten oder Lizenzen dem Gewinn in einem bestimmten Umfang hinzuzurechnen – 200.000 € pro Betrieb übersteigt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Wohnungsgenossenschaft. Sie bot ihren Mietern an, dass diese freiwillig unverzinsliche Genossenschaftsanteile (d.h. ohne Dividende) übernehmen können und hierfür eine Mietminderung im Umfang der üblichen Dividende erhalten. Das Finanzamt sah in der Mietminderung eine Vergütung für Fremdkapital und nahm eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung in Höhe der Mietminderung vor.
Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Klägerin hatte keine Aufwendungen für Fremdkapital getätigt und etwa Zinsen an eine Bank gezahlt.
Zwar hat die Klägerin ihren Mietern eine Mietminderung in Höhe der üblichen Dividende für die freiwillig übernommenen Genossenschaftsanteile zugesagt. In der Mietminderung war aber keine Vergütung für Fremdkapital zu sehen; denn das Kapital, das durch die Zeichnung freiwilliger Genossenschaftsanteile entstanden ist, war Eigenkapital der Genossenschaft.
Zum Eigenkapital einer Genossenschaft gehört das Geschäftsguthaben der Mitglieder. Das Geschäftsguthaben des einzelnen Mitglieds setzt sich aus den gezeichneten Geschäftsanteilen zusammen, zu denen sowohl die Pflichtbeteiligung des Mitglieds als auch die freiwilligen Geschäftsanteile, die von dem Mitglied über die Pflichtbeteiligung hinaus gezeichnet werden können, gehören.
Hinweise: Die Klägerin hatte Sorge gehabt, dass das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung annehmen könnte, und hatte daher vorab eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt beantragt. Das Finanzamt hat die verbindliche Auskunft erteilt und eine verdeckte Gewinnausschüttung verneint. Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin hat das Finanzamt dann aber eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung in Höhe der zugesagten Mietminderung vorgenommen. Das FG interpretierte die verbindliche Auskunft aber zugunsten der Klägerin dahingehend, dass das Finanzamt jegliche Form der Einkommens- bzw. Gewinnerhöhung in Bezug auf die Übernahme freiwilliger Genossenschaftsanteile ausgeschlossen habe, also auch unter dem Gesichtspunkt der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Daher hätte die Klage auch aufgrund der verbindlichen Auskunft Erfolg gehabt.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2023 – 6 K 6042/20; NWB
10.07.2024
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Juni 2024 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2024 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 1.7.2024 - III C 3 - S 7329/19/10001 :006 (2024/0587317); NWB
09.07.2024
Ein Investitionsabzugsbetrag, der im Jahr 2021 für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage gebildet worden ist, ist aufgrund der rückwirkend zum 1.1.2022 eingeführten Steuerbefreiung für Gewinne aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen rückgängig zu machen. Dies gilt für Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis zu 30 kW (peak).
Hintergrund: Ein Unternehmer kann für künftige Investitionen unter bestimmten Voraussetzungen einen Investitionsabzugsbetrag steuermindernd bilden. Der Investitionsabzugsbetrag beläuft sich auf maximal 50 % der künftigen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Wird die Investition durchgeführt, kann in Höhe des Investitionsabzugsbetrags eine Hinzurechnung zum Gewinn erfolgen; unterbleibt die Hinzurechnung ist der Investitionsabzugsbetrag rückgängig zu machen.
Gewinne aus dem Betrieb kleiner Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von maximal 30 kW (peak) sind unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.1.2022 steuerfrei. Die Steuerfreiheit wurde rückwirkend Ende 2022 eingeführt.
Sachverhalt: Der Steuerpflichtige bildete im Streitjahr 2021 einen gewinnmindernden Investitionsabzugsbetrag, weil er die Anschaffung einer Photovoltaikanlage mit einer Leistung von ca. 11 kW (peak) plante. Das Finanzamt erkannte den Investitionsabzugsbetrag im Einkommensteuerbescheid für 2021 aus dem Mai 2022 zunächst an. Nachdem der Gesetzgeber Ende 2022 die Steuerfreiheit für Gewinne aus dem Betrieb kleiner Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von maximal 30 kW (peak) rückwirkend zum 1.1.2022 eingeführt hatte, änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2021 im November 2023 und machte den Investitionsabzugsbetrag rückgängig. Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Das Finanzgericht Köln (FG) lehnte eine Aussetzung der Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2021 ebenfalls ab:
Es kann offenbleiben, ob der Antragsteller angesichts der rückwirkend zum 1.1.2022 eingeführten Steuerfreiheit überhaupt noch eine Gewinnerzielungsabsicht ab 2022 hatte und deshalb für Investitionen ab 2022 noch vorab einen Investitionsabzugsbetrag bilden konnte.
Aufgrund der rückwirkend zum 1.1.2022 eingeführten Steuerfreiheit für Gewinne aus dem Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis zu 30 kW (peak) war eine gewinnerhöhende Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags bei Durchführung der Investition ab 2022 nicht mehr möglich; denn ein Gewinn war ab 2022 nicht mehr zu ermitteln.
Daher war der bereits im Jahr 2021 gebildete Investitionsabzugsbetrag rückgängig zu machen. Diese Rückgängigmachung erfolgte noch vor Ablauf des dreijährigen Investitionszeitraums, weil schon jetzt feststand, dass eine gewinnerhöhende Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags im Fall der Durchführung der Investition nicht mehr erfolgen konnte.
Hinweise: Das FG folgt mit seiner Entscheidung der Auffassung der Finanzverwaltung, die ebenfalls eine Rückgängigmachung verlangt, wenn der Investitionsabzugsbetrag vor dem 1.1.2022 gebildet und die Investition nicht bis zum 31.12.2021 getätigt wurde.
Das Ergebnis des FG mag auf den ersten Blick finanzamtsfreundlich erscheinen. Hintergrund ist allerdings die neu eingeführte Steuerfreiheit, die ab 2022 zugunsten der Unternehmer gilt. Der Investitionsabzugsbetrag ist eine vorgezogene Abschreibung. Ist der Gewinn jedoch steuerfrei, sind Abschreibungen steuerlich nicht möglich. Dies gilt dann auch für den Investitionsabzugsbetrag als vorgezogene Abschreibung. Verfassungsrechtlich ist dies dem Finanzgericht zufolge nicht zu beanstanden.
Nun hat der Bundesfinanzhof das letzte Wort. Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des FG Beschwerde eingelegt.
Quelle: FG Köln, Beschluss vom 14.3.2024 - 7 V 10/24; Az. beim BFH: III B 24/24; Auffassung Finanzverwaltung: BMF, Schreiben vom 17.7.2023 - IV C 6 - S 2121/23/10001 :001; BStBl 2023 I S. 1494, Rn. 19; NWB
08.07.2024
Kommt es bei einer Kapitalgesellschaft zu einer Anteilsübertragung von mehr als 50 %, geht zwar u.a. der körperschaftsteuerliche Verlustvortrag und der bis zum Tag der Anteilsübertragung entstandene laufende Verlust der Kapitalgesellschaft unter, nicht aber der verrechenbare Verlust, der für die Kapitalgesellschaft aus ihrer Beteiligung an einer KG festgestellt worden ist. Denn hierbei handelt es sich nicht um den Verlust einer Kapitalgesellschaft, sondern um den Verlust einer KG.
Hintergrund: Nach dem Gesetz gehen die nicht genutzten Verluste einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich unter, wenn mehr als 50 % der Anteile innerhalb von fünf Jahren an einen Erwerber unmittelbar oder mittelbar übertragen werden. Dies betrifft insbesondere den zum 31.12. des Vorjahres festgestellten körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvortrag.
Sachverhalt: Die X-GmbH war Kommanditistin der B-GmbH & Co. KG. Für die X-GmbH war zum 31.12.2013 ein verrechenbarer Verlust festgestellt worden; das heißt, die bisherigen Verlustanteile der X-GmbH aus ihrer Beteiligung an der B-GmbH & Co. KG hatten zu einem negativen Kapitalkonto der X-GmbH bei der B-GmbH & Co. KG geführt. Im Jahr 2014 wurden 100 % der Anteile an der X-GmbH auf einen Dritten übertragen. Das Finanzamt, das für die Gewinnfeststellung der B-GmbH & Co. KG zuständig war, ging auf Grund der Anteilsübertragung davon aus, dass dies zum Untergang des verrechenbaren Verlustes der X-GmbH führt und stellte diesen zum 31.12.2014 mit 0 € fest. Hiergegen klagte die X-GmbH.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Zwar gab es im Jahr 2014 eine schädliche Anteilsübertragung, da mehr als 50 % der Anteile auf einen Dritten übertragen wurden. Dies führte zu einem Untergang der nicht genutzten Verluste der X-GmbH.
Bei den nicht genutzten Verlusten handelt es sich aber nur um die Verluste der X-GmbH. Der verrechenbare Verlust ist aber ein Verlust, der bei der B-GmbH & Co. KG entstanden ist und der X-GmbH nur anteilig zugerechnet wird; der Verlust ist aber nicht bei der X-GmbH entstanden.
Der verrechenbare Verlust ist zudem auch kein nicht genutzter Verlust, sondern er ist ein nicht nutzbarer Verlust. Er wird nämlich als verrechenbar festgestellt, weil insoweit das Kapitalkonto negativ geworden ist, und kann nur mit künftigen Gewinnanteilen aus der KG-Beteiligung verrechnet werden. Die gesetzliche Regelung zum Verlustuntergang soll aber verhindern, dass mit Verlusten, die bereits jetzt genutzt werden können und die für den Erwerber einen wirtschaftlichen Wert haben, Handel getrieben wird. Ob und wann der verrechenbare Verlust genutzt werden kann, also künftige Gewinne bei der KG entstehen, ist indes unsicher.
Hinweise: Der BFH folgt nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, die von einem Untergang des verrechenbaren Verlustes ausgeht, wenn bei der GmbH, die an einer KG als Mitunternehmerin beteiligt ist, mehr als 50 % der Anteile innerhalb von fünf Jahren auf einen Dritten übertragen werden.
Die Verlustuntergangsregelung enthält mehrere Ausnahmen, bei denen es trotz einer Anteilsübertragung von mehr als 50 % nicht zu einem Verlustuntergang kommt. So gibt es z.B. eine Konzernklausel, die bestimmte Übertragungen innerhalb einer Konzernstruktur als unschädlich ansieht, eine sog. Verschonungsregelung, nach der der Verlust nicht untergeht, soweit die Kapitalgesellschaft stille Reserven hat, oder eine Sanierungsklausel, nach der eine Anteilsübertragung zwecks Sanierung nicht zum Verlustuntergang führt. Außerdem ist noch nicht entschieden, ob die Verlustuntergangsregelung verfassungswidrig ist; hierzu ist ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Gewerbesteuerlich würde der verrechenbare Verlust hingegen als eigener Verlust der Kapitalgesellschaft behandelt werden; denn er wäre gewerbesteuerlich sofort nutzbar und würde deshalb auch bei einer Anteilsübertragung von mehr als 50 % untergehen.
Quelle: BFH, Urteil vom 24.4.2024 – IV R 27/21; NWB
05.07.2024
Enthält eine Pensionszusage mehrere Versorgungskomponenten, von denen eine Versorgungskomponente nicht eindeutig formuliert ist, führt dies nicht dazu, dass keine Pensionsrückstellung passiviert werden darf. Vielmehr ist eine Pensionsrückstellung anteilig zu bilden, soweit die Pensionszusage eine oder mehrere eindeutige Versorgungskomponenten enthält.
Hintergrund: Für die Verpflichtung aus Pensionszusagen sind handels- und steuerrechtlich Pensionsrückstellungen zu bilden. Steuerlich sind allerdings bestimmte Voraussetzungen zu beachten. So muss die Pensionszusage z.B. schriftlich erteilt werden, und die Pensionszusage muss eindeutige Angaben zur Art und Form, zu den Voraussetzungen und zur Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die ihren beiden Gesellschafter-Geschäftsführern Pensionszusagen erteilt hatte. Danach konnten beide Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszahlung bei Vollendung des 65. Lebensjahres verlangen. Außerdem sollten beide bereits vor Vollendung ihres 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus dem Unternehmen eine Rente mit Abschlag beanspruchen können, wobei der vorzeitige Bezug der Rente jedoch frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich war. Das Finanzamt hielt die Pensionszusage hinsichtlich des vorzeitigen Rentenbezugs für nicht eindeutig formuliert und erkannte die Pensionsrückstellungen in den Streitjahren 2009 bis 2012 in vollem Umfang nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Pensionsrückstellung dem Grundsatz nach für zulässig und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Zwar waren die Pensionszusagen hinsichtlich des vorzeitigen Rentenbezugs nicht eindeutig formuliert. Es war nämlich nicht klar, ob die Rente bei einem vorzeitigen Ausscheiden geleistet werden muss oder ob der jeweilige Gesellschafter-Geschäftsführer zwar schon vor dem 60. Lebensjahr ausscheiden kann, aber erst ab dem 60. Lebensjahr eine Rente erhält.
Diese fehlende Eindeutigkeit bezieht sich jedoch nur auf den vorzeitigen Rentenbezug, nicht aber auf die gesamte Pensionszusage. Hinsichtlich des regulären Rentenbezugs mit Vollendung des 65. Lebensjahres war die Pensionszusage eindeutig formuliert.
Die erteilten Pensionszusagen stellten teilbare Versorgungszusagen dar, da sie zum einen eine eindeutige Zusage auf Zahlung einer Rente nach Vollendung des 65. Lebensjahres enthielten und zum anderen eine nicht eindeutige Zusage auf vorzeitige Zahlung einer Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres vorsahen. Da eine der beiden Versorgungskomponenten der teilbaren Versorgungszusage eindeutig formuliert war, nämlich die Pensionszusage für den Fall der Vollendung des 65. Lebensjahres, war insoweit eine Pensionsrückstellung zu bilden.
Die Pensionsrückstellung ist nach dem Pensionsalter von 65 Jahren zu berechnen. Zu passivieren ist auch die Verpflichtung für eine Witwenrente, falls diese ebenfalls erteilt worden sein sollte und an die Altersrente geknüpft ist. Bei der Berechnung der Pensionsrückstellung darf aber die Möglichkeit eines vorzeitigen Bezugs der Altersrente nicht berücksichtigt werden; denn insoweit war die Pensionszusage nicht eindeutig.
Hinweise: Das FG muss nun die entsprechende Berechnung vornehmen.
Außerdem muss es prüfen, ob es in den Streitjahren bereits zu einer vorzeitigen Rentenzahlung vor Vollendung des 65. Lebensjahres gekommen ist. In diesem Fall müssten die vorzeitigen Rentenzahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden, falls die Gesellschafter-Geschäftsführer sog. beherrschende Gesellschafter waren. Denn der Verstoß gegen die Eindeutigkeit bei Erteilung der vorzeitigen Pensionszusagen würde zugleich einen Verstoß gegen den sog. formellen Fremdvergleich begründen, der bei Verträgen zwischen der GmbH und den beherrschenden Gesellschaftern u.a. eine eindeutige Vereinbarung verlangt, und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung nach sich ziehen.
Quelle: BFH, Urteil vom 28.2.2024 – I R 29/21; NWB
03.07.2024
Trägt ein Grundstückseigentümer konkrete Umstände vor, nach denen der im Rahmen der Grundsteuerreform festgestellte Grundsteuerwert den Wert seines Grundstücks erheblich überschreiten und ein entsprechender Nachweis durch ein Sachverständigengutachten geführt werden könnte, ist Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids zu gewähren.
Hintergrund: Im Rahmen der Grundsteuerreform werden ca. 36 Mio. Grundstücke neu bewertet. Die Bewertung erfolgt schematisch anhand der Bodenrichtwerte, einer fingierten Restnutzungsdauer und eines typisierten Reinertrags. Der Nachweis eines niedrigeren Wertes durch Vorlage eines Gutachtens ist nicht vorgesehen. In vielen Bundesländern wird das sog. Bundesmodell angewendet, das auch im Streitfall relevant war.
Sachverhalt: Der Steuerpflichtige besaß ein ca. 350 qm großes Grundstück in Rheinland-Pfalz, das mit einem Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 72 qm bebaut war. Das Baujahr des Einfamilienhauses war 1880; seit der Errichtung waren keine wesentlichen Renovierungen mehr vorgenommen. Das Finanzamt stellte den Grundsteuerwert zum 1.1.2022 auf ca. 91.000 € fest. Hiergegen legte der Steuerpflichtige Einspruch ein und beantragte unter Hinweis auf das Baujahr und den Zustand des Hauses die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt ablehnte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt:
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grundsteuerwertes. Denn die Vorschriften über die Bewertung von Grundstücken müssen verfassungskonform ausgelegt werden und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen. Zwar ist nach der Grundsteuerreform der Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwertes nicht vorgesehen; ein solcher Nachweis, z.B. durch ein Sachverständigengutachten, muss aber verfassungsrechtlich möglich sein, um eine Übermaßbesteuerung zu vermeiden.
Zwar hat der Gesetzgeber angesichts der großen Anzahl zu bewertender Grundstücke einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum. Allerdings darf es nicht zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung kommen.
Der Steuerpflichtige hat im Streitfall Umstände vorgetragen, nach denen der Nachweis eines niedrigeren Grundstückswertes gelingen könnte. Hierfür sprechen das Baujahr des Hauses und die seit 1880 unterbliebenen Renovierungen. Es ist daher vorstellbar, dass das Grundstück nur mit dem Bodenwert abzüglich etwaiger Freilegungskosten bewertet werden könnte. Es bestehen Zweifel, dass sich mit dem Gebäude die gesetzlich typisierten Mieterträge erzielen lassen, die im Streitfall mit jährlich 3.635 € angesetzt wurden.
Hinweise: Der Steuerpflichtige hat im Streitfall kein Sachverständigengutachten vorgelegt. Für die Aussetzung der Vollziehung genügt es, dass er Umstände vorgetragen hat, die es möglich erscheinen lassen, dass ein Sachverständigengutachten zu einem niedrigeren gemeinen Wert gelangt. In seiner bisherigen Rechtsprechung geht der BFH von einem Verstoß gegen das Übermaßverbot aus, wenn der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren Wert (sog. gemeinen Wert) um 40 % oder mehr übersteigt.
Die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grundsteuerwertbescheids führt im Ergebnis dazu, dass im vorliegenden Fall im Umfang der Aussetzung zunächst keine Grundsteuer gezahlt werden muss. Die Aussetzung der Vollziehung ist jedoch nur eine vorläufige Entscheidung; die endgültige Entscheidung wird im Klageverfahren gegen den Grundsteuerwertbescheid getroffen.
Der aktuelle Beschluss betrifft das sog. Bundesmodell, das in der Mehrzahl der Bundesländer anwendbar ist. Einige Bundesländer (u.a. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen) haben von der gesetzlichen Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und wenden das Bundesmodell nicht an. Der BFH hat sich nicht dazu geäußert, ob sich seine aktuellen Ausführungen auch auf die Ermittlung des Grundsteuerwerts in diesen Bundesländern übertragen lassen.
Quelle: BFH, Beschluss vom 27.5.2024 – II B 78/23 (AdV); NWB
02.07.2024
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss entscheiden, ob für Nebenleistungen eines Hotels der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 %, der auch für die Übernachtung gilt, oder aber der reguläre Steuersatz von 19 % anwendbar ist, so dass das Gesamtentgelt aufzuteilen ist in ein Entgelt für die Zimmerüberlassung (7 %) und in ein Entgelt für die Nebenleistungen (19 %). Der Bundesfinanzhof (BFH) ist zwar für eine Aufteilung, hält es allerdings für möglich, dass der EuGH das gesetzliche Aufteilungsgebot als europarechtswidrig ansieht.
Hintergrund: Hotelübernachtungen werden nach deutschem Recht mit lediglich 7 % Umsatzsteuer besteuert. Nach dem Gesetz gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen im Hotelpreis enthalten sind; erforderlich ist danach eine Aufteilung des Entgelts, wenn der Hotelpreis auch Nebenleistungen umfasst. Die Aufteilung von Entgelten ist vom EuGH in der jüngeren Vergangenheit aber in anderem Zusammenhang abgelehnt worden.
Sachverhalt: Der BFH musste über drei Fälle entscheiden, die jeweils ein Hotel bzw. eine Pension betrafen. In dem ersten Fall bot das Hotel optional ein Frühstück zum Preis von 4,50 € an; im Hotelpreis war aber ein Parkplatz enthalten. Im zweiten Fall waren im Übernachtungspreis ebenfalls ein Parkplatz sowie das zur Verfügung gestellte WLAN und der Fitness- und Wellnessbereich enthalten. Im dritten Fall gehörte zur Übernachtung ein Frühstück, das nicht abgewählt werden konnte. Das Finanzamt wandte in allen Fällen den ermäßigten Umsatzsteuersatz nur für die eigentliche Übernachtung an und teilte den jeweiligen Zimmerpreis auf die eigentliche Übernachtungsleistung (7 %) und auf die Nebenleistung(en) (19 %) auf. Hiergegen wehrten sich die drei Hotel- bzw. Pensionsbetreiber.
Entscheidung: Der BFH hat dem EuGH die Streitfragen zur Entscheidung vorgelegt, soweit es um den Steuersatz der im Hotelpreis enthaltenen Nebenleistungen geht:
Bietet das Hotel zusätzlich zur Übernachtung eine Leistung an, die weder hinzugebucht noch abgewählt werden kann, sondern zwingend enthalten ist, handelt es sich um eine Nebenleistung zur Hauptleistung (Übernachtung). Denn diese Nebenleistung ist eng mit der Übernachtung verbunden und im Preis enthalten.
Nach deutschem Recht besteht ein Aufteilungsgebot, weil der ermäßigte Umsatzsteuersatz nur für die Zimmervermietung gewährt wird, nicht aber für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen wie im ersten und zweiten Fall der Hotelparkplatz, im zweiten Fall die Bereitstellung des WLAN und der Fitness- und Wellnessbereichs sowie im dritten Fall das Frühstück.
Aus der aktuellen Rechtsprechung des EuGH könnte sich aber ergeben, dass ein Aufteilungsgebot gegen das Europarecht verstößt. Dem EuGH zufolge darf nämlich eine einheitliche Leistung, die aus einer Hauptleistung und aus einer Nebenleistung besteht und bei der unterschiedliche Umsatzsteuersätze für die Haupt- und Nebenleistung gelten, nicht aufgeteilt werden - der Umsatzsteuersatz für die Hauptleistung gilt dann für die gesamte Leistung. Hieraus könnte sich der Schluss ergeben, dass das deutsche Aufteilungsgebot unzulässig ist.
Hinweise: Der EuGH muss nun entscheiden, ob das deutsche Aufteilungsgebot gilt oder ob es wegen Verstoßes gegen das Europarecht nicht anwendbar ist.
Das Vorabentscheidungsersuchen hat Bedeutung für Nebenleistungen, die weder hinzugebucht noch abgewählt werden können. Kann jedoch die Leistung wie z.B. das Frühstück im ersten Fall zu- oder abgewählt werden, handelt es sich nicht um eine Nebenleistung, sondern um eine eigenständige Leistung, die in jedem Fall dem regulären Steuersatz von 19 % unterliegt.
Quelle: BFH, Beschlüsse vom 10.1.2024 – XI R 11/23 (XI R 34/20); XI R 13/23 (XI R 7/21) sowie XI R 14/23 (XI R 22/21); NWB
01.07.2024
Ein Unternehmer, der zum einen Gewächshäuser plant und projektiert und zum anderen eine Pflanzenzucht mit exotischen Pflanzen betreibt, hat zwei selbständige Gewerbebetriebe. Es handelt sich nicht um einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Daher kann der Verlust des einen Betriebs nicht mit dem Gewinn des anderen Betriebs verrechnet werden.
Hintergrund: Gewerbesteuerlich wird jeder einzelne Gewerbebetrieb selbständig behandelt, so dass für jeden Gewerbebetrieb ein eigener Gewerbesteuermessbescheid ergeht.
Sachverhalt: Der Kläger betrieb seit September 2013 ein Unternehmen im Bereich der Planung und Projektierung von Gewächshäusern. Ab November 2013 meldete er eine Pflanzenzucht für exotische Pflanzen an. Mit der Pflanzenzucht erzielte der Kläger in den Streitjahren 2014 und 2015 Verluste; hingegen erwirtschaftete er mit der Gewächshausplanung Gewinne. Der Kläger verrechnete die Verluste des Pflanzenzuchtunternehmens mit den Gewinnen aus der Gewächshausplanung. Dies akzeptierte das Finanzamt nicht.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Eine Verrechnung der Verluste, die mit der Pflanzenzucht erzielt wurden, mit Gewinnen aus der Gewächshausplanung und -projektierung war nicht zulässig, weil es sich um zwei selbständige Gewerbebetriebe handelte und nicht um einen einheitlichen Gewerbebetrieb.
Bei der Frage, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegt, kommt der Gleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu. Eine gleichartige Betätigung spricht in der Regel für einen einheitlichen Betrieb, so dass der Verlust des einen Bereichs mit dem Gewinn aus dem anderen Bereich verrechnet werden kann. Bei Ungleichartigkeit der Betätigungen kann hingegen nur ausnahmsweise von einem einheitlichen Betrieb ausgehen.
Im Streitfall waren die Betätigungen ungleichartig: So führten beide Betätigungen zu unterschiedlichen Einkünften; aus der Gewächshausplanung und -projektierung ergaben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, während die Pflanzenzucht zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führte. Beide Tätigkeiten wandten sich auch an unterschiedliche Kundenbereiche. Die Gewächshausplanung und -projektierung erfolgte für gewerbliche Kunden, die gezüchteten Pflanzen sollten hingegen an Privatkunden verkauft werden. Schließlich war die Pflanzenzucht auch nicht notwendig für die Gewächshausplanung und -projektierung.
Hinweise: Die Verluste aus dem Pflanzenzuchtbetrieb können somit nicht mit den Gewinnen aus der Gewächshausplanung und -projektierung verrechnet werden. Es ergeht vielmehr für jeden Betrieb ein eigener Gewerbesteuermessbescheid, wobei sich aus dem Bescheid für die Pflanzenzucht aufgrund der Verluste in beiden Streitjahren jeweils ein Messbetrag von 0 € ergibt. Zudem wird der Verlust aus der Pflanzenzucht gesondert zum 31.12. eines jeden Jahres festgestellt, so dass er mit künftigen Gewinnen aus der Pflanzenzucht verrechnet werden kann.
Ein Verlustrücktrag ist bei der Gewerbesteuer nicht möglich, sondern nur bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 29.11.2023 – 13 K 986/21; NWB
28.06.2024
Vermietet eine GmbH ein Grundstück an eine Personengesellschaft, die nur mittelbar über eine andere GmbH an der vermietenden GmbH beteiligt ist, und übt die vermietende GmbH keine weitere Tätigkeit aus, kann die vermietende GmbH die sog. erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer beantragen. Sie ist nämlich nicht gewerblich tätig, da keine Betriebsaufspaltung vorliegt.
Hintergrund: Unternehmen, die nur aufgrund ihrer Rechtsform als Kapitalgesellschaft oder aufgrund ihrer gewerblichen Prägung als GmbH & Co. KG gewerbesteuerpflichtig sind, tatsächlich aber ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, können eine sog. erweiterte Gewerbesteuerkürzung beantragen. Der Ertrag aus der Grundstücksverwaltung und -nutzung unterliegt dann nicht der Gewerbesteuer. Die erweiterte Kürzung ist jedoch nicht möglich, wenn das Unternehmen ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und damit gewerblich tätig ist.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH und vermietete ein Grundstück an die F-KG. Gesellschafter der Klägerin waren die EB-GmbH mit 52,38 % sowie der F mit 47,62 %. Alleingesellschafterin der EB-GmbH war die F-KG, die die Mieterin des Grundstücks war. Alleinige Kommanditistin der F-KG war die FH-GmbH, deren Alleingesellschafter der F war. Die Klägerin war also nicht an der F-KG beteiligt. Die Klägerin machte die erweiterte Kürzung geltend. Das Finanzamt gewährte die erweiterte Kürzung nicht, weil es von einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der F-KG ausging und deshalb die Klägerin als gewerblich tätiges Besitzunternehmen ansah.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Die Klägerin verwaltete ausschließlich eigenen Grundbesitz und war nicht gewerblich tätig. Insbesondere war die Klägerin nicht als sog. Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gewerblich tätig.
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sachlich und personell miteinander verflochten sind. Die sachliche Verflechtung ergibt sich aus der Überlassung eines Grundstücks zur Nutzung. Die personelle Verflechtung besteht, wenn es einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen gibt.
Kommt – wie im Streitfall – eine GmbH als Besitzunternehmen in Betracht, müsste die GmbH selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft (F-KG) durchsetzen können. Hieran fehlte es im Streitfall, da die Klägerin weder unmittelbar noch mittelbar zu mehr als 50 % an der F-KG beteiligt war. Ein Rückgriff auf die Gesellschafter, die hinter der Klägerin stehen, z.B. den F, ist nicht zulässig; dies nennt man Durchgriffsverbot, weil nicht durch die EB-GmbH als Kapitalgesellschaft, die Gesellschafterin der Klägerin war, "hindurchgegriffen" werden darf.
Hinweise: Es lag auch keine sog. umgekehrte Betriebsaufspaltung vor. Bei einer umgekehrten Betriebsaufspaltung wird die Nutzung eines Wirtschaftsguts durch das Betriebsunternehmen dem Besitzunternehmen zugerechnet; auf diese Weise kann das Besitzunternehmen bestimmte gesetzliche Verbleibens-, Nutzungs- und Zugehörigkeitsvoraussetzungen im Rahmen steuerlicher Vergünstigungen wie dem Investitionsabzugsbetrag oder der Investitionszulage erfüllen. Die umgekehrte Betriebsaufspaltung dient aber nicht dazu, das Durchgriffsverbot zu missachten, um auf diese Weise eine personelle Verflechtung zu begründen und eine vermögensverwaltend tätige Besitzkapitalgesellschaft als gewerblich einzustufen.
Quelle: BFH, Urteil vom 22.2.2024 – III R 13/23; NWB
26.06.2024
Wird eine KG durch einen Formwechsel in eine GmbH umgewandelt, so kann nach dem Formwechsel ein Grunderwerbsteuerbescheid noch wirksam gegenüber der KG bekanntgegeben werden. Denn der Formwechsel führt nur zu einer Änderung der Rechtsform, nicht aber zu einer Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft.
Hintergrund: Ein Steuerbescheid wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.
Sachverhalt: Am 29.8.2012 wurde eine KG, die Grundstücke besaß, in eine GmbH umgewandelt. Zuvor hatte es eine Einbringung von Anteilen an der KG in eine andere KG gegeben. Das Finanzamt erfuhr von der Einbringung und ging von der Grunderwerbsteuerbarkeit der Einbringung aus, hielt diese aber unter dem Gesichtspunkt einer Übertragung zwischen Schwester-Personengesellschaften für steuerfrei. Es erließ am 8.4.2015 einen Grunderwerbsteuerbescheid, den es der KG bekanntgab und in dem es ausführte, dass die Einbringung steuerfrei sei, jedoch Nachhaltefristen zu beachten seien. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 2.2.2018 erließ das Finanzamt einen weiteren Grunderwerbsteuerbescheid, den es nun an die GmbH adressierte und in dem es Grunderwerbsteuer aufgrund der Einbringung festsetzte. Das Finanzamt verneinte die Steuerfreiheit für Schwester-Personengesellschaften wegen des im Jahr 2012 durchgeführten Formwechsels. Die GmbH wehrte sich gegen diesen Bescheid.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und hob den Bescheid vom 2.2.2018 auf:
Der Bescheid vom 2.2.2018 durfte nicht mehr ergehen, weil zuvor bereits der Grunderwerbsteuerbescheid vom 8.4.2015 ergangen und wirksam geworden war. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 8.4.2015 ging von einer Steuerfreiheit aus und stand daher der Steuerfestsetzung vom 2.2.2018 entgegen.
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 8.4.2015 war wirksam bekannt gegeben worden. Unschädlich ist, dass er der KG bekannt gegeben wurde und nicht der GmbH. Bei einem Formwechsel kann ein Bescheid auch noch an den formwechselnden Rechtsträger, d.h. an den bisherigen Rechtsträger (KG), bekannt gegeben werden und muss nicht dem Rechtsträger neuer Form, d.h. der GmbH, bekannt gegeben werden.
Bei einem Formwechsel ändert sich zwar die Rechtsform - im Streitfall wurde aus einer KG eine GmbH. Die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft bleibt aber unverändert. Wenn das Finanzamt nach einem Formwechsel einen Steuerbescheid noch an die Gesellschaft unter dem Namen der alten Rechtsform bekannt gibt, ist dies nur eine unrichtige Bezeichnung, die unschädlich ist. Adressat ist die Gesellschaft, deren Identität sich nicht geändert hat.
Da der an die KG gerichtete Bescheid vom 8.4.2015 wirksam war und eine Steuerbefreiung feststellte, durfte das Finanzamt hiervon nicht mehr abweichen und nun Grunderwerbsteuer gegenüber der GmbH festsetzen. Der Bescheid vom 8.4.2015 war in materieller Bestandskraft erwachsen und hätte nur noch aufgrund einer Korrekturnorm geändert werden dürfen. Eine Korrekturnorm gab es jedoch nicht. Insbesondere war der Formwechsel keine neue Tatsache, sondern dem Finanzamt bereits bei Erlass des Bescheids am 8.4.2015 bekannt.
Hinweise: Es konnte auch keine Änderung wegen eines rückwirkenden Ereignisses erfolgen. Denn wenn als Ereignis der Formwechsel vom 29.8.2012 angesehen werden sollte, so lag dieses Ereignis bereits bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids am 8.4.2015 vor und konnte daher nicht rückwirkend sein.
Bei einem Formwechsel wird nur das „Rechtskleid“ der Gesellschaft ausgetauscht. Die Identität der umgewandelten Gesellschaft ändert sich nicht. Daher löst ein Formwechsel grundsätzlich auch keine Grunderwerbsteuer aus, kann allerdings zu einer Verletzung sog. Vorhalte- oder Nachhaltefristen führen.
Auf die Frage, ob der Grunderwerbsteuerbescheid vom 8.4.2015 rechtmäßig war, kam es nicht an, da dieser Bescheid wirksam geworden war und nicht mehr geändert werden konnte.
Quelle: BFH, Urteil vom 19.3.2024 – II R 33/22; NWB
25.06.2024
Zwar unterliegt die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils innerhalb von fünf Jahren nach dem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuerpflicht gilt aber nicht für die stillen Reserven desjenigen Betriebsvermögens, das erst im Zuge der formwechselnden Umwandlung oder danach gebildet wird.
Hintergrund: Eine Kapitalgesellschaft kann in eine Personengesellschaft formwechselnd umgewandelt werden. Wird aber innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung der Betrieb der Personengesellschaft aufgegeben oder veräußert oder ein Anteil an der Personengesellschaft aufgegeben oder veräußert, unterliegt der Gewinn aus der Aufgabe bzw. Veräußerung der Gewerbesteuer.
Sachverhalt: Die Klägerin ist die B-GmbH & Co. KG, die aus einem Formwechsel von der A-GmbH zum 31.12.2009 hervorging. Alleingesellschafter der A-GmbH war der B, der der A-GmbH ein Grundstück verpachtet hatte; somit bestand bis zum Formwechsel eine sog. Betriebsaufspaltung, die dazu führte, dass das Grundstück zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens des B gehörte. Ab dem 1.1.2010 wurde das Grundstück der B-GmbH & Co. KG zur Nutzung überlassen, so dass es nunmehr sog. Sonderbetriebsvermögen des B bei der B-GmbH & Co. KG war. B veräußerte im April 2011 seinen Mitunternehmeranteil sowie sein Grundstück an den H. Das Finanzamt unterwarf nicht nur den Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils, sondern auch den Gewinn aus dem Verkauf des Grundstücks der Gewerbesteuer. Die B-GmbH & Co. KG wehrte sich gegen die gewerbesteuerliche Erfassung des Gewinns aus der Veräußerung des Grundstücks.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils an der B-GmbH & Co. KG der Gewerbesteuer. Denn nach der gesetzlichen Regelung wird im Fall eines vorherigen Formwechsels in eine Personengesellschaft der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils bei der Gewerbesteuer erfasst, wenn die Veräußerung – wie im Streitfall – innerhalb von fünf Jahren nach dem Formwechsel erfolgt.
Diese Regelung erfasst aber nicht den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks. Zwar gehörte das Grundstück seit dem 1.1.2010 zum Sonderbetriebsvermögen des B bei der B-GmbH & Co. KG. Es ist aber erst im Zuge der Umwandlung, nämlich zum 1.1.2010, Betriebsvermögen geworden. Die gesetzliche Regelung gilt nach ihrem Sinn und Zweck aber nicht für den Verkauf von Betriebsvermögen, das erst im Zuge der Umwandlung oder danach gebildet worden ist.
Erfasst werden nur die stillen Reserven von Betriebsvermögen, das bereits vor der Umwandlung vorhanden war. Die gesetzliche Regelung soll nämlich verhindern, dass die Gewerbesteuerpflicht der umgewandelten GmbH dadurch unterlaufen wird, dass die GmbH in eine Personengesellschaft umgewandelt wird, bei der der Verkauf bzw. die Aufgabe des Betriebes oder eines Mitunternehmeranteils grundsätzlich nicht gewerbesteuerpflichtig ist, und der Betrieb bzw. Mitunternehmeranteil erst nach der vollzogenen Umwandlung veräußert oder aufgegeben wird.
Diese Gefahr besteht bei neugebildetem Betriebsvermögen, das erst im Zuge der Umwandlung oder sogar erst nach erfolgter Umwandlung von der Personengesellschaft gebildet wird, nicht. Denn das neu gebildete Betriebsvermögen (Grundstück) war nie Teil des übergegangenen Vermögens der Kapitalgesellschaft (sog. statisches Vermögen). Da das Grundstück vor der Umwandlung weder zum Betriebsvermögen der umgewandelten A-GmbH noch zum Betriebsvermögen der übernehmenden B-GmbH & Co. KG gehörte, werden die stillen Reserven des Grundstücks gewerbesteuerlich nicht erfasst.
Hinweise: Zwar gehörte das Grundstück vor der Umwandlung zum Besitzunternehmen des B, da es im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die A-GmbH überlassen wurde. Dies war aber ein anderer Betrieb als die beiden Betriebe der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger, der A-GmbH und der B-GmbH & Co. KG.
Mit seinem aktuellen Urteil widerspricht der BFH der Finanzverwaltung.
Die stillen Reserven aus dem Verkauf des Mitunternehmeranteils an der B-GmbH & Co. KG werden hingegen gewerbesteuerlich erfasst, weil der Verkauf des Anteils innerhalb von fünf Jahren nach dem Formwechsel erfolgt ist.
Quelle: BFH, Urteil vom 14.3.2024 – IV R 20/21; NWB
24.06.2024
Entstehen einem Geschäftsführer, gegen den wegen Untreueverdachts ermittelt wird, Strafverteidigerkosten, kann er diese als Werbungskosten absetzen, wenn sich der Untreueverdacht nicht bestätigt. Die Kosten sind beruflich veranlasst, weil der Untreueverdacht mit der Geschäftsführertätigkeit zusammenhängt.
Hintergrund: Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen sind als Werbungskosten abziehbar.
Sachverhalt: Der Kläger war in drei Konzerngesellschaften der X-AG als Geschäftsführer und angestellter Syndikusanwalt tätig. Im Jahr 2012 wurde gegen den Kläger wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt, weil der Kläger nachteilige Verträge für die Konzerngesellschaften abgeschlossen haben soll, die den U begünstigt haben sollen, der wiederum den Kläger bestochen haben soll. Im Jahr 2019 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingestellt. Dem Kläger entstanden für die Strafverteidigung Kosten in Höhe von ca. 67.000 €, die er in seiner Einkommensteuererklärung 2019 als Werbungskosten geltend machte. Das Finanzamt erkannte die Werbungskosten nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) gab der Klage statt:
Die Strafverteidigerkosten waren als Werbungskosten absetzbar, da sie durch die berufliche Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer und Syndikusanwalt veranlasst waren.
Zwar wird nach der Rechtsprechung die berufliche Veranlassung von Strafverteidigungskosten nur dann bejaht, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangen worden ist, weil er z.B. einen Einkäufer seines Arbeitgebers bestochen hat. Wurde die Straftat hingegen nur bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit begangen, werden die Strafverteidigerkosten nicht als Werbungskosten anerkannt; dies ist etwa der Fall, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber schädigt und Waren stiehlt, um sich privat zu bereichern.
Diese Grundsätze gelten im Streitfall jedoch nicht, weil es tatsächlich gar keine Straftat gab, sondern nur einen Tatverdacht, der sich nicht bestätigt hat. Es kommt daher entscheidend darauf an, ob der Tatverdacht einen Bezug zur beruflichen Tätigkeit hat. Dies war vorliegend zu bejahen, weil dem Kläger ein berufliches Fehlverhalten beim Abschluss von Verträgen seiner Arbeitgeberin vorgeworfen wurde.
Hinweise: Dem FG zufolge ist entscheidend, dass es keine Straftat des Klägers gab. Eine private Bereicherung, die es bei einer Straftat bei Gelegenheit der beruflichen Betätigung gibt, schied damit aus. Hätte der Kläger hingegen die ihm vorgeworfene Untreue tatsächlich begangen, wäre dies aufgrund der privaten Bereicherung des Klägers eine Straftat bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit gewesen – und nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeit –, so dass die Strafverteidigerkosten nicht als Werbungskosten absetzbar gewesen wären.
Sofern ein Werbungskostenabzug ausscheidet, kann geprüft werden, ob ein Abzug der Strafverteidigerkosten als außergewöhnliche Belastung möglich ist. Allerdings verlangt das Gesetz für die Abziehbarkeit von Prozesskosten (einschließlich Anwaltskosten), dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess Gefahr laufen würde, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Diese Voraussetzung für den Abzug von Strafverteidigerkosten ist grundsätzlich nicht erfüllt.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 22.3.2024 - 3 K 2389/21 E, rechtskräftig; NWB
06.12.2023
Lädt eine Bank ihre Privatkunden zu einer Schifffahrt mit Weinprobe sowie zu einem Golfturnier ein, muss sie auf diese Zuwendungen keine Pauschalsteuer in Höhe von 30 % abführen. Denn die Pauschalsteuer setzt voraus, dass die Zuwendungen beim Geschäftspartner zu steuerbaren und -pflichtigen Einnahmen führen; bei einem Privatkunden der Bank ist dies nicht der Fall, da die Einladung kein Entgelt für dessen Kapitalanlage ist.
Hintergrund: Ein Unternehmer, der Zuwendungen an Geschäftsfreunde zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung leistet oder aber Geschäftsfreunden Geschenke macht, kann hierauf auf eigenen Antrag eine Pauschalsteuer von 30 % zuzüglich Solidaritätszuschlag an das Finanzamt abführen und damit die Versteuerung für den Geschäftsfreund übernehmen.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Bank, die ihre vermögenden Privatkunden im Jahr 2012 zu einer Schifffahrt mit anschließender Weinprobe und im Jahr 2015 zu einem Golfturnier einlud. Die Kunden hatten Konten und Wertpapierdepots bei der Klägerin inne; einige Kunden waren auch (private) Kreditnehmer. Die Klägerin hatte zunächst die Pauschalsteuer für ihre Kunden an das Finanzamt abgeführt, dann aber Einspruch gegen die entsprechenden Lohnsteueranmeldungen eingelegt, den das Finanzamt zurückwies.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Mit der Pauschalsteuer übernimmt der Unternehmer die Besteuerung für seinen Geschäftsfreund bzw. Kunden, an den er eine Zuwendung oder ein Geschenk erbringt. Daher setzt die Pauschalsteuer voraus, dass die Zuwendung beim Empfänger zu einkommensteuerbaren und -pflichtigen Einkünften führt.
Für die eingeladenen Privatkunden waren die Einladungen zur Schiffsfahrt mit Weinprobe und zum Golfturnier weder einkommensteuerbar noch einkommensteuerpflichtig. Denn es handelte sich bei den Einladungen nicht um ein Entgelt der Klägerin für die Kapitalüberlassung durch die Kunden. Gegen ein Entgelt sprach vor allem, dass sich der Wert der Einladung nicht an der Höhe der einzelnen Kapitalanlage orientierte; denn jeder Kunde erhielt eine Einladung im gleichen Wert, obwohl jeder Kunde in unterschiedlicher Höhe Kapital bei der Klägerin angelegt hatte.
Die Schifffahrt mit Weinprobe sowie das Golfturnier stellten vielmehr Maßnahmen der Kundenpflege und -bindung dar, die den Kundenberatern der Klägerin als „Türöffner“ dienen sollten, um mit den Kunden weitere Geschäfte abschließen zu können.
Hinweis: Die Einladungen waren auch keine Geschenke, für die Pauschalsteuer auf Antrag entstehen kann. Denn Geschenke unterliegen ebenfalls nur dann der Pauschalsteuer, wenn sie beim Empfänger zu einkommensteuerbaren und -pflichtigen Einkünften führen.
Dem Urteil zufolge sollte ein Antrag auf Erhebung der Pauschalsteuer nicht gestellt werden, wenn die Zuwendung bzw. das Geschenk beim Geschäftsfreund nicht zu Einkünften führt. Der Steuerpflichtige muss hierzu aber sorgfältig dokumentieren, ob es sich – wie im Streitfall – um einen Privatkunden handelt, bei dem keine Pauschalsteuer anfallen kann, oder ob der Geschäftsfreund ein Unternehmen betreibt und im Rahmen seines Unternehmens geschäftliche Beziehungen zum Steuerpflichtigen unterhält.
Quelle: BFH, Urteil vom 9.8.2023 – VI R 10/21; NWB
05.12.2023
Das Bundesfinanzministerium (BMF) beanstandet es nicht, wenn EU-Taxameter und Wegstreckenzähler, die über keine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen, längstens noch bis zum 31.12.2025 verwendet werden. Voraussetzung für die Nichtbeanstandung ist allerdings, dass die notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen umgehend durchgeführt werden.
Hintergrund: Nach dem Gesetz müssen elektronische Kassen und Aufzeichnungsgeräte mit einer sog. zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung ausgestattet sein. Auf diese Weise sollen Manipulationen an der Kasse bzw. an dem Aufzeichnungsgerät verhindert werden. Zu den Aufzeichnungsgeräten gehören ab dem 1.1.2024 auch EU-Taxameter und Wegstreckenzähler.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Es wird nicht beanstandet, wenn die technische Umrüstung der EU-Taxameter und Wegstreckenzähler spätestens bis zum 31.12.2025 erfolgt. Bis zur technischen Umrüstung, längstens aber bis zum 31.12.2025, können die EU-Taxameter und Wegstreckenzähler noch ohne zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verwendet werden.
Bis zur technischen Umrüstung, längstens bis zum 31.12.2025, ist auch die sog. digitale Schnittstelle für EU-Taxameter und Wegstreckenzähler nicht anzuwenden, die dafür sorgen soll, dass die Daten unproblematisch durch die Finanzverwaltung ausgelesen werden können.
Ferner müssen die Unternehmer bis zur technischen Umrüstung, längstens bis zum 31.12.2025, auch ihre gesetzliche Meldeverpflichtung über die Ausrüstung des EU-Taxameters mit der sog. INSIKA-Technik (INtegrierte SIcherheitslösung für messwertverarbeitende KAssensysteme) nicht erfüllen.
Die Pflicht zur Belegausgabe bleibt hingegen bestehen, so dass insbesondere Taxiunternehmer ihren Kunden einen Beleg ausstellen müssen oder den Beleg elektronisch mit QR-Code übermitteln müssen.
Hinweis: Nach dem aktuellen BMF-Schreiben müssen die Unternehmer derzeit auch keine Mitteilung an das Finanzamt über die Verwendung elektronischer Kassensysteme und Aufzeichnungsgeräte mit zertifizierter technischer Sicherheitseinrichtung vornehmen. Dies hat allerdings den Hintergrund, dass der gesetzlich vorgeschriebene Vordruck hierfür immer noch nicht bereitgestellt ist.
Quelle: BMF-Schreiben vom 13.10.2023 – IV D 2 – S 0319/20/10002 :010; NWB
04.12.2023
Kosten für die Unterbringung eines Schwerstbehinderten in einer Pflege-Wohngemeinschaft sind als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. Allerdings sind die außergewöhnlichen Belastungen um die sog. Haushaltsersparnis zu kürzen, die derzeit 10.908 € beträgt.
Hintergrund: Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Krankheitskosten.
Sachverhalt: Der Kläger war seit 2007 schwerstbehindert. Sein Schwerbehindertenausweis wies einen Behinderungsgrad von 100 sowie die Merkzeichen G für „gehbehindert“ und H für „hilflos“ aus. Der Kläger wohnte seit 2015 in einer sog. Pflege-Wohngemeinschaft, in der er rund um die Uhr von einem ambulanten Pflegedienst betreut und gepflegt wurde. Von der Pflegekasse erhielt er seit 2015 einen Wohngruppenzuschlag, der unmittelbar an den Pflegedienst ausgezahlt wurde. In seiner Einkommensteuererklärung für 2016 machte der Kläger die von ihm für die Pflege-Wohngemeinschaft getragenen Aufwendungen sowie den erhöhten Behinderten-Pauschbetrag geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen für die Pflege-Wohngemeinschaft nicht an, weil es sich hierbei nicht um ein Heim, sondern um ein eine sog. selbstverantwortete Wohngemeinschaft gehandelt habe.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte der Auffassung des Finanzgerichts und erkannte die Aufwendungen für die Pflege-Wohngemeinschaft, gekürzt um die sog. Haushaltsersparnis, an:
Zu den außergewöhnlichen Belastungen gehören u.a. sowohl Krankheitskosten als auch die Aufwendungen für die krankheits- oder pflegebedingte Unterbringung des Steuerpflichtigen in einer entsprechenden Einrichtung.
Der Kläger war aufgrund seiner schweren Behinderung pflegebedürftig. Die Unterbringung in der Pflege-Wohngemeinschaft war eine Folge seiner Pflegebedürftigkeit, so dass die Kosten hierfür dem Kläger zwangsläufig entstanden sind.
Für die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen ist nicht erforderlich, dass der Betreiber der Pflege-Wohngemeinschaft neben dem Wohnraum auch Betreuungsleistungen zur Verfügung stellt und damit eine Gesamtversorgung „aus einer Hand“ erbringt. Vielmehr genügt es, wenn der pflegebedürftige Steuerpflichtige die Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen von mehreren Leistungsanbietern erhält. Irrelevant ist ferner, ob es sich um eine sog. anbieterverantwortete oder um eine sog. selbstverantwortete Wohngemeinschaft handelt; denn beide Arten der Wohngemeinschaft dienen der Betreuung und Pflege von Kranken bzw. Behinderten.
Hinweis: Die geltend gemachten Kosten waren um die sog. Haushaltsersparnis zu kürzen, die im Streitjahr 2016 8.652 € betrug (aktuell: 10.908 €). Dabei handelt es sich um den Betrag, der auch einem gesunden Menschen für die Lebensführung entsteht.
Neben den sich danach ergebenden außergewöhnlichen Belastungen konnte der Behinderten-Pauschbetrag nicht zusätzlich berücksichtigt werden; denn der Behinderten-Pauschbetrag kann nach dem Gesetzeswortlaut nur anstelle außergewöhnlicher Belastungen angesetzt werden.
Quelle: BFH, Urteil vom 10.8.2023 – VI R 40/20; NWB
01.12.2023
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat November 2023 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2023 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben v. 1.12.2023 - III C 3 – S 7329/19/10001 :005 (2023/1129530); NWB
29.11.2023
Zum 1.1.2024 steigen die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Der Bundesrat hat der Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2024 am 24.11.2023 abschließend zugestimmt.
Zu Anfang eines jeden Jahres steigen in der Regel die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung – so auch zum 1.1. 2024:
In der gesetzlichen Krankenversicherung steigt sie bundesweit einheitlich auf jährlich 62.100 € beziehungsweise 5.175 € im Monat (2023: 59.850 € oder 4.987,50 €/Monat).
Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung beläuft sich auf jährlich 69.300 € beziehungsweise monatlich 5.775 € (2023: 66.600 € oder 5.550 € im Monat).
Auch die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steigt: in den neuen Bundesländern auf 7.450 € im Monat (2023: 7.100 €/Monat), in den alten Bundesländern auf 7.550 € im Monat (2023: 7.300 €/Monat).
In der knappschaftlichen Rentenversicherung erhöht sich diese Einkommensgrenze in den neuen Ländern auf 9.200 € im Monat (2023: 8.750 €/Monat). In den alten Ländern liegt sie bei 9.300 € im Monat (2023: 8.950 €). In der knappschaftlichen Rentenversicherung sind Beschäftigte im Bergbau versichert. Sie berücksichtigt die besondere gesundheitliche Beanspruchung von Bergleuten.
Das Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung, das zur Bestimmung der Entgeltpunkte im jeweiligen Kalenderjahr dient, ist für 2024 vorläufig auf 45.358 € im Jahr festgesetzt (2023: 43.142 €).
Die Rechengrößen ab im Überblick
Rechengröße | West | Ost |
Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung | 7.550 €/Monat | 7.450 €/Monat |
Beitragsbemessungsgrenze in der knappschaftlichen Rentenversicherung | 9.300 €/Monat | 9.200 €/Monat |
Versicherungspflichtgrenze in der GKV | 69.300 € im Jahr (5.775 €/Monat) | |
Beitragsbemessungsgrenze in der GKV | 62.100 € im Jahr (5.175 €/Monat) | |
Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung | 7.550 €/Monat | 7.450 €/Monat |
Vorläufiges Durchschnittsentgelt für 2023 in der Rentenversicherung | 45.358 € | |
Bezugsgröße in der Sozialversicherung | 3.535 €/Monat | 3.465 €/Monat |
Quelle: Bundesregierung online, Meldung v. 24.11.2023, BR-Drucks. 511/23 (Beschluss); NWB
28.11.2023
Der Bundesrat hat am 24.11.2023 der "Vierzehnten Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung" zugestimmt.
Damit wurden die Sachbezugswerte für Verpflegung und Unterkunft an die Entwicklung der Verbraucherpreise für das Jahr 2024 wie folgt angepasst:
Der Sachbezugswert für die Überlassung einer Unterkunft an den Arbeitnehmer steigt bundeseinheitlich von 265 € auf 278 € pro Monat (kalendertäglich: 9,27 €).
Der Sachbezugswert für die freie oder verbilligte Verpflegung steigt bundeseinheitlich von 288 € auf 313 € pro Monat.
Für die jeweiligen Mahlzeiten gelten damit folgende Werte:
Frühstück (Monat/Tag): 65 €/2,17 € (2023: 60 €/2 €),
Mittagessen (Monat/Tag): 124 €/4,13 € (2023: 114 €/3,80 €),
Abendessen (Monat/Tag): 124 €/4,13 € (2023: 114 €/3,80 €).
Quelle: BR-Drucks. 512/23 (Beschluss) v. 24.11.2023, § 2 Abs. 2 SvEV (il)
27.11.2023
Zwar gehört ein Grundstück, das im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die Betriebsgesellschaft vermietet wird, zum begünstigten Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Grundstück von der Betriebsgesellschaft weitervermietet wird, selbst wenn mit dem weiteren Mieter zugleich ein Lagerbewirtschaftungsvertrag geschlossen wird.
Hintergrund: Betriebsvermögen ist erbschaft- und schenkungsteuerlich begünstigt und bleibt zu 85 % oder – beim sog. Optionsmodell, bei dem strengere Anforderungen zu erfüllen sind – sogar zu 100 % steuerfrei. Allerdings gilt diese Vergünstigung nicht für das sog. Verwaltungsvermögen, das sich im Betrieb befindet, z.B. vermietete Grundstücke. Dennoch gibt es für vermietete Grundstücke Ausnahmen, so dass sie von der Steuerbefreiung erfasst werden, z.B. Grundstücke, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung überlassen werden, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, an der ein Sohn als Minderheitskommanditist und dessen Eltern als Mehrheitskommanditisten beteiligt waren; Komplementärin war die M-GmbH, deren Gesellschafter ebenfalls die Eltern waren. Im Sonderbetriebsvermögen der Eltern befand sich ein Grundstück das die Eltern an die M-GmbH vermieteten. Im Jahr 2006 vermietete die M-GmbH das Grundstück an die B-GmbH weiter, die das Grundstück als Lagergrundstück nutzen wollte und die zur C-Gruppe gehörte. 2007 schlossen die M-GmbH und die B-GmbH einen Lagerbewirtschaftungsvertrag, in dem sich die M-GmbH verpflichtete, die Lagerbewirtschaftung für das Grundstück zu übernehmen. 2013 schenkten die Eltern dem Sohn jeweils 25 % ihrer Kommanditbeteiligung an der Klägerin. Das Finanzamt ordnete daraufhin das Grundstück dem sog. Verwaltungsvermögen zu, das steuerlich nicht begünstigt ist.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verneinte ebenfalls die Steuerbegünstigung für das Grundstück und wies die Klage ab:
Die Zugehörigkeit des Grundstücks zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen ergibt sich daraus, dass das Grundstück längerfristig an einen Dritten, nämlich an die B-GmbH vermietet war.
Allein die Vermietung an die M-GmbH war hingegen noch unschädlich, weil zwischen der Klägerin und der M-GmbH eine Betriebsaufspaltung bestand, bei der aufgrund der Grundstücksüberlassung eine sachliche Verflechtung bestand und aufgrund der jeweiligen Mehrheitsbeteiligung der Eltern an der Klägerin sowie an der M-GmbH auch eine personelle Verflechtung bestand.
Die Weiterüberlassung des Grundstücks durch die M-GmbH an die B-GmbH ist nach dem Gesetz aber steuerlich schädlich. Dies gilt auch dann, wenn parallel zum Mietvertrag ein Lagerbewirtschaftungsvertrag abgeschlossen wird. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut ist allein die weitere Nutzungsüberlassung (d.h. Weitervermietung) schädlich.
Hinweis: Das Urteil betrifft zwar die Rechtslage im Jahr 2013, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde. Allerdings können diese Regelungen noch weiter angewendet werden. Im Jahr 2016 ist das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht reformiert worden; in dem streitigen Punkt hat sich inhaltlich jedoch nichts geändert, so dass das Grundstück auch nach aktueller Rechtslage als Verwaltungsvermögen einzustufen wäre. Im Streitfall führte die Feststellung als Verwaltungsvermögen zu einer Verwaltungsvermögensquote von 75,22 %, so dass die Schenkung weitgehend steuerpflichtig war, soweit die Freibeträge überschritten wurden.
Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH die Frage, ob auch eine kurzfristige Weitervermietung an die B-GmbH schädlich gewesen wäre.
Bei vermieteten Grundstücken, die zum Betriebsvermögen gehören, geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese – anders als produktives Betriebsvermögen wie etwa Maschinen – nicht dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen und damit keiner Privilegierung bedürfen.
Quelle: BFH, Urteil vom 10.5.2023 – II R 21/21; NWB
22.11.2023
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Billigkeitsregelung für Wohnungsgenossenschaften, die Wohnungen an ukrainische Kriegsflüchtlinge vermieten, die nicht Mitglieder der Genossenschaft sind, bis zum 31.12.2024 verlängert. Damit geht die Körperschaftsteuerbefreiung für Wohnungsgenossenschaften nicht dadurch verloren, dass zu viele Wohnungen an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine vermietet werden, die nicht Mitglieder der Genossenschaft sind.
Hintergrund: Wohnungsgenossenschaften sind von der Körperschaftsteuer befreit, soweit sie Wohnungen an ihre Mitglieder vermieten und soweit sie Gemeinschaftsanlagen oder im Rahmen der Vermietung auch Folgeeinrichtungen herstellen oder erwerben und sie betreiben, wenn diese überwiegend für Mitglieder bestimmt sind und der Betrieb durch die Genossenschaft oder den Verein notwendig ist. Die Steuerbefreiung ist nach dem Gesetz ausgeschlossen, wenn die Einnahmen des Unternehmens aus den sonstigen Tätigkeiten, z.B. aus der Vermietung an Nicht-Mitglieder, 10 % der gesamten Einnahmen übersteigen.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Die Körperschaftsteuerbefreiung für Vermietungsgenossenschaften ist nach dem Gesetz zwar nicht möglich, wenn die Einnahmen der Genossenschaft aus den sonstigen Tätigkeiten wie z.B. der Vermietung von Wohnungen an Nicht-Mitglieder 10 % der gesamten Einnahmen übersteigen.
In die 10 %-Grenze gehen aber die Einnahmen aus der Vermietung an ukrainische Kriegsflüchtlinge, die keine Mitglieder der Genossenschaft sind, aus Billigkeitsgründen nicht ein. Kommt es also aufgrund der Vermietung an ukrainische Kriegsflüchtlinge, die keine Genossenschaftsmitglieder sind, zu einer Überschreitung der 10 %-Grenze, führt dies nicht zur Versagung der Körperschaftsteuerfreiheit.
Hinweis: Das BMF hatte zunächst im März 2022 diese Billigkeitsregelung veröffentlicht und sie bis zum 31.12.2022 befristet, anschließend die Billigkeitsregelung bis zum 31.12.2023 verlängert. Nun wird sie bis zum 31.12.2024 verlängert.
Die Vermietung von Wohnungen an ukrainische Kriegsflüchtlinge ist nach dem Gesetz steuerlich unschädlich, wenn die Kriegsflüchtlinge Mitglieder der Genossenschaft sind; die Billigkeitsregelung des BMF ist dann für die Genossenschaft nicht erforderlich.
Quelle: BMF-Schreiben vom 17.10.2023 – IV C 2 – S 1900/22/10045 :001; NWB
21.11.2023
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben ihre aus dem Jahr 2022 stammende Billigkeitsmaßnahme im Zusammenhang mit der Unterbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge durch Wohnungsunternehmen bis zum 31.12.2024 verlängert. Danach erhalten Vermietungsunternehmen auch dann die erweiterte Gewerbesteuerkürzung, wenn Wohnungsgenossenschaften an ukrainische Kriegsflüchtlinge unter bestimmten Voraussetzungen zusätzliche Leistungen erbringen, die über eine reine Vermietung von Wohnraum hinausgehen. Die aktuellen Erlasse ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium.
Hintergrund: Vermietungsgesellschaften, die kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind (z.B. als GmbH), sind hinsichtlich ihres Gewinns aus der Vermietung von der Gewerbesteuer befreit, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen oder nebenbei noch bestimmte weitere Tätigkeiten ausüben wie z.B. eigenes Kapitalvermögen verwalten. Tätigkeiten, die darüber hinausgehen, sind nach dem Gesetz aber grundsätzlich schädlich und führen zur Versagung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung.
Wesentlicher Inhalt des Schreibens der obersten Finanzbehörden:
Die Finanzämter werden aus Billigkeitsgründen bis zum 31.12.2024 nicht prüfen, ob die Vermietung von möbliertem Wohnraum an ukrainische Kriegsflüchtlinge zur Gewerblichkeit und damit zur Versagung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung führt.
Hinweis: Diese Aussage der Finanzverwaltung ist streng genommen wohl rechtswidrig, weil die Finanzverwaltung kraft Gesetzes zur Aufklärung des steuerlich relevanten Sachverhalts verpflichtet ist. Billigkeitsmaßnahmen sind im Einzelfall zwar möglich, erfordern aber ebenfalls eine vorherige Sachverhaltsaufklärung. Sollte es also z.B. aus anderen Gründen zu einem Klageverfahren beim Finanzgericht kommen, muss damit gerechnet werden, dass sich das Finanzgericht nicht an die Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung hält und daher die erweiterte Gewerbesteuerkürzung versagt. Richtigerweise müsste der Gesetzgeber tätig werden, zumal der Krieg nun schon seit mehr als 1,5 Jahren andauert.
Vermietet ein Wohnungsunternehmen Räume an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, z.B. an eine Gemeinde, die die Räume an ukrainische Kriegsflüchtlinge überlässt, gelten die ukrainischen Kriegsflüchtlinge in den Erhebungszeiträumen 2022 bis einschließlich 2024 aus Billigkeitsgründen als (mittelbare) Mieter. Dies hat zur Folge, dass an sie z.B. Kleidung oder Nahrungsmittel verkauft werden können, ohne dass dies gewerbesteuerlich zur Versagung der erweiterten Kürzung führt: Voraussetzung für die gewerbesteuerliche Unschädlichkeit ist aber, dass die Verkaufseinnahmen maximal 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes betragen.
Hinweis: Auch diese Billigkeitsregelung erscheint nicht gerichtsfest, könnte also bei einem finanzgerichtlichen Streit vom Finanzgericht gekippt werden. Denn der Gesetzgeber verlangt Einnahmen aus einer unmittelbaren Vertragsbeziehung. Die unmittelbare Vertragsbeziehung besteht aber nur mit der Gemeinde, an die das Gebäude vermietet wird, nicht hingegen mit dem Kriegsflüchtling, an den Nahrung oder Kleidung verkauft wird und dem eine Wohnung von der Gemeinde überlassen wird.
Erzielt das Wohnungsunternehmen Erträge aus sonstigen Unterstützungsleistungen wie z.B. dem Verkauf von Nahrungsmitteln oder Kleidung, ist dies nach dem Gesetz nur dann gewerbesteuerlich unschädlich, wenn die Erträge aus Verkäufen an die Mieter resultieren und wenn die Einnahmen hieraus maximal 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes betragen.
Hinweis: Dieser Punkt ist keine Billigkeitsregelung, sondern ein Hinweis auf ein gewerbesteuerliches Risiko. Verkäufe von Kleidung oder Nahrung an ukrainische Kriegsflüchtlinge, die nicht Mieter sind, führen nämlich zur Versagung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Es wird dann der gesamte Vermietungsgewinn der Gewerbesteuer unterworfen.
Quelle: Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 17.10.2023 – FM3-G 1425-4/4; NWB
20.11.2023
Bei einer rechtsfähigen privaten Stiftung wird kein steuerliches Einlagekonto festgestellt. Denn eine Stiftung ist eine Vermögensmasse, und das Gesetz sieht für Vermögensmassen kein steuerliches Einlagekonto vor.
Hintergrund: Bei Kapitalgesellschaften wird ein steuerliches Einlagekonto durch Bescheid festgestellt. Hierin werden die Einlagen der Gesellschafter festgehalten, damit diese in einem Folgejahr steuerfrei im Rahmen einer sog. Einlagenrückgewähr von der Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter zurückgezahlt werden können.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine rechtsfähige private Stiftung des bürgerlichen Rechts, die durch den X als Stifter im Jahr 2010 gegründet und mit einem Anfangsvermögen ausgestattet wurde. Es handelte sich dabei um eine Familienstiftung, deren Stiftungszweck die Förderung der Familie des X war. Nachdem X weitere Zahlungen in die Stiftung geleistet hatte, beantragte die Klägerin die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2013. Dies lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Für die gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Die bloße Zweckmäßigkeit genügt nicht.
Nach dem Gesetz ist die gesonderte Feststellung nur für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften sowie für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen vorgesehen.
Die Klägerin war als rechtsfähige private Stiftung des bürgerlichen Rechts aber weder eine Kapitalgesellschaft noch eine Körperschaft oder Personenvereinigung, sondern eine Vermögensmasse. An einer rechtsfähigen privaten Stiftung können sich die Begünstigten (sog. Destinatäre) – im Gegensatz zu einer Kapitalgesellschaft, Körperschaft oder Personenvereinigung – weder am Vermögen beteiligen, noch können sie Mitgliedschaftsrechte haben.
Die Nichterwähnung von Vermögensmassen in der Regelung über das steuerliche Einlagekonto ist kein Versehen des Gesetzgebers. Denn der Wortlaut des Gesetzes, das Vermögensmassen gerade nicht erwähnt, ist eindeutig.
Hinweise: Der BFH weist darauf hin, dass ein gesondertes Feststellungsverfahren auch mit Belastungen verbunden wäre, weil z.B. Feststellungserklärungen abzugeben sind oder weil sich eine fehlerhafte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auch zu Ungunsten der Destinatäre auswirken könnte.
Im Übrigen ist es auch ohne gesonderte Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos nicht ausgeschlossen, dass an einen Destinatär (Begünstigten) eine steuerfreie Einlagerückgewähr erfolgen kann. Denn die Voraussetzungen einer steuerfreien Einlagerückgewähr können im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren des Destinatärs geklärt werden.
Quelle: BFH, Urteil vom 17.5.2023 – I R 42/19; NWB
14.11.2023
Hat ein Bauträger zu Unrecht die Umsatzsteuer für den leistenden Bauunternehmer nach dem sog. Reverse-Charge-Verfahren an das Finanzamt abgeführt und fordert er jetzt die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurück, kann sich das Finanzamt die zivilrechtliche Forderung des leistenden Bauunternehmers auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags abtreten lassen und mit dieser Forderung gegen den Erstattungsanspruch des Bauträgers aufrechnen. Soweit die zivilrechtliche Forderung des Bauunternehmers streitig ist, muss das Finanzgericht den zivilrechtlichen Streit als Vorfrage der Zulässigkeit der Aufrechnung klären.
Hintergrund: Bei Bauleistungen unter Unternehmern gilt grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, d. h. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistungsempfänger (Auftraggeber). Nach Auffassung der Finanzverwaltung galt dies ursprünglich auch bei Bauleistungen an einen Bauträger, der unbebaute Grundstücke bebaut und anschließend verkauft. Im Jahr 2013 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) aber, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an einen Bauträger nicht gilt, weil der Bauträger selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern nur Grundstücke verkauft. Daraufhin beantragten viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht entrichteten Umsatzsteuer. Die Finanzämter versuchten in diesen Fällen, die Umsatzsteuer von den Bauunternehmern zu erhalten. Der Gesetzgeber hat die Rückabwicklung dieser Fälle gesetzlich geregelt und u.a. eine Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs des Bauunternehmers gegen den Bauträger auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags, der für die Bauleistungen entsteht, vorgesehen.
Sachverhalt: Eine Bauträgerin ließ im Jahr 2013 von Bauunternehmern Bauleistungen für ihre Bauprojekte ausführen. Sie ging einvernehmlich mit den Bauunternehmern davon aus, dass das sog. Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden sei, so dass die Bauträgerin die Umsatzsteuer für die Bauunternehmer an das Finanzamt abführte. Der BFH entschied noch im Jahr 2013, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an Bauträger grundsätzlich nicht gilt. Daraufhin beantragte die Bauträgerin im Jahr 2014 die Erstattung der von ihr für die Bauunternehmer entrichteten Umsatzsteuer. Das Finanzamt ließ sich nun von den Bauunternehmern deren zivilrechtlichen Ansprüche auf Zahlung des jeweiligen Umsatzsteuerbetrags auf die Bauleistungen abtreten. Anschließend rechnete das Finanzamt mit den abgetretenen zivilrechtlichen Ansprüchen gegen den Erstattungsanspruch der Bauträgerin aus der Umsatzsteuer 2013 auf. Die Bauträgerin war damit nicht einverstanden und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des von ihr beantragten Abrechnungsbescheids. Das Finanzgericht gab diesem Antrag gegen Sicherheitsleistung statt. Gegen den stattgebenden Beschluss legten sowohl die Bauträgerin als auch das Finanzamt Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Entscheidung: Der BFH gab beiden Beschwerden statt und verwies die Sache an das FG zurück:
Das FG durfte dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht mit der Begründung stattgegeben, dass es bislang ungeklärt sei, ob ein Finanzgericht bei Aufrechnungen des Finanzamts mit zivilrechtlichen Forderungen auch über die zivilrechtlichen Vorfragen entscheiden dürfe. Denn tatsächlich ist es bereits vom BFH geklärt, dass ein Finanzgericht auch die zivilrechtlichen Vorfragen im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufrechnung mitprüfen muss. So muss das Finanzgericht etwa prüfen, ob die Forderung des Bauunternehmers bereits verjährt ist oder ob der Bauträger ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann.
Das FG muss im zweiten Rechtsgang nun diese zivilrechtlichen Vorfragen klären. Sollte es Bedenken haben, dass der Bauunternehmer einen fälligen Anspruch gegen die Bauträgerin auf Zahlung des noch ausstehenden Umsatzsteuerbetrags hat, wird es dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgeben und über die Anordnung einer Sicherheitsleistung entscheiden müssen.
Hinweise: Der Bundesgerichtshof hat in den sog. Bauträger-Fällen dem Grunde nach einen zivilrechtlichen Anspruch des Bauunternehmers auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags bejaht. Hat der Bauunternehmer also eine Bauleistung für ein Entgelt von 10.000 € zuzüglich 1.900 € Umsatzsteuer erbracht und der Bauträger zunächst die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, die er nun aber wieder vom Finanzamt zurückfordert, kann der Bauunternehmer jetzt die 1.900 € vom Bauträger verlangen. Allerdings setzt dieser Anspruch voraus, dass auch die übrigen Voraussetzungen eines zivilrechtlichen Anspruchs bestehen und der Bauträger weder die Einrede der Verjährung erheben noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann.
Beide Beschwerden hatten Erfolg, da der BFH den stattgebenden Beschluss mit Anordnung einer Sicherheitsleistung aufgehoben hat. Das Finanzamt hatte sich gegen die Stattgabe gewandt und die Bauträgerin gegen die Sicherheitsleistung.
Quelle: BFH, Beschluss vom 26.9.2023 – V B 23/22 (AdV); NWB
13.11.2023
Überlässt eine GmbH ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer einen Dienstwagen, den der Alleingesellschafter nicht privat nutzen darf, so spricht gleichwohl ein Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des Dienstwagens. Dieser Anscheinsbeweis kann durch Vorlage eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs oder durch Nachweis organisatorischer Maßnahmen, die auf Durchsetzung des Privatnutzungsverbots gerichtet sind, oder durch die Verfügbarkeit eines mindestens gleichwertigen Pkw im Privatbereich des Alleingesellschafters erschüttert werden.
Hintergrund: Wendet eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb einer offenen Gewinnausschüttung einen Vorteil zu, der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, wird die dadurch eingetretene Vermögensminderung im Wege einer sog. verdeckten Gewinnausschüttung außerbilanziell kompensiert und dem Einkommen hinzugerechnet. Ein typisches Beispiel hierfür ist ein überhöhtes Gehalt.
Sachverhalt: A war Alleingesellschafter der A-GmbH (Klägerin). Die A-GmbH überließ dem A ein gehobenes Mittelklassefahrzeug, das A nur für betriebliche Fahrten, nicht aber privat nutzen durfte. Nach der Dienstwagenvereinbarung war A verpflichtet, das Fahrzeug nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen. A führte kein Fahrtenbuch. A und seine Ehefrau besaßen privat einen etwas preiswerteren Pkw, der auch von der Ehefrau genutzt wurde. Die A-GmbH nahm auf den Dienstwagen eine Sonderabschreibung für ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzte Wirtschaftsgüter vor. Das Finanzamt erkannte die Sonderabschreibung nicht an und setzte zudem eine verdeckte Gewinnausschüttung an, weil es im Wege des Anscheinsbeweises von einer Privatnutzung durch A ausging.
Entscheidung: Das FG Münster wies die hiergegen gerichtete Klage der A-GmbH ab:
Das Finanzamt hat zu Recht eine verdeckte Gewinnausschüttung angesetzt. Denn A hat den Dienstwagen trotz des Privatnutzungsverbots privat genutzt. Bei einem beherrschenden Gesellschafter spricht nämlich ein Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung, weil es keinen Interessenkonflikt zwischen der GmbH und dem beherrschenden Gesellschafter gibt.
Der Anscheinsbeweis ist darüber hinaus nicht erschüttert worden:
A hatte kein Fahrtenbuch geführt, so dass die tatsächliche Nutzung nicht überprüft werden konnte.
A war zwar verpflichtet, den Dienstwagen abends auf dem Firmengelände abzustellen. Jedoch konnte die A-GmbH keine Nachweise vorlegen, dass diese Vereinbarung auch tatsächlich umgesetzt wurde. Die A-GmbH hat lediglich vorgetragen, dass ein anderer Angestellter den A morgens zu Hause abgeholt und abends wieder nach Hause gefahren habe.
A stand privat auch kein mindestens gleichwertiges Fahrzeug uneingeschränkt zur Verfügung. Zum einen war der private Pkw des A nicht gleichwertig, sondern schwächer motorisiert; zum anderen wurde der private Pkw auch von der Ehefrau genutzt, so dass der private Pkw dem A nicht uneingeschränkt zur Verfügung stand.
Die verdeckte Gewinnausschüttung war mit den Selbstkosten für den Dienstwagen anzusetzen und um einen Gewinnaufschlag von 5 % zu erhöhen. Dabei ging das FG mangels anderweitiger Nachweise von einem Privatnutzungsanteil von 50 % aus, so dass sich eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von ca. 4.700 € ergab. Allerdings hatte das Finanzamt die verdeckte Gewinnausschüttung nur in Höhe von 4.000 € angesetzt, so dass das FG über diesen Wert nicht hinausgehen durfte.
Die Sonderabschreibung auf den Dienstwagen war nicht zulässig, da der Dienstwagen nicht zu mindestens 90 % betrieblich genutzt wurde, sondern nach dem Anscheinsbeweis in nicht unerheblichem Umfang privat von A im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung genutzt wurde.
Hinweise: Im Bereich der Lohnsteuer erkennt der BFH ein Privatnutzungsverbot an und setzt dann keinen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer an. Die Finanzgerichte sind bei der Dienstwagennutzung durch beherrschende Gesellschafter aber derzeit strenger und akzeptieren ein Privatnutzungsverbot nicht ohne weiteres; denn bei einem beherrschenden Gesellschafter und „seiner“ GmbH fehlt der typische Interessenkonflikt, den es normalerweise zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt. Insbesondere muss der beherrschende Gesellschafter nicht mit Sanktionen rechnen, wenn er gegen ein Privatnutzungsverbot verstößt.
Hätte die A-GmbH dem A die Privatnutzung gestattet, wäre keine verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzen gewesen. Vielmehr hätte dann ein geldwerter Vorteil angesetzt werden müssen, der sich grundsätzlich nach der sog. 1 %-Methode berechnet (monatlich 1 % des Bruttolistenpreises zuzüglich Sonderausstattungen einschließlich Umsatzsteuer). Den Ansatz dieses geldwerten Vorteils wollten die A-GmbH und A mit der Vereinbarung eines Privatnutzungsverbots vermeiden.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 28.4.2023 – 10 K 1193/20 K, G, F; NWB
10.11.2023
Eine Videoverhandlung beim Finanzgericht (FG) verletzt das Recht auf rechtliches Gehör, wenn sich der Videobildschirm, auf dem der Prozessgegner zu sehen ist, im Rücken eines Prozessbeteiligten im Sitzungssaal befindet, so dass sich der Prozessbeteiligte immer umdrehen muss, um den Prozessgegner zu sehen.
Hintergrund: Eine mündliche Verhandlung beim Finanzgericht kann in Gestalt einer Videokonferenz durchgeführt werden. Der Kläger und sein Bevollmächtigter oder auch der Beklagte (Finanzamt) sind dann im Sitzungssaal im Gericht nicht persönlich anwesend, sondern nehmen per Videoübertragung an der Verhandlung teil.
Sachverhalt: Die Klägerin klagte gegen das Finanzamt. Es kam zu einer Videoverhandlung im Finanzgericht, bei der die Klägerin im Sitzungssaal saß, während das Finanzamt per Video zugeschaltet war. Der Bildschirm, auf dem der Finanzamtsvertreter zu sehen war, befand sich im Rücken der Klägerin, die Richterbank stand hingegen vor ihr. Die Klägerin musste sich daher um 180 Grad wenden, um den Finanzamtsvertreter auf dem Bildschirm zu sehen. Die Klägerin verlor ihre Klage und erhob gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH).
Entscheidung: Der BFH gab der Nichtzulassungsbeschwerde statt, hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zur weiteren Entscheidung zurück:
Die Videoverhandlung beim FG hat den Anspruch der Klägerin auf das rechtliche Gehör verletzt. Zum rechtlichen Gehör bei einer Videoverhandlung gehört es nämlich, dass der Prozessbeteiligte zeitgleich die Richterbank und die anderen Prozessbeteiligten sehen und hören kann.
Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt, wenn die Klägerin den zugeschalteten Finanzamtsvertreter nur dann sehen kann, wenn sie sich um 180 Grad dreht. Denn dann kann die Klägerin nicht zugleich die Richterbank sehen und bekommt nicht mit, ob sich zwischen der Richterbank und dem Finanzamtsvertreter eine nonverbale Kommunikation durch Mimik oder Gestik entwickelt.
Zwar muss die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör grundsätzlich gerügt werden, weil auf diesen Anspruch verzichtet werden kann; ohne Rüge kommt es zu einem Rügeverlust, so dass eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf einen Verfahrensfehler gestützt werden kann. Das Rügeerfordernis gilt aber nicht, wenn der Prozessbeteiligte – wie im Streitfall – nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten wird. Denn als Laie konnte sie das Rügeerfordernis nicht erkennen.
Hinweise: Das FG muss nun neu über die eigentliche Streitfrage, zu der sich der BFH nicht geäußert hat, entscheiden.
Der BFH hat bereits vor kurzem entscheiden, dass der extern zugeschaltete Prozessbeteiligte bei einer Videoverhandlung die gesamte Richterbank während der überwiegenden Dauer der Verhandlung auf dem Bildschirm sehen muss und nicht nur einen einzelnen Richter, etwa den Vorsitzenden. Anderenfalls ist das Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt, weil der Prozessbeteiligte nicht erkennen kann, ob die Richter pünktlich erscheinen oder vorübergehend den Sitzungssaal verlassen oder auch einschlafen. Bei der ordnungsgemäßen Besetzung handelt es sich um einen sog. absoluten Revisionszulassungsgrund, so dass eine Rüge nicht erforderlich ist.
Quelle: BFH, Beschluss vom 18.8.2023 – IX B 104/22; NWB
08.11.2023
Eine pensionierte Beamtin, die ehrenamtlich in der Gewerkschaft tätig ist, kann die Aufwendungen, die ihr im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit entstehen, als Werbungskosten von ihren Versorgungsbezügen abziehen. Denn ihre ehrenamtliche Tätigkeit für die Gewerkschaft dient mittelbar auch der Verbesserung ihrer Versorgungsbezüge.
Hintergrund: Pensionierte Beamte müssen ihre Versorgungsbezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit versteuern.
Sachverhalt: Die Klägerin war im Streitjahr 2016 pensionierte Landesbeamtin und erhielt Versorgungsbezüge. Bis zur Pensionierung war sie hauptamtlich für die Gewerkschaft tätig und als Beamtin von ihrer Beamtentätigkeit freigestellt gewesen. Seit ihrer Pensionierung war sie ehrenamtlich in verschiedenen Gremien der für den öffentlichen Dienst zuständigen Gewerkschaft tätig. Die ihr durch die ehrenamtliche Tätigkeit entstandenen Aufwendungen machte sie als Werbungskosten bei ihren Versorgungsbezügen geltend. Das Finanzamt erkannte den Werbungskostenabzug nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte den Werbungskostenabzug an und gab der Klage statt:
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Der berufliche Anlass der Aufwendungen ist zu bejahen, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht.
Im Streitfall ist ein beruflicher Veranlassungszusammenhang zu bejahen, weil die Gewerkschaftsarbeit der Klägerin auch auf die Verbesserung ihrer Einkünfte als Pensionärin zielte. Gewerkschaften setzen sich nämlich nicht nur für die berufstätigen Arbeitnehmer und Beamten, sondern auch für die Erwerbsinteressen der Pensionäre ein. So bemüht sich eine Gewerkschaft darum, dass die Ergebnisse einer Tarifrunde im öffentlichen Dienst zeitgleich und systemgerecht bzw. wirkungsgleich auf den Bereich Besoldung und Versorgung übertragen werden.
Hinweise: Das Urteil lässt sich auch auf Rentner übertragen, die als Rentner ehrenamtlich für ihre Gewerkschaft tätig sind. Die Aufwendungen sind dann bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte, zu denen Rentenbezüge gehören, zu berücksichtigen.
Der BFH grenzt sich in seinem aktuellen Urteil von einer früheren Entscheidung ab: Damals hatte der BFH Aufwendungen einer emeritierten Professorin für eine gegenwärtig ausgeübte Forschungstätigkeit steuerlich nicht als Werbungskosten bei den Versorgungsbezügen anerkannt. Dies lag daran, dass die Forschungstätigkeit nicht mit den Versorgungsbezügen zusammenhing, da die Versorgungsbezüge auch ohne Forschungstätigkeit gezahlt worden wären.
Für den Werbungskostenabzug kommt es nicht darauf an, ob sich die Aufwendungen konkret auf die Höhe der Einnahmen auswirken. Der Steuerpflichtige hat einen Ermessensspielraum, ob und welche Aufwendungen er zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner Einnahmen tätigt.
Quelle: BFH, Urteil vom 28.6.2023 – VI R 17/21; NWB
07.11.2023
Verkauft ein Gesellschafter einer unternehmerisch tätigen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) seinen Mitunternehmeranteil, kann er seinen Veräußerungsgewinn durch eine Rücklage neutralisieren, soweit der Gewinn auf Immobilien entfällt. Ob diese Rücklage zulässig ist, entscheidet das für die Gewinnfeststellung der Mitunternehmerschaft zuständige Finanzamt. Tätigt der ausgeschiedene Mitunternehmer innerhalb der vierjährigen Reinvestitionsfrist keine begünstigte Investition (z.B. in seinem Einzelunternehmen), muss die Rücklage gewinnerhöhend unter Erhöhung eines sog. Gewinnzuschlags aufgelöst werden; über die gewinnerhöhende Auflösung entscheidet das für die Einkommensteuer des ausgeschiedenen Mitunternehmers zuständige Finanzamt.
Hintergrund: Bestimmte Veräußerungsgewinne, z.B. aus dem Verkauf von Immobilien, können durch eine Rücklage zunächst neutralisiert werden. Der Steuerpflichtige hat dann grundsätzlich vier Jahre Zeit, eine begünstigte Investition zu tätigen, z.B. eine neue Immobilie anzuschaffen. Er kann dann die Rücklage von den Anschaffungskosten des neuen Wirtschaftsguts abziehen, so dass sich die Abschreibungen auf das neue Wirtschaftsgut mindern. Unterbleibt die Investition, wird die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst und um einen sog. Gewinnzuschlag von 6 % für jedes Jahr, in dem die Rücklage bestand, erhöht.
Sachverhalt: Der Kläger war Mitunternehmer der A-KG. Er veräußerte am 30.6.2006 seinen Mitunternehmeranteil an der A-KG. Der Veräußerungsgewinn entfiel in vollem Umfang auf Immobilien, so dass der Kläger seinen Veräußerungsgewinn durch eine Rücklage neutralisieren konnte. Allerdings geriet er mit der A-KG in Streit, die keine Rücklage für den Kläger bilden wollte. Der Kläger legte daher gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für die A-KG für 2006 Einspruch ein und hatte Erfolg; allerdings dauerte dies bis zum Jahr 2017, so dass erst im November 2017 ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid für 2006 erging, in dem die Rücklage berücksichtigt wurde. Der Kläger hatte im vierjährigen Reinvestitionszeitraum 2007 bis 2010 keine Investition getätigt, so dass die Rücklage im Jahr 2010 gewinnerhöhend aufgelöst werden musste. Das für die A-KG zuständige Finanzamt informierte das Wohnsitzfinanzamt des Klägers, das im Oktober 2018 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 erließ, in dem es die Rücklage gewinnerhöhend auflöste und um einen Gewinnzuschlag von 6 % jährlich erhöhte. Der Kläger wehrte sich gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Der Kläger durfte im Feststellungszeitraum 2006 seinen Gewinn aus der Veräußerung seines KG-Anteils durch eine Rücklage neutralisieren; denn der Gewinn beruhte ausschließlich auf den stillen Reserven der Immobilien der A-KG. Die Rücklage war in der Sonderbilanz des Klägers bei der A-KG zu bilden.
Die Entscheidung, ob eine Rücklage nach § 6b EStG zulässig ist, war von dem für die Gewinnfeststellung der A-KG zuständigen Finanzamt zu treffen. Diese Entscheidung hat das für die A-KG zuständige Finanzamt aufgrund des Einspruchs des Klägers im November 2017 getroffen.
Die Rücklage war im Jahr 2010 gewinnerhöhend aufzulösen, da der Kläger die Reinvestition nicht innerhalb der Reinvestitionsfrist durchgeführt hat. Die Entscheidung über die Auflösung der Rücklage war von dem für die Einkommensteuer des Klägers zuständigen Finanzamt zu treffen. Die Entscheidung über die Auflösung der Rücklage konnte nicht im Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft für 2010 getroffen werden, weil der Kläger im Jahr 2010 nicht mehr an der A-KG beteiligt war.
Das für den Kläger zuständige Finanzamt durfte daher den Einkommensteuerbescheid des Klägers für 2010 ändern und nachträgliche gewerbliche Einkünfte aufgrund der Auflösung der Rücklage und des Gewinnzuschlags ansetzen.
Hinweise: Die Änderung des Einkommensteuerbescheids konnte aufgrund einer sog. widerstreitenden Steuerfestsetzung erfolgen. Denn infolge der Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids der A-KG für 2006, in dem nun eine Rücklage in der Sonderbilanz des Klägers angesetzt wurde, ergab sich ein Widerstreit, d.h. Widerspruch, zum Einkommensteuerbescheid 2010, weil in diesem eine Rücklage nicht aufgelöst worden war. Das Gesetz sieht in einem solchen Fall eine Änderungsmöglichkeit vor, die zudem eine eigenständige Verjährungsregelung enthält.
Hätte sich der Kläger im Jahr 2006 gegen die Bildung einer Rücklage entschieden, wäre zwar im Jahr 2006 ein Veräußerungsgewinn entstanden; dieser Veräußerungsgewinn wäre aber tarifbegünstigt gewesen, so dass die steuerliche Belastung etwas niedriger ausgefallen wäre. Von dieser Tarifermäßigung konnte der Kläger im Jahr 2010 bei seinem Gewinn aus der Auflösung der Rücklage nicht mehr profitieren.
Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – X R 14/21; NWB
06.11.2023
Die Grunderwerbsteuer für einen grunderwerbsteuerbaren Verkauf wird aufgehoben, wenn der Verkauf innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht wird und der Verkauf innerhalb der gesetzlichen Anzeigefrist der Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts angezeigt worden war. Dabei genügt es, wenn der Notar den Verkauf innerhalb der für den Steuerschuldner geltenden Anzeigefrist angezeigt hat.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer entsteht grundsätzlich mit Abschluss eines Grundstückskaufvertrags oder bei einem Verkauf von Anteilen an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft, wenn dadurch bestimmte Beteiligungsquoten überschritten bzw. erreicht werden. Der Gesetzgeber lässt bei Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrags innerhalb von zwei Jahren eine Aufhebung der Grunderwerbsteuer zu. Die Grunderwerbsteuer kann aber nur dann aufgehoben werden, wenn der Erwerbsvorgang fristgerecht, d.h. innerhalb von zwei Wochen, und in allen Teilen vollständig angezeigt worden ist.
Sachverhalt: Die Klägerin war im Jahr 2016 an einer grundbesitzenden GmbH mit 90,1 % beteiligt. Weitere Gesellschafterin war eine AG mit einer Beteiligung von 9,9 %. Mit notariellem Vertrag vom 22.12.2016 verkaufte die AG ihre Beteiligung an der GmbH an die Klägerin; dieser Verkauf war grunderwerbsteuerbar. Der Verkauf musste aber noch von einem weiteren Vorstandsmitglied der AG genehmigt werden. Die Genehmigung wurde am 23.12.2016 erteilt und ging am 30.12.2016 beim Notar ein. Der Notar übersandte eine Veräußerungsanzeige an das für die Körperschaftsteuer zuständige Finanzamt, das die Unterlagen an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt weiterleitete, wo sie am 12.1.2017 eingingen. Das Finanzamt setzte daraufhin Grunderwerbsteuer fest. Am 12.6.2018 wurde der Anteilsverkauf rückgängig gemacht. Die Klägerin beantragte die Aufhebung der Grunderwerbsteuer; das Finanzamt lehnte dies ab, weil der Anteilsverkauf vom 22.12.2016 nicht innerhalb von zwei Wochen angezeigt worden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob die Grunderwerbsteuer auf und gab der Klage statt:
Eine Aufhebung der Grunderwerbsteuer ist nicht nur bei der Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags, sondern auch bei der Rückgängigmachung eines Anteilskaufvertrags möglich.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist der Anteilsverkauf vom 22.12.2016 fristgerecht, d.h. innerhalb von zwei Wochen, und vollständig angezeigt worden. Es genügt nämlich, wenn einer von mehreren Anzeigeverpflichteten (Notar oder Steuerschuldner) der Anzeigepflicht ordnungsgemäß und fristgerecht nachkommt.
Zwar hat der Notar seine eigene Anzeigepflicht nicht fristgerecht erfüllt; denn er hätte innerhalb von zwei Wochen, nach dem 22.12.2016, dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt die Veräußerungsanzeige übersenden müssen; dort ist sie aber erst am 12.1.2017 und damit nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist eingegangen. Jedoch hat der Notar die Anzeigepflicht der Klägerin erfüllt; denn für die Klägerin begann die Zwei-Wochen-Frist erst mit der Kenntnisnahme von der am 30.12.2016 beim Notar eingegangenen Genehmigung des Vertrags durch das weitere Vorstandsmitglied. Mit dem Eingang der Veräußerungsanzeige am 12.1.2017 bei dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt ist die Anzeige damit innerhalb der für die Klägerin als Steuerschuldnerin geltenden Anzeigefrist eingegangen.
Hinweise: Im Ergebnis hat der Notar die Anzeigepflicht der Klägerin innerhalb der für die Klägerin geltenden Anzeigefrist erfüllt. Dies war möglich, weil es zwei unterschiedliche Anzeigepflichten gab, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten begannen, nämlich für den Notar mit dem Anteilskaufvertrag und für die Klägerin mit der Kenntnisnahme von der Genehmigung durch das Vorstandsmitglied. Dies wäre beinahe noch schiefgegangen, weil der Notar die Veräußerungsanzeige an das falsche Finanzamt übersandt hat, nämlich an das für die Körperschaftsteuer zuständige Finanzamt; es genügte jedoch, dass dieses die Anzeige an das Grunderwerbsteuer-Finanzamt weiterleitete und die Anzeige dort vor Ablauf der Frist einging.
Die Erfüllung der Anzeigepflicht als Voraussetzung für die Aufhebung der Grunderwerbsteuer soll dem Anreiz entgegenwirken, die Anzeige zu unterlassen und damit einer Besteuerung des Grundstückskaufvertrags oder Anteilskaufvertrags zu entgehen.
Quelle: BFH, Urteil vom 21.6.2023 – II R 2/21; NWB
03.11.2023
Ein gleichgeschlechtliches Ehepaar kann die Kosten für eine Leihmutter, die in den USA das Kind des einen Ehegatten nach vorheriger künstlicher Befruchtung der Eizelle einer anderen Frau austrägt, nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Denn die ungewollte Kinderlosigkeit des gleichgeschlechtlichen Ehepaares ist nicht krankheitsbedingt, sondern beruht auf den biologischen Grenzen der Fortpflanzung.
Hintergrund: Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, und die notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Krankheitskosten.
Sachverhalt: Die Kläger waren zwei Männer, die im Streitjahr 2017 heirateten und zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Einer der beiden Männer ließ die Eizelle einer in den USA lebenden Frau künstlich befruchten. Anschließend wurde diese befruchtete Eizelle einer anderen in den USA lebenden Frau als sog. Leihmutter eingesetzt, die das Kind austrug und anschließend den Klägern übergab. Die Kläger machten die Aufwendungen für die Leihmutterschaft als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an, weil eine Leihmutterschaft in Deutschland verboten ist.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar gehören Krankheitskosten zu den außergewöhnlichen Belastungen, jedoch waren die Kläger nicht krank. Ihre ungewollte Kinderlosigkeit war nicht Folge einer Erkrankung eines der beiden Ehegatten, sondern Folge der biologischen Grenzen der Fortpflanzung.
Die Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen folgt auch nicht daraus, dass der andere Ehegatte, der nicht an der künstlichen Befruchtung beteiligt war, nach eigenen Angaben unter dem unerfüllten Kinderwunsch psychisch litt. Denn eine Ersatzmutterschaft kann nicht als medizinisch indizierte Heilbehandlung zur Heilung einer seelischen Erkrankung angesehen werden; zudem würde dies das Kind zu einem bloßen medizinischen Heilmittel herabwürdigen, das zur Linderung einer seelischen Krankheit eingesetzt wird.
Außerdem ist der Abzug als außergewöhnliche Belastung deshalb ausgeschlossen, weil die Leihmutterschaft mit deutschem Recht zum Schutz von Embryonen nicht vereinbar ist. Nach deutschem Recht darf nämlich auf eine Frau keine Eizelle einer anderen Frau zwecks reproduktionsmedizinischer Behandlung übertragen werden. Ebenso ist es verboten, dass eine Ersatz- bzw. Leihmutter ihr Kind nach der Geburt einem Dritten auf Dauer überlässt.
Hinweis: Der BFH hat keine verfassungsrechtlichen Zweifel an dem Verbot der Ersatzmutterschaft und der Eizellenspende. Denn das Verbot dient der Verhinderung einer Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische Mutter und eine austragende Mutter.
Quelle: BFH, Urteil vom 10.8.2023 – VI R 29/21; NWB
02.11.2023
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Oktober 2023 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2023 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben v. 1.11.2023 - III C 3 - S 7329/19/10001 :005 (2023/1035752); NWB
31.10.2023
Die Einkommensteuer, die aufgrund einer von den Erben nach dem Tod des Erblassers und Betriebsinhabers rückwirkend erklärten Betriebsaufgabe entsteht, ist keine erbschaftsteuerliche Nachlassverbindlichkeit. Sie mindert daher nicht die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer.
Hintergrund: Bei der Erbschaftsteuer mindert sich der Wert des Nachlasses um Nachlassverbindlichkeiten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört u.a. auch die Einkommensteuer, die auf Einkünfte des Erblassers entfällt.
Sachverhalt: Die Kläger waren Miterben des im Jahr 2016 verstorbenen Erblassers E, der bis zu seinem Tod einen Bauernhof betrieben hatte. Nach dem Tod des E erklärten die Erben eine Betriebsaufgabe für den Bauernhof, und zwar drei Monate rückwirkend; eine solche Rückwirkung ist gesetzlich möglich. Hierdurch kam es zu einem einkommensteuerlichen Aufgabegewinn mit einer entsprechenden Einkommensteuer des Erblassers für 2016. Die Kläger machten diese Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer geltend. Das Finanzamt erkannte die Nachlassverbindlichkeit nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten auch die Einkommensteuer des Erblassers, wenn sie entweder bis zum Tod des Erblassers festgesetzt worden ist, oder aber wenn sie auf Einkünfte des Erblassers entfällt, die dieser bis zu seinem Tod erzielt hat.
Im Streitfall waren diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. Denn weder war die Einkommensteuer für 2016 für E vor seinem Tod festgesetzt worden, noch hatte der Erblasser den Aufgabegewinn erzielt. Die Einkommensteuer auf den Aufgabegewinn war nämlich erst aufgrund der rückwirkend von den Klägern erklärten Betriebsaufgabe entstanden. E selbst hatte keine Aufgabeerklärung bis zu seinem Tod abgegeben, so dass der Bauernhof mit seinem Tod auf die Kläger als Miterben überging.
Hinweise: Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn der Erblasser noch den Tatbestand für die Entstehung der Einkommensteuer selbst verwirklicht hätte, die Höhe der Einkommensteuer im Todeszeitpunkt aber noch nicht genau festgestanden hätte, weil die Erben noch mögliche steuerliche Wahlrechte ausüben konnten. Der Streitfall unterschied sich jedoch hiervon, weil es erst durch die von Miterben erklärte Betriebsaufgabe zu einem rückwirkenden Aufgabegewinn gekommen ist.
Quelle: BFH, Urteil vom 10.5.2023 – II R 3/21; NWB
30.10.2023
Hat ein Bauunternehmer bis 2013 Bauleistungen an einen Bauträger erbracht, der eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft darstellt, und ist hierbei einvernehmlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren angewendet worden, so dass der Organträger die Umsatzsteuer für den Bauunternehmer an das Finanzamt abgeführt hat, kann der Organträger vom Finanzamt die Erstattung dieser Umsatzsteuer verlangen, da der BFH im Jahr 2013 die Nichtanwendbarkeit des Reverse-Charge-Verfahrens bei Bauleistungen an Bauträgern festgestellt hat. In diesem Fall kann sich das Finanzamt aber von dem Bauunternehmer dessen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags abtreten lassen, und mit diesem Anspruch gegen einen Steuererstattungsanspruch des Bauträgers aufrechnen. Diese Abtretung und Aufrechnung sind trotz der umsatzsteuerlichen Organschaft möglich.
Hintergrund: Bei Bauleistungen unter Unternehmern gilt grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, d.h. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistungsempfänger (Auftraggeber). Nach Auffassung der Finanzverwaltung galt dies ursprünglich auch bei Bauleistungen an einen Bauträger, der unbebaute Grundstücke bebaut und anschließend verkauft. Im Jahr 2013 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) aber, dass bei Bauleistungen an einen Bauträger das Reverse-Charge-Verfahren nicht gilt, weil der Bauträger selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern nur Grundstücke verkauft. Daraufhin beantragten viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht entrichteten Umsatzsteuer. Die Finanzämter versuchten nun, die Umsatzsteuer von den Bauunternehmern zu erhalten. Der Gesetzgeber hat daraufhin die Rückabwicklung dieser Fälle gesetzlich geregelt und u.a. eine Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs des Bauunternehmers auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags auf die Bauleistungen vorgesehen.
Sachverhalt: Die Klägerin war Bauträgerin und eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft des Organträgers U. Das heißt, dass U die Umsatzsteuer auf Leistungen der Klägerin sowie auf Leistungen, die an die Klägerin erbracht wurden, und dem Reverse-Charge-Verfahren unterlagen, entrichtete. Der Bauunternehmer B erbrachte bis 2013 Bauleistungen an die Klägerin, auf die die Klägerin und B einvernehmlich, und auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung, das sog. Reverse-Charge-Verfahren anwandten, so dass U als Organträger der Klägerin die Umsatzsteuer für B abführte. Im Jahr 2013 entschied der BFH, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an einen Bauträger nicht gilt. Daraufhin beantragte U im Jahr 2014 die Erstattung der von ihm für B entrichteten Umsatzsteuer. Das Finanzamt nahm nun B für die Umsatzsteuer in Anspruch, der daraufhin seinen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags an das Finanzamt abtrat. Das Finanzamt rechnete mit diesem zivilrechtlichen Anspruch im Jahr 2016 gegen Körperschaftsteuererstattungsansprüche der Klägerin für 2015 und 2016 auf. Die Klägerin wehrte sich gegen die Aufrechnung.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Die Voraussetzungen der Aufrechnung lagen vor. Das Finanzamt hatte im Wege der Abtretung von B dessen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags, der aufgrund der Bauleistungen entstand, erworben:
B hatte Bauleistungen an die Klägerin erbracht und keinen Nettopreis vereinbart. Vielmehr gingen B und die Klägerin davon aus, dass die Klägerin bzw. deren Organträger U die Umsatzsteuer für B an das Finanzamt abführt. Nach der Zivilrechtsprechung des Bundesgerichtshofs lebt der zivilrechtliche Anspruch des Bauunternehmers auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags aber wieder in dem Moment auf, in dem der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach der Veröffentlichung des BFH-Urteils im Jahr 2013 vom Finanzamt zurückfordert.
Das Finanzamt hatte diesen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags im Wege der Abtretung von B erworben und konnte mit diesem Anspruch gegen die Körperschaftsteuererstattungen der Klägerin aufrechnen. Das Finanzamt kann auch mit einer bestrittenen Forderung aufrechnen, wenn sich – wie hier – herausstellt, dass die Forderung, d.h. der zivilrechtliche Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags besteht.
Unbeachtlich ist, dass nicht die Klägerin die Erstattung der Umsatzsteuer vom Finanzamt gefordert hat, sondern der Organträger U; denn als Organträger war U umsatzsteuerlicher Leistungsempfänger und musste daher aufgrund der einvernehmlichen Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dementsprechend konnte jetzt auch nur U die Umsatzsteuer wieder zurückfordern, weil das Reverse-Charge-Verfahren nach dem BFH-Urteil im Jahr 2013 nicht hätte angewendet werden dürfen.
Hinweise: Der Fall hat die Besonderheit, dass auf Seiten des Leistungsempfängers (Klägerin) eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand, so dass auch noch U als Organträger umsatzsteuerlich beteiligt war. Der BFH macht nun deutlich, dass es für die Aufrechnung keine Rolle spielt, dass U weder an der Abtretung noch an der Aufrechnung beteiligt war. Die Klägerin erhält zwar nun keine Körperschaftsteuererstattungen, während dem U die Umsatzsteuer erstattet wird; nach dem BFH kann hier aber ein interner Gesamtschuldnerausgleich unter den Organschaftsmitgliedern (U und Klägerin) in Betracht kommen.
Quelle: BFH, Urteil vom 24.5.2023 – XI R 45/20; NWB
27.10.2023
Erhält eine Immobilienentwicklungsgesellschaft für ihre Tätigkeit ein pauschales Tätigkeitshonorar, das sich an der Höhe der Gesamtinvestition orientiert und das in monatlichen Raten ausgezahlt wird, dürfen die monatlichen Zahlungen nur insoweit durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten gewinnneutral erfasst werden, als die Zahlungen Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen. Dies setzt voraus, dass die Zuordnung der Zahlungen zu einer bestimmten Zeit auf allgemein-gültigen Maßstäben beruht; eine bloße Schätzung der zeitlichen Komponente durch die Immobilienentwicklungsgesellschaft genügt nicht.
Hintergrund: Ein bilanzierender Kaufmann muss Einnahmen, die ihm vor dem Bilanzstichtag zufließen, und die aber Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, passivisch abgrenzen und einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden. Dieser Posten wird dann im nächsten Wirtschaftsjahr, dem der Ertrag zuzuordnen ist, gewinnerhöhend aufgelöst. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Mieteinnahme, die dem Kaufmann, der einen Teil seiner Geschäftsräume vermietet, im Dezember für den Januar des Folgejahres zufließt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Immobilienentwicklungsgesellschaft, die zu einem Konzern gehörte und für andere Konzerngesellschaften Bauprojekte entwickelte. Hierfür erhielt sie Tätigkeitshonorar in Höhe von 6 % der Gesamtinvestitionskosten, das in monatlichen Raten auf der Grundlage der voraussichtlichen Bauzeit ausgezahlt wurde. Je nach Projekt erhielt die Klägerin zwischen 12 und 30 Raten. Die Klägerin unterteilte ihre Entwicklungsleistung in fünf Phasen und ordnete diesen Phasen jeweils einen Zeitraum und einen Anteil am Gesamthonorar zu (z.B. 15 % für die Projektinitiierung, 35 % für die Vorbereitungsphase). Dem sich danach ergebenden Anteil und Zeitraum für die jeweilige Phase stellte sie die monatlichen Raten gegenüber; soweit die gezahlten Raten höher waren, bildete die Klägerin zum 31.12.2008 einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten, der zum 31.12.2008 ca. 5 Mio. € betrug und den Gewinn für 2008 nicht erhöhte. Das Finanzamt erkannte den Rechnungsabgrenzungsposten ebenso wenig an wie eine hilfsweise passivierte erhaltene Anzahlung. Allerdings berücksichtigte das Finanzamt eine Rückstellung aufgrund eines sog. Erfüllungsrückstands in Höhe von 2,5 Mio. €.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab, die auf eine gewinnneutrale Passivierung von insgesamt 5 Mio. € gerichtet war:
Die Klägerin durfte einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten nicht bilden. Denn dieser setzt voraus, dass die monatlich geleisteten Zahlungen ein Entgelt für eine „bestimmte Zeit“ darstellten. Ob sich die Leistung des Unternehmers, und damit auch das Entgelt des Vertragspartners auf eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag bezieht, richtet sich nach allgemein-gültigen Maßstäben, die objektiv kontrollierbar sind. Schätzungen des Unternehmers genügen hingegen nicht.
Tatsächlich hat die Klägerin die „bestimmte Zeit“ nur geschätzt, indem sie ihre Gesamtleistungen in fünf Phasen aufgeteilt, die Dauer der einzelnen Phasen geschätzt und das Entgelt auf die einzelnen Phasen im Schätzungswege aufgeteilt hat. Die Schätzungen waren jedoch nicht kontrollierbar und stimmten auch nicht, weil die geschätzten Laufzeiten im Nachhinein tatsächlich länger waren.
Eine Passivierung als erhaltene Anzahlung war ebenfalls nicht möglich, weil dies nur bei zeitpunktbezogenen Leistungen des Unternehmers (z.B. einem Warenverkauf) möglich ist, nicht aber bei einer zeitraumbezogenen Leistung wie im Streitfall, die sich auf eine Bauphase bezieht. Hier war nur ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zulässig, der im Streitfall aber an dem Kriterium der bestimmten Zeit scheiterte.
Eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands auf der Passivseite ist zwar zulässig, soweit sich der Unternehmer mit seiner Leistung im Rückstand befindet. Hierzu hätte die Klägerin aber konkret vortragen müssen, inwieweit ihr Vertragspartner bereits in Vorleistung getreten ist und sie sich mit ihren Leistungen im Rückstand befand. Ein derartiger konkreter Vortrag ist seitens der Klägerin nicht erfolgt.
Hinweise: Es blieb aber bei der vom Finanzamt anerkannten Rückstellung in Höhe von 2,5 Mio. €, weil der BFH nicht verbösern durfte.
Das Urteil ist wichtig für Unternehmer, die zeitraumbezogene Leistungen z.B. im Bereich der Beratung oder Betreuung erbringen. Die vor Abschluss der Leistung erhaltenen Zahlungen können nur dann passivisch abgegrenzt werden, wenn sich ein bestimmter Zeitraum nach dem Bilanzstichtag objektiv bestimmen lässt. Ist dies nicht möglich, ist im Ergebnis nur eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zulässig, für die jedoch konkrete Aufzeichnungen zu führen sind und aus denen sich ergibt, inwieweit die bis zum Bilanzstichtag erhaltenen Zahlungen höher sind als die vom Unternehmer bis zum Bilanzstichtag erbrachten Leistungen.
Bei Einnahmen bis zur Höhe von 800 € hat der Unternehmer ein Wahlrecht, einen Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.
Quelle: BFH, Urteil vom 26.7.2023 – IV R 22/20; NWB
25.10.2023
Zwar sind nach dem Gesetz Aufwendungen für Gästehäuser nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sich das Gästehaus außerhalb des Orts eines Betriebs des Unternehmers befindet. Die Aufwendungen sind jedoch abziehbar, wenn sich das Gästehaus am Ort eines Betriebs des Unternehmers befindet. Die Abziehbarkeit der Betriebsausgaben setzt dann nicht voraus, dass der beherbergte Geschäftsfreund den Betrieb üblicherweise besucht.
Hintergrund: Der Gesetzgeber sieht bestimmte Betriebsausgaben als nicht oder nur teilweise abziehbar an. So sind zum Beispiel Aufwendungen für Gästehäuser, die Geschäftsfreunden zur Verfügung gestellt werden und die sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden, nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
Sachverhalt: Der Kläger war ein Lohnsteuerhilfeverein mit zahlreichen Beratungsstellen. Die Beratungsstellenleiter waren nicht Arbeitnehmer des Klägers, sondern als freie Mitarbeiter tätig. Der Kläger hatte in X einen Schulungsraum, der als Betriebsstätte anzusehen war. Der Kläger mietete in demselben Gebäude, in dem sich der Schulungsraum befand, noch zwei Ferienwohnungen an und überließ diese seinen Beratungsstellenleitern jeweils für eine Woche unentgeltlich. Das Finanzamt erkannte den Betriebsausgabenabzug für die Anmietung der Ferienwohnung unter Hinweis auf das gesetzliche Abzugsverbot für Gästehäuser nicht an, weil die beherbergten Beratungsstellenleiter nicht üblicherweise den Schulungsraum besuchten.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und ließ den Betriebsausgabenabzug zu:
Das Betriebsausgabenabzugsverbot für Gästehäuser greift nicht, wenn sich das Gästehaus bzw. die Ferienwohnung am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden. Ein Betrieb kann auch eine Betriebsstätte oder Zweigniederlassung sein. Der Schulungsraum in X war eine Betriebsstätte, und die Ferienwohnungen befanden sich am selben Ort, so dass das Betriebsausgabenabzugsverbot vom Wortlaut her nicht anwendbar war.
Es kommt nicht darauf an, ob die beherbergten Beratungsstellenleiter üblicherweise den Betrieb bzw. die Betriebsstätte (Schulungsraum) vor Ort besuchten. Soweit die Finanzverwaltung den Betriebsausgabenabzug davon abhängig macht, dass sich das Gästehaus am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen befindet und zusätzlich der Betrieb üblicherweise von den beherbergten Geschäftsfreunden besucht werden muss, gibt dies der Gesetzeswortlaut nicht her. Außerdem würde es dem Vereinfachungszweck des Abzugsverbots widersprechen, wenn man im Einzelfall aufklären müsste, ob der beherbergte Geschäftsfreund den Betrieb besucht hat.
Hinweise: Der BFH widerspricht in seinem aktuellen Urteil der Auffassung der Finanzverwaltung. Dem BFH zufolge sind die Betriebsausgaben bereits dann abziehbar, wenn sich das Gästehaus am Ort des Betriebs, wozu auch eine Zweigniederlassung oder Betriebsstätte gehört, befindet. Außerdem sind die Betriebsausgaben für ein Gästehaus abziehbar, wenn das Gästehaus der Beherbergung von Arbeitnehmern dient.
Werden in dem Gästehaus aber Geschäftsfreunde bzw. freie Mitarbeiter untergebracht und befindet sich das Gästehaus nicht am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen, sind die Betriebsausgaben für das Gästehaus nicht abziehbar. Es genügt dann nicht, dass das Gästehaus aus betrieblichen Gründen unterhalten wird; denn das gesetzliche Abzugsverbot gilt ohnehin nur für betrieblich veranlasste Aufwendungen. Fehlt bereits eine betriebliche Veranlassung, scheidet der Betriebsausgabenabzug von vornherein aus.
Quelle: BFH, Urteil v. 24.5.2023 - XI R 37/20; NWB
24.10.2023
Eine Abschreibung auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unterlag im Jahr 2004 dem damals gültigen Halbabzugsverbot und war daher nur zu 50 % steuerlich absetzbar. Das Halbabzugsverbot galt bei einer Abschreibung im Jahr 2004 auch dann, wenn die Abschreibung richtigerweise bereits im Jahr 2001 hätte vorgenommen werden müssen, als das Halbabzugsverbot noch nicht galt. Bei einer Nachholung der Abschreibung im Jahr 2004 im Wege einer Bilanzberichtigung gilt nämlich die Rechtslage im Jahr der Bilanzberichtigung, d.h. des Jahres 2004.
Hintergrund: Von 2002 bis einschließlich 2008 galt das sog. Halbeinkünfteverfahren. Dividenden waren nur zu 50 % steuerpflichtig; dafür wurden aber auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einer GmbH-Beteiligung, z.B. eine Abschreibung auf eine GmbH-Beteiligung, nur zu 50 % steuerlich berücksichtigt (sog. Halbabzugsverbot).
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG. Sie war an der K-AG zu 99,75 % beteiligt, die im Jahr 2001 ihre Auflösung beschloss; die Liquidation wurde 2004 abgeschlossen. Die Klägerin schrieb ihre Beteiligung an der K-AG zum 31.12.2004 ab. Den sich hieraus ergebenden Verlust in Höhe von ca. 1,5 Mio. € berücksichtigte das Finanzamt auf Grund des Halbabzugsverbots nur zu 50 %. Die Klägerin begehrte eine vollständige Berücksichtigung des Verlustes und machte geltend, dass die Abschreibung bereits im Jahr 2001 hätte erfolgen müssen, als das Halbabzugsverbot noch nicht gegolten habe. Die Abschreibung im Jahr 2004 sei daher eine Bilanzberichtigung, für die das Recht des Jahres 2001 gelten müsse.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Es handelte sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um eine Bilanzberichtigung. Die Beteiligung durfte im Jahr 2001 noch nicht abgeschrieben werden, sondern erst im Jahr 2004. Denn erst im Jahr 2004 war die Liquidation abgeschlossen, so dass erst im Jahr 2004 der Verlust, der sich aus der Auflösung der K-AG ergab, feststand.
Selbst wenn es sich um eine Bilanzberichtigung gehandelt hätte, weil die Abschreibung bereits im Jahr 2001 hätte vorgenommen werden müssen, wäre das Halbabzugsverbot im Jahr 2004 anwendbar gewesen. Bei einer Bilanzberichtigung kommt es nämlich auf das geltende Recht im Jahr der Bilanzberichtigung, also im Jahr 2004, und nicht auf das Recht im Jahr der Erstellung der fehlerhaften Bilanz (2001) an; es gibt also keinen „Rechtstransport“ aus dem Jahr der fehlerhaften Bilanz in das Jahr der Bilanzberichtigung. Im Jahr 2004 galt aber das Halbabzugsverbot schon.
Hinweise: Seit 2009 gilt das sog. Teilabzugsverbot. Betriebliche Aufwendungen einer Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmers im Zusammenhang mit einer GmbH-Beteiligung sind nur zu 60 % absetzbar und werden im Umfang von 40 % steuerlich nicht berücksichtigt. Dafür sind Dividenden im betrieblichen Bereich zu 40 % steuerfrei.
Nach der aktuellen Rechtslage besteht ein Wahlrecht, ob eine Teilwertabschreibung in der Steuerbilanz vorgenommen wird. Dieses Wahlrecht kann unabhängig von der Inanspruchnahme einer entsprechenden Abschreibung in der Handelsbilanz ausgeübt werden. Das Unterlassen einer Teilwertabschreibung kann daher nicht zu einem Bilanzierungsfehler führen und deshalb auch keine Bilanzberichtigung auslösen.
Quelle: BFH, Urteil vom 27.7.2023 – IV R 15/20; NWB
23.10.2023
Hat ein Bauunternehmer im Jahr 2012 Bauleistungen an einen Bauträger erbracht und dabei auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung keine Umsatzsteuer ausgewiesen, weil der Bauträger die Umsatzsteuer vermeintlich schuldete (sog. Reverse-Charge-Verfahren), darf das Finanzamt die Umsatzsteuer des Bauunternehmers trotz der nachteiligen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der die Verwaltungsauffassung als rechtswidrig eingestuft hat, wegen des gesetzlichen Vertrauensschutzes nicht mehr zu seinen Ungunsten ändern. Der Vertrauensschutz greift, wenn der Unternehmer bei der Abgabe seiner Umsatzsteuervoranmeldungen für 2012 die damals gültige Verwaltungsauffassung berücksichtigt und das Finanzamt die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht beanstandet hat.
Hintergrund: Bei Bauleistungen unter Unternehmern gilt grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, d.h. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistungsempfänger (Auftraggeber). Nach Auffassung der Finanzverwaltung galt dies auch bei Bauleistungen an einen Bauträger, der unbebaute Grundstücke bebaut und anschließend verkauft. Im Jahr 2013 entschied der BFH jedoch, dass bei Bauleistungen an einen Bauträger das Reverse-Charge-Verfahren nicht gilt, weil der Bauträger selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern nur Grundstücke verkauft. Daraufhin beantragten viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht entrichteten Umsatzsteuer, und die Finanzämter versuchten, die Umsatzsteuer nun von den Bauunternehmern zu erhalten. Der Gesetzgeber hat in der Folgezeit versucht, eine Rückabwicklung dieser Fälle zu ermöglichen.
Sachverhalt: Die Klägerin war Organträgerin einer GmbH, die im Baubereich tätig war; die Klägerin war als Organträgerin Umsatzsteuerschuldnerin der von der GmbH ausgeführten Umsätze. Die GmbH hatte im Jahr 2012 Bauleistungen an einen Bauträger erbracht. Die GmbH ging ebenso wie der Bauträger auf der Grundlage der Verwaltungsauffassung davon aus, dass der Bauträger die Umsatzsteuer nach dem Reverse-Charge-Verfahren schuldet. Dementsprechend meldete die Klägerin als Organträgerin in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für 2012 keine Umsatzsteuer an. Im Jahr 2013 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Jahr 2013 stufte der BFH die Verwaltungsauffassung zur Umsatzsteuerschuldnerschaft von Bauträgern als rechtswidrig ein und verneinte deren Steuerschuldnerschaft. Im April 2014 gab die Klägerin ihre Umsatzsteuerjahreserklärung für 2012 ab und ging wie bereits bei den Voranmeldungen von der Umsatzsteuerschuldnerschaft des Bauträgers aus. Der Bauträger beantragte 2015 die Erstattung seiner Umsatzsteuer bezüglich der von der GmbH erbrachten Bauleistungen. Daraufhin erhöhte das Finanzamt nun die Umsatzsteuer der Klägerin für 2012 entsprechend, indem sie Umsatzsteuer auf die von der GmbH erbrachten Bauleistungen festsetzte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar stand die Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 kraft Gesetzes unter einem Vorbehalt der Nachprüfung, da es sich bei der Umsatzsteuererklärung um eine sog. Steueranmeldung handelt, die wie eine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung behandelt wird. An sich hätte daher die Umsatzsteuerfestsetzung aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung zuungunsten der Klägerin geändert werden müssen.
Die Änderung war jedoch wegen des gesetzlichen Vertrauensschutzes nicht möglich. Danach darf ein Steuerbescheid nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen mit der Begründung geändert werden, dass der BFH eine allgemeine Verwaltungsvorschrift als rechtswidrig eingestuft hat. Die Klägerin, die sich auf die Verwaltungsauffassung gestützt hat, genießt daher Vertrauen auf den Bestand der bisherigen Steuerfestsetzung.
Zwar war bei Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2012 im April 2014 die neue BFH-Rechtsprechung schon veröffentlicht, so dass deshalb das Vertrauen der Klägerin zu verneinen sein könnte. Jedoch ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie im Jahr 2012 bereits monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte, die ebenfalls als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen und deshalb ebenfalls vom Vertrauensschutz erfasst werden.
Hinweise: Das Urteil ist für Bauunternehmer, die bis zur Änderung der BFH-Rechtsprechung im Jahr 2013 Bauleistungen an Bauträger erbracht haben und die auf die Anwendung des sog. Reverse-Charge-Verfahrens vertraut haben, vorteilhaft.
Allerdings hat der Gesetzgeber in einer weiteren Änderungsvorschrift, die er nachträglich, d.h. nach der Rechtsprechungsänderung eingefügt hat, den gesetzlichen Vertrauensschutz ausdrücklich ausgeschlossen. Das Finanzamt hätte sich daher auf diese weitere Änderungsvorschrift stützen können. Jedoch hat der BFH den Anwendungsbereich dieser weiteren Änderungsvorschrift bereits vor wenigen Jahren eingeschränkt. Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung ist danach nur zulässig, wenn dem Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Bauträger zusteht. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil die Klägerin als Organträgerin keinen Anspruch der GmbH gegen den Bauträger an das Finanzamt abtreten konnte. Die GmbH war nämlich insolvent; es war daher nicht anzunehmen, dass der Insolvenzverwalter der GmbH einen werthaltigen Anspruch der GmbH gegen den Bauträger auf Zahlung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer dadurch aufgibt, dass er diesen Anspruch an das Finanzamt abtritt.
Quelle: BFH, Urteil vom 6.7.2023 - V R 5/21; NWB
18.10.2023
Muss der Steuerpflichtige Erstattungszinsen, die aufgrund einer Steuererstattung festgesetzt worden sind, an das Finanzamt zurückzahlen, weil die Steuerfestsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert worden ist, kann die Rückzahlung im Jahr der Rückzahlung als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, soweit sie auf dieselbe Bemessungsgrundlage und denselben Verzinsungszeitraum entfallen.
Hintergrund: Bei einer Steuererstattung werden Erstattungszinsen zugunsten des Steuerpflichtigen festgesetzt, wenn die Steuerfestsetzung mindestens 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist, erfolgt und zu einer Steuererstattung führt. Kommt es zu einer Steuernachzahlung, werden in entsprechender Weise Nachzahlungszinsen festgesetzt. Die Erstattungszinsen sind nach dem Gesetz als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern, während Nachzahlungszinsen steuerlich nicht absetzbar sind.
Sachverhalt: Zugunsten des Klägers wurden im Jahr 2010 Erstattungszinsen in Höhe von ca. 46.000 € für eine Steuerfestsetzung für 2006 festgesetzt; der Verzinsungszeitraum begann am 1.4.2008 (15 Monate nach Ablauf des Jahres 2006) und endete am 4.2.2010 (22 Monate). Im Jahr 2011 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung für 2006 zulasten des Klägers. Dementsprechend wurden nun auch Nachzahlungszinsen festgesetzt, und zwar 19.000 € für den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2008 bis zum 19.12.2011 (44 Monate). Der Kläger zahlte die 19.000 € im Jahr 2012 an das Finanzamt.
In vergleichbarer Weise wurden für den Kläger für das Jahr 2007 zunächst Erstattungszinsen in Höhe von ca. 23.000 € festgesetzt, und zwar für den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2009 (15 Monate nach Ablauf des Jahres 2007) bis zum 4.2.2010 (10 Monate). Im Jahr 2012 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung zulasten des Klägers und damit auch die Zinsfestsetzung, die nun den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2009 bis zum 19.11.2012 (43 Monate) betraf. Der Kläger zahlte nun im Jahr 2012 Zinsen in Höhe von ca. 23.000 € an das Finanzamt zurück.
Der Kläger machte die beiden Rückzahlungsbeträge von insgesamt 42.000 € (19.000 € + 23.000 €) als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt erkannte nur einen Teil der Rückzahlungsbeträge an, soweit sie denselben Unterschiedsbetrag (d.h. Bemessungsgrundlage) und denselben Verzinsungszeitraum betrafen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die auf vollständige Berücksichtigung der gesamten zurückgezahlten Zinsen gerichtete Klage ab:
Nach dem Gesetz sind Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern. Werden die Erstattungszinsen an das Finanzamt zurückgezahlt, weil die Steuerfestsetzung zulasten des Steuerpflichtigen und damit auch die Zinsfestsetzung geändert wird, handelt es sich bei der Zahlung der Zinsen an das Finanzamt um die Rückzahlung steuerpflichtiger Einnahmen. Dies führt zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen; denn die frühere Zahlung der Erstattungszinsen wird rückabgewickelt.
Allerdings gilt dies nur insoweit, als die Zinsen, die nun an das Finanzamt zurückgezahlt werden, für denselben Unterschiedsbetrag (Bemessungsgrundlage) und denselben Verzinsungszeitraum anfallen. Nur insoweit ist nämlich die Rückzahlung der Zinsen an das Finanzamt durch die vorher erstatteten und steuerpflichtigen Zinsen veranlasst.
Besteht diese zeitliche und betragsmäßige Überschneidung nicht, handelt es sich nicht um die Rückzahlung von Erstattungszinsen, sondern um die steuerlich unbeachtliche erstmalige Zahlung von Nachzahlungszinsen.
Im Streitfall hat das Finanzamt negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in der zutreffenden Höhe berücksichtigt, nämlich in Höhe von 9.500 € für 2006 und in Höhe von ca. 11.000 € für 2007. Der Überschneidungszeitraum belief sich für 2006 auf 22 Monate und für 2007 auf zehn Monate. Die insoweit angefallenen Zinsen waren als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Streitjahr 2012 zu berücksichtigen, da sie in diesem Jahr zurückgezahlt wurden. Die für die weiteren Monate angefallenen Zinsen für 22 Monate für den Veranlagungszeitraum 2006 sowie für 33 Monate für 2007 sind Nachzahlungszinsen, die einkommensteuerlich unbeachtlich sind.
Hinweise: Der BFH hält die unterschiedliche Behandlung von Erstattungszinsen, die steuerpflichtig sind, und Nachzahlungszinsen, die steuerlich unbeachtlich sind, für verfassungsgemäß. Den Erstattungszinsen einerseits und Nachzahlungszinsen andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, die sich wirtschaftlich unterschiedlich auswirken und bezüglich ihrer steuerlich maßgeblichen Veranlassung nicht miteinander vergleichbar sind. Für den „normalen“ Steuerzahler ist dies allerdings kaum nachvollziehbar.
Quelle: BFH, Beschluss vom 1.8.2023 – VIII R 8/21; NWB
17.10.2023
Der Abzug von Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer setzt voraus, dass der eingeführte Gegenstand für die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des Unternehmens verwendet wird. Es genügt nicht, dass die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit des Unternehmers entstanden ist.
Hintergrund: Die Einfuhr von Gegenständen im Inland unterliegt der Einfuhrumsatzsteuer. Ist der Gegenstand für das Unternehmen des Unternehmers eingeführt worden, kann der Unternehmer die entstandene Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Der Unternehmer schuldet dann die Einfuhrumsatzsteuer und kann sie zugleich als Vorsteuer abziehen.
Sachverhalt: Die Klägerin war Spediteurin und erhielt von der in der Türkei ansässigen L den Auftrag, Elektronikartikel von der Türkei nach Deutschland zu befördern. Die Klägerin trat als indirekte Zollvertreterin für L auf und gab eine Zollanmeldung ab. Das Hauptzollamt setzte daraufhin gegenüber der Klägerin sowie gegenüber L jeweils als Gesamtschuldner Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von ca. 220 € fest. Die Klägerin bezahlte die Einfuhrumsatzsteuer. Die Elektronikartikel kamen aber tatsächlich nicht bei der Empfängerin in Deutschland an, so dass die Klägerin darauf verzichtete, das Entgelt, das sie für die Abgabe der Zollanmeldung mit L vereinbart hatte, einzufordern. Die Klägerin machte die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend; das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug aber nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der Abzug der entstandenen Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer setzt voraus, dass der eingeführte Gegenstand für das Unternehmen verwendet wird. Dies erfordert, dass der eingeführte Gegenstand selbst und damit dessen Wert für Zwecke der steuerpflichtigen Umsätze des Unternehmers verwendet werden.
Im Streitfall lagen diese Voraussetzungen nicht vor, weil die Klägerin bezüglich der eingeführten Elektronikartikel lediglich eine Verzollungs- bzw. Beförderungsdienstleistung erbrachte:
So gehörte die Einfuhrumsatzsteuer nicht zu den Kosten eines konkreten umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsatzes der Klägerin. Es gab bereits keinen Ausgangsumsatz der Klägerin, da sie aus Kulanzgründen ihre Verzollungsdienstleistung der L nicht in Rechnung gestellt hatte.
Der Wert der importierten Elektronikartikel gehörte auch nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin. Die Klägerin hat die Elektronikartikel nicht zur Erbringung einer Ausgangsleistung wie z.B. einer Beförderungs- oder Verzollungsdienstleistung verwendet; vielmehr waren die importierten Elektronikartikel lediglich das Objekt, an dem die Klägerin ihre Beförderungs- und Verzollungsdienstleistung erbracht hat.
Hinweise: Der Vorsteuerabzug wäre grundsätzlich möglich gewesen, wenn die Klägerin die importierten Elektronikartikel anschließend selbst in Deutschland umsatzsteuerpflichtig verkauft hätte. Die bloße Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin genügt für den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer hingegen nicht.
Quelle: BFH, Beschluss vom 20.7.2023 – V R 13/21; NWB
16.10.2023
Der Unternehmer kann einen Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung derjenigen Umsatzsteuer haben, die der Unternehmer versehentlich zu viel an den Vertragspartner gezahlt hat und die er deshalb nicht als Vorsteuer geltend machen kann. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer von seinem Vertragspartner nicht zurückerhält, weil dieser insolvent ist oder die Einrede der Verjährung erhebt. Dieser Erstattungsanspruch nennt sich "Direktanspruch" und umfasst auch eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs, wenn das Finanzamt die Erstattung nicht innerhalb angemessener Zeit leistet.
Hintergrund: Das Umsatzsteuersystem ist auf Neutralität angelegt und soll den Unternehmer finanziell nicht belasten. Die Umsatzsteuer, die der Unternehmer an seinen Vertragspartner zahlt, kann sich der Unternehmer daher als Vorsteuer erstatten lassen. Probleme ergeben sich jedoch, wenn der Unternehmer versehentlich zu viel Umsatzsteuer an seinen Vertragspartner zahlt, weil dieser z.B. zu Unrecht 19 % statt 7 % in Rechnung stellt. Dem Unternehmer werden dann nämlich nur 7 % Vorsteuer erstattet, so dass er sich bemühen muss, die Rechnung berichtigen zu lassen und den Differenzbetrag von seinem Vertragspartner zu erhalten.
Sachverhalt: Der Kläger war Forstwirt und erwarb in den Jahren 2011 bis 2013 von anderen Unternehmern Holz, die ihm die Holzlieferungen mit 19 % in Rechnung stellten. Tatsächlich wäre aber der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % anzuwenden gewesen. Das Finanzamt erkannte nach einer Außenprüfung die Vorsteuer nur zu 7 % an und erließ im Juli 2019 entsprechend geänderte Umsatzsteuer- und Zinsbescheide. Der Kläger bemühte sich bei seinen Lieferanten um eine Berichtigung der Rechnungen und um eine Erstattung der überzahlten Umsatzsteuer. Die Lieferanten erhoben die Einrede der Verjährung. Der Kläger beantragte daraufhin beim Finanzamt den Erlass der zu viel gezahlten Umsatzsteuer. Dies lehnte das Finanzamt ab, und das Finanzgericht rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.
Entscheidung: Der EuGH bestätigte einen sog. Direktanspruch des Klägers gegen das Finanzamt:
Ein Unternehmer kann einen direkten Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung der Umsatzsteuer, die der Unternehmer an seinen Vertragspartner zu viel gezahlt hat, haben. Der Direktanspruch gegen das Finanzamt ergibt sich insbesondere aus dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer), nach dem das Mehrwertsteuersystem den Unternehmer nicht belasten darf.
Die Belastung des Klägers folgt daraus, dass er an seine Lieferanten eine Umsatzsteuer von 19 % - und damit überhöht - gezahlt hat, er aber nur 7 % als Vorsteuer geltend machen kann. Diesen Differenzbetrag erhält der Kläger von seinen Vertragspartnern nicht zurück, weil diese die Einrede der Verjährung geltend gemacht haben.
Der Direktanspruch ist ausgeschlossen, wenn dem Unternehmer Betrug, Missbrauch oder Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Hierfür gibt es im Streitfall aber keine Anhaltspunkte.
Hinweise: Die abschließende Entscheidung muss nun das Finanzgericht Münster treffen, welches den EuGH angerufen hat. Sollte es sich der Auffassung des EuGH anschließen, wird der Direktanspruch im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme wie z.B. eines Steuererlasses oder einer Billigkeitsfestsetzung umgesetzt.
Nach dem aktuellen EuGH-Urteil umfasst der Direktanspruch auch die Zahlung von Verzugszinsen, wenn das Finanzamt die Erstattung der Umsatzsteuer nicht innerhalb einer angemessenen Frist vornimmt. Der EuGH hat sich jedoch nicht zur Dauer einer angemessenen Frist geäußert.
Der EuGH bestätigt mit seiner aktuellen Entscheidung den Direktanspruch des Unternehmers. Dieser Anspruch wirkt sich zugunsten des Unternehmers aus, wenn er die Umsatzsteuer, die er an seine Vertragspartner gezahlt hat, nicht in vollem Umfang als Vorsteuer geltend machen kann, weil sie in der Rechnung überhöht ausgewiesen worden war, und weil sein Vertragspartner entweder zahlungsunfähig ist oder aber die Einrede der Verjährung erhebt.
Quelle: EuGH, Urteil vom 7.9.2023 - C-453/22 "Schütte"; NWB
11.10.2023
Eine Bruchteilsgemeinschaft, an der mehrere Gemeinschafter beteiligt sind, ohne dass sie wie bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen gemeinsamen Zweck verfolgen, ist keine Unternehmerin im umsatzsteuerlichen Sinne. Sie kann daher jedenfalls nach der bis einschließlich 2022 geltenden Rechtslage keine umsatzsteuerbaren Leistungen erbringen und auch nicht Adressatin einer Vorsteuerberichtigung sein.
Hintergrund: Unternehmer unterliegen der Umsatzsteuer. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Dies können auch Personengesellschaften, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen, sein. Bei einer Bruchteilsgemeinschaft steht mehreren Personen ein Bruchteil am Eigentum einer Sache zu, ohne dass ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird.
Sachverhalt: Der Kläger war bis Oktober 2014 Alleineigentümer eines Hotelgrundstücks, das er an seinen Sohn umsatzsteuerpflichtig vermietet hatte. Der Sohn betrieb auf dem Grundstück das Hotel. Am 20.10.2014 übertrug der Kläger seiner Ehefrau eine Grundstückshälfte. Am 20.1.2015 verkauften der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück umsatzsteuerfrei an ihren Sohn; das Gesetz behandelt Grundstücksübertragungen als grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt führte daraufhin eine Vorsteuerberichtigung zulasten des Klägers für 2015 durch, da der Kläger bis Januar 2015 Vorsteuern für das Grundstück geltend gemacht hatte.
Entscheidung: Auf die hiergegen gerichtete Klage verwies der Bundesfinanzhof (BFH) die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück:
Eine Bruchteilsgemeinschaft ist keine Unternehmerin, so dass sich eine Vorsteuerberichtigung nicht gegen eine Bruchteilsgemeinschaft richten kann. Eine Bruchteilsgemeinschaft kann keine Tätigkeiten ausüben und daher keine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausüben. Eine Bruchteilsgemeinschaft kann somit auch nicht das damit einhergehende wirtschaftliche Risiko tragen.
Der Vorsteuerberichtigungsanspruch kann sich deshalb allenfalls gegen den Kläger richten. Dies setzt aber voraus, dass der Kläger vorher unternehmerisch tätig war und neben seiner Ehefrau Vermieter des Hotelgrundstücks war. Dies muss das FG nun prüfen.
Hinweise: Der BFH hatte vor kurzem seine Rechtsprechung zur Bruchteilsgemeinschaft geändert und sieht sie nun – wie auch im aktuellen Urteil – nicht mehr als Unternehmerin an. Das FG hat sich mit dieser Rechtsprechungsänderung nicht auseinandergesetzt; der BFH sieht hierin ein Fehlen von Urteilsgründen und hat deshalb die Sache an das FG zurückverwiesen.
Der Gesetzgeber hat auf die geänderte Rechtsprechung des BFH zur Bruchteilsgemeinschaft bereits reagiert und das Gesetz mit Wirkung vom geändert. Diese Gesetzesänderung wirkte sich auf das Streitjahr 2015 also nicht aus. Der BFH äußert in seiner aktuellen Entscheidung aber Zweifel, ob diese Gesetzesänderung dazu führt, dass die Bruchteilsgemeinschaft ab dem 1.1.2023 als Unternehmerin angesehen werden kann. Denn auch nach der Neuregelung übt eine Bruchteilsgemeinschaft weiterhin keine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen aus.
Quelle: BFH, Beschluss v. 28.8.2023 - V B 44/22; NWB
10.10.2023
Die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers kann sich auch aus der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften ergeben. Die wirtschaftliche Eingliederung setzt also nicht zwingend unmittelbare Beziehungen zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger voraus.
Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Es werden dann die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft zusammengefasst und vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt nicht auf und schuldet keine Umsatzsteuer.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die zu der im Immobilienbereich tätigen V-Gruppe gehörte. Alleingesellschafter und -geschäftsführer der Klägerin war der G. Die Klägerin verwaltete u.a. Mietshäuser des G. Die Klägerin machte geltend, dass sie in den Streitjahren 2008 bis 2011 eine Organgesellschaft des G (Organträger) gewesen sei und daher keine Umsatzsteuer schulde. Das Finanzamt verneinte die wirtschaftliche Eingliederung.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine wirtschaftliche Eingliederung für denkbar und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung war anzunehmen, da der G Alleingesellschafter der Klägerin war. Auch die organisatorische Eingliederung war zu bejahen, da der G Geschäftsführer der Klägerin war.
Eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des G war denkbar. Eine wirtschaftliche Eingliederung verlangt, dass die Tätigkeiten von Organgesellschaft und Organträger aufeinander abgestimmt sind und sich dabei fördern und ergänzen.
Zwar ergibt sich die wirtschaftliche Eingliederung nicht bereits daraus, dass die Klägerin Häuser des G verwaltet hat. Hausverwaltungsdienste sind nämlich ebenso wie Buchführungs-, Personalverwaltungs- oder Winterdienste standardisierte Dienstleistungen, für die es zahlreiche Anbieter gibt, die mit relativ geringem Aufwand austauschbar sind.
Eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin kann sich aber aus der Bedeutung der von ihr erbrachten Hausverwaltungsdienste für die V-Gruppe ergeben. Das FG muss dies näher aufklären und z.B. ermitteln, wie viele Mietshäuser der V-Gruppe die Klägerin in den Jahren 2009 bis 2011 verwaltet hat.
Denkbar ist auch, dass es eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Klägerin und anderen Gesellschaften der V-Gruppe gegeben hat. Dies wäre der Fall, wenn die Geschäftstätigkeit der Klägerin durch die anderen Gesellschaften der V-Gruppe gefördert worden sein sollte.
Hinweise: Ob eine wirtschaftliche Eingliederung bestand, hängt nun davon ab, in welchem Umfang wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Klägerin und den anderen Gesellschaften der V-Gruppe bestanden, nachdem keine relevanten Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und G festgestellt werden konnten. Damit eine wirtschaftliche Eingliederung anzunehmen ist, müssen aber die anderen Gesellschaften der V-Gruppe Organgesellschaften gewesen sein. Im Ergebnis kann eine wirtschaftliche Eingliederung also auch mittelbar über andere Schwestergesellschaften, die Organgesellschaften sind, hergestellt werden. Leistungen der Klägerin an Dritte können dagegen nicht zu einer wirtschaftlichen Eingliederung führen.
Quelle: BFH, Urteil v. 11.5.2023 - V R 28/20; NWB
09.10.2023
Zwar sind Dividenden, die eine Kapitalgesellschaft von einer anderen Kapitalgesellschaft erhält, steuerpflichtig, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres weniger als 10 % beträgt (sog. Streubesitzdividenden). Bei der Ermittlung des Umfangs der Beteiligung sind aber auch Anteile zu berücksichtigen, die zwar noch nicht im zivilrechtlichen Eigentum der Gesellschafterin, wohl aber in ihrem wirtschaftlichen Eigentum stehen.
Hintergrund: Ist eine Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt, ist die Dividende grundsätzlich zu 95 % steuerfrei. Dies gilt jedoch nicht für sog. Streubesitzdividenden, bei denen die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres weniger als 10 % beträgt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die an der Y-AG beteiligt war. Ihre Beteiligung betrug im Jahr 2013 nur 9,898 %. Sie kaufte mit Vertrag vom 16.12.2013 weitere Aktien im Umfang von 0,10625 %, um so zu Beginn des Jahres 2014 eine Beteiligungsquote von 10,00425 % zu erreichen. Der Kaufvertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises. Die Klägerin tätigte zwar am 16.12.2013 die Überweisung; allerdings wurde die Überweisung nicht richtig ausgeführt, sondern löste bei der Klägerin eine Gutschrift aus. Erst nach dem 1.1.2014 überwies die Klägerin den Kaufpreis an den Verkäufer. Die Klägerin erhielt im Streitjahr 2014 Dividenden von der Y-AG. Die Klägerin ging von einer Steuerfreiheit zu 95 % aus, während das Finanzamt steuerpflichtige Streubesitzdividenden annahm, da die Klägerin zu Beginn des Jahres 2014 nicht zu mindestens 10 % unmittelbar an der Y-AG beteiligt gewesen war.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Die Dividenden waren keine steuerpflichtigen Streubesitzdividenden, sondern reguläre Dividenden, die zu 95 % steuerfrei waren.
Zwar war die Klägerin zu Beginn des Kalenderjahres zivilrechtlich nur mit weniger als 10 % an der Y-AG beteiligt, nämlich mit 9,898 %. Denn sie hatte das zivilrechtliche Eigentum an den mit Kaufvertrag vom 16.12.2013 gekauften Anteilen im Umfang von 0,10625 % am 1.1.2014 noch nicht erlangt; die Abtretung der Anteile an die Klägerin stand nämlich unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Klägerin den Kaufpreis vollständig bezahlt. Dies ist erst nach dem 1.1.2014 erfolgt, nachdem die erste Überweisung vom 16.12.2013 fehlgeschlagen war.
Die Klägerin hatte aber am 1.1.2014 bereits das wirtschaftliche Eigentum an den mit Kaufvertrag vom 16.12.2013 gekauften Anteilen im Umfang von 0,10625 % erlangt. Ihr stand ein Anwartschaftsrecht zu, da sie es selbst in der Hand hatte, den Kaufpreis zu bezahlen. Der Verkäufer konnte sich nicht mehr vom Kaufvertrag lösen. Und die Chancen und Risiken aus den erworbenen Anteilen standen allein der Klägerin zu, da der Kaufpreis feststand.
Für eine Beteiligung von mindestens 10 % genügt das wirtschaftliche Eigentum, da die Vorschrift über Streubesitzdividenden auf die allgemeine Vorschrift zur Zurechnung von Wirtschaftsgütern mittelbar Bezug nimmt und für die Zurechnung von Wirtschaftsgütern das wirtschaftliche Eigentum ausreicht.
Hinweise: Der Fall betrifft Dividenden einer Kapitalgesellschaft, die an eine andere Kapitalgesellschaft ausgeschüttet werden. Derartige Dividenden sind zu 95 % steuerfrei, sofern es sich nicht um Streubesitzdividenden handelt.
Trotz der Steuerpflicht von Streubesitzdividenden ist der Verkauf einer Streubesitzbeteiligung zu 95 % steuerfrei.
Hat eine Kapitalgesellschaft zu Beginn des Jahres lediglich eine Streubesitzbeteiligung, d.h. zu weniger als 10 %, kann sie im Laufe des Jahres noch eine Beteiligung von mindestens 10 % hinzuerwerben. Das Gesetz fingiert dann, dass der Hinzuerwerb zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt ist; damit besteht dann in diesem Jahr keine Streubesitzbeteiligung mehr, so dass die Dividenden zu 95 % steuerfrei sind.
Quelle: BFH, Urteil v. 7.6.2023 - I R 50/19; NWB
06.10.2023
Zur Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer gehört nicht nur der Kaufpreis für das Grundstück, sondern auch Leistungen Dritter, die dem Grundstücksverkäufer Geld dafür zahlen, dass er dem Käufer das Grundstück überträgt. Leistungen Dritter können auch dann vorliegen, wenn der Dritte an den Verkäufer einen Kaufpreis für Anteile an der Grundstückserwerberin zahlt und damit sicherstellen will, dass der Verkäufer das Grundstück auf die Grundstückserwerberin überträgt.
Hintergrund: Die Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer ist grundsätzlich der Kaufpreis. Der Gesetzgeber zählt aber auch bestimmte weitere Leistungen zur Bemessungsgrundlage, z.B. Leistungen des Käufers an vorkaufsberechtigte Dritte, damit diese auf den Kauf des Grundstücks verzichten, oder Leistungen Dritter an den Grundstücksverkäufer, damit dieser an den vom Dritten bevorzugten Kaufinteressenten verkauft.
Sachverhalt: Die A-GmbH war aufgrund eines Anteilskaufs vom 22.12.2014 Alleingesellschafterin der Klägerin, einer GmbH, geworden. Am selben Tag verkaufte die A-GmbH an die Klägerin eine Immobilie mit einem Verkehrswert von ca. 42,2 Mio. € zum Kaufpreis von ca. 6,3 Mio. €. In Höhe der Wertdifferenz von ca. 35,87 Mio. € erfolgte die Grundstücksübertragung als freiwillige Zuzahlung in die Kapitalrücklage der Klägerin.
Zwei Wochen zuvor, am 8.12.2014, hatten die C-AG und D-GmbH mit der A-GmbH vereinbart, dass die A-GmbH ihre zukünftigen Anteile an der Klägerin, die sie am 22.12.2014 erwerben wollte, auf die C-AG im Umfang von 94,9 %, also unter der damaligen Steuerbarkeitsgrenze, und auf die D-GmbH zu 5,1 % übertragen soll; der Gesamtkaufpreis für die Anteile sollte ca. 35,8 Mio. € betragen. Die A-GmbH musste nach der Vereinbarung sicherstellen, dass die Immobilie auf die Klägerin übertragen wird, was tatsächlich am 22.12.2014 auch geschah. Das Finanzamt setzte als Bemessungsgrundlage für die Grundstücksübertragung von der A-GmbH auf die Klägerin am 22.12.2014 den Kaufpreis von 6,3 Mio. € sowie den Kaufpreis für die Anteile in Höhe von 35,8 Mio. € an, zusammen 42,1 Mio. €. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Zum einen geht der Kaufpreis von 6,3 Mio. € in die Bemessungsgrundlage ein.
Zum anderen gehören zur Bemessungsgrundlage auch die Leistungen der Dritten an den Verkäufer, die darauf gerichtet sind, dass der Verkäufer dem Erwerber (der Klägerin) das Grundstück überträgt.
Im Streitfall waren daher die von der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH gezahlten 35,8 Mio. € in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Denn die C-AG und die D-GmbH wollten die A-GmbH veranlassen, das Grundstück auf die Klägerin zu übertragen, damit sie (C-AG und D-GmbH) anschließend die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, nämlich an der Klägerin, erwerben konnten.
Hinweise: Ein Kaufpreis wird auch dann als Bemessungsgrundlage angesetzt, wenn er niedriger ist als der Verkehrswert.
Zu beachten ist, dass im Jahr 2014 die Anteilsübertragung an die C-AG zu 94,9 % nicht grunderwerbsteuerbar war, da die damalige 95 %-Grenze nicht erreicht wurde. Nach aktueller Rechtslage wäre die Anteilsübertragung an die C-AG grunderwerbsteuerbar, da innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand an der Klägerin zu mindestens 90 % ausgetauscht worden ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 25.4.2023 - II R 19/20; NWB
04.10.2023
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat September 2023 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2023 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben v. 2.10.2023 - III C 3 – S 7329/19/10001 :005 (2023/0938334); NWB
02.10.2023
Außergewöhnliche Belastungen werden zwar grundsätzlich um Ersatzleistungen gekürzt, so dass sich nur der geminderte Betrag steuerlich auswirken kann. Die Kürzung unterbleibt jedoch, soweit die Ersatzleistung steuerpflichtig ist und deshalb bereits versteuert wird.
Hintergrund: Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, und die notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Krankheitskosten. Soweit der Steuerpflichtige Ersatzleistungen erhält, z.B. von einer Versicherung, mindern die Ersatzleistungen die außergewöhnlichen Belastungen.
Sachverhalt: Die Klägerin war Angestellte im öffentlichen Dienst. Sie erhielt im Jahr 2017 für ihre verstorbene Mutter ein Sterbegeld in Höhe von ca. 6.500 €, obwohl die Klägerin nicht Erbin geworden war. Die Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2017 die Kosten für die Beerdigung ihrer Mutter als außergewöhnliche Belastung geltend; die Beerdigungskosten waren niedriger als das Sterbegeld. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen wegen des Sterbegelds nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage weitgehend statt und erkannte die Beerdigungskosten, gekürzt um den steuerfreien Versorgungsfreibetrag, als außergewöhnliche Belastungen an:
Die Kosten für die Beerdigung eines nahen Angehörigen stellen außergewöhnliche Belastungen dar, da eine sittliche Verpflichtung besteht.
Die Kosten sind steuerlich insoweit zu berücksichtigen, als sie nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige Geldleistungen, die dem Steuerpflichtigen aufgrund des Todes des Angehörigen zugeflossen sind, gedeckt werden. Denn im Ergebnis wird der Steuerpflichtige nur in Höhe der Differenz zwischen Beerdigungskosten und Ersatzleistung belastet.
Diese Minderung der außergewöhnlichen Belastungen um Ersatzleistungen ist aber nicht vorzunehmen, soweit die Ersatzleistung steuerpflichtig ist und deshalb versteuert werden muss. Das Sterbegeld war ein steuerpflichtiger Versorgungsbezug und musste von der Klägerin als Arbeitslohn versteuert werden. Allerdings blieb das Sterbegeld in Höhe des Versorgungsfreibetrags steuerfrei. Daher war nur in Höhe des steuerfreien Versorgungsfreibetrags eine Minderung der außergewöhnlichen Belastungen (Beerdigungskosten) vorzunehmen.
Hinweise: Würde man eine steuerpflichtige Ersatzleistung von den außergewöhnlichen Belastungen abziehen, käme es zu einer unzulässigen doppelten steuerlichen Belastung. Denn zum einen müsste die Ersatzleistung versteuert werden, zum anderen wäre der Abzugsbetrag niedriger.
Zu beachten ist, dass sich die – um steuerfreie Ersatzleistungen geminderten – außergewöhnlichen Belastungen nur dann steuerlich auswirken, wenn sie die sog. zumutbare Eigenbelastung übersteigen, die von der Höhe der Einkünfte und vom Familienstand (ledig oder verheiratet und Anzahl der Kinder) abhängig ist.
Quelle: BFH, Beschluss v. 15.6.2023 - VI R 33/20; NWB
29.09.2023
Die gesetzliche Umsatzsteuerfreiheit für Umsätze aus der Immobilienvermietung gilt auch bei der Vermietung eines bebauten Grundstücks, auf dem sich Betriebsvorrichtungen befinden, für die nach deutschem Recht an sich keine Umsatzsteuerfreiheit vorgesehen ist. Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit ist, dass der Vermieter des Grundstücks auch Vermieter der Betriebsvorrichtungen ist und dass die Vermietung des Grundstücks zusammen mit der Vermietung der Betriebsvorrichtungen eine einheitliche Leistung darstellt, bei der die Vermietung der Betriebsvorrichtungen nur als Nebenleistung anzusehen ist.
Hintergrund: Nach deutschem Umsatzsteuerrecht sind Umsätze aus der langfristigen Vermietung umsatzsteuerfrei. Ausdrücklich ausgeschlossen sind u.a. aber Umsätze aus der Vermietung von Betriebsvorrichtungen.
Sachverhalt: Der Kläger verpachtete in den Jahren 2010 bis 2014 ein mit einem Stallgebäude bebautes Grundstück an einen Putenzüchter. In dem Stallgebäude befanden sich auch Betriebsvorrichtungen wie z.B. Heizungs- und Lüftungsanlagen, Beleuchtungssysteme oder eine sog. Industrieförderspirale. Der Kläger sah die Mieteinnahmen als umsatzsteuerfrei an. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Miete zu 20 % auf die Betriebsvorrichtungen entfiel und behandelte diesen Anteil als umsatzsteuerpflichtig.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte die Umsatzsteuerfreiheit in vollem Umfang und gab der Klage statt:
Zwar gilt nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht für die Vermietung von Betriebsvorrichtungen keine Umsatzsteuerfreiheit. Allerdings folgt aus dem europäischen Umsatzsteuerrecht, dass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung, die zwischen denselben Vertragspartnern vereinbart wird, nicht künstlich in eine umsatzsteuerfreie und in eine umsatzsteuerpflichtige Leistung aufgeteilt werden darf.
Im Streitfall lag eine wirtschaftlich einheitliche Leistung vor, bei der das mit Betriebsvorrichtungen ausgestattete Stallgebäude vermietet und vom Mieter als Putenstall genutzt werden sollte. Die Vermietung der Betriebsvorrichtungen war eine Nebenleistung, da die Betriebsvorrichtungen die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen ermöglichen sollten. Die Hauptleistung war die Vermietung des Stallgebäudes, da das Gebäude den Schutz und die Wärme der Puten gewährleistete.
Die Umsatzsteuerfreiheit der Hauptleistung, nämlich der Vermietung des Stallgebäudes, erstreckte sich damit auch auf die Nebenleistung, nämlich auf die Vermietung der Betriebsvorrichtungen.
Hinweise: Der BFH hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in der Sache angerufen, damit dieser klärt, ob sich aus dem deutschen Recht ein Aufteilungsgebot in eine umsatzsteuerfreie und in eine umsatzsteuerpflichtige Leistung ergibt, so wie dies dem Finanzamt vorschwebte. Der EuGH verneinte ein Aufteilungsgebot, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt, die sich aus einer umsatzsteuerpflichtigen und aus einer umsatzsteuerfreien Haupt- und Nebenleistung zusammensetzt. Wäre die Vermietung der Betriebsvorrichtungen die Hauptleistung gewesen, wäre die gesamte Mieteinnahme umsatzsteuerpflichtig gewesen.
Der BFH hat sich dem Urteil des EuGH nun angeschlossen. Bislang hat der BFH ein Aufteilungsgebot bejaht, hält an dieser Rechtsprechung nun aber nicht mehr fest. So hat der BFH vor kurzem bereits die Mitvermietung eines Kfz-Stellplatzes an einen Wohnungsmieter als umsatzsteuerfreie Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnungsvermietung angesehen.
Quelle: BFH, Beschluss v. 17.8.2023 - V R 7/23 (V R 22/20); NWB
27.09.2023
Die umsatzsteuerliche Durchschnittssatzbesteuerung für Land- und Forstwirte gilt nicht für Land- und Forstwirte, deren Betrieb sich im Ausland befindet und die in Deutschland landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Produkte verkaufen.
Hintergrund: Umsatzsteuerlich gelten für Land- und Forstwirte Sonderregelungen, die die Land- und Forstwirte entlasten. Hat der Gesamtumsatz des Land- und Forstwirts im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 € betragen, wird die Umsatzsteuer nach aktueller Rechtslage auf 9,5 % festgesetzt, und zugleich wird auch eine Vorsteuer von 9,5 % berücksichtigt. Im Streitjahr 2018 betrug der jeweilige Steuersatz 10,7 %, und es gab keine Umsatzgrenze von 600.000 €.
Sachverhalt: Die Klägerin unterhielt einen Bauernhof in Österreich. Sie verkaufte im Jahr 2018 auf deutschen Wochenmärkten Ziegenprodukte. Sie wandte in ihrer Umsatzsteuererklärung den im Jahr 2018 gültigen Durchschnittssteuersatz von 10,7 % an, berücksichtigte in gleicher Höhe die Vorsteuer und gelangte so zu einer Umsatzsteuerzahllast von 0 €. Das Finanzamt erkannte die Durchschnittssatzbesteuerung nicht an, da sich der Bauernhof nicht in Deutschland befand, und setzte eine Umsatzsteuer von 7 % fest. Hiergegen klagte die Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Ein Landwirt, der seinen Betrieb nicht in Deutschland unterhält, kann die umsatzsteuerliche Durchschnittsatzbesteuerung nicht anwenden, sondern muss seine Umsätze mit dem in Deutschland gültigen Umsatzsteuersatz versteuern.
Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung zur Durchschnittssatzbesteuerung keine Beschränkung auf Land- und Forstbetriebe im Inland. Allerdings spricht der Wortlaut der zugrunde liegenden europäischen Vorschriften zur Umsatzsteuer für eine Beschränkung auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Deutschland; denn danach gilt die Durchschnittssatzbesteuerung für Betriebe, die im jeweiligen Mitgliedstaat, also z.B. in Deutschland, als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb eingestuft werden. Dies zeigt, dass es auf die Einstufung im jeweiligen EU-Staat ankommt.
Ferner richtet sich die Höhe der pauschalen Vorsteuer, die berücksichtigt wird, nach den makroökonomischen Daten der letzten drei Jahre des jeweiligen Staats. Es würde daher dem Sinn der Durchschnittssatzbesteuerung widersprechen, wenn die makroökonomischen Daten, die sich für Deutschland ergeben, auf einen Unternehmer mit einem Betrieb in Österreich angewendet werden. In Österreich betrug der pauschale Ausgleichsprozentsatz im Streitjahr lediglich 10 %, nicht aber 10,7 %.
Hinweise: Die Umsätze der Klägerin aus dem Verkauf der Ziegenprodukte unterlagen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Die Umsatzsteuer war aus den Erlösen herauszurechnen. Bei einem Verkaufserlös von beispielsweise 1.000 € würde sich also ein Netto-Entgelt von 934,58 € und damit eine Umsatzsteuer von 65,42 € ergeben.
Quelle: BFH, Urteil v. 22.3.2023 - XI R 14/21; NWB
26.09.2023
Die Finanzämter in Baden-Württemberg werden in den kommenden Wochen die Schätzungsankündigung für die Grundsteuer versenden. Hierauf macht das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg aufmerksam.
Adressat sind alle Eigentümer, die bislang noch keine Erklärung für die Grundsteuer B abgegeben haben. Sie waren vor Wochen noch mal von den Finanzämtern gebeten worden, ihre Erklärung einzureichen. Dafür hatten sie eine sechswöchige Frist eingeräumt bekommen. Insgesamt hatten Eigentümer über ein Jahr Zeit, ihre Erklärung für die Grundsteuer B abzugeben.
Die Finanzämter werden im nächsten Schritt dazu übergehen, den Grundsteuerwert der betroffenen Grundstücke zu schätzen. Die Schätzungen können zuungunsten der Eigentümer ausfallen. Denn die Finanzämter können Steuervergünstigungen ohne eine Grundsteuererklärung nicht berücksichtigen. Beispielsweise wenn ein Grundstück vorwiegend für eigene Wohnzwecke genutzt wird.
Wer eine Schätzankündigung erhält, kann immer noch seine Grundsteuerklärung abgeben, um eine Schätzung zu vermeiden. Deshalb enthält jede Schätzungsankündigung noch mal eine Frist. Die Finanzämter werden dann voraussichtlich ab November die Grundsteuermessbescheide auf Basis von Schätzungen verschicken
Weitere Informationen: Alle notwendigen Daten für die Erklärungsabgabe sowie weitere Informationen rund um die Grundsteuerreform finden Sie unter www.grundsteuer-bw.de.
Quelle: FinMin Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 25.9.2023; NWB
25.09.2023
Übernimmt eine Ärztin die Studien- und Unterbringungskosten für ein Medizinstudium der eigenen Kinder und eines mit ihnen befreundeten Kindes im Ausland, kann sie die Kosten nicht als Betriebsausgaben absetzen. Es handelt sich nämlich nicht um betrieblich veranlasste Kosten, selbst wenn die Kinder nach dem Abschluss des Studiums und der bestandenen Approbation fünf Jahre lang als Praxispartner für die Ärztin tätig werden sollen und wenn die Ärztin hofft, dass eines der Kinder ihre Praxis später übernimmt.
Hintergrund: Unterhaltsleistungen sind nach dem Gesetz grundsätzlich steuerlich nicht absetzbar. Bei Zahlungen an nahe Angehörige ist daher regelmäßig zu prüfen, ob die Zahlungen betrieblich veranlasst sind und steuerlich geltend gemacht werden können oder ob die Zahlungen verdeckte Unterhaltszahlungen darstellen, die sich steuerlich nicht auswirken.
Sachverhalt: Die Klägerin war Ärztin und hatte zwei Kinder, die zusammen mit ihrem Freund B ihr Abitur im Jahr 2014 bestanden hatten. Keines der Kinder hatte den für ein Medizinstudium in Deutschland erforderlichen Notenschnitt geschafft. Die Klägerin vereinbarte mit den drei Abiturienten im Jahr 2014 mündlich, dass sie die Kosten für ein Medizinstudium im Ausland einschließlich der Kosten für die Unterbringung übernimmt. Die drei Abiturienten verpflichteten sich, nach Abschluss ihres Medizinstudiums und ihrer Approbation mindestens fünf Jahre als Praxispartner der Klägerin zu arbeiten. Die mündliche Vereinbarung wurde zwei Jahre später schriftlich festgehalten. In den Streitjahren 2015 bis 2017 zahlte die Klägerin jährlich zwischen 45.000 € und 67.000 € für das Studium und die Unterkunft der drei Kinder und machte diese Zahlungen als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte den Betriebsausgabenabzug nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die Klage ab:
Die Zahlungen für die Studiengebühren und Unterkunftskosten zugunsten ihrer beiden eigenen Kinder sowie deren Freund B waren nicht betrieblich veranlasst. Es bestand nämlich ein krasses Missverhältnis zwischen den Chancen und den Risiken der getroffenen Vereinbarung.
So war unsicher, ob die Kinder für das Medizinstudium geeignet waren und abschließen würden; immerhin hatten sie den erforderlichen Notenschnitt für ein Medizinstudium in Deutschland nicht geschafft. Außerdem hatten sie bisher keine Erfolge im Bereich der Medizin aufweisen können, sondern lediglich das Abitur absolviert. In welcher Weise die Kinder später als Praxispartner arbeiten würden, war nicht hinreichend geklärt; insbesondere war unklar, ob die Kinder als Praxispartner auch einen Umsatzanteil erhalten würden oder ob der gesteigerte Umsatz allein der Klägerin zugute kommen würde. Nicht abgesichert war eine etwaige Rückzahlung der Kinder für den Fall, dass sie ihre Tätigkeit als Praxispartner nicht aufnehmen würden und die von der Klägerin gezahlten Studiengebühren und Unterkunftskosten erstatten müssten.
Zwar hoffte die Klägerin, dass eines der Kinder später die Arztpraxis übernehmen könnte. Eine bloße Hoffnung rechtfertigt aber keinen Betriebsausgabenabzug von jährlichen Kosten zwischen 45.000 € und 67.000 €.
Bezüglich der Kosten für die beiden eigenen Kinder war zudem zu berücksichtigen, dass Unterhaltszahlungen für Familienangehörige steuerlich nicht absetzbar sind. Die von der Klägerin getragenen Kosten für ein Medizinstudium und für die Unterkunft sind aber Unterhaltszahlungen.
Hinweise: Die Vereinbarung war inhaltlich viel zu unbestimmt, um eine betriebliche Veranlassung begründen zu können. Ein fremder Dritter hätte eine solche Vereinbarung nicht abgeschlossen, erst recht nicht mündlich und eine schriftliche Vereinbarung erst zwei Jahre später. Daher war die Schlussfolgerung berechtigt, dass die Zahlungen deshalb geleistet worden sind, um die beiden eigenen Kinder und deren Freund B zu unterstützen.
Quelle: FG Münster, Urteil v. 25.5.2023 - 5 K 3577/20 E, AO; NWB
22.09.2023
Zwar kann ein grunderwerbsteuerbarer Vertrag rückgängig gemacht werden, so dass die Grunderwerbsteuer wegfällt. Zur Rückgängigmachung gehört aber grundsätzlich auch die Löschung einer zugunsten des Käufers eingetragenen Auflassungsvormerkung. Unterbleibt die Löschung, bleibt die Grunderwerbsteuer aber nur dann bestehen, wenn die Auflassungsvormerkung von der Käuferin oder ihren Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern in eigenem wirtschaftlichem Interesse verwertet worden ist, indem die Käuferin z.B. Einfluss auf eine Weiterveräußerung genommen hat.
Hintergrund: Grunderwerbsteuer entsteht grundsätzlich mit Abschluss eines Grundstückskaufvertrags. Der Gesetzgeber lässt bei Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrags innerhalb von zwei Jahren allerdings eine Aufhebung der Grunderwerbsteuer zu.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, deren Geschäftsführer und mittelbar beteiligte Gesellschafter G und H waren. Die Klägerin erwarb von der Verkäuferin V mit Kaufvertrag vom 5.7.2016 ein Grundstück zum Kaufpreis von ca. 6,3 Mio. €. Zugunsten der Klägerin wurde im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Das Finanzamt setzte gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von ca. 380.000 € fest. Am 9.5.2017 hoben die Klägerin und V den Kaufvertrag auf. In dem Aufhebungsvertrag beantragten die Klägerin und V die Löschung der Auflassungsvormerkung; allerdings sollte der Notar den Aufhebungsvertrag erst dann dem Grundbuchamt vorlegen, wenn V den Kaufpreis zurückzahlt. Die Rückzahlung erfolgte in der Folgezeit nicht. Vielmehr erwarben nun G und H am 29.6.2017 das Grundstück von V zum Preis von ebenfalls 6,3 Mio. €. G und H zahlten den Kaufpreis im sog. abgekürzten Leistungsweg unmittelbar an die Klägerin. Für den Vertrag vom 29.6.2017 wurde gleichfalls Grunderwerbsteuer festgesetzt. Am 15.1.2018 wurde die Löschung der Auflassungsvormerkung beantragt; die Löschung erfolgte am 18.6.2018. Die Klägerin beantragte die Aufhebung der Grunderwerbsteuer aufgrund der Rückgängigmachung des Kaufvertrags. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Aufhebung der Grunderwerbsteuer setzt neben einem Antrag voraus, dass der Grundstückskaufvertrag innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird. Die Rückgängigmachung verlangt, dass der Erwerber über das Grundstück nicht mehr verfügen kann, sondern der Verkäufer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.
Die Rückgängigmachung setzt grundsätzlich auch die Löschung einer Auflassungsvormerkung voraus, die zugunsten des Käufers eingetragen worden ist. Der Käufer muss dem Verkäufer zumindest eine formwirksame Löschungsbewilligung erteilen, über die der Verkäufer frei verfügen kann.
Im Streitfall war zwar die Löschungsbewilligung im Aufhebungsvertrag vom 9.5.2017 erteilt worden, aber der Antrag auf Löschung war noch von der Rückzahlung des Kaufpreises durch V an die Klägerin abhängig. Solange V den Kaufpreis an die Klägerin nicht zurückzahlte, blieb die Auflassungsvormerkung im Grundbuch stehen und beeinträchtigte die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks. Allerdings steht die weiterhin im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung der Aufhebung der Grunderwerbsteuer nur dann entgegen, wenn die Klägerin die zu ihren Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet hat.
Eine derartige Verwertung ist durch die Klägerin im Streitfall erfolgt; denn sie hatte aufgrund der ihr noch zustehenden Auflassungsvormerkung Einfluss auf die Weiterverwertung des Grundstücks an ihre mittelbaren Gesellschafter und Geschäftsführer G und H. Die Veräußerung des Grundstücks an G und H erfolgte, damit die Klägerin ihr Bauprojekt auf dem Grundstück verwirklichen konnte. Die Klägerin muss sich die Interessen ihrer Geschäftsführer und mittelbaren Gesellschafter G und H zurechnen lassen.
Hinweise: Die Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags weist grunderwerbsteuerlich einige Fallstricke auf und sollte daher stets steuerlich beraten werden. Gerade wenn das Grundstück nicht auf den Veräußerer zurückübertragen wird, sondern gleich auf einen Zweiterwerber weiterübertragen wird, besteht die Gefahr, dass die Grunderwerbsteuer nicht aufgehoben wird: Die Grunderwerbsteuer bleibt nämlich bestehen, wenn die Weiterübertragung an den Zweiterwerber – wie im Streitfall – im Interesse des Ersterwerbers liegt. Anders ist es, wenn der Zweiterwerber allein aufgrund eines Verlangens des Verkäufers benannt wird oder wenn der Ersterwerber im ausschließlichen Interesse eines Dritten handelt.
Quelle: BFH, Urteil v. 25.4.2023 - II R 38/20; NWB
19.09.2023
Ist eine Anzeige, die einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang betrifft, unvollständig, weil nicht alle betroffenen Grundstücke aufgeführt werden, beginnt die Festsetzungsverjährung erst mit Ablauf des dritten Jahres nach dem grunderwerbsteuerbaren Vorgang.
Hintergrund: Im Steuerrecht gilt grundsätzlich eine vierjährige Festsetzungsfrist, bis zu deren Ablauf noch Steuerbescheide erlassen werden können. Diese Frist beginnt aber erst dann, wenn die Steuererklärung abgegeben oder eine gesetzlich vorgeschriebene Anzeige eines steuerbaren Vorgangs eingereicht wird. Unterbleibt die Abgabe einer Steuererklärung oder Anzeige, beginnt die Verjährungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Jahres nach der Entstehung der Steuer. Wird die Steuererklärung für 2020 also im Jahr 2021 abgegeben, beginnt die Frist mit Ablauf des 31.12.2021 und endet mit Ablauf des 31.12.2025; wird die Steuererklärung für 2020 gar nicht abgegeben, beginnt die Verjährungsfrist am 1.1.2024 und endet am 31.12.2027.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und zu 50 % an einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) beteiligt, die zahlreiche Grundstücke in verschiedenen Finanzamtsbezirken hielt. Die anderen 50 % hielt ein Verein, der seinen Anteil im März 2013 auf die Klägerin übertrug. Sowohl die Klägerin als auch der Notar zeigten die Anteilsübertragung noch im März 2013 dem Finanzamt an; die Klägerin übersandte dem Finanzamt eine Grundstücksliste, die jedoch unvollständig war, weil zwei Grundstücke fehlten. Das Finanzamt bemerkte dies zunächst nicht und erließ im September 2013 einen Feststellungsbescheid, in dem die Steuerbarkeit der Anteilsübertragung festgestellt wurde. Im Jahr 2014 vervollständigte die Klägerin die Grundstücksliste um die bislang fehlenden zwei Grundstücke. Das Finanzamt änderte daraufhin im Oktober 2014 den Feststellungsbescheid; in diesem Bescheid wurde die Steuerfreiheit verneint. Im Dezember 2017 erließ das beklagte Finanzamt einen Wertfeststellungsbescheid, in dem der Wert für die Grundstücke in dem Finanzamtsbezirk festgestellt wurde. Im Januar 2018 erließ das beklagte Finanzamt einen Grunderwerbsteuerbescheid. Hiergegen wandte sich die Klägerin und machte geltend, dass im Jahr 2018 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Anteilsübertragung im März 2013 war grunderwerbsteuerbar, da die Klägerin nunmehr mit 100 % an der grundbesitzenden gGmbH beteiligt war.
Die vierjährige Festsetzungsfrist hierfür begann erst mit Ablauf des 31.12.2016, da die Klägerin keine vollständige Anzeige beim Finanzamt eingereicht hatte, in der alle betroffenen Grundstücke, die der gGmbH gehörten, aufgeführt waren. In den Anzeigen aus dem März 2013 fehlten nämlich zwei Grundstücke, so dass weder die Grunderwerbsteuerbarkeit für diese beiden Grundstücke noch der Wert dieser beiden Grundstücke festgestellt werden konnte. Die unvollständigen Anzeigen aus dem März 2013 führten daher nicht dazu, dass die Festsetzungsverjährung bereits am 1.1.2014 begann und am 31.12.2017 endete.
Damit kam es zu einer dreijährigen Anlaufhemmung, weil eine vollständige Anzeige überhaupt nicht eingereicht worden ist. Es handelte sich nicht um einen geringfügigen Fehler wie z.B. der fehlerhaften Katasterbezeichnung oder unvollständigen Hausnummer, bei dem das Grundstück noch identifiziert werden kann.
Die Festsetzungsfrist begann somit erst mit Ablauf des 31.12.2016 und endete am 31.12.2020, so dass der streitige Grunderwerbsteuerbescheid aus dem Jahr 2018 vor Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen worden ist.
Hinweise: Die Vervollständigung der Grundstücksliste im Jahr 2014 sah der BFH nicht als erstmalige Anzeige an. Selbst wenn er dies gemacht hätte, hätte die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2014 begonnen und am 31.12.2018 geendet, so dass der Bescheid ebenfalls nicht verjährt gewesen wäre.
Inhaltlich ging es der Klägerin um die fehlende Steuerfreiheit, da das Finanzamt in dem Feststellungsbescheid aus dem Oktober 2014 die Steuerfreiheit verneint hatte. Dadurch kam es zu dem Grunderwerbsteuerbescheid. In dem Verfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid konnte die Klägerin nicht mehr einwenden, dass der Vorgang aufgrund des gemeinnützigen Bezugs der gGmbH steuerfrei hätte bleiben müssen; denn über die Steuerfreiheit wird mit Bindungswirkung in dem Feststellungsbescheid und nicht erst im Grunderwerbsteuerbescheid entschieden.
Die Klägerin hatte zwar einen Billigkeitsantrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 € gestellt. Diesen Antrag lehnte der BFH aber ab, weil bis zu einer Entscheidung des BFH im Jahr 2022 streitig gewesen ist, in welchem Bescheid (Feststellungs- oder Steuerbescheid) über die Grunderwerbsteuerfreiheit entschieden wird. Die Klägerin hätte daher nicht darauf vertrauen dürfen, dass über die Steuerfreiheit erst im Grunderwerbsteuerbescheid entschieden wird. Seit 2022 ist höchstrichterlich geklärt, dass bereits im Feststellungsbescheid über die Frage der Steuerfreiheit verbindlich entschieden wird.
Das Verfahren ist bei grunderwerbsteuerbaren Anteilsveräußerungen relativ kompliziert: Zunächst wird in einem Feststellungsbescheid darüber entschieden, dass die Anteilsübertragung grunderwerbsteuerbar ist, wer Steuerschuldner ist und welche Grundstücke von der Steuerbarkeit betroffen sind. Dann wird in einem weiteren Feststellungsbescheid von dem jeweils zuständigen Belegenheitsfinanzamt der Wert jedes einzelnen Grundstücks ermittelt. Schließlich ergeht der eigentliche Grunderwerbsteuerbescheid, in dem die vorherigen Feststellungen übernommen werden und die Steuer festgesetzt wird.
Quelle: BFH, Urteil v. 25.4.2023 - II R 10/21; NWB
02.05.2023
Grundsätzlich darf ein Gemeindeprüfer an einer vom Finanzamt angeordneten und durchgeführten Außenprüfung, die auch die Gewerbesteuer betrifft, teilnehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige Vertragsbeziehungen zu der Gemeinde unterhält und Sorge hat, dass der Gemeindeprüfer Einblick in die Kalkulation erhalten könnte. Diesem Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Außenprüfer des Finanzamts während der Außenprüfung darüber entscheidet, welche Informationen er an den Gemeindeprüfer weitergibt.
Hintergrund: Nach dem Gesetz sind die Gemeinden berechtigt, an Außenprüfungen der Finanzämter, die die Gewerbe- oder Grundsteuer betreffen, teilzunehmen, wenn die Außenprüfung im Gemeindebezirk erfolgt und der Steuerpflichtige in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhält oder aber Grundbesitz hat.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine im Einzelhandelsbereich tätige GmbH in der Gemeinde X. Sie verkaufte ihre Waren auch an die X. Das Finanzamt ordnete im August 2017 eine Außenprüfung bei der Klägerin an, die u.a. die Gewerbesteuer betraf. In der Anordnung teilte das Finanzamt mit, dass auch der Gemeindeprüfer an der Prüfung teilnehme. Die Klägerin wehrte sich gegen die Prüfungsanordnung mit der Begründung, die Gemeinde könne aufgrund der Teilnahme des Gemeindeprüfers Einblick in ihre Kalkulation erhalten, die ihren Lieferverträgen mit der Gemeinde sowie mit ihren anderen Kunden zugrunde liegt.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt die Prüfungsanordnung für rechtmäßig und wies die Klage ab:
Die Gemeinde hat ein gesetzliches Teilnahmerecht an einer vom Finanzamt angeordneten Außenprüfung, wenn diese die Gewerbe- oder Grundsteuer betrifft. Daher ist eine Prüfungsanordnung rechtmäßig, in der der Gemeinde ein Teilnahmerecht eingeräumt wird.
Allerdings muss der Außenprüfer des Finanzamts aufgrund des Steuergeheimnisses darauf achten, dass der Gemeindeprüfer nur Informationen erlangt, die die Gewerbe- bzw. Grundsteuer betreffen.
Soweit der Steuerpflichtige ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse dahingehend hat, dass die Gemeinde von bestimmten Daten oder Unterlagen nichts erfährt, kann dieses Geheimhaltungsinteresse während der Außenprüfung berücksichtigt werden. So kann der Steuerpflichtige dem Prüfer des Finanzamts konkret mitteilen, welche Unterlagen und Daten dem Gemeindeprüfer nicht offenbart werden sollen. Der Außenprüfer kann dann die Unterlagen und Daten des Steuerpflichtigen in qualitativer Weise auf ihre Vertragssensibilität prüfen und entscheiden, welche Informationen er dem Gemeindeprüfer mitteilt.
Sollte sich der Finanzamtsprüfer für eine Weitergabe der – vom Steuerpflichtigen als geheimhaltungsbedürftig angesehenen – Informationen an den Gemeindeprüfer entscheiden, muss er dies durch einen Verwaltungsakt (Bescheid) entscheiden und diesen begründen. Der Steuerpflichtige kann dann gegen den Bescheid Einspruch einlegen und sich hiergegen auch im einstweiligen Rechtsschutz wehren.
Hinweise: Auch wenn die Klägerin verloren hat, bedeutet dies nicht, dass ihr Geheimhaltungsinteresse irrelevant ist. Die Klägerin muss zwar zunächst die Prüfungsanordnung hinnehmen, kann während der Prüfung aber den Prüfer informieren, welche Unterlagen und Daten sie als geheimhaltungsbedürftig ansieht. Der Prüfer entscheidet dann darüber, ob er diese Unterlagen und Daten der Gemeinde offenbart oder nicht. Falls er die Auffassung des Steuerpflichtigen nicht teilt, muss er diese Entscheidung durch Bescheid treffen, so dass sich der Steuerpflichtige hiergegen rechtlich wehren kann, und zwar auch vorab, wie der Hinweis des BFH auf den einstweiligen Rechtsschutz zeigt.
Einen generellen Ausschluss des Teilnahmerechts der Gemeinde in der Prüfungsanordnung wegen der Vertragsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Gemeinde lehnt der BFH aber ab, weil dies zu einer faktischen Aushöhlung des gesetzlich geregelten Teilnahmerechts der Gemeinde führen würde. Die Gemeinde müsste ansonsten Vertragsbeziehungen zu den Unternehmen ihrer Gemeinde unterlassen, um einen Ausschluss ihres Teilnahmerechts zu vermeiden; mit einer derartigen Unterlassung würde sie aber gegen ihre eigenen Interessen verstoßen.
Quelle: BFH, Urteil v. 20.10.2022 - III R 25/21; NWB
28.04.2023
Der Steuerpflichtige muss eine Zinsfestsetzung, der ein fehlerhafter Zinslauf zugrunde gelegt worden ist, mit einem Einspruch anfechten. Es genügt nicht, dass er die Einkommensteuerfestsetzung angreift. Unterlässt er die Einlegung eines Einspruchs, kann die Zinsfestsetzung nur korrigiert werden, wenn eine Korrekturvorschrift dies zulässt.
Hintergrund: Die Höhe der Zinsfestsetzung richtet sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer. Die Zinsfestsetzung hängt aber auch von der Dauer des Zinslaufs ab. In der Regel beginnt der Zinslauf 15 Monate nach dem Ende des Veranlagungszeitraums, also z.B. für den Veranlagungszeitraum 01 am 1.4.03; allerdings gibt es derzeit coronabedingte Verschiebungen des Beginns des Zinslaufs. Wird die Einkommensteuer wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert, beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist; diese Regelung gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2013 aber nicht bei der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags aufgrund der Nichtdurchführung der Investition.
Sachverhalt: Der Kläger bildete in den Streitjahren 2007 und 2008 jeweils einen Investitionsabzugsbetrag, führte jedoch in den folgenden drei Jahren die Investition jeweils nicht durch. Das Finanzamt machte daraufhin beide Investitionsabzugsbeträge rückgängig und änderte am 6.5.2013 die Steuerbescheide für 2007 und 2008 entsprechend. Zugleich setzte es Nachzahlungszinsen fest: Dabei legte das Finanzamt den Beginn des Zinslaufs auf den 1.4.2009 (für 2007) und auf den 1.4.2010 (für 2008) fest. Der Kläger legte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch „gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“ ein. Am 30.12.2013 wandte er sich auch gegen die Zinsfestsetzung. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, so dass der Kläger die Änderung der Zinsfestsetzung beantragte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage auf Änderung der Zinsfestsetzung ab:
Allein die Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung führte nicht zu einer Änderung der Zinsfestsetzung. Zwar ist die Höhe der Einkommensteuer maßgeblich für die Höhe der Zinsen; die Einkommensteuerfestsetzung hat aber keine Bindungswirkung für den Beginn des Zinslaufs.
Eine Korrektur der Zinsfestsetzung hätte eine Korrekturvorschrift vorausgesetzt, die es im Streitfall aber nicht gab. So schied eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus, weil das Finanzamt bewusst den regulären Zinsbeginn, der 15 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beginnt, in dem Zinsbescheid angesetzt hat. Bei einer bewussten Rechtsanwendung liegt keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreib- oder Rechenfehlers vor. Weitere Korrekturvorschriften waren nicht einschlägig.
Der Einspruch hätte zwar eine Minderung der Einkommensteuer bewirken können, weil nach damaliger Rechtslage bei einem rückwirkenden Ereignis wie der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags der Zinslauf möglicherweise erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, begann; dies wäre der 1.4.2012 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2007 und der 1.4.2013 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2008 gewesen. Aber der Einspruch des Klägers richtete sich nur gegen die Einkommensteuerfestsetzung sowie gegen den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer, nicht jedoch gegen die Zinsfestsetzung. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist, nämlich am 30.12.2013, wandte sich der Kläger gegen die Zinsfestsetzung.
Hinweise: Der Fall zeigt, dass im Zweifel auch gegen die Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt werden sollte. Ein Einspruch kann gebührenfrei eingelegt werden, da der Staat keine Gebühren bei Einlegung eines Einspruchs erhebt.
Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 beginnt der Zinslauf bei Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags 15 Monate nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Investitionsabzugsbetrag gebildet worden ist. Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 beläuft sich der Zinssatz nur noch auf 1,8 % und nicht mehr auf 6 %.
Quelle: BFH, Urteil v. 13.12.2022 - VIII R 16/19; NWB
26.04.2023
Ein Unternehmer, der eine Photovoltaikanlage betreibt und die Anlage in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet hat, kann die Vorsteuer aus der Reparatur des Dachs, auf dem die Anlage installiert worden ist, in vollem Umfang abziehen, wenn das Dach bei der Montage der Anlage beschädigt worden ist. Dem Vorsteuerabzug steht nicht entgegen, dass der Unternehmer in dem Haus, auf dem die Photovoltaikanlage installiert worden ist, wohnt.
Hintergrund: Ein Unternehmer kann die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn die Leistung an sein Unternehmen erbracht worden ist und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.
Sachverhalt: Im Jahr 2009 installierte der Kläger eine Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Einfamilienhauses. Er ordnete die Anlage vollständig seinem Unternehmen zu, machte den Vorsteuerabzug in vollem Umfang geltend und speiste den Strom umsatzsteuerpflichtig in das Netz ein. Im Streitjahr 2019 bemerkte der Kläger, dass das Dach bei der Installation beschädigt worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren Ansprüche gegen die Montagefirma bereits verjährt. Der Kläger ließ den beschädigten Teil des Dachs, auf dem sich die Photovoltaikanlage befand, für ca. 22.000 € reparieren und machte die Vorsteuer in Höhe von ca. 4.000 € geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist u.a. ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz (Reparatur) und einem oder mehreren umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen. Ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist in Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu beurteilen. Ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts ist nicht nur die Verwendung der Reparaturleistung für die Umsätze des Unternehmers, sondern auch der ausschließliche Entstehungsgrund der Reparatur.
Im Streitfall ist der Schaden ausschließlich durch die unsachgemäße Montage der Photovoltaikanlage und damit in der unternehmerischen Sphäre entstanden.
Die künftige Nutzung des Dachs ist jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn dem Kläger über die Schadensbeseitigung hinaus in seinem Privatvermögen kein verbrauchsfähiger Vorteil verschafft wird. Zwar gehörte das Einfamilienhaus zum Privatvermögen des Klägers; dies führt aber nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs, weil es im Streitfall nicht um die Vorsteuer aus der Anschaffung des Hauses ging, sondern um die Vorsteuer aus den Kosten für die Nutzung und Wartung des Hauses.
Hinweise: Hätte der Kläger ein Dach angemietet, um seine Photovoltaikanlage betreiben zu können, hätte er die Vorsteuer aus der Reparaturrechnung zweifelsfrei geltend machen können, wenn das Dach bei der Installation beschädigt worden wäre. Es würde dann gegen den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer verstoßen, wenn der Kläger nur deshalb die Vorsteuer nicht abziehen könnte, weil dem Eigentümer durch die Reparatur ein nebensächlicher Vorteil entsteht.
Quelle: BFH, Urteil v. 7.12.2022 - XI R 16/21; NWB
25.04.2023
Nutzt das Finanzamt für die Bekanntgabe von Bescheiden einen privaten Postdienstleister, der nur an fünf Tagen in der Woche die Post zustellt, greift die gesetzliche Zugangsvermutung nicht, nach der ein Bescheid am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt. Die Einspruchsfrist beginnt dann erst mit Ablauf des Tages, an dem der Bescheid tatsächlich bekannt gegeben wird.
Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt ein Bescheid, der durch die Post übermittelt wird, als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn, er ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Im Zweifel hat das Finanzamt den Zugang des Bescheids und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Sachverhalt: Das Finanzamt erließ mit Datum vom 15.6.2018, einem Freitag, einen Einkommensteuerbescheid für 2017 gegenüber der Klägerin. Mit der postalischen Übermittlung des Bescheids beauftragte das Finanzamt den privaten Postdienstleister C. Die Klägerin kehrte am 19.6.2018, einem Dienstag, aus ihrem Urlaub zurück. Sie fand den Bescheid in ihrem Briefkasten vor und übermittelte ihn an ihren Steuerberater, der am 19.7.2018, einem Donnerstag, Einspruch beim Finanzamt einlegte und weitere Werbungskosten geltend machte. Das Finanzamt hielt den Einspruch für verfristet, weil nach seiner Auffassung die Einspruchsfrist am 18.7.2018 geendet hatte.
Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) hielt den Einspruch für zulässig und hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskosten auch für begründet:
Die gesetzliche Zugangsvermutung, nach der der Bescheid vom 15.6.2018 als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, greift im Streitfall nicht, da die C die Post nicht an sechs Tagen in der Woche zugestellt hat, sondern nur an fünf Tagen.
An der Aufgabe zur Post am 15.6.2018 bestehen zwar keine Zweifel, da das Finanzamt dargelegt hat, dass sichergestellt war, dass der schon vor dem 15.6.2018 erstellte Bescheid am 15.6.2018 der C übergeben wird. Auch ist die C als Post anzusehen, weil auch private Postdienstleistungsunternehmen als Post einzustufen sind.
Die gesetzliche Zugangsvermutung greift allerdings nicht, wenn die Post oder der private Postdienstleister die Post regelmäßig nicht an allen Werktagen (Montag bis Sonnabend) zustellt, sondern – wie im Streitfall – nur an fünf Tagen eine Postzustellung durchführt.
Es erscheint möglich, dass der Bescheid der Klägerin erst am 19.6.2018 bekannt gegeben worden ist, so dass der Einspruch rechtzeitig erhoben worden ist. Nach den Aussagen der Zeugen, die das FG vernommen hat, wurde die Post des Finanzamts am Sonnabend, dem 16.6.2018, im Zustellzentrum der C, das 140 km vom Finanzamt entfernt war, angeliefert und dann erst wieder am Dienstag, dem 19.6.2018, angeliefert. Am 18.6.2018 wurde nur die Post ausgetragen, die am 16.6.2018 angeliefert wurde und an diesem Tag nicht mehr zugestellt wurde.
Inhaltlich gab es keinen Streit über die geltend gemachten Werbungskosten, so dass der Einspruch auch begründet war.
Hinweise: Das FG sah es als unschädlich an, dass die Klägerin den Briefumschlag nicht aufgehoben hatte. In der Praxis sollte ein Briefumschlag aber vorsorglich aufgehoben werden, erst recht, wenn sich hieraus ergibt, dass der Bescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben worden sein könnte.
Mit der Postzustellung verhält es sich aktuell wie mit der Bahn: Beide werden zunehmend unzuverlässiger. Möglicherweise wird dieses Problem im Bereich der Bekanntgabe von Steuerbescheiden durch die elektronische Übermittlung oder durch die Bereitstellung von Bescheiden zum Datenabruf gemindert; soweit aber eine postalische Bekanntgabe erfolgt, „wackelt“ die gesetzliche Zugangsvermutung von drei Tagen nach Aufgabe zur Post. Gleichwohl sollte nicht darauf vertraut werden, dass die Einspruchsfrist erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt, sondern der Einspruch frühzeitig – ggf. ohne Begründung – erhoben werden, zumal eine Einspruchseinlegung per E-Mail zulässig ist.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.8.2022 - 7 K 7045/20; NWB
24.04.2023
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Höhe der Säumniszuschläge, die sich auf monatlich 1 % bzw. jährlich 12 % belaufen, für verfassungsgemäß. Die Gründe, die bei Nachzahlungszinsen auf Steuernachzahlungen dazu führten, dass ein Zinssatz von 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig angesehen wurde, lassen sich auf Säumniszuschläge nicht übertragen.
Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags erhoben. Jährlich entstehen also Säumniszuschläge in Höhe von 12 %. Dieser Zuschlag ist doppelt so hoch wie die für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 geltenden Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betrugen, Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gesenkt. Umstritten ist, ob diese Entscheidung des BVerfG auch Bedeutung für die Höhe der Säumniszuschläge hat.
Sachverhalt: Der Kläger war ein Insolvenzverwalter eines Steuerpflichtigen, der die Steuern verspätet bzw. gar nicht gezahlt hatte. Hierdurch waren Säumniszuschläge in Höhe von 1.153 € verwirkt worden. Das Finanzamt erließ die Hälfte und meldete die verbleibende Hälfte in Höhe von 576,50 € zur Insolvenztabelle an. Da der Insolvenzverwalter die Säumniszuschläge bestritt, erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid über Insolvenzforderungen, zu denen auch die Säumniszuschläge gehörten. Hiergegen klagte der Insolvenzverwalter und machte die Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge geltend.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Die Höhe von 1 % pro Monat bzw. 12 % jährlich für Säumniszuschläge ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen für Nachzahlungszinsen, die zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 6 % für Verzinsungszeiträume führten, lassen sich auf Säumniszuschläge nicht übertragen.
Im Gegensatz zu den Zinsen auf Steuernachzahlungen ist der Hauptzweck von Säumniszuschlägen nämlich nicht die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen. Vielmehr geht es bei Säumniszuschlägen vorrangig um die Sanktionierung verspäteter Zahlungen. Der Steuerpflichtige hat die Entstehung des Säumniszuschlags aufgrund seiner verspäteten Zahlung zudem bewusst in Kauf genommen.
Der Gesetzgeber musste bei der Höhe der Säumniszuschläge auch nicht das strukturelle Niedrigzinsniveau, das seit 2014 besteht, berücksichtigen. Säumniszuschläge sind nämlich keine Zinsen, sondern Nebenleistungen zur Steuer, die die Eigenschaften von Zinsen teilen. In Säumniszuschlägen ist auch kein konkreter Zinsanteil enthalten.
Hinweise: Bislang hatte sich der BFH nur im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Höhe der Säumniszuschläge geäußert. Die aktuelle Entscheidung ist hingegen ein Urteil im Hauptsacheverfahren. Allerdings kann eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge allein das BVerfG treffen.
In der Praxis wird angenommen, dass die Hälfte der Säumniszuschläge als Druckmittel dient und im Übrigen eine Zinsfunktion hat sowie den Verwaltungsaufwand des Finanzamts ersetzen soll. Ist der Steuerpflichtige zahlungsunfähig, wird daher auf Antrag in der Regel die Hälfte der Säumniszuschläge erlassen (wie auch im Streitfall), da bei Zahlungsunfähigkeit ein Druckmittel sinnlos ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 15.11.2022 - VII R 55/20; NWB
21.04.2023
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss entscheiden, ob Leistungen einer Organgesellschaft an einen Organträger im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft wie bislang nicht umsatzsteuerbar sind oder aber entgegen der bisherigen Praxis der Umsatzsteuer unterliegen.
Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt also nicht auf.
Sachverhalt: Im Streitfall bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger, der Organträger war und eine Universitätsklinik betrieb, und der U-GmbH, die Organgesellschaft war. Die U-GmbH erbrachte im Jahr 2005 Reinigungsleistungen gegenüber dem Kläger für ein Entgelt von ca. 75.000 €. Der Kläger war aber teilweise hoheitlich tätig, soweit er nämlich im universitären Bereich tätig war. Das Finanzamt unterwarf das Entgelt für die Reinigungsleistungen, soweit sie auf den hoheitlichen Betrieb des Klägers entfielen, als umsatzsteuerbare unentgeltliche Wertabgabe und setzte entsprechend Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der BFH richtete ein erstes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, der eine unentgeltliche Wertabgabe aufgrund des vereinbarten Entgelts ablehnte.
Entscheidung: Der BFH rief in demselben Fall nun erneut den EuGH an:
Aus Sicht des BFH ist die Umsatzsteuerbarkeit von Innenumsätzen, d.h. von Leistungen unter den Unternehmen des Organkreises, unklar, nachdem der EuGH in seiner Entscheidung zum ersten Vorabentscheidungsersuchen eine selbständige Wirtschaftstätigkeit der U-GmbH und damit eine umsatzsteuerbare Reinigungsleistung für möglich gehalten hatte.
Zwar hat sich der EuGH in der Vergangenheit immer wieder mit der umsatzsteuerlichen Organschaft beschäftigt. Dabei war aber die Frage der Umsatzsteuerbarkeit der Innenumsätze nicht entscheidungserheblich.
Für die Antwort auf die Frage, ob die Innenumsätze umsatzsteuerbar sind, könnte es einerseits von Bedeutung sein, ob der Kläger als Organträger nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. In diesem Fall könnte die Gefahr eines Steuerverlustes bestehen, weil die von der U-GmbH in Rechnung zu stellende Umsatzsteuer vom Kläger nicht vollständig abgezogen werden könnte; dies würde gegen eine Umsatzsteuerbarkeit sprechen. Andererseits könnte aber auch relevant sein, ob die Organschaft missbräuchlich eingesetzt wird, um die Entstehung einer Umsatzsteuer, die beim Organträger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, zu vermeiden.
Hinweise: Sollte der EuGH eine Umsatzsteuerbarkeit der Innenumsätze bejahen, müsste der Kläger als Organträger diese Umsatzsteuer abführen. Aufgrund seiner hoheitlichen Tätigkeit stünde dem Kläger aber insoweit kein Vorsteuerabzug zu. Die bisherige Praxis, dass Innenumsätze als nicht umsatzsteuerbar behandelt werden, wäre damit hinfällig.
Quelle: BFH, Beschluss v. 26.1.2023 - V R 20/22 (V R 40/19), Az. des EuGH: C-184/23; NWB
19.04.2023
Die finanzielle Eingliederung, die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlich ist, kann nicht nur durch eine Stimmenrechtsmehrheit des Organträgers bei der Organgesellschaft erreicht werden, sondern auch durch Stimmenrechte im Umfang von nur 50 %, wenn der Organträger dann mehr als 50 % der Anteile an der Organgesellschaft hält und den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt. In diesem Fall besteht zwar nur eine schwächere finanzielle Eingliederung; diese wird jedoch durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung ausgeglichen.
Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt also nicht auf.
Sachverhalt: Die Klägerin war die Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie GmbH, die zwei Gesellschafter hatte: zum einen die A, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die im Streitjahr 2005 51 % an der Klägerin hielt und sieben Stimmrechte hatte, und zum anderen den C-Verein, der 49 % hielt, und ebenfalls sieben Stimmrechte hatte. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war der E, der auch Alleingeschäftsführer der A sowie des C-Vereins war. Die Klägerin ging von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus, während das Finanzamt eine finanzielle Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen der A und damit eine Organschaft verneinte. Das Finanzamt behandelte deshalb die von der Klägerin an A sowie an Dritte erbrachten Leistungen als umsatzsteuerbar.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Die finanzielle Eingliederung ist zu bejahen, wenn der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte hält. Allerdings hatte die A nur sieben Stimmrechte, während der C-Verein ebenfalls sieben Stimmrechte hatte. Damit war eine Stimmenrechtsmehrheit der A zu verneinen.
Allerdings kann auch bei Stimmengleichheit eine Organschaft zu bejahen sein, auch wenn die finanzielle Eingliederung nur schwächer ausgeprägt ist. Die finanziell schwächer ausgeprägte Eingliederung kann durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung ausgeglichen werden. Im Streitfall war die organisatorische Eingliederung besonders stark ausgeprägt, da der Geschäftsführer der Klägerin und der Geschäftsführer der A jeweils der E war, so dass eine Personenidentität bestand. Damit konnte die A als Organträger ihren Willen bei der Klägerin als Organgesellschaft durchsetzen.
Aufgrund der danach zu bejahenden Organschaft durfte die Umsatzsteuer nur gegen die A als Organträger festgesetzt werden, nicht aber gegen die Klägerin. Im Umsatzsteuerbescheid, der gegenüber der A zu erlassen ist, ist dann zu klären, ob die von der Klägerin an die A erbrachten Leistungen umsatzsteuerbar waren.
Hinweise: Der BFH hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, der ebenfalls von einer Organschaft ausgegangen war und die Organschaft nach deutschem Recht für europarechtskonform hält. Mit dem aktuellen Urteil ändert der BFH seine Rechtsprechung, weil eine Stimmenrechtsmehrheit nicht mehr zwingend erforderlich für eine Organschaft ist, sondern eine bloße Stimmengleichheit durch eine Personenidentität in der Geschäftsführung ausgeglichen werden kann.
Die Frage, ob die Klägerin umsatzsteuerbare Leistungen an die A erbracht hat, wird noch zu klären sein. Zu der Frage, wie solche Leistungen zu behandeln sind, hat der BFH in einem Parallelverfahren ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.
Quelle: BFH, Urteil v. 18.1.2023 - XI R 29/22 (XI R 16/18); NWB
18.04.2023
Eine GmbH-Beteiligung, deren Stimm- und Gewinnbezugsrechte prozentual niedriger sind als die eigentliche Beteiligungsquote, ist niedrigerer zu bewerten als eine GmbH-Beteiligung, deren Stimm- und Bezugsrechte quotal ausgestaltet sind, also der Beteiligungsquote entsprechen. Bei einem disquotal ausgestalteten Stimm- und Gewinnbezugsrecht handelt es sich nämlich um einen preisbeeinflussenden Umstand und nicht um ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, die bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen wären.
Hintergrund: Sachspenden müssen bewertet werden, damit der Spendenabzug bei der Einkommensteuer in der richtigen Höhe erfolgen kann. Zu den Sachspenden können auch GmbH-Beteiligungen gehören. Sachspenden, die aus dem Privatvermögen stammen, werden grundsätzlich mit dem gemeinen Wert bewertet. Dies ist der Preis, der bei einer Veräußerung im allgemeinen Geschäftsverkehr erzielt werden kann.
Sachverhalt: Der Kläger war zusammen mit vier anderen Gesellschaftern an einer GmbH beteiligt. Sie schenkten die GmbH-Beteiligung im Umfang von 89 % einer gemeinnützigen Stiftung; das Stimm- und Gewinnbezugsrecht der GmbH-Beteiligung betrug aber nur jeweils 1 % und nicht 89 %. Die Stiftung erteilte dem Kläger und seinen vier Mitgesellschaftern Spendenbescheinigungen, in denen der Wert der geschenkten Beteiligung mit ca. 41 Mio. € angegeben wurde, von denen jeweils 20 % auf den Kläger und die anderen Gesellschafter entfielen, d.h. ca. 8,2 Mio. €/Gesellschafter. Das Finanzamt ging jedoch nur von einem Wert pro Gesellschafter in Höhe von ca. 1,5 Mio. € aus (Gesamtwert der Beteiligung nach dem Finanzamt also ca. 7,5 Mio. €).
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurück:
Im Grundsatz zutreffend haben Finanzamt und Finanzgericht das disquotale Stimm- und Gewinnbezugsrecht von jeweils nur 1 % als wertmindernd berücksichtigt. Denn das disquotale Stimmrecht und das disquotale Gewinnbezugsrecht waren im Gesellschaftsvertrag vereinbart und daher ein preisbeeinflussender Umstand.
Bei der Bewertung sind zwar ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen. Dies betrifft aber nur Verhältnisse, die mit der Person des aktuellen Gesellschafters verknüpft sind. Sowohl das disquotale Stimmrecht als auch das disquotale Gewinnbezugsrecht waren aber mit dem Anteil verbunden und nicht mit der Person des Klägers.
Die Zurückverweisung erfolgt, weil dem FG bei der Bewertung Widersprüche unterlaufen sind.
Hinweise: Zu klären ist auch noch, ob der Kläger auf die fehlerhafte Spendenbescheinigung vertrauen durfte. Zwar besteht nach dem Gesetz grundsätzlich Vertrauensschutz, wenn eine Spendenbescheinigung ausgestellt wird; dies gilt aber nicht, wenn dem Spender die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Dem BFH zufolge ist dem Kläger dabei die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von Personen, die er in Ausweitung seines Risikobereichs in die Abwicklung der Spende eingeschaltet hat, zuzurechnen. Die Beweislast hierfür liegt aber beim Finanzamt; allerdings muss der Kläger auch bei der Aufklärung mitwirken. Für eine Kenntnis des Klägers von der Unrichtigkeit der Spendenbescheinigung könnte sprechen, dass der Kläger ein erfolgreicher Unternehmer war und durchaus gewusst haben dürfte, dass die GmbH-Beteiligung mit einem disquotalen Stimm- und Gewinnbezugsrecht ausgestaltet war.
Quelle: BFH, Urteil v. 16.11.2020 - X R 17/20; NWB
17.04.2023
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich zur Neuregelung des Umsatzsteuersatzes für Photovoltaikanlagen geäußert.
Hintergrund: Ab dem 1.1.2023 wird die Lieferung von Solarmodulen einer Photovoltaikanlage an den Betreiber einer Photovoltaikanlage mit 0 % besteuert, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt. Die Neuregelung betrifft also nicht die Einspeisung des Stroms in das Stromnetz, sondern die Lieferung der Photovoltaikanlage durch den Hersteller oder Händler an den Betreiber.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Wird ab dem 1.1.2023 eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) erworben, entfällt ein Vorsteuerabzug, weil die Lieferung der Solarmodule einem Umsatzsteuersatz von 0 % unterliegt. Damit entfällt auch die Besteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung des Stroms oder der Photovoltaikanlage.
Ist die Photovoltaikanlage vor dem 1.1.2023 erworben und dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden, konnte die Vorsteuer in vollem Umfang geltend gemacht werden. Daher ist auch nach dem 31.12.2022 eine nichtunternehmerische Nutzung des Stroms oder der Photovoltaikanlage als unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern.
Ist die Photovoltaikanlage vor dem 1.1.2023 erworben und dem Unternehmen vollständig zugeordnet worden, führt die zukünftige Nutzung des Stroms im Umfang von voraussichtlich mehr als 90 % für nichtunternehmerische Zwecke zur Entnahme der gesamten Photovoltaikanlage.
Von einer voraussichtlichen Verwendung von mehr als 90 % für nichtunternehmerische Zwecke ist insbesondere auszugehen, wenn ein Teil des erzeugten Stroms z.B. in einer Batterie gespeichert wird oder wenn eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 % nahelegt.
Auch Nebenleistungen zur eigentlichen Lieferung unterliegen ab dem 1.1.2023 dem Steuersatz von 0 %. Hierzu gehören z.B. die Bereitstellung der Software, die Montage oder die Bereitstellung von Gerüsten. Der Teil des Entgelts, der auf eigenständige Serviceleistungen entfällt, z.B. Wartungsarbeiten, die Einholung behördlicher Genehmigungen oder die Versicherung der Anlage unterliegt nicht dem Steuersatz von 0 %.
Hinweis: Die Vermietung von Photovoltaikanlagen unterliegt dem regulären Steuersatz von 19 %. Eine einheitliche Miete ist nach der einfachstmöglichen Methode aufzuteilen.
Nur die Lieferung der Photovoltaikanlage an den Betreiber der Anlage unterliegt dem Steuersatz von 0 %, nicht aber eine Lieferung an einen Zwischenhändler oder Leasinggeber.
Hinweis: Die Verwaltungsanweisung zur Umsatzsteuer wird hinsichtlich der Neuregelung umfassend geändert. Die Auffassung der Finanzverwaltung gilt für Umsätze, die nach dem 31.12.2022 ausgeführt werden.
Das BMF beanstandet es nicht, wenn einzelne Regelungen wie z.B. der Ausschluss des Nullsteuersatzes für eigenständige Serviceleistungen wie z.B. Wartungsarbeiten, die Einholung von behördlichen Genehmigungen oder die Versicherung der Photovoltaikanlage mit einer Haftpflicht- und Vermögensschadensversicherung erst ab dem 1.4.2023 angewendet werden.
Das BMF enthält noch weitere Beispiele und Ausführungen, z.B. zur Installation der Anlage, zur Nachweispflicht über das Vorliegen der Voraussetzungen des Nullsteuersatzes oder zur Prüfung der 30 kW-Grenze.
Quelle: BMF-Schreiben v. 27.2.2023 - III C 2 - S 7220/22/10002 :010; NWB
13.04.2023
Mit einer Postzustellungsurkunde, in der vermerkt ist, dass der Bescheid in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen worden ist, weil die persönliche Übergabe nicht geglückt ist, kann die Zustellung des Bescheids bewiesen werden. Es ist nicht erforderlich, dass in der Postzustellungsurkunde die Angabe der Uhrzeit des Zustellversuchs vermerkt wird. Allerdings kann der Empfänger einen Gegenbeweis führen, dass die auf der Urkunde bezeugten Tatsachen unrichtig sind.
Hintergrund: Steuerbescheide werden grundsätzlich elektronisch oder mit einfachem Brief bekannt gegeben. Allerdings ist auch eine Zustellung mittels Postzustellungsurkunde möglich. In diesem Fall muss der Postbote den Brief persönlich übergeben und dies auf der Urkunde vermerken; scheitert die Übergabe an den Empfänger, kann er den Brief in den Briefkasten des Empfängers einwerfen und muss dies auf der Postzustellungsurkunde vermerken.
Sachverhalt: Das Finanzamt wollte der durch eine Steuerberatungsgesellschaft vertretenen Klägerin eine Einspruchsentscheidung mittels Postzustellungsurkunde zustellen. Der Postbote warf die Einspruchsentscheidung in den Briefkasten der Steuerberatungsgesellschaft am 14.5.2021, einem Freitag, ein. Er vermerkte in der Postzustellungsurkunde, dass er am 14.5.2021 erfolglos versucht habe, die Einspruchsentscheidung in den Geschäftsräumen persönlich dem Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft oder ersatzweise einem Angestellten zu übergeben. Er notierte aber nicht die Uhrzeit des Übergabeversuchs. Die Steuerberatungsgesellschaft brachte auf der Einspruchsentscheidung einen Eingangsstempel mit dem Datum vom 17.5.2021 (Montag) an und erhob erst am 17.6.2021 Klage.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die Klage als unzulässig ab:
Die Klage ist erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist und damit verspätet erhoben worden. Die Einspruchsentscheidung ist nämlich schon am 14.5.2021 bekannt gegeben worden.
Das Bekanntgabedatum des 14.5.2021 ergibt sich aus der Postzustellungsurkunde, auf der dieses Datum vermerkt ist. Einer ordnungsgemäß erstellten Postzustellungsurkunde kommt kraft Gesetzes Beweiskraft zu, sofern nicht ein Gegenbeweis geführt wird.
Die Postzustellungsurkunde war ordnungsgemäß erstellt worden, da der Postbote die erfolglose Übergabe am 14.5.2021 sowie den Einwurf der Einspruchsentscheidung am 14.5.2021 vermerkt hatte. Es war nicht erforderlich, dass der Postbote auch die Uhrzeit des Übergabeversuchs auf der Urkunde einträgt.
Einen Gegenbeweis hat die Steuerberatungsgesellschaft nicht geführt. Sie hat lediglich behauptet, dass eine Übergabe am 14.5.2021 in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr erfolgreich gewesen wäre, weil dem Postboten nach dem Klingeln geöffnet worden wäre. Diese Behauptung genügt nicht, um einen Gegenbeweis zu führen, weil ein Übergabeversuch bereits dann durchgeführt wird, wenn dem Postboten nach dem erstmaligen Klingeln nicht hinreichend schnell geöffnet wird.
Hinweise: Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren, da die fehlerhafte Anbringung des Eingangsstempels (17.5.2021 statt 14.5.2021) nicht auf einem Büroversehen beruhte. Die Steuerberatungsgesellschaft hätte hierzu einen ordentlichen Ablauf ihrer Post- und Fristerfassung darlegen müssen.
Das FG hat sieben Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft als Zeugen vernommen, um die Behauptung, dass die Postzustellungsurkunde unrichtig erstellt worden sei, zu überprüfen.
Mit einer Bekanntgabe durch Postzustellungsurkunde ist die Bekanntgabe grundsätzlich an dem Tag erfolgt, der in der Urkunde als Zustellungstag vermerkt ist. Die einmonatige Einspruchs- und Klagefrist beginnt dann auch bereits mit Ablauf dieses Tages. Anders ist dies bei der Bekanntgabe eines Bescheids oder einer Einspruchsentscheidung mit einfachem Brief, da hier eine Bekanntgabe erst nach Ablauf von drei Tagen nach Aufgabe zur Post kraft Gesetzes fingiert wird.
Quelle: FG Münster, Urteil v. 22.11.2022 - 15 K 1593/21 U, AO; NWB
12.04.2023
Ein Arbeitgeber darf keine Pensionsrückstellung passivieren, wenn die von ihm erteilte Pensionszusage einen schädlichen Vorbehalt enthält, nach dem der Arbeitgeber die der Pensionszusage zugrunde gelegte "Transformationstabelle" ersetzen kann und dabei das betriebsrentenrechtliche Gebot der Wertgleichheit zu beachten ist. Die Bildung einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz setzt nämlich u.a. voraus, dass es keinen schädlichen Vorbehalt gibt.
Hintergrund: Nach dem Gesetz darf eine Pensionsrückstellung nicht passiviert werden, wenn die Pensionszusage einen Vorbehalt enthält, dass die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann. Ein derartiger Vorbehalt ist nur dann unschädlich, wenn er sich ausschließlich auf Tatbestände erstreckt, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung oder ein Entzug der Pensionsanwartschaft oder der Pensionsleistung zulässig ist.
Sachverhalt: Die Klägerin hatte im Jahr 2003 für ihre Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung eingeführt, die aus einer unmittelbaren Versorgungszusage in Form einer beitragsorientierten Leistungszusage gegen Entgeltumwandlung bestand. Die Höhe der Versorgungsleistung ergab sich aus einer sog. Transformationstabelle, die auf einer mathematischen Formel unter Berücksichtigung einer Verzinsung und biometrischer Faktoren wie der Lebenserwartung beruhte. Die Pensionszusage enthielt den Vorbehalt, dass die Transformationstabelle einseitig durch eine nachfolgende Transformationstabelle ersetzt werden konnte, wobei das Gebot der Wertgleichheit zu beachten sein sollte. Diese Ersetzung sollte erstmals zum 1.1.2008 möglich sein, konnte sich aber auch auf bestehende Entgeltumwandlungsvereinbarungen auswirken. Die Klägerin bildete zum 31.12.2004 bis 31.12.2007 für die Pensionszusagen Pensionsrückstellungen, die das Finanzamt wegen des Vorbehalts nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Bildung einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz ist nach dem Gesetz u.a. dann unzulässig, wenn die Pensionszusage unter einem Vorbehalt erteilt worden ist, nach dem die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann.
Ein Vorbehalt ist nur dann unschädlich, wenn er sich ausdrücklich auf einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand bezieht, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet.
Ein solcher unschädlicher Vorbehalt lag im Streitfall nicht vor. Denn der Vorbehalt, dass die sog. Transformationstabelle durch eine neue Transformationstabelle ersetzt werden kann, beruhte nicht auf einer Fallgruppe, die arbeitsrechtlich bereits anerkannt war.
Der Vorbehalt war auch nicht deshalb unschädlich, weil die Ersetzung der Transformationstabelle erst ab 1.1.2008 möglich sein sollte, die Streitjahre aber die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2007 waren. Denn nach dem Wortlaut des Vorbehalts konnte die Ersetzung auch Wirkung für bereits bestehende Entgeltumwandlungen haben.
Hinweise: Ein Vorbehalt in einer Pensionszusage ist riskant, wie das aktuelle Urteil zeigt. Denn der Vorbehalt müsste sich auf einen Fall beziehen, der von der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung bereits geklärt ist. Es genügt nicht, dass der Vorbehalt möglicherweise arbeitsrechtlich anerkannt werden wird, z.B. wegen des Hinweises in dem Vorbehalt auf das betriebsrentenrechtliche Gebot der Wertgleichheit.
Weitere Voraussetzungen für die Bildung einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz sind die Erteilung der Pensionszusage in Schriftform sowie ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen.
Quelle: BFH, Urteil v. 6.12.2022 - IV R 21/19; NWB
11.04.2023
Ein GmbH-Geschäftsführer haftet für die von der GmbH nicht entrichteten Betriebssteuern, wenn er nur als Strohmann eingesetzt war und den faktischen Geschäftsführer, der fehlerhafte Steuererklärungen veranlasst hat, nicht überwacht hat. Diese Haftung besteht auch dann, wenn der Geschäftsführer aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sein sollte, den faktischen Geschäftsführer zu überwachen bzw. den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen; der Geschäftsführer hätte dann nämlich den Posten des Geschäftsführers gar nicht erst annehmen dürfen oder aber niederlegen müssen.
Hintergrund: Nach dem Gesetz haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit Steuern der GmbH infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.
Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer der A-GmbH. Faktischer Geschäftsführer der A-GmbH war allerdings sein Sohn, der die Geschäftsführung tatsächlich wahrnahm. Der Sohn des Klägers hatte im Zeitraum 2007 bis 2011 67 Scheinrechnungen als Betriebsausgaben gebucht sowie weitere 34 Aufwandsbuchungen getätigt, für die es keine Belege gab und für die ebenfalls keine Leistungen erbracht worden waren. Die von der A-GmbH eingereichten Steuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2011 waren dementsprechend fehlerhaft. Die Steuerfahndung deckte den Sachverhalt auf und erließ gegenüber der A-GmbH Änderungsbescheide für den Zeitraum 2007 bis 2011, die zu Steuernachzahlungen führten. Die A-GmbH zahlte die Steuern nicht, sondern meldete im Jahr 2013 Insolvenz an. Das Finanzamt nahm daraufhin den Kläger als Geschäftsführer für die nicht entrichteten Steuern durch Haftungsbescheid in Anspruch und legte dabei eine Haftungsquote von 82,39 % zugrunde.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage gegen den Haftungsbescheid ab:
Der Kläger durfte durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Er war Geschäftsführer der A-GmbH und damit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der A-GmbH verantwortlich. Diese Pflichten hat er schuldhaft verletzt.
So hat der Kläger die Abgabe fehlerhafter Steuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2011 zu verantworten. Und er hat die aus den späteren Änderungsbescheiden folgenden Steuern nicht aus den Mitteln der A-GmbH bezahlt.
Zwar muss ein Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten nicht selbst erfüllen, sondern darf diese Aufgaben delegieren. Er muss dann aber die Person, die er mit der Erledigung der steuerlichen Aufgaben betreut, sorgfältig auswählen und laufend überwachen. Unterlässt er dies, trifft ihn ein Überwachungsverschulden. Je geringer die steuerliche Kenntnis des Geschäftsführers sind, desto gründlicher muss er die Person überwachen.
Der Kläger konnte sich nicht dadurch entschuldigen, dass er mit den Aufgaben eines Geschäftsführers überfordert war und z.B. keine ausreichenden EDV-Kenntnisse hatte, um die fehlerhafte Buchführung aufzudecken. Denn dann hätte er die Geschäftsführerposition gar nicht erst übernehmen dürfen oder jedenfalls umgehend niederlegen müssen.
Hinweise: Die weiteren Voraussetzungen des Haftungsbescheids waren erfüllt. So war dem Finanzamt ein Haftungsschaden entstanden, da die A-GmbH die Steuern, die sich aus den Änderungsbescheiden ergeben hatten, nicht entrichtetet hatte. Auch die Haftungsquote, bei der es um die Tilgungsquote geht, die bei Erfüllung der steuerlichen Pflichten geleistet worden wäre, war mangels weiterer Aufklärbarkeit des Sachverhalts nicht zu beanstanden.
Der BFH macht deutlich, dass ein GmbH-Geschäftsführer, der nur als Strohmann agiert und einen faktischen Geschäftsführer agieren lässt, für die betrieblichen Steuern der GmbH haftet. Er kann sich nicht auf das eigene Unvermögen berufen, sondern muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich auf die faktische Geschäftsführung durch einen anderen eingelassen hat.
Sofern der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen haben sollte, hätte er auch als Steuerhinterzieher gehaftet, ohne dass es auf seine Geschäftsführerposition angekommen wäre. Allerdings war das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden.
Quelle: BFH, Urteil v. 15.11.2022 - VII R 23/19; NWB
06.04.2023
Der Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, der gegenüber der GmbH ergeht, kann nur durch die GmbH angefochten werden, nicht aber durch einen Gesellschafter der GmbH. Der Gesellschafter hat kein sog. Drittanfechtungsrecht, auch wenn ihn der Bescheid mittelbar betrifft.
Hintergrund: Die Einlagen, die die Gesellschafter einer GmbH in die GmbH einzahlen, werden im sog. steuerlichen Einlagekonto festgehalten und festgestellt. Hierzu ergeht jedes Jahr ein Feststellungsbescheid. Werden die Einlagen später an die Gesellschafter zurückgezahlt, kann dies steuerfrei erfolgen, wenn u.a. die Einlagen vorher im steuerlichen Einlagekonto festgestellt worden waren. Ohne diese Feststellung kann die Rückgewähr der Einlagen nicht steuerfrei erfolgen, sondern wird als Ausschüttung mit 25 % besteuert.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine dänische AG, die Gesellschafterin der in Deutschland ansässigen D-GmbH war. Die Klägerin tätigte im Jahr 2007 eine Einlage in Höhe von 800.000 € in die Kapitalrücklage der D-GmbH. Allerdings wurde die Einlage in der Erklärung über das steuerliche Einlagekonto der D-GmbH zum 31.12.2007 zu Unrecht nicht erklärt und daher im Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto vom 22.12.2008 nicht festgestellt. Der Bescheid wurde nur der D-GmbH, nicht aber der Klägerin bekannt gegeben; die D-GmbH legte gegen den Bescheid keinen Einspruch ein. Am 18.1.2018 legte die Klägerin Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ein und erhob anschließend Klage. Das Finanzamt hielt den Einspruch und die Klage für unzulässig.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2007 richtete sich gegen die D-GmbH und konnte daher nur von der D-GmbH angefochten werden. Diese Anfechtung war aber unterblieben, weil die D-GmbH gegen den Bescheid keinen Einspruch eingelegt hatte.
Die Klägerin war nur Gesellschafterin der D-GmbH und konnte daher den Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto nicht anfechten. Der Klägerin stand kein sog. Drittanfechtungsrecht zu.
Zwar ist die Klägerin vom Inhalt des Bescheids betroffen, weil die von ihr geleisteten Einlagen später nicht steuerfrei an sie zurückgewährt werden können. Dennoch führt dies nicht zu einem Drittanfechtungsrecht. Denn würde man jedem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ein Anfechtungsrecht einräumen, hinge die Bestandskraft des Bescheids davon ab, ob und wann der einzelne Gesellschafter Einspruch einlegt; dabei wäre zu berücksichtigen, dass die Einspruchsfrist erst mit der jeweiligen Bekanntgabe an den einzelnen Gesellschafter beginnt, so dass hier für jeden Gesellschafter die Einspruchsfrist unterschiedlich beginnen könnte. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Verjährung.
Hinweise: Der Gesellschafter muss über seine Stellung als Gesellschafter versuchen, die Kapitalgesellschaft dazu zu bewegen, gegen einen fehlerhaften Feststellungsbescheid Einspruch einzulegen. Dies wird allerdings in der Praxis allenfalls dann gelingen können, wenn der Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Kapitalgesellschaft hat.
Wird ein fehlerhafter Feststellungsbescheid bestandskräftig, weil er nicht von der Kapitalgesellschaft angefochten worden ist, wirkt sich die Einlage des Gesellschafters jedenfalls im Fall der Veräußerung oder Aufgabe seiner Beteiligung an der Kapitalgesellschaft steuerlich vorteilhaft aus; denn sie mindert dann als nachträgliche Anschaffungskosten den Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn.
Ein Drittanfechtungsrecht wird mitunter im Steuerrecht anerkannt. Allerdings handelt es sich dann um einmalige Sachverhalte wie z.B. der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft. Hier kann der einbringende Gesellschafter einen fehlerhaften Wertansatz im Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft anfechten, weil ein überhöhter Wertansatz seinen Veräußerungserlös erhöht. Im Streitfall ging es jedoch nicht um einen einmaligen Sachverhalt, sondern der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto ist ein Dauersachverhalt, weil die Feststellung in jedem Jahr erfolgt.
Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 - I R 53/19; NWB
05.04.2023
Das Bundesfinanzministerium (BMF) gewährt steuerliche Entlastungen bei Hilfen für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien. Diese Entlastungen erfolgen u.a. im Bereich des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, beim Betriebsausgabenabzug, bei der Umsatzsteuer und Schenkungsteuer.
Hintergrund: Im Februar 2023 ereignete sich ein schweres Erdbeben in der Türkei und in Syrien.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
1. Spenden und Gemeinnützigkeitsrecht
Für Spenden, die bis zum 31.12.2023 geleistet werden und auf entsprechende Sonderkonten von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege oder von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie z.B. Gemeinden geleistet werden, gilt der sog. vereinfachte Zuwendungsnachweis. Statt einer Spendenbescheinigung genügt also der Überweisungsbeleg.
Gemeinnützige Vereine, die nicht mildtätige Zwecke fördern wie z.B. Sportvereine, dürfen Spendenaktionen zugunsten der Erdbebenopfer durchführen und die erzielten Spenden für Erdbebenopfer verwenden oder auf Sonderkonten mildtätiger Vereine oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts weiterleiten. Eine Satzungsänderung des Sportvereins ist also nicht erforderlich.
Außerdem können gemeinnützige Vereine Sachmittel und Personal für Erdbebenopfer einsetzen, ohne dass dies Auswirkungen auf ihre Gemeinnützigkeit hat. Bei materiellen und finanziellen Hilfen reicht es, wenn die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit der unterstützten Erdbebenopfer glaubhaft gemacht wird; ein Nachweis ist also nicht erforderlich.
2. Unterstützungsmaßnahmen von Unternehmen
Unterstützungsleistungen von Unternehmen können als Betriebsausgaben in voller Höhe abgezogen werden. Der Abzug ist als Sponsoringaufwand möglich, wenn das Unternehmen auf seine Unterstützung öffentlichkeitswirksam in den Medien aufmerksam macht.
Scheidet ein Abzug als Sponsoringaufwand auf, kann dennoch ein Betriebsausgabenabzug bei der Zuwendung von Wirtschaftsgütern oder sonstigen betrieblichen Nutzungen und Leistungen an Erdbebenopfer oder Einrichtungen bis zum 31.12.2023 aus allgemeinen Billigkeitserwägungen erfolgen. Dies gilt aber nicht bei der Hingabe von Geld.
Hinweis: Begünstigt sind also etwa Zuwendungen im Rahmen der Gefahrenabwehr oder der allgemeinen Aufräumarbeiten.
3. Arbeitslohnspenden und Aufsichtsratsspenden
Arbeitslohnspenden sind steuerfrei. Der Arbeitnehmer kann also auf einen Teil seines Lohns verzichten, damit der Arbeitgeber diesen Teil an Erdbebenopfer weiterleitet oder damit der Arbeitgeber diesen Teil auf ein Erdbeben-Spendenkonto einzahlt. Neben der Steuerfreiheit ist ein gleichzeitiger Spendenabzug aber nicht zulässig.
Ferner kann der Arbeitgeber Arbeitnehmern, die vom Erdbeben betroffen sind, eine steuerfreie Unterstützungszahlung von 600 € leisten. Da es sich bei einem Erdbeben um einen besonderen Notfall handelt, darf der Betrag von 600 € grundsätzlich sogar überschritten werden.
Ebenso kann ein Mitglied eines Aufsichtsrats auf seine Vergütung ganz oder teilweise verzichten, damit sie zugunsten der Erdbebenopfer eingesetzt wird. Dieser Teil der Vergütung ist dann steuerfrei.
4. Umsatzsteuer
Unterstützungsleistungen zugunsten der Erdbebenopfer lösen keine nachteiligen umsatzsteuerlichen Folgen aus. Die Bereitstellung von Sachmitteln oder Personal für humanitäre Zwecke wird also nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterworfen.
5. Schenkungsteuer
Schenkungen an Erdbebenopfer oder Organisationen, die sich um die Opfer kümmern, können schenkungsteuerfrei sein, z.B. Schenkungen an Religionsgesellschaften oder an gemeinnützige Organisationen.
Hinweise: Die hier wiedergegebenen Erleichterungen sind oft noch an weitere Voraussetzungen geknüpft. Sie gelten für Unterstützungsmaßnahmen, die vom 6.2.2023 bis zum 31.12.2023 durchgeführt werden.
Quelle: BMF-Schreiben v. 27.2.2023 - IV C 4 - S 2223/19/10003 :019; NWB
04.04.2023
Die Abschiedsfeier eines GmbH-Geschäftsführers, die pro Gast ca. 580 € gekostet hat, ist steuerlich unangemessen und daher nicht absetzbar. Dies beinhaltet auch die Bewirtungskosten, die damit ebenfalls nicht absetzbar sind.
Hintergrund: Nach dem Gesetz sind Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten absetzbar. Hierunter werden auch unangemessene Repräsentationsaufwendungen gefasst.
Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH und feierte mit 162 Gästen seinen Abschied aus dem Berufsleben. Unter den Gästen waren auch elf Personen aus seinem privaten Umfeld. Die Feier fand in einem luxuriösen Gutshof in Franken statt. Für die Feier gab es eine aufwendige Beleuchtung, Getränkekarten aus Hartschaum und Acryl, eine Zigarren-Lounge, ein Barrista-Bike, Feuertänzer sowie ein Zirkusprogramm. Außerdem trat ein regional bekanntes Trio auf, und es wurde für die Gäste ein Trommelworkshop mit 170 Trommeln angeboten. Für die Feier entstanden Kosten in Höhe von ca. 95.000 €, in denen die Bewirtungskosten enthalten waren. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Werbungskosten unter Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Nürnberg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Aufwendungen waren steuerlich nicht absetzbar, da es sich um unangemessene Repräsentationsaufwendungen handelte. Die Kosten für eine unangemessene Repräsentation fallen unter das gesetzliche Abzugsverbot für Aufwendungen, das auch den Abzug von Aufwendungen für eine Jagd oder Fischerei, Segel- oder Motorjacht untersagt.
Die Unangemessenheit ergibt sich aus dem luxuriösen Ort, nämlich dem sehr anspruchsvollen Gutshof, auf dem schon königliche Gäste verweilt hatten, und der aufwendigen Art und Weise der Unterhaltung. Hierzu gehörten die aufwendige Beleuchtung, die Getränkekarten aus Hartschaum und Acryl, Besonderheiten wie eine Zigarren-Lounge oder ein Barrista-Fahrrad, auf dem Kaffee serviert wurde, die Feuertänzer, das Zirkusprogramm, der Auftritt eines regional bekannten Trios und der Trommel-Workshop mit 170 Trommeln.
Die Unangemessenheit folgt auch aus den hohen Kosten. Denn pro Gast ergab sich ein Kostenanteil von ca. 580 €, der deutlich über dem gesetzlichen Freibetrag von 110 € für Betriebsveranstaltungen liegt.
Die Nichtabziehbarkeit umfasst auch die Bewirtungskosten, da das Gesetz diese ausdrücklich als nicht abziehbar ansieht, wenn die Veranstaltung unangemessen ist.
Hinweise: Typische Beispiele für unangemessene Repräsentationsveranstaltungen sind Oldtimer-Rallyes, Golfturniere oder Reitturniere. Ein sog. Herrenabend, bei dem ein Rechtsanwalt seine männlichen Mandanten einlädt und pro Mandant Kosten in Höhe von ca. 60 € entstehen, ist hingegen nicht unangemessen.
Quelle: FG Nürnberg, Urteil v. 19.10.2022 - 3 K 51/22; NWB
03.04.2023
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat März 2023 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2023 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 3.4.2023 - III C 3 - S 7329/19/10001 :005 (2023/0331980); NWB
03.04.2023
Die kurzfristige Vermietung beweglicher Wohncontainer an Arbeitnehmer wird mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % besteuert. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz setzt nämlich nicht voraus, dass ein Grundstück zur Nutzung überlassen wird.
Hintergrund: Nach dem Gesetz wird die Umsatzsteuer auf 7 % ermäßigt, wenn Wohn- und Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung an Fremde vermietet werden. Die langfristige Vermietung von Grundstücken ist hingegen umsatzsteuerfrei.
Sachverhalt: Der Kläger war Landwirt. Er beschäftigte in der Spargelsaison ca. 100 Erntehelfer. Er vermietete den Erntehelfern für maximal drei Monate Räume in Wohncontainern, die nicht in das Erdreich eingelassen waren, sondern auf Steinsockeln standen. Er versteuerte die Mietumsätze mit einer Umsatzsteuer von 7 %. Das Finanzamt versagte den ermäßigten Umsatzsteuersatz mit der Begründung, der Kläger habe keine Grundstücke vermietet.
Entscheidung: Der BFH gewährte den ermäßigten Umsatzsteuersatz und gab der Klage statt:
Die gesetzliche Regelung zum ermäßigten Umsatzsteuersatz verlangt lediglich, dass Wohn- und Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung an Fremde vermietet werden.
Diese Voraussetzungen waren erfüllt. Bei den Arbeitnehmern handelte es sich um Fremde. Und die vermieteten Container stellten Wohn- und Schlafräume dar, die kurzfristig für drei Monate vermietet wurden.
Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei den Wohn- und Schlafräumen um Grundstücke handelt. Zwar setzt die Umsatzsteuerfreiheit bei der langfristigen Vermietung die Überlassung von Grundstücken voraus; dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut aber nicht beim ermäßigten Umsatzsteuersatz für die kurzfristige Vermietung.
Hinweise: Dem BFH zufolge läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vor, wenn die Übernachtung in einem Hotel dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterläge, nicht aber die Übernachtung in einem Wohncontainer. Denn aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers befriedigen beide Übernachtungsarten den Bedarf an kurzfristiger Unterbringung und sind daher umsatzsteuerlich gleichwertig. von Grundstücken voraus; dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut aber nicht beim ermäßigten Umsatzsteuersatz für die kurzfristige Vermietung.
Quelle: BFH, Urteil v. 29.11.2022 - XI R 13/20; NWB
31.03.2023
Die laufenden Zahlungen aus einem Stipendium für einen Doktoranden können als sonstige Einkünfte einkommensteuerbar sein, wenn der Doktorand eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat. Ist dies der Fall, ist das Stipendium nicht steuerfrei, soweit es nicht aus öffentlichen Mitteln erbracht wird, sondern von einer GmbH, die Promotionen fördert.
Hintergrund: Wiederkehrende Zahlungen können als sog. sonstige Einkünfte steuerbar sein. Stipendien sind steuerfrei, wenn sie aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin promovierte in den Jahren 2012 bis 2014 in Sachsen. Hierfür erhielt sie ein Stipendium in Höhe von 800 € monatlich, das aus öffentlichen Mitteln erbracht wurde. Allerdings wurde der Klägerin das Stipendium nur unter der Voraussetzung gewährt, dass sie ein sächsisches Unternehmen findet, das in gleicher Höhe ein Stipendium leistet. Auf diese Weise sollte das Stipendium in Höhe von monatlich 1.600 € von öffentlicher und privater Hand gemeinsam finanziert werden. Die Klägerin fand eine in Sachsen ansässige GmbH, die ihr ebenfalls ein monatliches Stipendium in Höhe von 800 € gewährte. Das Finanzamt erfasste die von der GmbH geleisteten Stipendiumszahlungen als freiberufliche Einkünfte.
Entscheidung: Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Der BFH hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Stipendiumszahlungen können als sog. wiederkehrende Bezüge steuerbar sein und zu den sonstigen Einkünften gehören. Denn sie erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten.
Allerdings sind Stipendiumszahlungen nur dann steuerbar, wenn der Stipendiat eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat. Allein die durch das Stipendium geförderte wissenschaftliche Leistung ist keine wirtschaftliche Gegenleistung. Denn das Promotionsvorhaben wird nicht deshalb durchgeführt, um Einnahmen in Form von Stipendiumszahlungen zu erhalten. Es genügt auch nicht, dass sich die Klägerin gegenüber der GmbH verpflichtet hat, ihre gesamte Arbeitskraft der Promotion zu widmen.
Das FG muss nun prüfen, ob die Klägerin zu einer wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Gegenleistung verpflichtet war. Sollte dies zu bejahen sein, wäre das Stipendium, soweit es von der GmbH gezahlt worden ist, steuerpflichtig. Denn die gesetzliche Steuerfreiheit für Stipendien gilt nur für Stipendien, die aus öffentlichen Mitteln erbracht werden; hierzu gehören die Mittel der GmbH nicht.
Hinweise: Anders ist dies beim sog. Deutschlandstipendium, das sich aus öffentlichen und aus privaten Fördermitteln zusammensetzt; denn die privaten Fördermittel werden von den Hochschulen eingeworben und gehen dann in die Mittel der jeweiligen Hochschule ein, so dass sie im Ergebnis auch aus öffentlichen Mitteln geleistet werden. Beim sächsischen Stipendium (sog. ESF-Stipendium) erhielt die Klägerin die Hälfte ihrer monatlichen Zahlung jedoch unmittelbar von der GmbH und damit aus privaten Mitteln.
Quelle: BFH, Urteil v. 28.9.2022 - X R 21/20; NWB
30.03.2023
Werden dem Arbeitnehmer sog. Stock Options (Aktienoptionen) verbilligt gewährt, führt dies zu einem grundsätzlich steuerpflichtigen geldwerten Vorteil beim Arbeitnehmer, der ihm aber erst mit der Ausübung der Optionen zufließt. Der geldwerte Vorteil ist zeitraumbezogen für die Tätigkeit zwischen der Gewährung der Optionen und dem Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit gewährt worden; dies wirkt sich aus, wenn der Arbeitnehmer bei Erhalt der Optionen nicht in Deutschland wohnhaft war, wohl aber bei der späteren Ausübung der Optionen.
Hintergrund: Zum Arbeitslohn gehört nicht nur das Gehalt, sondern auch alle anderen geldwerten Vorteile, die der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.
Sachverhalt: Der Kläger war im Zeitraum 2001 bis 31.3.2005 Geschäftsführer einer in den USA ansässigen Y-Gesellschaft, die zu einem in Deutschland ansässigen Konzern gehörte. Der Kläger wohnte in diesem Zeitraum auch in den USA. Am 1.4.2003 erhielt der Kläger von der Y-Gesellschaft 45.000 Stock Options (Aktienoptionen) zu einem verbilligten Preis; er durfte die Optionen ab dem 1.4.2005 zu 50 % und ab dem 1.4.2006 zu 100 % ausüben. Am 31.3.2005 beendete der Kläger seine Tätigkeit für die Y-Gesellschaft und zog im Mai 2005 nach Deutschland. Im Streitjahr 2011 übte der Kläger 10.000 Optionen aus und erzielte hieraus einen Gewinn.
Entscheidung: Der BFH bejahte im Grundsatz eine zumindest anteilige Steuerpflicht im Jahr 2011, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG):
Der verbilligte Erwerb der Optionen führte an sich zu einem geldwerten Vorteil, der dem Kläger im Jahr 2011 aufgrund der Ausübung der Option zugeflossen ist.
Allerdings ist zu beachten, dass der Kläger nicht im gesamten Zeitraum zwischen der Gewährung der Optionen und der Ausübung der Optionen in Deutschland ansässig und damit steuerpflichtig war, sondern bis zum 31.3.2005 in den USA wohnte und dort tätig war. Dies kann dazu führen, dass das Besteuerungsrecht bei den USA liegt. Denn die Aktienoptionen werden nicht für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung gewährt, sondern dienen als sog. Anreiz-Lohn für einen zukünftigen Zeitraum, dem sog. Erdienenszeitraum. Dieser Zeitraum erstreckt sich in der Regel vom Zeitpunkt der Gewährung der Optionen bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit, also vom 1.4.2003 bis zum 1.4.2005. In diesem Zeitraum wohnte und arbeitete der Kläger jedoch in den USA.
Soweit die Tätigkeit im Erdienenszeitraum in den USA ausgeübt wurde, steht das Besteuerungsrecht nach den mit den USA abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen den USA zu.
Soweit der Kläger im Erdienenszeitraum aber auf Dienstreisen in Deutschland oder in anderen Staaten außerhalb der USA oder Deutschland tätig war, hat Deutschland das Besteuerungsrecht, weil der Kläger im Zeitpunkt der Ausübung der Option in Deutschland ansässig war.
Hinweise: Dem BFH zufolge ist Deutschland also der sog. Ansässigkeitsstaat im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens. Zwar liegt das Besteuerungsrecht bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich beim Tätigkeitsstaat (USA) und nicht beim Ansässigkeitsstaat (Deutschland); dies gilt aber nicht für die Zeit, in der der Kläger im Erdienenszeitraum Dienstreisen außerhalb der USA unternommen hatte, um z. B. die Konzernmutter in Deutschland oder um Konzerngesellschaften in anderen Staaten zu besuchen. Für diese Zeit der Dienstreisen außerhalb der USA steht Deutschland das Besteuerungsrecht zu, so dass das FG nun die entsprechenden Anteile ermitteln muss, die auf die Tätigkeit in den USA einerseits und auf die Tätigkeit außerhalb der USA während des Erdienenszeitraums entfallen. War der Kläger also zu 20 % im Erdienenszeitraum außerhalb der USA tätig, wäre der Gewinn aus der Ausübung der Optionen zu 20 % in Deutschland steuerpflichtig.
Soweit den USA das Besteuerungsrecht zusteht, ist der geldwerte Vorteil in Deutschland zwar steuerfrei, er unterliegt aber dem sog. Progressionsvorbehalt und erhöht den Steuersatz für die übrigen in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte.
Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 - I R 11/20; NWB
28.03.2023
Halter von Elektroautos können im sog. Treibhausgasminderungs-Quotenhandel die CO2-Emissionseinsparung, welche durch den Antrieb mit Strom statt fossiler Kraftstoffe entsteht, dem Handel mit sog. Treibhausgasminderungs-Quoten anbieten und dadurch Prämienzahlungen erhalten. Für Privatpersonen unterliegt der Erlös nicht der Einkommensteuer. Für andere Bereiche können Prämienerlöse je nach Nutzung des Fahrzeugs steuerpflichtig sein. Hierauf macht das BMF aufmerksam.
Hintergrund: Seit dem Jahr 2022 können Halter von reinen Elektrofahrzeugen die mit ihrem Ladestrom verbundene CO2-Ersparnis nutzen, um sie gegen Prämienzahlungen dem Handel mit sog. Treibhausgasminderungs-Quoten anzubieten. Die Prämienzahlungen, die Halter von Elektrofahrzeugen dafür erhalten, können steuerpflichtig sein. Ausschlaggebend für die Steuerpflicht ist die Frage, ob es sich um ein Fahrzeug im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen handelt und wer im Falle der Dienstwagengestellung an den Arbeitnehmer die Prämie beziehungsweise Quote erhält.
Dem BMF zufolge bedeutet dies im Allgemeinen:
Fahrzeug ist... | Steuerliche Beurteilung |
Betriebsvermögen | Erhaltene Zahlungen sind Betriebseinnahmen und damit als Teil des Gewinns steuerpflichtig. |
Privatvermögen | Der Erlös aus dem Verkauf der THG-Quote ist keiner Einkunftsart zuzuordnen. Erhaltene Zahlungen sind daher „privat“ und unterliegen nicht der Einkommensteuer. |
Dienstwagen | Bei der Überlassung eines betrieblichen Fahrzeugs an Arbeitnehmer ist regelmäßig der Arbeitgeber der Fahrzeughalter. Die Prämie steht daher im Regelfall dem Arbeitgeber zu. Lohnsteuerliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer ergeben sich dann nicht.Anders verhält es sich jedoch in den (Sonder-)Fällen, in denen der Arbeitnehmer die Prämie vereinnahmt, weil er Halter des Fahrzeuges ist oder weil der Arbeitgeber als Fahrzeughalter dem Arbeitnehmer eine Bestätigung für den Quotenhandel erteilt hat. Hier liegt steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.Unabhängig davon, wer die Prämie erhält, gilt für die Dienstwagenbesteuerung: Wird die sog. Fahrtenbuchmethode angewendet oder greift die sog. Kostendeckelung, mindert die Prämie die Gesamtkosten des Fahrzeuges und reduziert damit in diesen Fällen den steuerpflichtigen Nutzungsvorteil aus der Fahrzeugüberlassung. |
Hintergrund der THG-Quote:
Unternehmen der Mineralölwirtschaft, die in Deutschland Otto- oder Dieselkraftstoffe in den Verkehr bringen, sind nach Umweltrecht verpflichtet, die durch diese Kraftstoffe entstehenden Treibhausgasemissionen zu mindern (sogenannte THG-Quote). Jede Nichterfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen CO2-Minderung wird für jede Tonne CO2 mit einer staatlichen Abgabe sanktioniert.
Verpflichtete Unternehmen können die Quotenverpflichtung zum Beispiel durch Beimischung oder Verkauf von reinem Biokraftstoff oder eFuels sowie durch die Anrechnung von in Elektrofahrzeugen genutztem Strom erfüllen. Dabei können die Unternehmen ihre Verpflichtungen selbst erfüllen oder sie an Dritte übertragen ("THG-Quotenhandel"). Die Anrechnung von Strom ist als eine mögliche Minderungsoption der Verpflichteten in der „Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmungen zur Treibhausgasminderung bei Kraftstoffen - 38. BImSchV“ geregelt.
Neben den öffentlichen Ladepunkten, ist auch Strom anrechenbar, der anderweitig zum Betrieb von Elektrofahrzeugen aus dem Stromnetz entnommen wurde. Die Teilnahme am Quotenhandel ist unabhängig davon, ob das Fahrzeug zum Betriebs- oder Privatvermögen gehört. Damit reicht das Spektrum der Quotenverkäuferinnen und Quotenverkäufer aus Ladestrom nunmehr von privaten Halterinnen und Haltern eines E-Fahrzeuges bis zu professionellen Betreiberinnen und Betreibern von Pkw-, Nutzfahrzeug- oder Busflotten. Der Nachweis über die Berechtigung zum Verkauf der Quote ist durch eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I (früher Fahrzeugschein) eines im Inland zugelassenen Fahrzeugs zu erbringen.
Mit Beginn des Jahres 2022 und aktuell bis zum Jahr 2030 kann somit jede Fahrzeughalterin und jeder Fahrzeughalter eines rein batterieelektrischen Fahrzeugs (E-Auto, E-Leichtnutzfahrzeug oder E-Bus) von der THG-Quote finanziell profitieren. Anspruchsberechtigt ist die beziehungsweise der im Fahrzeugschein eingetragene Halterin oder Halter. Die Zahlung kann aber auch an eine andere Person erfolgen, wenn diese nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil I eingetragen ist, jedoch eine Bestätigung des Halters – und damit eine Art Freigabebescheinigung – vorlegt. Die ersten Auszahlungen sind bereits in 2022 erfolgt.
Quelle: BMF online, Meldung v. 28.10.2022; NWB
16.11.2022
Wird im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung eine Umsatzsteuervorauszahlung bis zum 10.1. des Folgejahres gezahlt und tritt die Fälligkeit aufgrund einer Dauerfristverlängerung aber erst am 10.2. des Folgejahres ein, ist ein Betriebsausgabenabzug erst im Folgejahr möglich. Ein Abzug im Vorjahr als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe ist mangels Fälligkeit bis zum 10.1. des Folgejahres nicht möglich.
Hintergrund: Bei der Einnahmen-Überschussrechnung gilt grundsätzlich das Zufluss- und Abflussprinzip. Ausgaben sind daher grundsätzlich im Zeitpunkt des Abflusses als Betriebsausgaben geltend zu machen. Das Gesetz enthält aber eine Ausnahme für sog. wiederkehrende Ausgaben, die innerhalb von zehn Tagen nach dem Jahreswechsel gezahlt werden, aber das vorherige Jahr betreffen: Sie werden in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Eine Umsatzsteuerzahlung für Dezember 2021, die am 5.1.2022 an das Finanzamt gezahlt wird, ist aufgrund dieser Regelung grundsätzlich im Jahr 2021 als Betriebsausgabe abziehbar; denn Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen aufgrund von Voranmeldungen gelten als wiederkehrende Zahlungen.
Sachverhalt: Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Für ihre monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen war ihr auf Antrag eine Dauerfristverlängerung gewährt worden, so dass die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2017 erst am 10.2.2018 und nicht schon am 10.1.2018 fällig war. Die Klägerin zahlte die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2017 bereits am 10.1.2018 und machte die Zahlung als Betriebsausgabe des Jahres 2017 geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2017 aber erst im Jahr 2018.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab:
Zwar sind Umsatzsteuervorauszahlungen sog. wiederkehrende Ausgaben, so dass abweichend vom Abflussprinzip ein Betriebsausgabenabzug im Vorjahr möglich ist, wenn die Umsatzsteuer bis zum 10.1. des Folgejahres gezahlt wird. Dies setzt aber auch die Fälligkeit im Zeitraum 1.1. bis 10.1. des Folgejahres voraus.
Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2017 war aufgrund der Dauerfristverlängerung erst am 10.2.2018 fällig, d. h. nach dem 10.1.2018. Die Zahlung ist daher im Jahr 2018 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
In Fällen der Dauerfristverlängerung ist es nicht gerechtfertigt, vor Fälligkeit geleistete Zahlungen dem Vorjahr zuzurechnen. Denn die gesetzliche Ausnahmeregelung zu wiederkehrenden Ausgaben soll zufällige Ergebnisse vermeiden, die bei Zahlungen um den Jahreswechsel herum geleistet werden. Im Fall einer Dauerfristverlängerung wird die Umsatzsteuer für Dezember aber typischerweise nicht um den Jahreswechsel herum geleistet. Würde man eine regelmäßig wiederkehrende Ausgabe annehmen, würden sich für den Unternehmer Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, indem er die Umsatzsteuer vor der Fälligkeit zahlt, um einen Betriebsausgabenabzug im Vorjahr zu ermöglichen.
Hinweise: Der BFH hat vor kurzem entschieden, dass der Ansatz einer regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe und der daraus resultierende Betriebsausgabenabzug im Vorjahr verlangt, dass die Fälligkeit im Zeitraum 1.1. bis 10.1. des Folgejahres eintritt. Eine bereits seit dem Vorjahr fällige Zahlung, z. B. die Umsatzsteuer für den April des Vorjahres, kann also nicht dadurch dem Vorjahr zugeordnet werden, dass sie im Zeitraum vom 1.1. bis 10.1. des Folgejahres gezahlt wird. Diese Grundsätze überträgt der BFH in der aktuellen Entscheidung nun auf die vorzeitige Zahlung, bei der die Fälligkeit erst nach dem 10.1. des Folgejahres eintritt und die Zahlung aber im Folgejahr bis zum 10.1. geleistet wird.
Das Urteil hat bei der Einnahmen-Überschussrechnung zur Folge, dass sich eine Voranmeldung für Dezember oder für das IV. Quartal im Fall der Dauerfristverlängerung erst im Folgejahr gewinnmindernd auswirken kann, da die Fälligkeit erst am 10.2. des Folgejahres eintritt.
Die hier streitige Regelung für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gibt es spiegelbildlich auch für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen.
Quelle: BFH, Urteil v. 21.6.2022 - VIII R 25/20; NWB
15.11.2022
Die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche wirtschaftliche Verflechtung besteht nicht, wenn der potenzielle Organträger lediglich ohne Weiteres austauschbare Büroräume an die potenzielle Organgesellschaft vermietet. Besteht keine umsatzsteuerliche Organschaft, sind die Geschäftsführungsleistungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft umsatzsteuerbar.
Hintergrund: Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft werden der Organträger und seine Organgesellschaften als ein Unternehmen zusammengefasst, so dass nur der Organträger Umsatzsteuer schuldet, und zwar auch für die Umsätze, die die Organgesellschaften ausgeführt haben. Der Organträger macht auch die Vorsteuern für die Organgesellschaften geltend. Eine Organschaft besteht, wenn eine Organgesellschaft wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.
Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Z war. Die Klägerin war Komplementärin der A-KG, aber nicht an deren Vermögen beteiligt. Außerdem übernahm die Klägerin die Geschäftsführung der A-KG und hatte insoweit im Jahr 2013 einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die A-KG in Höhe von 24.000 €; ab 2014 erhielt die Klägerin eine monatliche Vergütung von 5.000 €. Kommanditist der A-KG war ebenfalls Z. Sowohl die Klägerin als auch die A-KG hatten ihren Sitz in Geschäftsräumen in A-Stadt; die Räume umfassten eine Fläche von 123 qm. Vermieter der Geschäftsräume waren Z und seine Ehefrau, die je zur Hälfte Eigentümer der Geschäftsräume waren. Die Klägerin ging von einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen ihr, der A-KG und dem Z aus und behandelte daher ihre Geschäftsführungsleistungen als nichtsteuerbare Innenumsätze. Das Finanzamt hielt die Geschäftsführungsleistungen hingegen für umsatzsteuerbar und -pflichtig und setzte entsprechende Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Geschäftsführungsleistungen der Klägerin gegenüber der A-KG waren umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Es handelte sich nicht um nichtsteuerbare Innenumsätze, da zwischen der Klägerin, der A-KG und dem Z keine umsatzsteuerliche Organschaft bestand.
Für eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und Z als Organträger fehlte es an der wirtschaftlichen Eingliederung. Eine wirtschaftliche Eingliederung liegt vor, wenn die Unternehmensbereiche der Organgesellschaft und des Organträgers miteinander verflochten sind. Z hat lediglich als angestellter Geschäftsführer, nicht aber als Selbständiger Geschäftsführungsleistungen an die Klägerin erbracht. Und die Vermietung der Geschäftsräume ist nicht an die Klägerin erfolgt, sondern an die A-KG.
Es bestand auch keine mittelbare wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des Z. Anhaltspunkt hierfür wäre die Vermietung der Geschäftsräume; diese waren aber nicht in besonderer Weise für das Unternehmen der Klägerin ausgestattet, sondern ohne Weiteres austauschbar. Daher genügt dies nicht für eine wirtschaftliche Eingliederung.
Schließlich bestand auch keine Organschaft zwischen der Klägerin und der A-KG. Denn beides waren Schwestergesellschaften mit demselben Gesellschafter, nämlich Z, aber sie waren nicht aneinander beteiligt. Daher konnte weder die Klägerin die A-KG beherrschen noch umgekehrt die A-KG die Klägerin beherrschen.
Hinweise: Für eine wirtschaftliche Eingliederung genügt es auch nicht, wenn der Organträger Verwaltungsaufgaben der Organgesellschaft in der Buchführung oder Personalverwaltung übernimmt.
Die Vereinbarkeit der umsatzsteuerlichen Organschaft mit dem Europarecht ist noch nicht abschließend geklärt. Hierzu sind zwei Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig. So muss geklärt werden, ob überhaupt ein Organträger Steuerschuldner für die Organgesellschaften sein kann und ob anstelle des Organträgers eine sog. Mehrwertsteuergruppe als Steuerschuldner anzusehen ist. Der BFH hat den Ausgang dieser Verfahren beim EuGH aber im aktuellen Fall nicht abgewartet, weil er bereits die wirtschaftliche Eingliederung und damit die Organschaft abgelehnt hat.
Quelle: BFH, Urteil v. 1.2.2022 - V R 23/21; NWB
14.11.2022
Nutzt ein Arbeitnehmer, der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, ein steuerlich anzuerkennendes häusliches Arbeitszimmer für berufliche Zwecke für sich allein, kann er die auf die Arbeitszimmerfläche entfallenden Kosten in voller Höhe absetzen, sofern er sich in dieser Höhe an den Raumkosten beteiligt hat. Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs auf 50 % der auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Kosten würde gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen, welches die Berücksichtigung beruflich bzw. betrieblich veranlasster Kosten verlangt.
Hintergrund: Grundsätzlich kann der Steuerpflichtige nur eigene Kosten absetzen, nicht aber Aufwendungen eines Dritten, den sog. Drittaufwand.
Streitfall: Der Kläger war angestellter Vertriebsleiter und hatte mit seiner Lebensgefährtin ein Einfamilienhaus gemeinsam angemietet. Beide trugen die jährlichen Kosten von ca. 26.000 €. Der Kläger nutzte für seine nichtselbständige Tätigkeit ein Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt seiner beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bildete und daher dem Grunde nach steuerlich abziehbar war. Das Arbeitszimmer machte 10 % der Gesamtfläche des Hauses aus. Der Kläger machte daher 10 % der Hauskosten in Höhe von 26.000 € als Werbungskosten geltend, d.h. 2.600 €. Das Finanzamt berücksichtigte nur 1.300 €, nämlich 50 %, und begründete dies damit, dass der Kläger nur die Hälfte der Raumkosten getragen habe.
Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) gab der Klage statt und erkannte insgesamt 2.600 € als Werbungskosten an:
Die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers lagen dem Grunde nach vor. Denn das Arbeitszimmer bildete den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers.
Der Höhe nach waren 2.600 € als Werbungskosten anzuerkennen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger die Kosten für das nur von ihm genutzte Arbeitszimmer allein getragen hat und sich seine Lebensgefährtin an den Kosten für das Arbeitszimmer nicht beteiligt hat.
Bei verheirateten Arbeitnehmern kann ein Ehegatte, der ein Arbeitszimmer allein nutzt, die gesamten Aufwendungen für das Arbeitszimmer steuerlich geltend machen, maximal bis zur Höhe der von ihm getragenen Aufwendungen. Dieser Grundsatz muss nach dem sog. objektiven Nettoprinzip, nach dem beruflich bzw. betrieblich veranlasste Aufwendungen steuerlich abziehbar sein müssen, auch für nicht verheiratete Steuerpflichtige gelten.
Der Kläger hat tatsächlich auch Aufwendungen in Höhe von 2.600 € getragen.
Hinweise: In vergleichbarer Weise hat bereits das FG München im Jahr 2021 entschieden. Sowohl das FG München als auch das FG Düsseldorf behandeln verheiratete und nicht verheiratete Partner gleich. Allerdings ist dies nicht ganz unproblematisch, da das Grundgesetz nur die Ehe schützt, nicht aber nichteheliche Lebensgemeinschaften.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil v. 9.9.2022 - 3 K 2483/20; NWB
11.11.2022
Die isolierte Einlagerung eingefrorener Eizellen ist als ärztliche Heilbehandlung umsatzsteuerfrei, wenn sie Teil einer Fruchtbarkeitsbehandlung mit einer Kryokonservierung ist und Einlagerung und Kryokonservierung zwar nicht durch denselben Arzt, sondern durch zwei personenidentische Gesellschaften, an der die Ärzte beteiligt sind, vorgenommen werden.
Hintergrund: Ärztliche Heilbehandlungen sind umsatzsteuerfrei.
Streitfall: Die Klägerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter Frauenärzte waren, die zugleich die Frauenarztpraxis F-Praxis betrieben. Die GbR lagerte sowohl tiefgekühlte Samen- und Eizellen, damit diese künstlich befruchtet werden konnten, als auch tiefgekühlte befruchtete Eizellen ein; die vorherige oder nachfolgende künstliche Befruchtung wurde in ärztlicher Hinsicht von der F-Praxis betreut. Das Finanzamt gewährte der Klägerin nicht die Umsatzsteuerfreiheit, weil die ärztliche Leistung nicht von der Klägerin, sondern von der F-Praxis erbracht worden war.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gewährte die Umsatzsteuerfreiheit und gab der Klage statt:
Die Umsatzsteuerfreiheit für ärztliche Heilbehandlungen gilt auch für die isolierte Einlagerung eingefrorener Eizellen, bei der die künstliche Befruchtung von einem anderen Unternehmer betreut wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei dem einlagernden Unternehmer und dem behandelnden Unternehmer um dieselben Personen handelt.
Im Streitfall waren an der Klägerin sowie an der F-Praxis dieselben Ärzte beteiligt. Die Leistungen der Ärzte sind umsatzsteuerfrei. Die ärztliche Leistung ist in der Fruchtbarkeitsbehandlung zu sehen. Mit dieser ärztlichen Leistung ist die Einlagerung der tiefgefrorenen Ei- und Samenzellen verbunden, da sie denselben therapeutischen Zweck verfolgt.
Hinweise: Der BFH hatte bereits im Jahr 2015 entschieden, dass die weitere Einlagerung von Eizellen umsatzsteuerfrei ist, wenn sie durch den behandelnden Arzt erfolgt. Die Finanzverwaltung ist dem gefolgt und hat die sog. weitere Lagerung als umsatzsteuerfrei angesehen, nicht aber die sog. bloße Lagerung, bei der die ärztliche Behandlung durch einen anderen Unternehmer erfolgt. Der BFH widerspricht der Finanzverwaltung nun für den Fall, dass die beiden Unternehmer personenidentische Gesellschaften sind.
Quelle: BFH, Beschluss v. 7.7.2022 - V R 10/20; NWB
10.11.2022
Der Anspruch eines Klägers im Finanzgerichtsverfahren auf Prozesszinsen besteht nicht für den Zeitraum, in dem ihm während des Klageverfahrens die Steuer zurückbezahlt worden ist, nachdem vorübergehend Aussetzung der Vollziehung gewährt worden war. Anderenfalls käme es zu einer Überkompensation beim Kläger.
Hintergrund: Wird durch eine Entscheidung eines Finanzgerichts die festgesetzte Steuer herabgesetzt, wird der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit der Klage an bis zum Auszahlungsbetrag verzinst. Sofern der Kläger die Steuer erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit gezahlt hat, beginnt die Verzinsung erst mit dem Tag der Zahlung. Der Zinssatz beträgt 6 % jährlich.
Streitfall: Die Klägerin erhob am 22.12.2011 Klage gegen ihre Steuerfestsetzung; die Steuer hatte sie bereits bezahlt. Auf Antrag der Klägerin gewährte das Finanzgericht im Mai 2014 Aussetzung der Vollziehung (AdV), so dass das Finanzamt im Mai 2014 die Steuer an die Klägerin erstattete. Auf Beschwerde des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof (BFH) den AdV-Beschluss aber auf, so dass die Klägerin die Steuer am 24.12.2014 wieder an das Finanzamt bezahlte. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Norm, auf der die Steuerfestsetzung beruhte, für verfassungswidrig erklärt hatte, zahlte das Finanzamt am 19.6.2017 die Steuer erneut an die Klägerin zurück. Das Finanzamt setzte zugunsten der Klägerin Prozesszinsen fest, und zwar für den Zeitraum vom 22.12.2011 bis zum 19.6.2017 abzüglich der Zeitspanne vom 19.5.2014 bis zum 24.12.2014, in der der Klägerin die Steuer aufgrund des AdV-Beschlusses des FG vorübergehend erstattet worden war. Die Klägerin machte Prozesszinsen auch für den Zeitraum vom 19.5.2014 bis zum 24.12.2014 geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Verzinsung kommt nur für den Zeitraum in Betracht, in dem die Klägerin die Steuer bezahlt hat und über das Geld nicht verfügen konnte.
Eine Verzinsung für einen Zeitraum, in dem die Steuer aufgrund einer gewährten AdV vom Finanzamt an die Klägerin zurückgezahlt worden ist, scheidet aus. Denn in diesem Zeitraum konnte die Klägerin über das Geld verfügen, so dass eine Verzinsung zu ihren Gunsten zu einer Überkompensation führen würde.
Zwar konnte die Klägerin das Geld im Zeitraum vom 19.5.2014 bis zum 24.12.2014 nicht langfristig anlegen, weil sie damit rechnen musste, die Steuer nach Abschluss des Klageverfahrens wieder an das Finanzamt zu zahlen. Dies rechtfertigt aber nicht, für diesen Zeitraum Prozesszinsen zu gewähren.
Der erste Verzinsungszeitraum begann am 22.12.2011, da die Klägerin an diesem Tag die Klage erhoben und die Steuer bezahlt hatte, und endete am 19.6.2017, als das Finanzamt die Steuer aufgrund des AdV-Beschlusses zurückzahlte. Der zweite Verzinsungszeitraum begann am 24.12.2014, nachdem der Kläger aufgrund der Aufhebung des AdV-Beschlusses durch den BFH die Steuer erneut bezahlt hatte, und endete am 19.6.2017 mit der endgültigen Erstattung der Steuer an den Kläger. Insgesamt beträgt der Verzinsungszeitraum 58 Monate, da angefangene Monate außer Ansatz bleiben.
Hinweise: Da der Verzinsungszeitraum in zwei Teile aufgespalten wird, bleiben zweimal angefangene Monate außer Ansatz. Dieser Nachteil ist vom Kläger hinzunehmen, weil die Verzinsungsregelung pauschal ist.
Durch die Verzinsung werden Folgenbeseitigungs- oder Schadensersatzansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen. Der Kläger könnte also, soweit er einen weitergehenden Schaden erlitten hat, einen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Hierfür wäre dann aber das Landgericht zuständig und nicht die Finanzgerichtsbarkeit.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.5.2022 - VII R 34/19; NWB
08.11.2022
Der Betriebsausgabenabzug eines Unternehmers für Zahlungen an eine ausländische Briefkastengesellschaft kann nicht aufgrund eines erfolglosen Benennungsverlangens beschränkt werden, wenn die ausländische Briefkastengesellschaft dem Unternehmer Bauleistungen in Rechnung gestellt hat und der Unternehmer hierfür Bauabzugsteuer angemeldet und abgeführt hat. Es kommt dann nämlich zu einer gesetzlichen Sperrwirkung der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs, und zwar auch dann, wenn die ausländische Briefkastengesellschaft die Bauleistungen nicht erbracht haben sollte.
Hintergrund: Werden an einen Unternehmer Bauleistungen erbracht, muss dieser grundsätzlich eine Bauabzugsteuer von 15 % einbehalten und an das Finanzamt abführen, es sei denn, der leistende Bauunternehmer verfügt über eine Freistellungsbescheinigung, die ihm auf Antrag erteilt wird, nachdem das Finanzamt geprüft hat, ob der Bauunternehmer voraussichtlich seine steuerlichen Pflichten erfüllen wird.
Auf Verlangen des Finanzamts muss der Unternehmer nachweisen, wer der Empfänger der von ihm geltend gemachten Zahlungen ist, sog. Benennungsverlangen. Anderenfalls kann das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug versagen oder zumindest beschränken. Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut aber nicht, wenn der Unternehmer Bauleistungen empfangen hat und hierfür die Bauabzugsteuer einbehalten und abgeführt hat.
Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die im Baubereich tätig war. Sie erhielt Rechnungen von britischen Subunternehmen und leistete im Streitjahr 2002 Zahlungen an diese in Höhe von ca. 950.000 €. Bei allen britischen Subunternehmen handelte es sich um wirtschaftlich nicht aktive Briefkastengesellschaften. Die Klägerin behielt von den Zahlungen die Bauabzugsteuer von 15 % ein und führte diese an das Finanzamt ab. Das Finanzamt richtete an die Klägerin ein Benennungsverlangen und forderte sie auf, den tatsächlichen Empfänger der Zahlungen zu benennen. Nachdem die Klägerin diesem Benennungsverlangen nicht nachgekommen war, kürzte das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug in Höhe von 70 %, so dass nur 30 % von 950.000 € als Betriebsausgaben anerkannt wurden.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs aufgrund eines nicht erfüllten Benennungsverlangens ist nach dem Gesetz nicht möglich, wenn der Unternehmer Bauleistungen als Betriebsausgaben geltend macht und auf die Bauleistungen Bauabzugsteuer einbehalten und abgeführt hat.
Dies gilt auch dann, wenn es sich bei demjenigen, der die Bauleistungen in Rechnung gestellt hat, um eine ausländische Briefkastengesellschaft handelt, die wirtschaftlich nicht aktiv ist. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig.
Der Gesetzgeber hat bei der Einführung der Bauabzugsteuer gesehen, dass Bauleistungen von Scheinunternehmen oder Briefkastengesellschaften in Rechnung gestellt werden könnten, und auch insoweit die Einbehaltung und Abführung der Bauabzugsteuer angeordnet. Zugleich wollte der Gesetzgeber damit aber den Leistungsempfänger aus der Gefahr eines Benennungsverlangens herausnehmen.
Hinweise: Eine einschränkende Auslegung des Gesetzes zulasten der Klägerin hat der BFH abgelehnt, da der Gesetzeswortlaut Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist. Gleichermaßen hat der BFH einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verneint. Empfänger von Bauleistungen werden nicht gleichheitswidrig bevorzugt, da sie die Bauabzugsteuer einbehalten und abführen müssen.
Auf zwei Fragen ist der BFH nicht eingegangen: Wenn die ausländischen Briefkastengesellschaften wirtschaftlich nicht aktiv waren, warum sind dann die Zahlungen an sie betrieblich veranlasst und damit Betriebsausgaben? Sind die in Rechnung gestellten Bauleistungen überhaupt – und zwar von einem anderen Unternehmer – erbracht worden?
Quelle: BFH, Urteil v. 9.6.2022 - IV R 4/20; NWB
07.11.2022
Ein Unternehmer kann die Vorsteuer aus den Kosten aus einer sog. Outplacement-Beratung abziehen, wenn er die Outplacement-Beratung beauftragt, einen Personalabbau umzusetzen und die Outplacement-Beratung nur den unkündbaren Arbeitnehmern anbietet. Für die Kosten der Outplacement-Beratung besteht ein vorrangiges Unternehmensinteresse, das den Vorteil, der sich für die Arbeitnehmer an der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ergibt, überwiegt.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt neben einer ordnungsgemäßen Rechnung und einer Leistung für das Unternehmen grundsätzlich voraus, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz besteht. Der Vorsteuerabzug ist hingegen ausgeschlossen, wenn die vom Unternehmer bezogene Leistung für eine Entnahme bzw. den privaten Bedarf seiner Arbeitnehmer verwendet werden soll.
Streitfall: Die Klägerin war Arbeitgeberin und musste ihren Personalaufwand reduzieren. Sie beschäftigte viele Arbeitnehmer, die unkündbar waren oder bei denen betriebsbedingte Kündigungen aufgrund von Tarifverträgen ausgeschlossen waren. Daher bedurfte die Klägerin der Zustimmung ihrer Mitarbeiter zur Aufhebung der Arbeitsverträge. Die Klägerin beauftragte mehrere sog. Outplacement-Unternehmen, die die unkündbar und unbefristet angestellten Arbeitnehmer u. a. betreuen und bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz unterstützen sollten. Aus den hierfür entstandenen Kosten machte die AG den Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug nur teilweise an, soweit er nämlich auf die allgemeine Beratung und auf sog. Erfolgspauschalen entfiel; das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug jedoch insoweit, als es um die individuelle Beratung wie z.B. die Erstellung von Bewerbungsmappen und um die psychologische Betreuung der Arbeitnehmer ging.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gewährte den Vorsteuerabzug und gab der Klage statt:
Zwar bestand nicht der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingang- und Ausgangsumsatz, da die Klägerin die eingekauften Outplacement-Leistungen nicht für eigene Ausgangsumsätze verwendete.
Jedoch bestand für die Klägerin ein vorrangiges Unternehmensinteresse an der Outplacement-Beratung, weil die Beratung die Arbeitnehmer zu einem Wechsel ihres Arbeitsplatzes bewegen sollten. Dieses Unternehmensinteresse überwog den Vorteil, der sich für den Arbeitnehmer aus der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ergab. Denn eine Outplacement-Beratung erhielten nur Arbeitnehmer, die die Klägerin nicht mehr beschäftigen wollte und die unkündbar oder unbefristet beschäftigt waren. Die Klägerin hatte also keinen Zuwendungswillen gegenüber diesen Mitarbeitern, sondern wollte sich von denjenigen Mitarbeitern trennen, bei denen sie vermutete, dass diese aufgrund ihrer unkündbaren Stellung kein Interesse an einem aufgezwungenen Arbeitgeberwechsel hatten.
Hinweise: Aus Sicht des Finanzamts scheidet der Vorsteuerabzug bei Sachleistungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer häufig deshalb aus, weil die Leistungen dem privaten Konsum der Arbeitnehmer dienen könnten. Aber dies ist nach dem BFH eben nicht der Fall, wenn das Unternehmensinteresse überwiegt. So hat der BFH den Vorsteuerabzug z.B. für Maklerkosten gewährt, die der Arbeitgeber im Fall eines beruflich veranlassten Umzugs des Arbeitnehmers übernimmt, wenn der Arbeitgeber an dem Umzug ein unternehmerisches Interesse hat; dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an einer anderen Betriebsstätte oder an einer anderen Konzerngesellschaft benötigt und ihn deshalb zu einem Umzug bewegen will.
Quelle: BFH, Urteil v. 30.6.2022 - V R 32/20; NWB
04.11.2022
Die Einlage einer wesentlichen GmbH-Beteiligung in das Betriebsvermögen hat stets mit den Anschaffungskosten zu erfolgen und nicht mit dem Teilwert. Die Anschaffungskosten und damit der Einlagewert sind um Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (sog. Einlagenrückgewähr) zu mindern, die vor der Einlage erfolgt sind. Übersteigen Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nach der Einlage den Einlagewert, führt der überschießende Betrag zu gewerblichen Einkünften.
Hintergrund: Eine wesentliche Beteiligung an einer GmbH besteht nach der aktuellen Gesetzeslage ab einer Beteiligung von 1 %. Früher war die Wesentlichkeitsgrenze höher, nämlich bei 10 % und zuvor sogar bei 25 %. Nach dem Gesetz ist eine wesentliche Beteiligung an einer GmbH nicht mit dem Teilwert, sondern höchstens mit den Anschaffungskosten vorzunehmen.
Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die bilanzierte und deren alleiniger Kommanditist der A war. A war außerdem seit 1991 an der B-GmbH beteiligt. Ursprünglich betrug seine Beteiligung nur ca. 20 % und lag damit unterhalb der damals geltenden Grenze für wesentliche Beteiligungen von 25 %. Bis 1997 tätigte die B-GmbH steuerfreie Ausschüttungen aus dem früheren sog. EK 04. 1998 erhöhte A seine Beteiligung an der B-GmbH auf 30 %, so dass er nun wesentlich beteiligt war. Im Dezember 2004 legte er seine Beteiligung in das Betriebsvermögen der Klägerin ein. Nach der Einlage nahm die B-GmbH Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von ca. 640.000 € im Jahr 2005 und in Höhe von ca. 30.000 € im Jahr 2007 vor. Das Finanzamt ging von einem Einlagewert im Jahr 2004 von ca. 327.000 € aus. Soweit die Ausschüttungen in Höhe von 640.000 € und 30.000 € diesen Einlagewert der Beteiligung überstiegen, nämlich in Höhe von 343.000 €, setzte das Finanzamt gewerbliche Beteiligungserträge bei der Klägerin an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Einlage der wesentlichen Beteiligung an der B-GmbH im Jahr 2004 musste nach dem Gesetz mit den Anschaffungskosten bewertet werden und nicht mit dem Teilwert. Auf diese Weise sollen auch die Wertsteigerungen, die vor der Einlage im Privatvermögen eingetreten sind, steuerlich erfasst werden, weil bei einem späteren Verkauf die Anschaffungskosten vom Veräußerungserlös abgezogen werden.
Die ursprünglichen Anschaffungskosten, die der A aufgewandt hat, um zunächst 20 % zu erwerben und dann auf 30 % aufzustocken, waren um die vor der Einlage, nämlich bis 1997, erfolgten steuerfreien Ausschüttungen aus dem sog. EK 04 zu mindern. Dementsprechend fiel der Einlagewert niedrig aus und war nur mit 327.000 € zu bewerten.
Die nach der Einlage erfolgten Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto waren – anders als Gewinnausschüttungen – zwar grundsätzlich steuerfrei, weil lediglich Einlagen zurückgezahlt wurden. Dies gilt aber nur, soweit der Buchwert der Beteiligung von 327.000 € nicht überschritten wird. Soweit hingegen die Ausschüttungen darüber hinaus gingen, waren sie als betriebliche Beteiligungserträge zu erfassen. Insgesamt sind Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von 670.000 € erfolgt, so dass der Buchwert von 327.000 € um 343.000 € überschritten wurde. Dies führte im Jahr 2005 zu einem Beteiligungsertrag von 313.000 € (327.000 € Buchwert minus 640.000 € Ausschüttungen) und im Jahr 2007 zu einem Beteiligungsertrag von 30.000 €, da der Buchwert bereits aufgebraucht war.
Hinweise: Der Fall ist sehr komplex, weil sich im Zeitraum von 1991 bis zum letzten Streitjahr 2007 die Rechtslage mehrfach geändert hat. Für die Klägerin wurde es zum Problem, dass sie insgesamt zu viel aus dem EK 04 und dem steuerlichen Einlagekonto ausgeschüttet hat und damit die Anschaffungskosten gemindert und schließlich aufgebraucht und überschritten hat.
In der Praxis ist zu beachten, dass eine wesentliche GmbH-Beteiligung stets mit den Anschaffungskosten eingelegt wird, und zwar nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage unter die Anschaffungskosten gesunken ist. Auf diese Weise sollen auch Wertminderungen, die vor der Einlage eingetreten sind und die sich ohne Einlage in das Betriebsvermögen bei einer Veräußerung der Beteiligung im Privatvermögen ausgewirkt hätten, steuerlich erfasst werden.
Quelle: BFH, Urteil v. 30.6.2022 - IV R 19/18; NWB
03.11.2022
Bei der Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen für ein studierendes Kind als außergewöhnliche Belastungen sind negative Einkünfte des Kindes aus nichtselbständiger Arbeit nicht mit den BAFöG-Leistungen zu verrechnen. Vielmehr mindern die BAFöG-Leistungen in voller Höhe die abziehbaren Unterhaltsaufwendungen.
Hintergrund: Ein Steuerpflichtiger kann Unterhaltsaufwendungen für einen unterhaltsberechtigten Angehörigen als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Der aktuelle Höchstbetrag beträgt 9.984 € (im Streitjahr 2017 waren es 8.820 €). Der Höchstbetrag erhöht sich noch um bestimmte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Allerdings mindern sich die abziehbaren Unterhaltsaufwendungen zum einen um mögliche Einkünfte und Bezüge des Kindes, soweit die Einkünfte und Bezüge höher als 624 € jährlich sind, und zum anderen um BAFöG-Leistungen.
Streitfall: Die Kläger waren Eltern einer 29 Jahre alten Tochter, die im Streitjahr 2017 studierte und BAFöG-Leistungen in Höhe von 4.020 € erhielt. Außerdem bezog die Tochter aus einem geringfügigen Arbeitsverhältnis einen Arbeitslohn von 1.830 € und machte insoweit Werbungskosten in Höhe von 2.180 € geltend, so dass sich negative Einkünfte in Höhe von 350 € (1.830 € abzüglich 2.180 €) ergaben. Die Kläger machten in ihrer Steuererklärung für 2017 Unterhaltsaufwendungen in Höhe des damaligen Höchstbetrags von 8.820 € sowie in Höhe von 1.100 € aufgrund einer Übernahme von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung geltend. Das Finanzamt rechnete hierauf die BAFöG-Leistungen in Höhe von 4.020 € an, die es um einen Pauschalbetrag von 180 € auf 3.840 € kürzte. Daher berücksichtigte das Finanzamt außergewöhnliche Belastungen nur in Höhe von 6.080 € (8.820 € + 1.100 € ./. 3.840 €). Die Kläger waren der Auffassung, dass die negativen Einkünfte in Höhe von 350 € mit den BAFöG-Leistungen zu verrechnen seien.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Unterhaltsaufwendungen der Kläger waren um die BAFöG-Leistungen zu kürzen. Die BAFöG-Leistungen betrugen 4.020 € und waren lediglich um einen von der Finanzverwaltung eingeräumten Kostenbetrag von 180 € auf 3.840 € zu kürzen; daher minderten sich die abziehbaren Unterhaltsaufwendungen um 3.840 €.
Eine weitere Kürzung der BAFöG-Leistungen um die negativen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 350 € war nicht vorzunehmen. Zwar können negative Einkünfte mit positiven Einkünften verrechnet werden. Eine Verrechnung negativer Einkünfte mit BAFöG-Leistungen ist nach dem Gesetz jedoch nicht vorgesehen. Das Gesetz unterscheidet nämlich zwischen Einkünften und Bezügen einerseits und Ausbildungszuschüssen andererseits. Ausbildungszuschüsse, zu denen BAFöG-Leistungen gehören, werden uneingeschränkt auf die Unterhaltsleistungen angerechnet (sog. Grundsatz der Vollanrechnung), also auch unterhalb der Grenze von 624 €.
Hinweise: Die BAFöG-Leistungen werden deshalb in vollem Umfang auf die abziehbaren Unterhaltsaufwendungen angerechnet, weil sie ebenfalls für die Ausbildung und den Lebensunterhalt geleistet werden.
Eine Anrechnung öffentlicher Ausbildungshilfen ist nach der Rechtsprechung des BFH nur dann nicht gerechtfertigt, wenn sie für Maßnahmen geleistet werden, deren Kosten die Eltern aufgrund ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht zu tragen hätten; die Eltern werden dann nämlich nicht von ihrer Unterhaltspflicht entlastet. Außerdem unterbleibt eine Anrechnung, wenn die Ausbildungsbeihilfe eine besondere Leistung des Studenten oder Auszubildenden belohnen soll und dieser besondere Förderungszweck nicht durch eine Anrechnung konterkariert werden soll.
Quelle: BFH, Urteil v. 8.6.2022 - VI R 45/20; NWB
02.11.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Oktober 2022 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2022 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 1.11.2022 - III C 3 - S 7329/19/10001 :004 (2022/1092650); NWB
02.11.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) weist die Finanzämter an, bei Billigkeitsmaßnahmen wie Stundungen oder Anträgen auf Herabsetzung von Vorauszahlungen keine strengen Anforderungen zu stellen. Hintergrund sind die gestiegenen Energiekosten infolge des Kriegs in der Ukraine.
Hintergrund: Das Verfahrensrecht sieht bei persönlicher Unbilligkeit, wie z.B. einer angespannten finanziellen Lage, verschiedene Billigkeitsmaßnahmen, wie z.B. eine Stundung oder einen Vollstreckungsaufschub, d.h. die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung, vor. Außerdem können Vorauszahlungen herabgesetzt werden, wenn die Einkünfte des laufenden Jahres niedriger sind als bei der Festsetzung der Vorauszahlungen angenommen.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
• Bei Anträgen auf Stundung, auf Vollstreckungsaufschub sowie bei Anträgen auf Herabsetzung von Vorauszahlungen sollen die Finanzämter keine strengen Anforderungen bei der Nachprüfung der Voraussetzungen stellen, wenn die Anträge bis zum 31.3.2023 eingehen.
• Außerdem soll über die Anträge zeitnah entschieden werden. Dabei ist auch eine rückwirkende Herabsetzung von Vorauszahlungen für 2022 möglich.
• Bei einer Stundung für die Dauer von bis zu drei Monaten kann im Einzelfall aus Billigkeitsgründen auf die Erhebung von Stundungszinsen verzichtet werden, wenn der Steuerpflichtige bislang seine Zahlungspflichten pünktlich erfüllt hat und er in der Vergangenheit nicht wiederholt Stundungen und Vollstreckungsaufschübe in Anspruch genommen hat.
Hinweis: Stundungen und Vollstreckungsaufschübe, die in der Vergangenheit aufgrund der Corona-Krise in Anspruch genommen wurden, sind hierbei unschädlich.
Hinweis: Das BMF nimmt für sein aktuelles Schreiben den Krieg gegen die Ukraine und dessen wirtschaftliche Folgewirkungen zum Anlass für sein Schreiben. Es äußert sich zur Notwendigkeit der Sanktionen der EU und zur Völkerrechtswidrigkeit des russischen Überfalls. Diese Ausführungen sind für ein Schreiben des BMF ungewöhnlich und eigentlich auch überflüssig, weil es für Billigkeitsmaßnahmen im Steuerrecht nicht auf die Völkerrechtswidrigkeit eines Kriegs oder die Notwendigkeit von Sanktionen ankommt. Irrelevant ist es nach dem Gesetz auch, ob die für eine Stundung oder für einen Vollstreckungsaufschub erforderliche Unbilligkeit durch den Krieg gegen die Ukraine oder durch die Sanktionen verursacht worden ist. Auf die gestiegenen Energiekosten geht das BMF nur in der Überschrift seines Schreibens ein, so dass es auch nicht darauf ankommen dürfte, dass die Energiekosten des Steuerpflichtigen tatsächlich gestiegen sind.
Im Grundsatz enthält das aktuelle BMF-Schreiben Selbstverständlichkeiten, weil es sich um gesetzliche Billigkeitsmaßnahmen bzw. Anpassungsmöglichkeiten (bei Vorauszahlungen) handelt. Positiv hervorzuheben ist lediglich die Aussage, dass an die Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen keine strengen Anforderungen zu stellen sind. Das bedeutet, dass die Prüfung in der Praxis eher großzügig durchgeführt werden soll.
Quelle: BMF-Schreiben v. 5.10.2022 – IV A 3 – S 0336/22/10004 :001; NWB
31.10.2022
Das Finanzamt kann im Insolvenzverfahren des Steuerpflichtigen nachträglich, d.h. nach Anmeldung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle, anmelden, dass der Steuerforderung eine Steuerstraftat zugrunde liegt, die zum Ausschluss der Restschuldbefreiung führt.
Hintergrund: Macht das Finanzamt Steuerforderungen im Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung geltend, stellt es dies erforderlichenfalls durch schriftlichen Verwaltungsakt fest.
Streitfall: Über das Vermögen des Klägers wurde im Juli 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger beantragte eine Restschuldbefreiung. Das Finanzamt meldete Steuerforderungen der Jahre 2007 sowie 2009 bis 2011 zur Insolvenztabelle an. Die Steuerforderungen wurden im November 2015 zur Insolvenztabelle festgestellt. Im April 2016 wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung der Jahre 2007 sowie 2009 bis 2011 rechtskräftig verurteilt. Das Finanzamt beantragte daraufhin die nachträgliche Ergänzung der Insolvenztabelle durch den Zusatz, dass es sich um Steuerforderungen aus einer Steuerstraftat handelt, die eine Restschuldbefreiung ausschließt. Gegen diese nachträgliche Ergänzung legte der Kläger Widerspruch ein, der in der Insolvenztabelle eingetragen wurde. Daraufhin erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid, in dem es die Steuerforderungen als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Insolvenzforderungen feststellte. Diesen Bescheid focht der Kläger an. Das Insolvenzverfahren wurde im Juli 2019 aufgehoben.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Im Insolvenzverfahren meldet das Finanzamt seine Steuerforderungen zur Tabelle an. Zur Anmeldung gehören auch Tatsachen, die eine Restschuldbefreiung ausschließen, z.B. eine Steuerstraftat, die den Steuerforderungen zugrunde liegt.
Sowohl die Steuerforderung als auch eine Ergänzung kann nachträglich erfolgen, d.h. nach Ablauf der Anmeldefrist. Dies umfasst auch die Ergänzung, dass der Steuerforderung eine Steuerstraftat zugrunde liegt.
Der Feststellungsbescheid war erforderlich, wie dies das Gesetz verlangt. Der Kläger hatte nämlich Widerspruch gegen die nachträgliche Ergänzung der zugrunde liegenden Steuerstraftat eingelegt. Durch den Feststellungsbescheid wurde dieser Widerspruch beseitigt und sichergestellt, dass die Steuerforderungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden.
Hinweise: Die Ergänzung, dass die Forderungen aus einer Steuerstraftat stammen, für die die Restschuldbefreiung ausgeschlossen ist, nennt man „Attribut“. Das Attribut ist wichtig, damit das Finanzamt nicht einen Teil seiner Steuerforderungen durch eine Restschuldbefreiung verliert. Der Steuerpflichtige kann sich gegen dieses Attribut durch einen Widerspruch wehren, den das Finanzamt aber durch einen Feststellungsbescheid beseitigen kann. Gegen diesen Bescheid sind dann der Einspruch und ggf. eine Klage statthaft.
Das Urteil ist nachteilig für Insolvenzschuldner, die Steuerstraftaten begangen haben und eine Restschuldbefreiung anstreben. Denn nach dem Urteil kann das Finanzamt das sog. Attribut auch noch nachträglich ergänzen lassen.
Quelle: BFH, Urteil v. 28.6.2022 - VII R 23/21; NWB
28.10.2022
Erweitert das Finanzamt den Zeitraum einer Außenprüfung auf das Vorjahr des bisherigen Prüfungszeitraums, führt dies für das Vorjahr zu einer Ablaufhemmung bei der Festsetzungsfrist, wenn die Prüfungsanordnung für das Vorjahr vor dem Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung bekannt gegeben wird und wenn der Prüfer mit der Prüfung für das Vorjahr vor dem Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung beginnt. Dabei muss seine Prüfungshandlung aber über eine bloße Vorbereitungshandlung hinausgehen.
Hintergrund: Grundsätzlich dauert die Festsetzungsfrist vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wird. Allerdings kommt es bei einer Außenprüfung zu einer die Festsetzungsfrist verlängernden Ablaufhemmung, wenn vor Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen wird: Die Festsetzungsfrist läuft dann nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.
Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH im Bereich der Bauleistungen. Sie gab ihre Umsatzsteuererklärung für 2015 im Jahr 2016 ab. Das Finanzamt führte für die Umsatzsteuer 2016 bis 2018 eine Außenprüfung durch. Der Prüfer erlangte dabei Anhaltspunkte für eine unrichtige Erfassung der Umsatzsteuer auch für 2015. Er erweiterte mit Prüfungsanordnung vom 15.12.2020 den Prüfungszeitraum auf das Jahr 2015; diese Prüfungsanordnung ging der Klägerin am 21.12.2020 per Post zu. Bereits am 18.12.2020 forderte der Prüfer die Klägerin per Fax zur Vorlage der Buchführungsunterlagen für 2015 sowie der Aufzeichnungen für teilfertige Arbeiten auf. Der Prüfer gelangte für 2015 zu einer Mehrsteuer, so dass das Finanzamt im Oktober 2021 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2015 erließ. Aus Sicht der Klägerin war bereits Verjährung eingetreten.
Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) wies die Klage ab:
Zwar endete die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist für 2015 mit Ablauf des 31.12.2020, da die Klägerin die Umsatzsteuererklärung für 2015 im Jahr 2016 abgegeben hatte. Aufgrund der Erweiterung des Prüfungszeitraums kam es jedoch zu einer Ablaufhemmung, so dass das Finanzamt noch im Jahr 2021 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2015 erlassen durfte.
Die Erweiterung der Außenprüfung auf das Jahr 2015 führte zu einer Ablaufhemmung, da das Finanzamt vor Eintritt der regulären vierjährigen Festsetzungsverjährung am 31.12.2020 die Prüfungsanordnung für 2015 bekannt gegeben hatte, nämlich am 21.12.2020, und da es mit der Prüfung für 2015 begonnen hatte.
Der Prüfungsbeginn für 2015 ist am 18.12.2020 erfolgt, als der Prüfer Unterlagen von der Klägerin angefordert hat. Ein Prüfungsbeginn, der zu einer Ablaufhemmung führt, setzt eine sog. qualifizierte Prüfungshandlung voraus, d.h. Ermittlungshandlungen, die für den Steuerpflichtigen als Prüfungshandlungen erkennbar sind, z.B. die Vorlage von Aufzeichnungen oder Büchern. Eine solche qualifizierte Prüfungshandlung ist in der Anforderung vom 18.12.2020 zu sehen.
Hinweise: Eine Ablaufhemmung tritt hingegen nicht ein, wenn der Prüfer lediglich eine Vorbereitungshandlung für die Prüfung vornimmt, z.B. vor Ort erscheint und die Prüfungsanordnung aushändigt.
Die Ablaufhemmung setzt nicht voraus, dass zuerst die Prüfungsanordnung für das Jahr 2015 bekannt gegeben wird und dann die Prüfungshandlung (vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist) vorgenommen wird. Eine Ablaufhemmung kann also - wie im Streitfall - auch dann eintreten, wenn der Prüfer schon vor Bekanntgabe der erweiternden Prüfungsanordnung mit der qualifizierten Prüfungsmaßnahme begonnen hat. Allerdings muss die Prüfungsanordnung für das weitere Prüfungsjahr dann entweder den Hinweis enthalten, dass mit der Prüfung für das weitere Prüfungsjahr schon begonnen worden ist, oder dem Steuerpflichtigen muss die Erweiterung des Prüfungszeitraums bekannt sein. Im Streitfall war der Klägerin der Beginn der Prüfung für 2015 aufgrund der Anforderung der Unterlagen durch das Schreiben vom 18.12.2020 bekannt.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil v. 8.7.2022 - 1 K 472/22 U; NWB
27.10.2022
Ein Arbeitnehmer, der bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt ist und wiederholt bei demselben Entleiher tätig wird, hat beim Entleiher keine erste Tätigkeitsstätte, wenn die Abordnung des Zeitarbeitsunternehmens nicht über einen Zeitraum von 48 Monaten hinausgeht und auch weder für die Dauer des Arbeitsvertrags gilt noch unbefristet ist. Der Arbeitnehmer ist daher für den Abzug seiner Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Entleiher nicht auf die Entfernungspauschale beschränkt, sondern kann für die Hin- und Rückfahrt pauschale Fahrtkosten in Höhe von 0,30 € pro gefahrenen Kilometer als Werbungskosten geltend machen.
Hintergrund: Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kann der Arbeitnehmer nur die sog. Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 € pro Entfernungskilometer, d.h. für eine einfache Fahrt geltend machen. Die erste Tätigkeitsstätte befindet sich in derjenigen betrieblichen Einrichtung, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Von einer dauerhaften Zuordnung ist nach dem Gesetz insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer entweder unbefristet oder für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an der betrieblichen Einrichtung tätig werden soll.
Streitfall: Der Kläger war Arbeitnehmer und seit 2012 bei dem Zeitarbeitsunternehmen A angestellt. Nach seinem Arbeitsvertrag mit A sollte der Kläger bei Kunden (Entleiher) im gesamten Bundesgebiet tätig werden. Tatsächlich wurde der Kläger von Beginn an an das Unternehmen des B verliehen. Die entsprechenden Leihverträge zwischen A und B waren ebenso wie die Abordnung des Klägers durch A befristet; so gab es im Streitjahr 2014 zunächst einen Einsatz bei B vom 1.1.2014 bis 30.9.2014 und anschließend einen Einsatz vom 1.10.2014 bis 31.12.2014. Der Kläger machte für das Jahr 2014 Fahrtkosten für Fahrten von seiner Wohnung zum Betrieb des B an 239 Tagen auf der Grundlage einer Entfernung von 36 km in Höhe von 5.162,40 € (239 Tage x 36 km x 2 x 0,30 €) geltend, d.h. für die Hin- und Rückfahrt. Das Finanzamt erkannte nur die Entfernungspauschale und damit lediglich die Kosten für die einfache Fahrtstrecke an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Der Kläger war dem Betrieb des B nicht dauerhaft zugeordnet. Für die Frage der Zuordnung kommt es auf den Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und dem Zeitarbeitsunternehmen A an; denn der Kläger war Arbeitnehmer des Zeitarbeitsunternehmens und nicht Arbeitnehmer des Entleihers B.
Zwar kann sich die erste Tätigkeitsstätte auch in der betrieblichen Einrichtung eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten befinden, also im Betrieb des B. Dies setzt aber ebenfalls eine dauerhafte Zuordnung des Klägers zu der betrieblichen Einrichtung des B voraus.
An der Dauerhaftigkeit fehlte es im Streitfall. Denn der Kläger wurde nicht unbefristet bei B eingesetzt, sondern jeweils nur befristet abgeordnet. Der Kläger sollte auch nicht für die Dauer seines mit A geschlossenen Arbeitsvertrags bei B tätig werden. Schließlich überschritt die jeweils befristet vorgenommene Abordnung des Klägers bei B auch nicht den gesetzlichen Zeitraum von 48 Monaten; es genügt nicht, dass die Abordnungen durch A im Nachhinein einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten überschritten.
Hinweise: Die Entscheidung ist positiv für Zeitarbeitnehmer, da sie im Ergebnis die doppelten Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und der Betriebsstätte des Entleihers geltend machen können, nämlich 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer, also für die Hin- und Rückfahrt. Bei der Entfernungspauschale würde hingegen nur für die einfache Entfernung berücksichtigt werden.
Der BFH macht deutlich, dass es für die Beurteilung der ersten Tätigkeitsstätte auf den Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers mit seinem Zeitarbeitsunternehmen ankommt und nicht auf den Vertrag zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Entleiher.
Quelle: BFH, Urteil v. 12.5.2022 - VI R 32/20; NWB
25.10.2022
Ein Rechtsanwalt ist seit dem 1.1.2022 verpflichtet, Schriftsätze, Anträge und Erklärungen dem Finanzgericht bzw. dem Bundesfinanzhof als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Übermittlung per Telefax genügt nicht. Dies gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter für seine Ehefrau und in eigener Sache auftritt.
Hintergrund: Im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit sind seit dem 1.1.2022 Schriftsätze, Anlagen, Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument in einer bestimmten Weise und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu übermitteln.
Streitfall: Ein Ehepaar hatte gegen den Einkommensteuerbescheid geklagt; der Ehemann war Rechtsanwalt. Die Klage beim Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Hiergegen hatten die Eheleute Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt, die als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Ehemann hatte daraufhin im Februar 2022 in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und als Bevollmächtigter für seine Ehefrau Anhörungsrüge beim BFH erhoben und diese per Telefax an den BFH übermittelt. Der BFH wies den Ehemann darauf hin, dass eine Übermittlung per Telefax nicht ausreiche, und bat um eine elektronische Übermittlung. Hierauf erfolgte keine Reaktion.
Entscheidung: Der BFH verwarf die Anhörungsrüge als unzulässig:
Nach der gesetzlichen Neuregelung sind seit dem 1.1.2022 Schriftsätze, Anlagen, Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Anhörungsrüge ist ein Antrag, so dass ein elektronisches Dokument hätte übermittelt werden müssen.
Der Ehemann ist in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig geworden, und zwar in eigener Sache sowie als Prozessbevollmächtigter seiner Ehefrau.
Das übermittelte Telefax ist kein elektronisches Dokument, da es sich nicht um eine Datei handelt, die mit Mitteln der Datenverarbeitung erstellt wird, auf einem Datenträger aufgezeichnet werden kann und bereits in dieser Form maßgeblich ist.
Selbst wenn man das Telefax als elektronisches Dokument ansehen würde, wäre es nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form übermittelt worden. Hierzu hätte nämlich ein sog. sicherer Übermittlungsweg verwendet werden müssen, z.B. die Nutzung eines De-Mail-Kontos oder das besondere elektronische Anwaltspostfach; zudem hätte das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden müssen.
Hinweise: Ist eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, muss dies unverzüglich glaubhaft gemacht werden, so dass dann eine Übermittlung per Telefax zulässig ist. Der Ehemann hatte aber auf eine entsprechende Nachfrage nicht reagiert.
Der Verstoß gegen die elektronische Übermittlungsform führt dazu, dass die Anhörungsrüge unwirksam ist. Bei fristgebundenen Anträgen oder Klageschriften kann die elektronische Form nach Fristablauf nicht mehr nachgeholt werden.
Die Formvorschrift gilt seit dem 1.1.2022 und bislang nur für Rechtsanwälte. Dabei setzt die Formvorschrift nicht voraus, dass der Anwalt als Bevollmächtigter für Mandanten auftritt; vielmehr gilt die Formvorschrift auch dann, wenn der Anwalt für seinen Ehegatten oder in eigener Sache, aber unter seinem Anwaltsbriefkopf, auftritt.
Quelle: BFH, Beschluss v. 23.8.2022 - VIII S 3/22; NWB
24.10.2022
Eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen sog. Flankenschutzprüfer, der zur Steuerfahndung gehört und das steuerlich geltend gemachte häusliche Arbeitszimmer prüfen will, ist unverhältnismäßig, wenn der Steuerpflichtige bei der Sachverhaltsaufklärung bislang mitgewirkt hat und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er bei der weiteren Aufklärung nicht mitwirken wird.
Hintergrund: Der für die Besteuerung maßgebliche Sachverhalt wird grundsätzlich von Amts wegen ermittelt, wobei der Steuerpflichtige Mitwirkungspflichten hat. Bei der Sachverhaltsaufklärung darf der Finanzbeamte auch Grundstücke während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten, soweit dies erforderlich ist, um im Besteuerungsinteresse Feststellungen zu treffen. Jedoch dürfen Wohnräume gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden.
Streitfall: Die Klägerin war Geschäftsführerin eines Restaurants und machte Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Skizze ihrer Wohnung ein: Danach bestand die Wohnung lediglich aus zwei Zimmern, einem Wohnzimmer und einem Arbeitszimmer; ein Schlafzimmer war in der Skizze nicht verzeichnet. Das Finanzamt erteilte dem hausinternen „Flankenschutzprüfer“, der zur Steuerfahndung gehörte, einen Auftrag zur Besichtigung der Wohnung. Der Steuerfahnder erschien bei der Klägerin und bat um Zutritt, der ihm von der Klägerin gewährt wurde. Er stellte fest, dass die Wohnung entgegen der Skizze noch über zwei weitere Räume verfügte, darunter ein Schlafzimmer, und dass die eingereichte Skizze nicht stimmte. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die Besichtigung rechtswidrig gewesen sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und stellte fest, dass die unangekündigte Wohnungsbesichtigung rechtswidrig gewesen war:
Eine Sachverhaltsaufklärung muss verhältnismäßig sein. Die Maßnahme muss also zur Ermittlung des Sachverhalts geeignet und erforderlich sein, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Außerdem muss ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein und darf nicht angewandt werden, wenn die sich aufgrund der Ermittlungsmaßnahme ergebenden Grundrechtsbeeinträchtigungen schwerer wiegen als die durchzusetzenden Interessen, d.h. als das Ermittlungsinteresse.
Die unangekündigte Wohnungsbesichtigung war unverhältnismäßig. So war es nicht erforderlich, sogleich die Wohnung zu betreten, anstatt die Klägerin zunächst schriftlich um Auskunft zu bitten, wo sich ihr Schlafbereich befindet. Denn bislang hatte die Klägerin im Besteuerungsverfahren mitgewirkt. Es bestanden daher keine Zweifel an ihrer Auskunftsbereitschaft.
Das Finanzamt hätte auch beachten müssen, dass die Wohnung durch das Grundgesetz besonders geschützt ist und dass eine Wohnungsbesichtigung in die persönliche Lebenssphäre der Klägerin eingreift. Eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung ist ohne konkreten Verdacht auf Steuerhinterziehung daher nicht gerechtfertigt.
Weiterhin hätte das Finanzamt vor der Besichtigung rechtliches Gehör gewähren müssen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin aufgrund der Benachrichtigung das häusliche Arbeitszimmer entsprechend „hergerichtet“ hätte.
Unverhältnismäßig war es auch, dass das Finanzamt einen Mitarbeiter der Steuerfahndung mit der Besichtigung beauftragt hat. Die Besichtigung durch einen Mitarbeiter der Steuerfahndung ist belastender als die Besichtigung durch einen Beamten des Innendienstes. So kann es z. B. sein, dass die Wohnungsbesichtigung durch den Steuerfahnder von Nachbarn oder Besuchern der Kläger bemerkt wird und so der Eindruck entsteht, dass gegen die Klägerin strafrechtlich ermittelt wird.
Hinweise: Die Feststellung des BFH hat insbesondere symbolischen Wert für die Klägerin, die nun die Bestätigung erhält, dass der Steuerfahnder nicht unangekündigt hätte erscheinen dürfen. Der praktische Nutzen dieser Feststellung kann sich aber durchaus in Folgejahren zeigen, falls das Finanzamt noch einmal die Wohnung oder – nach einem Umzug – die neue Wohnung besichtigen möchte.
Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit kann auch dann sinnvoll sein, wenn der Steuerpflichtige einen Amtshaftungsanspruch gegen das Finanzamt geltend machen will oder wenn er seine Rehabilitierung anstrebt, weil die Maßnahme des Finanzamts den unberechtigten Vorwurf der Steuerhinterziehung enthielt und dies auch gegenüber außenstehenden Dritten sichtbar wurde.
Quelle: BFH, Urteil v. 12.7.2022 - VIII R 8/19; NWB
21.10.2022
Auch bei einer sog. doppelten Treuhand, bei der der Treuhänder nicht nur für den Treugeber tätig ist, sondern auch die Interessen anderer Personen wahren muss, kann zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis bestehen, das dazu führt, dass die Einkünfte aus dem Treuhandvermögen dem Treugeber zugerechnet werden. Kriterien sind insbesondere die Weisungsbefugnis des Treugebers und das jederzeitige Rückgaberecht des Treugebers.
Hintergrund: Wirtschaftsgüter und Einkünfte werden zwar grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet. Das Steuerrecht kennt aber auch das wirtschaftliche Eigentum, wenn ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den rechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Dementsprechend ist nach dem Gesetz bei einem Treuhandverhältnis das Wirtschaftsgut dem Treugeber zuzurechnen.
Streitfall: Der Kläger war ein eingetragener Verein, dem von der X-AG Vermögen treuhänderisch übertragen wurde. Dieses Treuhandvermögen diente als Sicherung für die Pensionsverpflichtungen der X-AG. Nach dem Treuhandvertrag war die X-AG weisungsbefugt, und das Treuhandvermögen durfte ausschließlich für die Erfüllung der Pensionsverpflichtungen eingesetzt werden. Auch die erzielten Erträge sollten zum Treuhandvermögen gehören. Im Jahr 2009 wurde über das Vermögen der X-AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Treuhandvermögen gehörten auch Aktien, aus denen in den Streitjahren 2009 und 2010 Dividenden gezahlt wurden. Der Kläger war der Auffassung, dass die Dividenden der X-AG zuzurechnen seien.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Dividenden sind demjenigen zuzurechnen, der im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zivilrechtlicher oder – hiervon abweichend – wirtschaftlicher Eigentümer ist. Bei einem Treuhandverhältnis ist der Treugeber, also die X-AG, wirtschaftlicher Eigentümer.
Das Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger als Treuhänder und der X-AG als Treugeber ist steuerlich auch anzuerkennen. Zwar genügt nicht bereits die Bezeichnung als „Treuhandvertrag“; es kommt vielmehr darauf an, dass das zivilrechtliche Eigentum des Klägers aufgrund der getroffenen Vereinbarungen als „leere Hülle“ erscheint. Wesentliches Kriterium hierfür ist die Weisungsbefugnis des Treugebers sowie dessen Berechtigung, jederzeit – ggf. nach einer angemessenen Kündigungsfrist – die Rückgabe des Treuguts zu verlangen.
Im Streitfall war die X-AG nach dem geschlossenen Treuhandvertrag umfassend weisungsbefugt. Hieran hat sich durch die Insolvenz nichts geändert, weil die Weisungsbefugnis auch im sog. Sicherungsfall bestehen bleiben sollte. Auch die Chance einer Wertsteigerung des Treuhandvermögens lag nach dem Treuhandvertrag ebenso wie das Risiko einer Wertminderung bei der X-AG.
Hinweise: Zwar konnte die X-AG nach dem Treuhandvertrag nicht jederzeit die Rückgabe des Treuhandvermögens verlangen. Der Kläger konnte aber gleichwohl nicht uneingeschränkt wie ein zivilrechtlicher Eigentümer über das Treuhandvermögen verfügen, da er allein für Rechnung der X-AG handelte und an deren Weisungen gebunden war. Im Übrigen wäre es bei der hier vorliegenden doppelten bzw. doppelnützigen Treuhand gerade mit dem Treugeberinteresse unvereinbar, wenn eine jederzeitige Rückgabe vereinbart würde; denn das Treuhandvermögen sollte der Erfüllung der Pensionsansprüche der Arbeitnehmer im Sicherungsfall dienen.
Die doppelte Treuhand ergab sich daraus, dass neben dem Treugeber, der X-AG, auch die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen waren, deren Pensionsansprüche abgesichert wurden.
Offen gelassen hat der BFH die bilanzielle Behandlung des Treuhandvermögens. Die bilanzielle Behandlung hat im Übrigen nur eine indizielle Bedeutung für die tatsächliche Durchführung des Treuhandverhältnisses.
Treuhandvermögen, das der Absicherung von Pensionsverpflichtungen dient, wird erbschaftsteuerlich als begünstigtes Betriebsvermögen und nicht als sog. schädliches Verwaltungsvermögen behandelt.
Quelle: BFH, Urteil v. 4.5.2022 - I R 19/18; NWB
19.10.2022
Die Überlassung eines Dienstwagens an Arbeitnehmer zur privaten Nutzung ist für den Arbeitgeber umsatzsteuerbar, wenn die Überlassung des Dienstwagens individuell arbeitsvertraglich vereinbart wird und der Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird.
Hintergrund: Zu den umsatzsteuerbaren Umsätzen gehört auch der tauschähnliche Umsatz, bei dem der Empfänger einer Dienstleistung nicht Geld zahlt, sondern eine Lieferung oder Dienstleistung erbringt.
Streitfall: Eine in Luxemburg ansässige Kapitalgesellschaft stellte zwei leitenden Angestellten, die im Saarland wohnten, jeweils einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der eine Arbeitnehmer leistete eine Eigenbeteiligung von fast 6.000 €, während der andere Arbeitnehmer nichts zahlte. Das Finanzamt behandelte die Überlassung der Dienstwagen als umsatzsteuerbar und -pflichtig und ging bei der Bemessung der Umsatzsteuer von den lohnsteuerlichen Werten aus.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung ist umsatzsteuerbar und -pflichtig. Die Klägerin hat nämlich eine sonstige Leistung in Gestalt der Kfz-Überlassung zur privaten Nutzung gegen Entgelt erbracht.
Das Entgelt ist in der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu sehen, so dass es sich um einen tauschähnlichen Umsatz handelt. Die Arbeitsleistung ist eine Gegenleistung, weil der Wert der Arbeitsleistung in Geld ausgedrückt werden kann und weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Überlassung des Dienstwagens und der Arbeitsleistung bestand; denn die Nutzungsüberlassung wurde individuell vereinbart.
Die Leistung der Klägerin war auch in Deutschland umsatzsteuerbar, weil eine nicht kurzfristige Vermietung eines Beförderungsmittels an dem Ort erbracht wird, an dem der Empfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Dies war in Deutschland, da die beiden Arbeitnehmer im Saarland wohnten. Die Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung stellte eine Vermietung dar, weil die Arbeitnehmer hierfür eine Miete in Gestalt ihrer anteiligen Arbeitsleistung entrichteten.
Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage des Umsatzes der Klägerin konnte auf die Selbstkosten der Klägerin oder auf die lohnsteuerlichen Werte, die nach der sog. 1 %-Methode anzusetzen sind und aus denen die Umsatzsteuer herauszurechnen ist, zurückgegriffen werden. Nicht maßgeblich ist hingegen die etwaige Höhe einer von den Arbeitnehmern geleisteten Selbstbeteiligung.
Hinweise: In dem Streitfall hatte die Vorinstanz, das Finanzgericht (FG), den Europäischen Gerichtshof angerufen. Dessen Entscheidung hatte das FG aber anders interpretiert als nunmehr der BFH. Der BFH sieht nämlich in der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers eine Gegenleistung und einen Vermietungszins. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BFH.
Quelle: BFH, Urteil v. 30.6.2022 - V R 25/21; NWB
18.10.2022
Nutzt ein Arbeitnehmer für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung einen Dienstwagen, an dessen Kosten er sich beteiligen muss, kann er diese Kosten nicht als Werbungskosten geltend machen.
Hintergrund: Bei einer doppelten Haushaltsführung kann der Arbeitnehmer die Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten mit einer Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer geltend machen. Nach dem Gesetz werden Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem Dienstwagen aber nicht berücksichtigt. Umgekehrt muss der Arbeitnehmer nach der gesetzlichen Regelung aber auch keinen geldwerten Vorteil versteuern, soweit er den Dienstwagen für eine wöchentliche Familienheimfahrt nutzt.
Streitfall: Der Kläger war Arbeitnehmer und hatte seinen Lebensmittelpunkt in A-Stadt. Er arbeitete in B-Stadt und unterhielt dort eine Zweitwohnung, so dass eine doppelte Haushaltsführung bestand. Er durfte einen Dienstwagen auch für Privatfahrten sowie für Familienheimfahrten nutzen. Allerdings musste er für den Dienstwagen pauschale und nutzungsabhängige Zuzahlungen leisten. Er versteuerte den sich aus der Privatnutzung sowie aus der Nutzung für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ergebenden geldwerten Vorteil nach der sog. 1 %-Methode und zog hiervon seine Zuzahlungen ab. In seiner Einkommensteuererklärung machte er für die Familienheimfahrten Werbungskosten geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Nach dem Gesetz werden Aufwendungen für Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten anerkannt, wenn der Arbeitnehmer einen Dienstwagen nutzt. Im Gegenzug ist für die Nutzung des Dienstwagens für Familienheimfahrten aber auch kein geldwerter Vorteil zu versteuern.
Diese gesetzlichen Regelungen gelten auch dann, wenn der Arbeitnehmer Zuzahlungen leistet. Die Zuzahlung bleibt steuerlich nicht unberücksichtigt, da sie den Wert des geldwerten Vorteils, der für die Privatnutzung sowie für die Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesetzt wird, mindert. Diese Minderung wird auch insoweit vorgenommen, als die Zuzahlung auf die Familienheimfahrten entfällt.
Hinweise: Hätte der Kläger Erfolg gehabt, hätte sich die Zuzahlung des Klägers zweimal ausgewirkt, nämlich einmal als Minderung des geldwerten Vorteils und ein weiteres Mal bei einer Erhöhung der Werbungskosten.
Der Kläger machte geltend, dass er gegenüber solchen Arbeitnehmern benachteiligt werde, die ein vom Ehepartner überlassenes Kfz für Familienheimfahrten nutzen könnten oder die den Pkw von einem Dritten über ein „Kilometerleasing“ finanzieren würden. Der BFH hat jedoch darauf hingewiesen, dass es sich insoweit um andere Sachverhalte handelt, bei denen es auch nicht zum Zufluss eines geldwerten Vorteils kommt.
Quelle: BFH, Urteil v. 4.8.2022 - VI R 35/20; NWB
17.10.2022
Eltern können Strafverteidigungskosten für ihren Sohn nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Denn nach dem Gesetz sind Prozesskosten grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. Dies gilt auch für Prozesskosten, die für einen Dritten, hier den Sohn, aufgewendet werden.
Hintergrund: Zu den steuerlich absetzbaren außergewöhnlichen Belastungen gehören Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, und zwar in einem größeren Umfang als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 sind Prozesskosten vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Streitfall: Die Kläger waren Eltern eines volljährigen Sohnes, der sich einem Strafverfahren verantworten musste. Die Kläger zahlten die Strafverteidigungskosten des Sohnes und machten diese Aufwendungen in der Einkommensteuererklärung 2017 als außergewöhnliche Belastungen geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Es ist bereits die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen zweifelhaft. Denn zum einen dürfte die Übernahme der Strafverteidigerkosten nicht zur Unterhaltsverpflichtung von Eltern gehören. Zum anderen hatte der Sohn der Kläger mit seinem Anwalt eine Honorarvereinbarung abgeschlossen, so dass die Kosten über den seitens der Staatskasse erstattungsfähigen Kosten lagen und damit insoweit nicht zwangsläufig gewesen sind.
Jedenfalls scheidet die Berücksichtigung der Strafverteidigungskosten deshalb aus, weil der Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich ausgeschlossen ist. Dieses Abzugsverbot gilt auch für Strafverfahren, und es gilt nicht nur für einen Prozess der Kläger, sondern auch für den Prozess eines Dritten, nämlich des Sohns der Kläger.
Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung der Kläger oder ihres Sohns sind nicht erkennbar. Dabei kann offenbleiben, ob es auf eine Existenzgefährdung der Kläger oder auf eine Existenzgefährdung des Sohns ankommt.
Hinweise: Das Abzugsverbot gilt für alle Prozessarten, z.B. für Zivilgerichts-, Finanzgerichts- oder Verwaltungsgerichtsverfahren.
Typische Beispiele für abziehbare außergewöhnliche Belastungen sind Krankheitskosten, Wiederbeschaffungskosten für Hausrat, der durch einen Brand oder Hochwasser zerstört worden ist, oder Unterhaltskosten für unterhaltsberechtigte Angehörige.
Quelle: BFH, Beschluss v. 10.8.2022 - VI R 29/20; NWB
21.09.2022
Derzeit versenden Betrüger SMS im Namen des Bundesfinanzministeriums (BMF). In den Nachrichten wird vorgegeben, den Empfänger erwarte ein Erstattungsbetrag. Hierauf macht das Thüringer Finanzministerium aufmerksam.
Hierzu führt das Thüringer Finanzministerium weiter aus:
In den SMS behaupten die Betrüger, ein Erstattungsbetrag in Höhe von 254,33 Euro warte noch auf die Steuerpflichtigen. Um diesen zu erhalten, sollen sich die Bürgerinnen und Bürger unter einem in der SMS angegebenen Link verifizieren. Durch das Finanzamt Jena sind heute bereits mehrere Fälle geschildert worden.
Die Finanzverwaltung warnt eindringlich davor, die per SMS geforderte Verifizierung durchzuführen.
Quelle: Thüringer Finanzministerium, Pressemitteilung vom 21.9.2022; NWB
21.09.2022
Erfüllt eine Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter einer GmbH nicht die formellen gesetzlichen Anforderungen, weil die GmbH die erforderliche Bescheinigung nicht erteilt hat, handelt es sich um eine Ausschüttung, für die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen ist. Unterbleibt dies, kann das Finanzamt einen Nacherhebungsbescheid gegenüber der GmbH erlassen.
Hintergrund: Die Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner führt bei den Anteilseignern zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften. Die Kapitalgesellschaft muss auf die Ausschüttung Kapitalertragsteuer einbehalten, anmelden und abführen. Anders ist dies bei einer sog. Einlagenrückgewähr, d.h. bei der Rückzahlung von Einlagen, die der Anteilseigner in einem früheren Jahr geleistet hat; diese können grundsätzlich steuerfrei zurückgewährt werden. Allerdings sind hierfür bestimmte formelle Anforderungen zu beachten. So muss die Kapitalgesellschaft eine Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr, die Angaben zum Anteilseigner, zur Höhe der Einlagenrückgewähr und zum Tag enthält, ausstellen. Außerdem darf kein ausschüttbarer Gewinn vorhanden sein.
Streitfall: Die Klägerin war die A-GmbH, deren Alleingesellschafterin die Stadt A war. Die A-GmbH verfügte über eine Kapitalrücklage. Am 27.7.2010 beschloss die Gesellschafterversammlung eine Ausschüttung von 5 Mio. € aus der Kapitalrücklage an die A; ein ausschüttbarer Gewinn war nicht vorhanden. Am 28.7.2010 zahlte die Klägerin den Betrag von 5 Mio. € an die A, ohne Kapitalertragsteuer einzubehalten oder abzuführen; denn die Klägerin ging von einer steuerfreien Einlagenrückgewähr aus. Eine Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr stellte die Klägerin nicht aus. In ihrer Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto erklärte sie auch keine Minderung des Einlagekontos. Das Finanzamt ging von einer steuerpflichtigen Ausschüttung aus und erließ einen Nacherhebungsbescheid über Kapitalertragsteuer in Höhe von 750.000 € und Solidaritätszuschlag in Höhe von 41.250 €.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt den Nacherhebungsbescheid für rechtmäßig und wies die Klage ab:
Eine steuerfreie Einlagenrückgewähr der Klägerin an die A lag nicht vor, da die erforderliche Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr nicht bis zum Tag der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids ausgestellt wurde. Außerdem wurde im Bescheid über das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2010 keine Verwendung (Minderung) des Einlagekontos festgestellt.
Mangels Bescheinigung fingiert das Gesetz eine Einlagenrückgewähr mit der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids zum steuerlichen Einlagekonto in Höhe von 0 €. Somit lag ein Ausschüttungsertrag vor, der am 28.7.2010 und nicht erst mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids entstanden ist.
Der Nacherhebungsbescheid setzt ein Verschulden der Klägerin voraus, da mit der Nacherhebung ein Haftungsanspruch geltend gemacht wurde und Haftung ein Verschulden erfordert. Dieses Verschulden war zu bejahen, da die Klägerin grob fahrlässig gehandelt hat. Denn nach der Auszahlung hätte die Geschäftsführung der Klägerin prüfen müssen, ob sie die Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr erteilt hat und deshalb eine Pflicht zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer entfallen ist; ohne Bescheinigung hätte sie Kapitalertragsteuer einbehalten, anmelden und abführen müssen.
Hinweise: An sich hätte die Klägerin eine steuerfreie Einlagenrückgewähr vornehmen können, weil sie über eine ausreichend hohe Kapitalrücklage verfügte und kein ausschüttbarer Gewinn vorhanden war. Allerdings hätte sie hierzu in der Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto einen Abgang aus dem Einlagekonto erklären müssen und die Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr spätestens bis zum Tag der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids über das steuerliche Einlagekonto ausstellen müssen. Dies war nicht geschehen, so dass aus einer an sich steuerfreien Einlagenrückgewähr eine steuerpflichtige Ausschüttung wurde.
Da das steuerliche Einlagekonto mangels Bescheinigung nicht gemindert wurde, verfügt die Klägerin noch über ein entsprechend hohes steuerliches Einlagekonto und kann in einem Folgejahr eine steuerfreie Einlagenrückgewähr vornehmen, sofern kein ausschüttbarer Gewinn vorhanden ist und die formellen Anforderungen wie z.B. die Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr erfüllt werden.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.5.2022 - VIII R 14/18; NWB
20.09.2022
Bei Rücknahme eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft kann die Gebühr, die aufgrund des gestellten Antrags festzusetzen ist, zwar reduziert werden. Dies muss aber nicht in der Weise erfolgen, dass die Gebühr, die nach dem Gegenstandswert bemessen wird, durch eine Zeitgebühr, die auf dem Zeitaufwand des Finanzamts beruht, ersetzt wird. Es ist vielmehr ermessensfehlerfrei, wenn die Reduzierung auf der Grundlage des bereits angefallenen Bearbeitungsaufwands des Finanzamts erfolgt.
Hintergrund: Der Steuerpflichtige kann beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft zur steuerlichen Beurteilung eines von ihm geplanten Sachverhalts stellen. Erteilt das Finanzamt die Auskunft in dem gewünschten Sinne, ist das Finanzamt an seine Auskunft gebunden, wenn der Sachverhalt verwirklicht wird. Für die Auskunft wird eine Gebühr festgesetzt, die sich grundsätzlich nach dem sog. Gegenstandswert, also dem steuerlichen Interesse, richtet. Ist der Gegenstandswert nicht bestimmbar, kann eine Zeitgebühr von 50 € für jede angefangene halbe Stunde festgesetzt werden. Die Gebühr kann ermäßigt werden, wenn der Antrag vor Erteilung der verbindlichen Auskunft zurückgenommen wird.
Streitfall: Eine KG beantragte im Dezember 2013 beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft. Dabei ging es um die steuerlichen Folgen für den Fall der Begründung eines Zweitwohnsitzes ihrer Gesellschafter im Ausland. Aufgrund des Antrags kam es zu umfangreichen Prüfungen und auch zur Diskussion über alternative Sachverhaltsgestaltungen. Nachdem das Finanzamt im Frühjahr 2014 mündlich mitgeteilt hatte, dass es die beantragte verbindliche Auskunft nicht erteilen würde, nahm die KG ihren Antrag zurück. Das Finanzamt setzte auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 30 Mio. € eine Gebühr von 98.762 € fest. Diese Gebühr war um 10 % ermäßigt, da das Finanzamt davon ausgegangen war, dass durch die Rücknahme etwa 10 % des gesamten Bearbeitungsaufwands nicht mehr anfallen würden; bislang betrug der Bearbeitungsaufwand 156 Stunden – ohne Rücknahme wären insgesamt 171 Stunden angefallen. Die KG klagte gegen die Gebührenfestsetzung. In der ersten Instanz hatte die KG Erfolg, weil das Finanzgericht (FG) die Gebühr auf eine Zeitgebühr in Höhe von 15.600 € reduzierte (156 Stunden x 100 €).
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob die Entscheidung des FG auf und wies die Klage ab:
Aufgrund der Stellung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft war eine Gebühr festzusetzen. Diese Gebühr konnte infolge der Antragsrücknahme nach dem Gesetz ermäßigt werden.
Die Ermäßigung ist aber nicht in der Weise durchzuführen, dass die Gebühr nach dem Wert des Gegenstands durch eine Zeitgebühr zu ersetzen ist. Das Gesetz macht zum Umfang der Ermäßigung keine Vorgaben. Auch die Verwaltungsanweisung der Finanzverwaltung, die für die Finanzämter verbindlich ist, sieht lediglich eine anteilige Ermäßigung auf der Grundlage des bis zur Antragsrücknahme angefallenen Bearbeitungsaufwands vor.
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Finanzamt die Gegenstandswertgebühr um 10 % ermäßigt hat, weil der Bearbeitungsaufwand bis zur Antragsrücknahme bereits zu 90 % angefallen war.
Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass ein grundsätzlicher Wechsel von der Gegenstandswertgebühr zur (niedrigeren) Zeitgebühr im Fall der Antragsrücknahme nicht vorgesehen ist. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass das Antragsverfahren für die KG nicht völlig wertlos geblieben ist: Zwar hat die KG aufgrund ihrer Antragsrücknahme nicht die begehrte verbindliche Auskunft erhalten. Aber ihre Gesellschafter konnten aufgrund der mit dem Finanzamt geführten Gespräche von der Verwirklichung des geplanten Sachverhalts Abstand nehmen, und die KG hat mit dem Finanzamt auch über Sachverhaltsalternativen diskutiert.
Die Gebühr dient zum einen der Deckung der beim Finanzamt entstehenden Bearbeitungskosten und zum anderen der Abschöpfung des vom Steuerpflichtigen erlangten Vorteils. Dieser Vorteil liegt darin, dass der Steuerpflichtige auf die verbindliche Auskunft vertrauen darf und seinen geplanten Sachverhalt entsprechend umsetzen darf, ohne befürchten zu müssen, dass das Finanzamt seine Meinung ändert oder dass sich weitere steuerliche Folgen ergeben. Nur unter bestimmten Voraussetzungen darf das Finanzamt eine erteilte verbindliche Auskunft vor der Sachverhaltsverwirklichung zurücknehmen.
Quelle: BFH, Urteil v. 4.5.2022 - I R 46/18; NWB
19.09.2022
Führt ein gemeinnütziger Verein, der auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege aktiv ist, die Jägerprüfung durch und erhebt er hierfür Gebühren, gehört der hieraus erzielte Gewinn zu einem steuerlich unschädlichen Zweckbetrieb, der die Gemeinnützigkeit des Vereins nicht berührt. Der Gewinn ist somit steuerfrei.
Hintergrund: Gemeinnützige Vereine sind von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit. Die Steuerfreiheit gilt aber nicht für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, den der gemeinnützige Verein unterhält; der Gewinn aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist also grundsätzlich steuerpflichtig. Eine Ausnahme besteht aber für Zweckbetriebe. Bei einem Zweckbetrieb handelt es sich um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke des Vereins zu verwirklichen.
Streitfall: Der Kläger war ein gemeinnütziger Verein, der insbesondere in den Bereichen Naturschutz, Landschaftspflege, Tierschutz und der entsprechenden Aus- und Weiterbildung tätig war. Diese Zwecke sollten u.a. durch die Sicherung der Lebensgrundlagen der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sowie durch die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Jagdpraxis erreicht werden. Im Jahr 2008 wurde der Kläger vom zuständigen Ministerium mit der Organisation und Durchführung der Jägerprüfung beauftragt (sog. Beleihung). Hierfür erhob der Kläger von den Teilnehmern Gebühren und erzielte 2008 einen Gewinn und 2009 einen Verlust. Das Finanzamt sah in dem Bereich der Jägerprüfung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und erließ entsprechende Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte einen Zweckbetrieb und gab der Klage statt:
Der Kläger war gemeinnützig, da er Zwecke wie den Naturschutz oder Tierschutz verfolgte.
Die Gemeinnützigkeit umfasste auch die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung. Hierbei handelte es sich zwar um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb; dieser erfüllte aber die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs.
Der Bereich der Jägerprüfung war ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, da es sich um eine selbständige und nachhaltige Tätigkeit handelte, die über eine reine Vermögensverwaltung hinausging. Der Kläger wollte damit auch Einnahmen erzielen, nämlich Gebühren. Nicht erforderlich war insoweit, dass der Kläger am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnahm. Auch eine Gewinnerzielungsabsicht wird für die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht verlangt.
Die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs waren jedoch erfüllt. Der Bereich der Jägerprüfung diente nämlich der Verwirklichung des gemeinnützigen Zwecks. Die Jagd dient der Pflege und Sicherung der Lebensräume der Gesamtheit der wildlebenden Arten. Für die Jagd ist ein Jagdschein erforderlich, und die Jägerprüfung muss organisiert und durchgeführt werden. Die Prüfung künftiger Jäger war zur Erreichung des Vereinszwecks notwendig und unentbehrlich. Auch die weitere Voraussetzung eines Zweckbetriebs, nämlich die fehlende Wettbewerbsverzerrung, war zu bejahen; denn im Bereich der Jägerprüfung gibt es keinen Konkurrenten.
Hinweise: Aus Sicht des BFH war es unschädlich, dass der Kläger vom Ministerium beliehen worden war, also mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beauftragt worden ist. Für einen Zweckbetrieb ist es nämlich nicht erforderlich, dass er allein aufgrund der Satzung betrieben wird. Oft liegen einem Zweckbetrieb vertragliche Verpflichtungen zugrunde, z.B. bei dem entgeltlichen Musikunterricht einer gemeinnützigen Jugendmusikschule.
In der Steuerfreiheit für den Bereich der Jägerprüfung sieht der BFH keine europarechtswidrige Subvention (sog. Beihilfe). Denn die Steuerfreiheit beeinträchtigt weder den Handel zwischen den EU-Staaten, noch verfälscht sie den Wettbewerb. Im Land Brandenburg, in dem der Kläger ansässig war, gab es außer dem Kläger keinen Anbieter für die Organisation und Abnahme der Jägerprüfungen.
Quelle: BFH, Urteil v. 21.4.2022 - V R 26/20; NWB
16.09.2022
Einkommensteuerbescheide können an Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, erst für Veranlagungszeiträume ab dem 1.1.2018 unmittelbar durch die Post zugestellt werden. Denn erst ab dem 1.1.2018 gilt ein entsprechendes Abkommen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland. Vor dem 1.1.2018 war eine Zustellung nur durch öffentliche Bekanntmachung möglich.
Hintergrund: Die Wirksamkeit eines Steuerbescheids setzt u. a. die Bekanntgabe an den Steuerpflichtigen oder an dessen Bevollmächtigten voraus. Im Inland wird ein Steuerbescheid grundsätzlich durch einen einfachen Brief bekannt gegeben. Eine besondere Form der Bekanntgabe ist die Zustellung, die förmlich erfolgt, z.B. durch eine Postzustellungsurkunde, durch ein Empfangsbekenntnis oder durch eine öffentliche Zustellung, bei der ein Aushang im Finanzamt erfolgt.
Streitfall: Der Kläger hatte seit 2013 einen Wohnsitz nur noch in der Schweiz. In den Streitjahren 2009 bis 2013 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau veranlagt. Jedoch beantragte seine Ehefrau im Nachhinein für die Jahre 2009 bis 2012 die getrennte Veranlagung und für 2013 die Einzelveranlagung. Daraufhin hob das Finanzamt im Jahr 2017 die Zusammenveranlagungsbescheide für 2009 bis 2013 auf. Der Kläger hatte keinen Bevollmächtigten in Deutschland. Das Finanzamt ordnete im April 2017 die öffentliche Zustellung der Aufhebungsbescheide sowie der Einkommensteuerbescheide (getrennte Veranlagung bzw. Einzelveranlagung) für den Kläger an. Die Benachrichtigungen über die öffentliche Zustellung wurden am 25.4.2017 im Finanzamt ausgehängt und am 10.5.2017 wieder abgenommen. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 25.4.2017 über die öffentliche Zustellung informiert. Der Kläger hielt die Bescheide wegen fehlerhafter Bekanntgabe für unwirksam.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies seine Klage ab:
Die Zustellung eines Bescheids durch öffentliche Bekanntmachung ist zulässig, wenn die Zustellung im Ausland unmittelbar durch die Post völkerrechtlich nicht zugelassen ist oder keinen Erfolg verspricht.
In der Schweiz können Steuerbescheide erst für Besteuerungszeiträume ab dem 1.1.2018 unmittelbar durch die Post zugestellt werden. Dies ergibt sich aus einem völkerrechtlichen Übereinkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz.
Im Streitfall war eine Zustellung für Besteuerungszeiträume vor 2018, nämlich 2009 bis 2013, durch die Post noch nicht möglich. Eine öffentliche Zustellung war somit zulässig. Die öffentliche Zustellung ist formell ordnungsgemäß erfolgt, so dass die Bescheide gegenüber dem Kläger wirksam geworden sind.
Hinweise: In der Praxis empfiehlt es sich bei Wegzug in das Ausland, einen Empfangsbevollmächtigten in Deutschland zu bestellen. Auf diese Weise werden Probleme bei der Bekanntgabe vermieden, und die Bescheide können fristgerecht angefochten werden. Anderenfalls bleibt zwar der Einwand, dass der Bescheid unwirksam ist, möglich; scheitert dieser Einwand aber wie im Streitfall, droht auch eine Versäumnis der Einspruchsfrist, wenn die Bekanntgabe als wirksam angesehen wird und kein Einspruch eingelegt worden ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 8.3.2022 - VI R 37/19; NWB
14.09.2022
Eine Deckelung des sich nach der sog. 1 %-Methode ergebenden Entnahmewerts für die private Kfz-Nutzung auf die tatsächlichen Kfz-Kosten setzt bei einer Leasing-Sonderzahlung im Rahmen einer Einnahmen-Überschussrechnung voraus, dass bei den tatsächlichen Kfz-Kosten auch die Leasing-Sonderzahlung anteilig berücksichtigt wird; zu diesem Zweck ist die Leasing-Sonderzahlung auf die Dauer des Leasingvertrags rechnerisch zu verteilen. Die Sonderzahlung erhöht also bei der Prüfung der Kostendeckelung die tatsächlich entstandenen Kfz-Kosten, so dass eine Kostendeckelung entweder nicht erfolgt oder aber niedriger ausfällt.
Hintergrund: Wird ein betriebliches Kfz auch privat genutzt, ohne dass ein Fahrtenbuch geführt wird, ist die Privatnutzung nach der sog. 1 %-Methode in Höhe von 1 % des Bruttolistenpreises pro Monat als Entnahme zu bewerten. Dieser Entnahmewert kann höher sein als die tatsächlich entstandenen Kosten, wenn das Kfz z.B. gebraucht bzw. besonders günstig erworben worden ist oder schon abgeschrieben ist. In diesem Fall lässt die Finanzverwaltung zu, dass der Entnahmewert auf die tatsächlich entstandenen Kosten gedeckelt wird.
Streitfall: Der Kläger war Zahnarzt und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung, also nach Zufluss- und Abflussgesichtspunkten. Er schloss im Dezember 2011 einen dreijährigen Leasingvertrag für einen betrieblich genutzten BMW ab, dessen Bruttolistenpreis ca. 54.000 € betrug. Der Kläger leistete im Dezember 2011 eine Leasing-Sonderzahlung in Höhe von ca. 22.000 €, die er im Jahr 2011 in voller Höhe als Betriebsausgaben abzog. In den Streitjahren 2012 bis 2014 betrugen seine tatsächlichen Kfz-Kosten ca. 8.000 € im Jahr 2012 und jeweils ca. 10.000 € in den Jahren 2013 und 2014. Der Kläger ermittelte den Entnahmewert für das betriebliche Kfz nach der sog. 1 %-Methode und gelangte unter Berücksichtigung der Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb zu einem jährlichen Entnahmewert von ca. 13.000 €. Er deckelte diesen Betrag auf die tatsächlich entstandenen Kosten von 8.000 € (2012) bzw. jeweils 10.000 € (2013 und 2014). Das Finanzamt folgte der Kostendeckelung nicht, sondern verteilte die Leasingsonderzahlung auf die Dauer des dreijährigen Leasingvertrags und erhöhte so die tatsächlich entstandenen Kosten.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar akzeptiert die Finanzverwaltung eine Deckelung des Entnahmewerts, der sich nach der 1 %-Methode ergibt, auf die tatsächlich entstandenen Kosten. Bei der Ermittlung der tatsächlichen Kfz-Kosten ist aber nicht nur auf die Betriebsausgaben des jeweiligen Veranlagungszeitraums abzustellen, sondern es ist auch eine vorab geleistete Leasing-Sonderzahlung anteilig zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck ist die Leasing-Sonderzahlung bei der Einnahmen-Überschussrechnung rechnerisch auf die Dauer des Leasingvertrags zu verteilen.
Bei einer Leasing-Sonderzahlung werden die Kfz-Kosten vorverlagert. In der Folgezeit fallen die tatsächlichen Kfz-Kosten also niedriger aus. Würde man die Leasing-Sonderzahlung nicht auf die Dauer des Leasingvertrags verteilen, würde der Sinn und Zweck der Kostendeckelung verfehlt. Die Kostendeckelung soll nämlich verhindern, dass der Entnahmewert in den Fällen, in denen das Kfz bereits abgeschrieben ist oder günstig unter dem Listenpreis erworben wird, höher ausfällt als die tatsächlichen Kfz-Kosten.
Würde man die Leasing-Sonderzahlung nicht rechnerisch verteilen, käme es zu einer Kostendeckelung, so dass die Entnahme niedriger ausfiele als bei einer Bilanzierung; denn bei der Bilanzierung würde die Leasing-Sonderzahlung als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten aktiviert und über die Dauer des Leasingvertrags aufgelöst, d.h. im Ergebnis verteilt werden. Damit wäre die Entnahmebesteuerung nicht gleichheitsgerecht.
Verteilt man im Streitfall die Leasing-Sonderzahlung von ca. 22.000 € auf die drei Jahre des Leasingvertrags, ergeben sich weitere jährliche Kfz-Kosten von mehr als 7.000 €. Die jährlichen Kfz-Kosten bei der Prüfung der Kostendeckelung betragen somit ca. 15.000 € im Jahr 2012 und jeweils ca. 17.000 € in den Jahren 2013 und 2014 und sind folglich höher als der Entnahmewert von ca. 13.000 €. Für eine Kostendeckelung besteht somit kein Anlass, so dass der Entnahmewert von 13.000 € gewinnerhöhend anzusetzen war.
Hinweise: Die rechnerische Verteilung der Leasing-Sonderzahlung auf die Dauer des Leasingvertrags erfolgt nur im Rahmen der Prüfung der Kostendeckelung. Der tatsächliche Betriebsausgabenabzug wird hierdurch nicht beeinträchtigt: Der Kläger konnte also im Rahmen seiner Einnahmen-Überschussrechnung die Leasing-Sonderzahlung im Jahr 2011 vollständig als Betriebsausgaben abziehen.
Bei der Bilanzierung werden Leasing-Sonderzahlungen grundsätzlich ohnehin auf die Dauer des Leasingvertrags verteilt und erhöhen bereits buchhalterisch die tatsächlichen Kfz-Kosten, so dass sich dort die Problematik des aktuellen BFH-Urteils nicht stellt.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.5.2022 - VIII R 26/20; NWB
13.09.2022
Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Universität mit Rechtsanwaltszulassung unterliegt der Rentenversicherungspflicht. Dies hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen kürzlich entschieden.
Sachverhalt: Die Klägerin war als zugelassene Rechtsanwältin selbständig tätig und Mitglied eines Versorgungswerkes. Sie beantragte die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine befristete Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Universität. Ihre gegen den Ablehnungsbescheid des beklagten Rentenversicherungsträgers gerichtete Klage wies das Sozialgericht Köln in erster Instanz ab.
Entscheidung: Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Denn sie hat in der streitigen Zeit in einem festen Dienst- und Anstellungsverhältnis bei der Universität, einer nichtanwaltlichen Arbeitgeberin, gestanden, dieser ihre Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung gestellt und ist in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Eine anwaltliche Berufsausübung ist in dieser äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich.
Für ihre Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin kann eine Befreiung nicht ausgesprochen werden. In dieser unterliegt die Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, da sie diese nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat.
Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin scheidet aus, da sie nicht als solche zugelassen worden ist.
Schließlich liegt kein Fall vor, in dem sich eine Befreiung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit erstreckt, denn aufgrund der selbständigen Tätigkeit fehlt es für die Erstreckung bereits an einer bestehenden Befreiung.
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, dass eine Befreiung im Wege der Erstreckung für eine berufsfremde Tätigkeit nur für dem Grunde nach versicherungspflichtige Personen (z.B. angestellte Rechtsanwälte) und nicht für nicht versicherungspflichtige Personen (z.B. selbständige Rechtsanwälte) möglich ist.
Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung liegt darin, dass zwischen Personen unterschieden wird, die grundsätzlich als versicherungspflichtig Beschäftigte den Regelungen des Vierten Sozialgesetzbuches unterliegen und solchen Personen, die der Gruppe der Selbständigen/Freiberufler angehören und daher grundsätzlich nicht davon erfasst werden.
Quelle: Landessozialgericht NRW, Pressemitteilung v. 17.8.2022 zu LSG NRW, Urteil v. 26.1.2022 - L 3 R 560/19; NWB
12.09.2022
Ein GmbH-Geschäftsführer, der durch Haftungsbescheid für die von der GmbH nicht abgeführte Lohnsteuer in Anspruch genommen wird, kann die von ihm gezahlte Haftungssumme als Werbungskosten absetzen. Dies gilt auch insoweit, als die Lohnsteuer auf sein Geschäftsführergehalt entfällt.
Hintergrund: GmbH-Geschäftsführer können bei Verletzung ihrer steuerlichen Pflichten, wie z.B. der unterlassenen Bezahlung von Steuern, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
Nach dem Gesetz ist die Einkommensteuer einschließlich Lohnsteuer steuerlich nicht absetzbar.
Streitfall: Die Klägerin war Geschäftsführerin der B-GmbH gewesen, die im Jahr 2014 insolvent wurde. Die B-GmbH hatte im Jahr 2013 die Lohnsteuern zwar einbehalten und angemeldet, nicht aber an das Finanzamt abgeführt; hierzu gehörte auch die Lohnsteuer, die auf das Geschäftsführergehalt der Klägerin entfiel. Das Finanzamt erließ gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über die nicht abgeführten Lohnsteuern i.H. von ca. 20.000 €. Hiervon entfielen ca. 17.000 € auf den Arbeitslohn, den die Klägerin erhalten hatte, und 3.000 € auf die Lohnsteuern der übrigen Arbeitnehmer. Die Klägerin zahlte in den Streitjahren 2014 und 2015 zusammen ca. 15.000 € und machte diesen Betrag als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte lediglich 3.000 € an, also den Anteil, der auf die Lohnsteuern der übrigen Arbeitnehmer entfiel.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte den Werbungskostenabzug vollständig in Höhe von 15.000 € an und gab der Klage statt:
• Ein GmbH-Geschäftsführer, der durch Haftungsbescheid für die Steuerschulden der GmbH in Anspruch genommen wird, kann die von ihm bezahlte Haftungssumme als Werbungskosten absetzen. Denn der Haftungsbescheid war durch die berufliche Tätigkeit als Geschäftsführerin veranlasst, weil er an eine Pflichtverletzung der Klägerin als Geschäftsführerin anknüpfte; die Klägerin hatte nämlich ihre Pflicht, die Steuern der B-GmbH abzuführen, nicht erfüllt.
• Die berufliche Veranlassung bestand auch, soweit die in dem Haftungsbescheid aufgeführte Lohnsteuer auf den Arbeitslohn der Klägerin entfiel. Insoweit galt nicht das Abzugsverbot für Einkommensteuern und sonstige Personensteuern. Denn die Klägerin bezahlte nicht ihre eigene Lohnsteuer, sondern sie bezahlte eine Haftungsschuld, d.h. sie stand für die Steuerschuld eines anderen, nämlich der B-GmbH, ein.
Hinweise: Die Klägerin war zwar auch Gesellschafterin der B-GmbH gewesen. Dies stand dem Werbungskostenabzug aber nicht entgegen, da die Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid nicht auf der Gesellschafterstellung der Klägerin beruhte, sondern auf ihrer Geschäftsführerstellung.
Hätte die Klägerin, ohne dass ein Haftungsbescheid ergangen wäre, ihre eigene Lohnsteuer als Steuerschuldnerin – und nicht als Haftungsschuldnerin – zahlen müssen, wäre diese Zahlung nicht als Werbungskosten abziehbar gewesen. Allerdings hätte das Finanzamt die Lohnsteuer von der Klägerin als Steuerschuldnerin gar nicht mehr verlangen können, da die B-GmbH die Lohnsteuer der Klägerin einbehalten hatte. Damit schied die Klägerin als Steuerschuldnerin (Arbeitnehmerin) aus. Dem Finanzamt blieb daher nur noch der Erlass eines Haftungsbescheids aufgrund der Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin der B-GmbH.
Quelle: BFH, Urteil v. 8.3.2022 - VI R 19/20; NWB
09.09.2022
Hat das Finanzamt eine Leistung des bilanzierenden Unternehmers zu Unrecht als umsatzsteuerpflichtig angesehen, zugleich aber eine entsprechende Umsatzsteuerverbindlichkeit gewinnmindernd in der Bilanz berücksichtigt und hat der Einspruch des Unternehmers gegen den Umsatzsteuerbescheid Erfolg, darf das Finanzamt den Ertragsteuerbescheid zuungunsten des Unternehmers ändern, indem es die Umsatzsteuerverbindlichkeit nicht mehr berücksichtigt.
Hintergrund: Wird aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid erlassen, aber anschließend mit Erfolg angefochten, kann das Finanzamt aus dem Sachverhalt nachträglich die richtigen steuerlichen Folgen ziehen und einen entsprechenden Steuerbescheid zuungunsten des Steuerpflichtigen ändern oder erlassen.
Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH und gab in den Streitjahren 2011 und 2012 elektronische Versicherungsbestätigungen für die Zulassung von Fahrzeugen an andere Unternehmer weiter. Sie behandelte dies umsatzsteuerfrei. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte das Finanzamt zur Umsatzsteuerpflicht. Es erhöhte daher im Mai 2014 die Umsatzsteuer für 2011 und 2012, minderte aber im Gegenzug den Gewinn beider Jahre, indem es jeweils eine Umsatzsteuerverbindlichkeit berücksichtigte. Die Klägerin wehrte sich gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide für 2011 und 2012 und hatte im Einspruchsverfahren im April 2016 Erfolg. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für 2011 und 2012 wieder herab, machte aber im Juli 2016 die Gewinnminderung in Gestalt der Umsatzsteuerverbindlichkeiten für 2011 und 2012 wieder rückgängig. Die Klägerin klagte gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide.
Entscheidung: Der BFH hielt die Änderung der Körperschaftsteuerbescheide im Juli 2016 für rechtmäßig:
Nach dem Gesetz kann das Finanzamt aus einer zugunsten des Steuerpflichtigen erfolgten Änderung oder Aufhebung des Bescheids verfahrensrechtliche Folgen ziehen. Auf diese Weise soll der Steuerpflichtige im Fall des Obsiegens an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit es um denselben Sachverhalt geht.
Die irrige Beurteilung des Sachverhalts lag in der Annahme, dass die Weitergabe der elektronischen Versicherungsbestätigungen umsatzsteuerpflichtig ist. Diese Annahme war fehlerhaft und wurde umsatzsteuerlich korrigiert. Eine irrige Beurteilung dieses Sachverhalts erfolgte auch in den Körperschaftsteuerbescheiden, weil das Finanzamt zu Unrecht Umsatzsteuerverbindlichkeiten angenommen hatte.
Nachdem die irrige Sachverhaltsbeurteilung in den Umsatzsteuerbescheiden aufgrund des Einspruchs der Klägerin rückgängig gemacht worden war, und zwar zugunsten der Klägerin, durfte das Finanzamt anschließend die irrige Beurteilung desselben Sachverhalts in den Körperschaftsteuerbescheiden rückgängig machen, nun aber zuungunsten der Klägerin; daher durfte das Finanzamt die Gewinnminderungen, die aufgrund der Passivierung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten eingetreten waren, rückgängig machen.
Hinweise: Die im Urteil geschilderte Problematik gehört zum Bereich der sog. widerstreitenden Steuerfestsetzung. Hat der Steuerpflichtige mit einem Einspruch oder einer Klage Erfolg, soll das Finanzamt auf der Grundlage der Argumentation des Steuerpflichtigen nunmehr andere Bescheide ändern können. Dies können – wie im Streitfall – auch Bescheide einer anderen Steuerart sein. Für die Änderung hat das Finanzamt grundsätzlich ein Jahr Zeit, auch wenn an sich bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Ein typisches Beispiel für eine solche Änderung ergibt sich z. B. dann, wenn der Steuerpflichtige gegen den Einkommensteuerbescheid für 2020 Einspruch einlegt und nachweist, dass er eine im Bescheid für 2020 erfasste Einnahme bereits im Jahr 2019 erhalten habe. Der Bescheid für 2020 wird dann zu seinen Gunsten geändert, aber das Finanzamt kann anschließend den Bescheid für 2019 zuungunsten des Klägers ändern und nunmehr die Einnahme bei der Steuerfestsetzung 2019 berücksichtigen. Dies kann auch zu höheren Nachzahlungszinsen führen.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.3.2022 - XI R 5/19; NWB
07.09.2022
Die Klage eines bei der Steuerberaterprüfung durchgefallenen Rechtsanwalts gegen das Prüfungsergebnis dauert unangemessen lange, wenn die Schriftsätze ausgetauscht sind, das Gericht aber danach nicht mit der Terminierung zur mündlichen Verhandlung beginnt. Soweit eine unangemessene Verzögerung vorliegt und der Kläger eine Verzögerungsrüge erhoben hat, ist dem Kläger für jeden Monat der Verzögerung eine Entschädigung von 100 € zuzusprechen.
Hintergrund: Dauert ein Gerichtsverfahren unangemessen lange, steht dem Verfahrensbeteiligten grundsätzlich eine Entschädigung von 100 €/Monat zu.
Streitfall: Der Kläger war Rechtsanwalt, wollte aber auch Steuerberater werden und nahm zweimal vergeblich an der Steuerberaterprüfung teil. Gegen den Bescheid über das Nichtbestehen erhob er im Januar 2017 Klage und reichte eine 76-seitige Klagebegründung ein. In der Folgezeit wurden die gegenseitigen Schriftsätze ausgetauscht. Am 28.2.2019 erkundigte sich die Steuerberaterkammer als Verfahrensbeteiligte nach dem Verfahrensstand; das Gericht übermittelte eine Standardantwort, übersandte diese jedoch nicht dem Kläger. Am 30.10.2019 erhob der Kläger Verzögerungsrüge. Am 10.12.2019 lud das Finanzgericht die Sache zur mündlichen Verhandlung im Januar 2020. Die Klage wurde abgewiesen. Anschließend erhob der Kläger Entschädigungsklage beim Bundesfinanzhof (BFH) und beantragte eine Entschädigung von 900 € für eine Verzögerung von neun Monaten.
Entscheidung: Der BFH gab der Entschädigungsklage statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung von 900 € zu:
Zwar genügt es im Finanzgerichtsverfahren grundsätzlich, wenn ein Fall, der nicht überdurchschnittlich schwer ist, nach zwei Jahren geladen wird. Dieser Grundsatz lässt sich auf Klagen im Bereich der Steuerberaterprüfung aber nicht übertragen, da das Bestehen einer Prüfung für einen Kläger eine hohe Bedeutung hat; denn ohne bestandene Prüfung kann er seinen Beruf nicht ausüben.
Die genaue angemessene Dauer hängt von der Komplexität des Falls, hier etwa vom Umfang der Klagebegründung mit 76 Seiten, und von der – hier erfolgten – Mitwirkung des Klägers ab. Der Streitfall war bereits angesichts der sehr umfangreichen Klageschrift überdurchschnittlich schwierig, hätte aber wegen der großen Bedeutung des Falls für den Kläger gleichwohl zügig bearbeitet werden müssen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bereits Rechtsanwalt war und daher auch ohne bestandene Steuerberaterprüfung steuerberatend tätig werden durfte.
Konkret ist es jedenfalls ab März 2019 zu einer unangemessenen Verzögerung gekommen, da im Februar 2019 die Steuerberaterkammer nach dem Sachstand gefragt hatte und anschließend nichts mehr geschah. Erst im Dezember 2019 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung. Damit war für den Zeitraum vom März 2019 bis November 2019 eine neunmonatige Verzögerung anzunehmen.
Diese Verzögerung war durch die verschiedenen Erkrankungen der zuständigen Richterin nicht gerechtfertigt. Denn im Fall der Erkrankung müssen die Vertreter der Richterin einspringen, ggf. auch der Vorsitzende.
Hinweise: Eine Verzögerungsrüge wirkt grundsätzlich nur sechs Monate zurück, so dass die am 30.10.2019 erhobene Verzögerungsrüge an sich nur den Zeitraum ab 30.4.2019 bis einschließlich November 2019 erfassen konnte. Der BFH hielt es aber für sachgerecht, dem Kläger bereits ab März 2019 eine Entschädigung zuzusprechen. Denn der Kläger wollte erst einmal den Ausgang der Sachstandsanfrage der Steuerberaterkammer im Februar 2019 abwarten; die Standardantwort der Richterin war ihm aber nicht übermittelt worden, so dass dem Kläger nicht vorgehalten werden konnte, dass er seine Verzögerungsrüge erst im Oktober 2019 erhoben hat.
Eine Verzögerungsrüge darf auch nicht zu früh erhoben werden, also bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerung noch nicht zu befürchten ist. Anderenfalls ist die Verzögerungsrüge unwirksam.
Eine Verzögerungsrüge ist nicht auf finanzgerichtliche Verfahren beschränkt, sondern gilt für alle Gerichtszweige, also z. B. auch für Zivil-, Verwaltungs- oder Arbeitsgerichte.
Quelle: BFH, Urteil v. 23.3.2022 - X K 2/20; NWB
06.09.2022
Wird beim Betrieb eines Blockheizkraftwerks ein Teil der produzierten Wärme unentgeltlich abgegeben, muss auf diese unentgeltliche Wertabgabe Umsatzsteuer abgeführt werden. Hierfür sind die Selbstkosten anzusetzen, wenn es mangels Anschlusses an das Fernwärmenetz keinen Einkaufspreis gibt, und auf den Strom und auf die Wärme aufzuteilen. Diese Aufteilung hat nicht nach der in kWh erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie zu erfolgen, sondern nach den Markwerten für den Strom und für die Wärme.
Hintergrund: Grundsätzlich bemisst sich die Umsatzsteuer nach dem Entgelt. Bei einer unentgeltlichen Wertabgabe gibt es aber kein Entgelt, so dass nach dem Gesetz der Einkaufspreis anzusetzen ist oder – falls es keinen Einkaufspreis gibt – die Selbstkosten.
Streitfall: Der Kläger produzierte mit einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme und speiste den Strom gegen Entgelt in das Netz ein. Gegenüber der Gemeinde verpflichtete sich der Kläger zur unentgeltlichen Abgabe der von ihm produzierten Wärme an verschiedene Gemeindeobjekte wie z.B. die Feuerwehr oder das Pfarrhaus. Dies ermöglichte dem Kläger die Erlangung eines sog. KMK-Bonus. Das Finanzamt unterwarf die unentgeltliche Abgabe der Wärme der Umsatzsteuer. Hierzu teilte es die Selbstkosten des Klägers nach der Gesamtmenge des gelieferten Stroms und der erzeugten Wärme in kWh auf und begrenzte die sich für die Wärme ergebenden Selbstkosten auf den niedrigeren Fernwärmepreis. Auf diese Weise gelangte das Finanzamt in den Streitjahren 2010 bis 2013 zu unentgeltlichen Wertabgaben von ca. 100.000 € bis 150.000 € jährlich. Der Kläger hielt diese Bemessungsgrundlagen für zu hoch.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache aber zur weiteren Berechnung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die unentgeltliche Abgabe von Wärme an die Gemeinde unterliegt der Umsatzsteuer. Die Bemessungsgrundlage hierfür ist nach dem Gesetz grundsätzlich der Einkaufspreis oder, falls es keinen Einkaufspreis gibt, die Selbstkosten.
Einen Einkaufspreis für die Wärme gab es beim Kläger nicht, da er nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen war, sondern die Wärme selbst produzierte. Daher waren die Selbstkosten zugrunde zu legen.
Die Selbstkosten des Klägers entfielen nicht nur auf die Herstellung der Wärme, sondern auch auf die Herstellung des Stroms. Daher waren die Selbstkosten auf die produzierte Wärme und auf den produzierten Strom aufzuteilen. Diese Aufteilung erfolgt nicht nach der sog. energetischen Methode, d.h. nach der in kWh erzeugten Menge; denn die energetische Methode führt im Ergebnis zu einer Wertbemessung nach den Einkaufspreisen.
Vielmehr sind bei der Aufteilung der Selbstkosten die Marktwerte für Strom und Wärme zugrunde zu legen (sog. Marktpreismethode). Diese Methode gilt auch bei der Aufteilung der Vorsteuer. Bei der Marktpreismethode wird auf einen fiktiven Verkaufsumsatz abgestellt, z.B. auf den durchschnittlichen Fernwärmepreis. Dabei können Besonderheiten wie Liefergarantien, Leitungskosten oder regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.
Hinweise: Die abschließende Berechnung muss nun das FG durchführen. Allerdings hat der BFH im Urteil bereits ausgeführt, wie diese Berechnung aussehen könnte, darf diese Berechnung aus verfahrensrechtlichen Gründen jedoch nicht seinem Urteil zugrunde legen. Die Berechnung lautet wie folgt:
Die Selbstkosten des Klägers betrugen 641.182 €. Der Kläger erzielte einen Umsatz aus dem Verkauf von Strom in Höhe von 868.873 €. Er entnahm Wärme im Umfang von 2.112.832 kWh. Bei Ansatz eines fiktiven Verkaufspreises auf Grundlage eines durchschnittlichen Fernwärmepreises von 0,0694 €/kWh ergibt sich ein fiktiver Wärme-Umsatz von 146.631 €, so dass der fiktive Gesamtumsatz 1.015.504 € beträgt (868.873 € Strom-Umsatz + 146.631 € Wärme-Umsatz). Der Anteil der Wärme an der gesamten Energie beträgt somit 14,439 % (146.631 € : 1.015.504 €). Folglich sind 14,439 % der Selbstkosten (= 14,439 % x 641.182 €), d.h. 92.580 €, die Bemessungsgrundlage für die entnommene Wärme. Dies ist weniger als die vom Finanzamt jährlich angesetzten 100.000 € bis 150.000 €.
Quelle: BFH, Urteil v. 15.3.2022 - V R 34/20; NWB
05.09.2022
Wird ein Klageverfahren vor dem Finanzgericht mit einer beiderseitigen Erledigung der Hauptsache beendet, wird der Rechtsstreit damit abgeschlossen und der Steuerbescheid bestandskräftig. Zudem endet damit die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsverjährung, und der bisher bestehende Vorbehalt der Nachprüfung entfällt aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es sich bei der vor Klageerhebung ergangenen Einspruchsentscheidung nur um eine sog. Teileinspruchsentscheidung handelte.
Hintergrund: Das Finanzamt kann über einen Einspruch durch sog. Teileinspruchsentscheidung und damit zunächst nur über einen Teil des Einspruchs entscheiden. Der Rest des Einspruchs, der i.d.R. eine beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige verfassungsrechtliche Frage betrifft, bleibt dann weiterhin anhängig und wird entschieden werden, wenn das BVerfG über die verfassungsrechtliche Frage entschieden hat.
Streitfall: Der Kläger war ein Verein, der Verwaltungsaufgaben für das Bundesamt für Zivildienst erledigte. Der Kläger meldete seine Umsätze für das Streitjahr 2008 zunächst mit dem regulären Umsatzsteuersatz an. Gegen die entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung legte der Kläger am 22.10.2009 Einspruch ein und machte den ermäßigten Umsatzsteuersatz geltend. Wegen eines anhängigen Revisionsverfahrens zum Umsatzsteuersatz wurde das Ruhen des Einspruchsverfahrens angeordnet. Ein Jahr später änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 aus einem anderen Grund, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Kläger sein Personal beköstigt hatte. Gegen diesen Änderungsbescheid legte der Kläger am 22.12.2010 ebenfalls Einspruch ein. Am 1.6.2012 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Dabei bezog sich das Finanzamt auf den Einspruch vom 22.12.2010. Hiergegen klagte der Kläger. Im Klageverfahren erkannte das Finanzamt die Beköstigung als umsatzsteuerfrei an, und der Kläger sowie der Beklagte erklärten den Rechtsstreit am 31.7.2013 in der Hauptsache für erledigt. Im Jahr 2014 beantragte der Kläger eine Änderung des Umsatzsteuerbescheids, nachdem das Revisionsverfahren zur Höhe des Umsatzsteuersatzes entschieden worden war; der Kläger machte nun die Umsatzsteuerfreiheit für seine Umsätze geltend. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab, und der Kläger erhob Klage.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof wies die Klage ab, da für 2008 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war:
Die vom Kläger und vom Finanzamt im vorherigen Klageverfahren am 31.7.2013 erklärte Erledigung der Hauptsache führte zur Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung 2008 und beendete die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist. Damit trat mit Ablauf des 31.12.2013 Festsetzungsverjährung ein. Hierdurch entfiel auch der Vorbehalt der Nachprüfung. Eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2008 war verfahrensrechtlich nicht mehr möglich.
Die Einspruchsentscheidung vom 1.6.2012 war auch keine Teileinspruchsentscheidung. Bei einer Teileinspruchsentscheidung wäre der noch nicht entschiedene Teil des Einspruchs anhängig geblieben.
Zum einen war die Einspruchsentscheidung nicht als „Teileinspruchsentscheidung“ bezeichnet. Zum anderen wurde auch der Einspruch insgesamt zurückgewiesen und nicht nur ein Teil des Einspruchs. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Einspruch insgesamt entscheidungsreif gewesen war; der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung wäre daher nicht sachdienlich gewesen. Unbeachtlich ist somit, dass in der Einspruchsentscheidung nur der Einspruch vom 22.12.2010 und nicht der Einspruch vom 22.10.2009 genannt wurde.
Hinweise: Der Einspruch vom 22.12.2010 war unzulässig, da der Kläger bereits am 22.10.2009 Einspruch eingelegt hatte. Man kann gegen eine Festsetzung nur einmal zulässig Einspruch einlegen. Dieser Einspruch erfasst dann auch Änderungsbescheide, so dass nicht erneut Einspruch gegen den Änderungsbescheid eingelegt werden muss; ein weiterer Einspruch wäre unzulässig.
Das Urteil macht deutlich, dass man Streitpunkte in einem Einspruchs- und Klageverfahren möglichst umfassend klären und nicht darauf vertrauen sollte, dass diese noch in einem späteren Verfahren geklärt werden können.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.3.2022 - XI R 39/19; NWB
02.09.2022
Ab Oktober gilt eine neue Corona-Arbeitsschutzverordnung. Hierauf macht die Bundesregierung aktuell aufmerksam.
Hierzu führt die Bundesregierung u.a. weiter aus:
Mit der neuen Verordnung werden Arbeitgeber verpflichtet, auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung betriebliche Hygienekonzepte zu erstellen und die entsprechenden Corona-Schutzmaßnahmen umzusetzen. Innerhalb der Gefährdungsbeurteilung müssen Arbeitgeber unter anderem das Angebot an Beschäftigte prüfen, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.
Außerdem müssen sie prüfen:
die Umsetzung der AHA+L-Regel an den Arbeitsplätzen,
die Verminderung der betriebsbedingten Personenkontakte, etwa durch Reduzierung der gleichzeitigen Nutzung von Räumen – etwa durch Homeoffice,
eine Maskenpflicht überall dort, wo technische und organisatorische Maßnahmen zum Infektionsschutz allein nicht ausreichen,
Testangebote für alle in Präsenz arbeitenden Beschäftigten.
Unabhängig von der Gefährdungsbeurteilung sollen die Arbeitgeber die Beschäftigten dabei unterstützen, Impfangebote wahrzunehmen.
Diese Maßnahmen sollen mit dazu beitragen, krankheitsbedingte Ausfallzeiten von Beschäftigten zu reduzieren und Belastungen des Gesundheitswesens, der kritischen Infrastrukturen sowie der Wirtschaft zu minimieren. Das Bundeskabinett hat die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung zur Kenntnis genommen. Die Neufassung soll auf dem Weg einer Ministerverordnung erlassen werden. Voraussetzung dafür ist, dass zuvor das Covid-19-Schutzgesetz in Kraft getreten ist.
Hinweis: Die Neufassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung wird nach Erlass durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales am 1.10.2022 in Kraft treten und soll bis einschließlich 7.4.2023 gelten.
Quelle: Bundesregierung online, Meldung v. 31.8.2022; NWB
02.09.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat August 2022 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2022 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 1.9.2022 - III C 3 - S 7329/19/10001 :004 (2022/0873229) -NWB
01.09.2022
Die Energiepreispauschale für einkommenssteuerpflichtige Erwerbstätige wird ausgezahlt. Öffentliche Gebäude heizen weniger. Pflegekräfte erhalten höhere Mindestlöhne. Über diese und weitere Neuregelungen informiert die Bundesregierung.
Energie
Auszahlung der Energiepreispauschale
Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende erhalten eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro. Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers. Selbstständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung. Die Maßnahme ist Teil des zweiten Entlastungspakets, das im Juni in Kraft getreten ist.
Weitere Energiesparmaßnahmen
Ab dem 1. September gelten weitere Energiesparmaßnahmen, die kurzfristig zur Sicherung der Energieversorgung beitragen. Zum Beispiel dürfen öffentliche Büros nur noch auf maximal 19 Grad beheizt werden. Gebäude, Denkmäler und Werbeflächen werden zu bestimmten Zeiten nicht mehr beleuchtet.
Pflege
Mindestlohn in der Pflege steigt, mehr Urlaub
Die Mindestlöhne für Pflegehilfskräfte, qualifizierte Pflegehilfskräfte sowie Pflegefachkräfte steigen zum 1.9.2022. Zwei weitere Steigerungen sind für das kommende Jahr vorgesehen. Altenpflegekräfte erhalten Anspruch auf mehr Urlaub. Dies sind weitere Schritte, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und den Beruf attraktiver zu machen.
Gesundheit
Regeln bei Einreise nach Deutschland bleiben gelockert
Einreisende nach Deutschland brauchen weiterhin keinen Nachweis, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Das Bundeskabinett hat eine entsprechende Verordnung um einen Monat bis 30. September verlängert.
Das E-Rezept startet
Ab dem 1.9. 2022 wird die 1. Stufe des E-Rezept-Rollouts starten. Apotheken sind dann in der Lage, E-Rezepte einzulösen und mit den Krankenkassen abzurechnen.
Umwelt
Einheitliche Kennzeichnung Nitrat belasteter Gebiete
Mit Nitrat belastete Gebiete werden künftig von den Ländern nach einheitlichen Standards und im Einklang mit der EU-Nitratrichtlinie ausgewiesen. Wichtig ist das für den Schutz des Grundwassers. Dies sieht eine Verwaltungsvorschrift vor, die am 17.8.2022 in Kraft getreten ist.
Quelle: Bundesregierung online, Meldung vom 30.8.2022; NWB
31.08.2022
Die Umsätze eines Freizeitparks unterliegen dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 % und nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % für Schausteller, die von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ziehen.
Hintergrund: Für Schausteller gilt nach dem Gesetz ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 %. Diese Regelung erfasst Leistungen aus Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltenden Vorstellungen oder sonstigen Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.
Streitfall: Die Klägerin betrieb einen Freizeitpark. Sie war der Auffassung, dass ihre Umsätze dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % für Schausteller unterliegen würden. Das Finanzamt wandte aber den regulären Umsatzsteuersatz an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Ein Freizeitpark ist kein Schausteller, für den der ermäßigte Steuersatz von 7 % gilt. Denn ein Schausteller zieht von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, während ein Freizeitpark an einem Ort betrieben wird.
Die unterschiedliche Besteuerung zwischen einem Schausteller und einem Freizeitpark ist gerechtfertigt. Ein Freizeitpark befindet sich an einem festen Ort und hat keinen Transport- oder Reiseaufwand. Hingegen muss ein Schausteller von Jahrmarkt zu Jahrmarkt reisen und hat einen erhöhten Aufwand, wie er für Reisegewerbe typisch ist. Außerdem bietet er seine Leistungen „wohnortnah“ an, während ein Freizeitpark von auswärtigen Gästen besucht wird.
Hinweise: Es gibt auch Ausnahmen im Schaustellergewerbe, bei denen ein Jahrmarkt wie ein Freizeitpark Besucher von weit weg anzieht, z. B. das Oktoberfest in München oder das Cannstatter Volksfest in Stuttgart. Dies führt aber nicht zur Anwendbarkeit des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Klägerin.
Streitig war auch, ob es auf die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers ankommt. Der BFH hat dies verneint, sondern hält für maßgeblich, dass sich die Leistungen eines (reisenden) Schaustellers von den Leistungen eines (ortsgebundenen) Freizeitparks tatsächlich unterscheiden. Dabei hat der BFH klargestellt, dass die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers jedenfalls vom Gericht aufgrund eigener Sachkunde festgestellt werden kann, ohne dass hierfür ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.3.2022 - XI R 23/21 (XI R 4/21); NWB
30.08.2022
Der Verlust aus der Auflösung einer GmbH, den ein mit mindestens 1 % beteiligter Gesellschafter in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen kann, entsteht nicht schon in dem Jahr, in dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, sondern grundsätzlich erst mit dem Abschluss der Liquidation der GmbH und nur ausnahmsweise bereits dann, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird.
Hintergrund: Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung oder Aufgabe einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter in den letzten fünf Jahren mit mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Ein Gewinn bzw. Verlust wirkt sich nach dem sog. Teileinkünfteverfahren zu 60 % aus.
Streitfall: Der M war Alleingesellschafter der M-GmbH. Die M-GmbH beantragte im Dezember 2014 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser Antrag wurde vom Insolvenzgericht im Februar 2015 mangels Masse abgelehnt. Im April 2015 wurde über das Vermögen des M das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom Dezember 2015 die Einkommensteuer für M fest und gab den Bescheid dem Kläger als Insolvenzverwalter bekannt; in dem Bescheid wurde zwar eine Einkommensteuer von ca. 29.000 € festgesetzt, aber unter Anrechnung von Lohn- und Kapitalertragsteuer ergab sich eine Erstattung von ca. 2.500 €. Den geltend gemachten Auflösungsverlust berücksichtigte das Finanzamt in dem Bescheid nicht.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof wies die Klage des Insolvenzverwalters ab:
Ein Auflösungsverlust kann bei einem mit mindestens 1 % beteiligten Gesellschafter erst dann berücksichtigt werden, wenn der Verlust feststeht und sicher ist, dass das Gesellschaftsvermögen nicht mehr an die Gesellschafter zurückgezahlt wird.
Wird die GmbH liquidiert, kommt es grundsätzlich auf den Abschluss der Liquidation an. Ausnahmsweise kommt auch ein früherer Zeitpunkt in Betracht, wenn z.B. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die GmbH bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war.
Im Streitfall ist die M-GmbH im Streitjahr 2014 noch nicht aufgelöst worden. Es ist lediglich der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes setzt aber die Auflösung der GmbH voraus. Selbst wenn die M-GmbH im Jahr 2014 aufgelöst worden wäre, hätte der Auflösungsverlust erst im Jahr 2015 mit der Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse festgestanden.
Im Übrigen durfte das Finanzamt trotz des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des M einen Steuerbescheid gegen M erlassen und den Bescheid dem Kläger als Insolvenzverwalter bekannt geben. Denn der Einkommensteuerbescheid 2014 enthielt zwar eine Steuerfestsetzung; aufgrund der angerechneten Lohn- und Kapitalertragsteuer ergab sich aber eine Erstattung, so dass sich der Steuerbescheid auf das Insolvenzverfahren und auf die anzumeldenden Steuerforderungen des Finanzamts nicht auswirken konnte.
Hinweise: Der Veranlagungszeitraum, in dem sich ein Auflösungsverlust auswirkt, ist oft nicht sicher. In der Regel ist dies zwar das Jahr, in dem die Liquidation abgeschlossen wird. Es sind aber auch Ausnahmen denkbar, in denen schon vorher der Verlust feststeht. Ein Wahlrecht des GmbH-Gesellschafters, sich einen der in Betracht kommenden Veranlagungszeiträume auszusuchen, besteht nicht. Daher empfiehlt es sich, auch die Bescheide für die anderen in Betracht kommenden Veranlagungszeiträume durch einen Einspruch offenzuhalten.
Quelle: BFH, Urteil v. 5.4.2022 - IX R 27/18; NWB
29.08.2022
Das Finanzgericht Nürnberg (FG) hält den gesetzlichen Zuschlag von 6 % pro Jahr bei Auflösung der Rücklage, die für bestimmte Veräußerungsgewinne gebildet werden kann, für verfassungsgemäß. Im Gegensatz zu Erstattungs- und Nachzahlungszinsen, die ohne den Willen des Steuerpflichtigen festgesetzt werden, ist die Bildung einer Rücklage für bestimmte Veräußerungsgewinne eine freiwillige Entscheidung des Unternehmers. Zudem soll durch den Gewinnzuschlag eine missbräuchliche Bildung der Rücklage verhindert werden.
Hintergrund: Ein Gewinn aus der Veräußerung einer betrieblichen Immobilie oder eines Schiffs kann durch eine Rücklage neutralisiert werden, die grundsätzlich innerhalb von vier Jahren auf ein neues Wirtschaftsgut (Immobilie oder Schiff) übertragen werden muss (sog. Reinvestition). Die Rücklage mindert dann die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen auf das neue Wirtschaftsgut. Unterbleibt eine Reinvestition, muss die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden und wird um einen sog. Gewinnzuschlag von 6 % jährlich erhöht.
Streitfall: Der Kläger bildete 2012 eine Rücklage für einen Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks. Er führte in den folgenden vier Jahren die erforderliche Reinvestition nicht durch und löste die Rücklage im Jahr 2016 gewinnerhöhend auf. Das Finanzamt setzte einen Gewinnzuschlag von 6 % für vier Jahre an; dies führte zu einem Gewinnzuschlag von insgesamt 3.205 €. Der Kläger wandte sich gegen den Gewinnzuschlag mit der Begründung, dass der Satz von 6 % p.a. ebenso wie bei den Nachzahlungs- und Erstattungszinsen verfassungswidrig sei.
Entscheidung: Das FG wies die Klage ab:
Der Gewinnzuschlag von 6 % ist verfassungsgemäß, da es ausreichende Rechtfertigungsgründe für den gesetzlichen Ansatz von 6 % gibt. So bezweckt der Gewinnzuschlag einen pauschalen Ausgleich der steuerlichen Vorteile, die sich aus der Bildung der Rücklage ergeben. Außerdem soll eine missbräuchliche Bildung der Rücklage verhindert werden.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 2021 den Zinssatz von 6 % bei Nachzahlungs- und Erstattungszinsen als verfassungswidrig angesehen, und zwar grundsätzlich bereits für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014; nur aufgrund einer sog. Fortgeltungsanordnung, die haushaltsrechtliche Gründe hat, gilt die Verfassungswidrigkeit erst für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019.
Jedoch lässt sich die Begründung des BVerfG nicht auf den Gewinnzuschlag übertragen. Denn die Zinsen dienen allein dem Vorteilsausgleich; hingegen soll der Gewinnzuschlag eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Rücklage verhindern. Außerdem ist die Bildung der Rücklage freiwillig.
Hinweise: In den Steuergesetzen gibt es verschiedene materiell-rechtliche Regelungen, die bei der Bewertung von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen oder – wie im Streitfall – bei einem Gewinnzuschlag Prozentsätze vorsehen, die meist 5,5 % oder 6 % betragen. Derzeit ist umstritten, ob sich die Entscheidung des BVerfG zur verfassungswidrigen Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen ab dem 1.1.2019 auch auf diese materiell-rechtlichen Regelungen mittelbar auswirken kann.
Quelle: FG Nürnberg, Urteil v. 18.5.2022 - 3 K 301/19; NWB
26.08.2022
Beim Verkauf eines Grundstücks, das mit einer Weihnachtsbaumkultur bepflanzt ist und dessen Weihnachtsbäume bei Erreichen der erforderlichen Größe gefällt werden sollen, bemisst sich die Grunderwerbsteuer nur nach dem Kaufpreis für das Grundstück ohne Weihnachtsbäume. Die Weihnachtsbäume sind nämlich Scheinbestandteile des Grundstücks und gehören daher rechtlich nicht zum Grundstück.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer richtet sich beim Kauf eines Grundstücks nach dem Kaufpreis für das Grundstück. Zum Grundstück gehören dessen wesentliche Bestandteile, nicht aber Scheinbestandteile.
Streitfall: Der Kläger erwarb zwei Grundstücke zum Gesamtpreis von ca. 340.000 €. Der Kaufpreis enthielt einen Anteil von ca. 87.000 € für den sog. Aufwuchs; dabei handelte es sich um Nordmanntannen und Blaufichten, die als Weihnachtsbäume gefällt werden sollten. Das Finanzamt setzte 6,5 % Grunderwerbsteuer auf den Gesamtkaufpreis von 340.000 € fest. Der Kläger wandte sich dagegen, dass auch der Anteil von 87.000 € für den Aufwuchs der Grunderwerbsteuer unterworfen wurde.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Bezieht sich ein Grundstückskaufvertrag auch auf Gegenstände, die rechtlich nicht als Teil des Grundstücks gelten, darf Grunderwerbsteuer nur nach dem Teil des Kaufpreises bemessen werden, der auf das Grundstück entfällt.
Zum Grundstück gehören grundsätzlich auch Erzeugnisse, solange sie mit dem Boden zusammenhängen, z.B. Pflanzen oder Bäume.
Anders ist dies bei Scheinbestandteilen, die nur vorübergehend mit dem Grundstück verbunden sind. Zu den Scheinbestandteilen gehören auch Weihnachtsbaumkulturen, da die Weihnachtsbäume gefällt werden sollen und nicht dauerhaft auf dem Grundstück stehen sollen. Das nur vorübergehende Verbleiben der Weihnachtsbäume steht von Anfang fest.
Die Grunderwerbsteuer war daher auf einer Bemessungsgrundlage von 253.000 € (340.000 € abzüglich 87.000 €) festzusetzen.
Hinweise: Auf die Dauer des Aufwachsens des Weihnachtsbaums kommt es nicht an. Ein Scheinbestandteil liegt also auch dann vor, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist. Es ist für die Annahme eines Scheinbestandteils auch nicht erforderlich, dass die Scheinbestandteilseigenschaft auf den ersten Blick erkennbar ist.
Auch Verkaufspflanzen in Baumschulen gelten als Scheinbestandteile, da sie vollständig entfernt werden sollen, wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben. Im Gegensatz zu Weihnachtsbäumen werden Baumschulgewächse durch das Entfernen nicht vollständig zerstört, sondern leben beim Käufer weiter. Für die Einstufung als Scheinbestandteil kommt es nicht darauf an, ob die Pflanze bzw. der Baum lebensfähig bleibt oder ob ein nicht mehr lebensfähiger Rest zurückbleibt (z.B. Wurzeln mit Baumstumpf). Offengelassen hat der BFH die Frage, ob ein Scheinbestandteil dann auch vorliegt, wenn der Baum trotz des Fällens als lebensfähiger Organismus bestehen bleibt und wieder ausschlägt.
Quelle: BFH, Urteil v. 23.2.2022 - II R 45/19; NWB
25.08.2022
Die gesetzliche Beschränkung des Schuldzinsenabzugs setzt nicht nur bei der Bilanzierung, sondern auch bei der Einnahmen-Überschussrechnung eine periodenübergreifende Ermittlung der Überentnahmen voraus. Der sich danach ergebende Überentnahmebetrag ist bei der Einnahmen-Überschussrechnung nicht auf ein vereinfacht ermitteltes negatives Kapitalkonto zu begrenzen.
Hintergrund: Betrieblich veranlasste Schuldzinsen sind nur eingeschränkt als Betriebsausgaben absetzbar. Die Abzugsbeschränkung greift, falls der Unternehmer sog. Überentnahmen getätigt hat, d.h. mehr Entnahmen getätigt hat, als er an Gewinn erzielt und an Einlagen erbracht hat. Bei der Bilanzierung werden die Überentnahmen seit dem 1.1.1999 periodenübergreifend ermittelt, so dass die seit diesem Zeitpunkt ermittelten Gewinne und getätigten Einlagen und Entnahmen saldiert werden.
Streitfall: Der Kläger war Architekt und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Er hatte in den drei Streitjahren 2010, 2011 und 2013 betriebliche Zinsen aufgewendet. Zum 31.12.2009 ergab sich ein Überentnahmesaldo von mehr als 130.000 € zulasten des Klägers. Im Streitjahr 2010 ergab sich für den Kläger ein Einlagenüberhang zu seinen Gunsten von ca. 19.000 € und im Streitjahr 2013 ein Einlageüberhang von ca. 36.000 €. Im weiteren Streitjahr 2011 hatte der Kläger jedoch Überentnahmen von ca. 58.000 € getätigt. Das Finanzamt beschränkte in den drei Jahren 2010, 2011 und 2013 den abziehbaren Zinsaufwand. Hiergegen wandte sich der Kläger.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies seine Klage ab:
Die Voraussetzungen für die Beschränkung des Zinsaufwands lagen vor. Denn der Kläger hatte Überentnahmen getätigt. Dabei kommt es nicht auf die Überentnahmen in den jeweiligen Streitjahren an, sondern auf den Saldo aus Gewinn, Einlagen und Entnahmen seit dem . Ob Überentnahmen vorliegen, wird nämlich periodenübergreifend ermittelt. Die Zinsen sind also auch nur dann beschränkt abziehbar, wenn im Wirtschaftsjahr selbst keine Überentnahmen getätigt wurden, jedoch ein Überentnahme-Saldo aus den Vorjahren vorhanden ist, der höher ist als der Gewinn und die Einlagen des laufenden Wirtschaftsjahres.
Der Grundsatz der periodenübergreifenden Ermittlung gilt nicht nur bei der Bilanzierung, sondern auch bei der Einnahmen-Überschussrechnung. Die gesetzliche Beschränkung des abziehbaren Zinsaufwands ist nämlich nach dem Gesetz sinngemäß auch auf die Einnahmen-Überschussrechnung anwendbar.
Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Überentnahmebetrag nicht auf ein – vereinfacht ermitteltes – negatives Eigenkapital begrenzt werden. Die Ermittlung eines derartigen Eigenkapitals wäre mit dem Vereinfachungszweck der Einnahmen-Überschussrechnung und der gesetzlichen Abzugsbeschränkung nicht zu vereinbaren.
Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass ein Einnahme-Überschussrechner bei der Ermittlung des abziehbaren Zinsaufwands ebenso den Grundsatz der periodenübergreifenden Ermittlung der Überentnahmen beachten muss wie ein Bilanzierer. Zwar kann der abziehbare Zinsaufwand eines Einnahmen-Überschussrechners von dem abziehbaren Zinsaufwand eines Bilanzierers abweichen; dies ergibt sich aber schon daraus, dass der Gewinn, der den Überentnahme-Saldo beeinflusst, anders ermittelt wird.
Eine Begrenzung des Überentnahmebetrags auf einen fiktiven negativen Eigenkapitalbetrag lehnt der BFH bei der Einnahmen-Überschussrechnung ab. Denn dies würde die Erstellung einer „Schattenbilanz“ verlangen und damit zu einer weiteren Verkomplizierung führen.
Die gesetzliche Abzugsbeschränkung für Zinsen gilt nicht für sog. Investitionszinsen, d.h. Zinsen für die Finanzierung von Anlagevermögen.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.5.2022 - VIII R 38/18; NWB
24.08.2022
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge, soweit sie ab dem 1.1.2019 entstanden sind. Der BFH gewährt daher insoweit Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe.
Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags fällig, d.h. jährlich 12 %. Säumniszuschläge sind also doppelt so hoch wie die für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 geltenden Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betrugen, und mehr als sechsmal so hoch wie der neue Zinssatz von monatlich 0,15 %, der für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 gilt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im letzten Jahr die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert.
Streitfall: Die Antragstellerin schuldete Umsatzsteuer für die Zeiträume Mai 2013 sowie 2014 bis 2017. Sie beantragte einen Abrechnungsbescheid, in dem das Finanzamt Säumniszuschläge in Höhe von 12 % jährlich auswies; die Säumniszuschläge waren teilweise erst ab dem 1.1.2019 entstanden. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, da sie die Höhe der Säumniszuschläge für verfassungswidrig hält.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, soweit es um die seit dem 1.1.2019 entstandenen Säumniszuschläge geht. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der bis zum 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge, wies der BFH den Antrag zurück:
Säumniszuschläge haben sowohl eine Druck- als auch eine Verzinsungsfunktion: Zum einen sollen sie den Steuerpflichtigen unter Druck setzen, die Steuer pünktlich zu zahlen. Zum anderen sollen sie im Fall der verspäteten Zahlung eine Gegenleistung darstellen (zinsähnliche Funktion).
Bezüglich dieser Verzinsungsfunktion bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge. Dies folgt aus der Entscheidung des BVerfG zur Höhe des Zinssatzes bei Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019. Danach ist der Zinssatz von 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 verfassungswidrig.
Zwar betrifft die Entscheidung des BVerfG nur die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, nicht aber die Säumniszuschläge. Dennoch ist es denkbar, dass die vom BVerfG für Zinsen entwickelten Grundsätze auch für Säumniszuschläge gelten, soweit diese eine zinsähnliche Funktion haben. Damit bestehen ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit.
Die Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids, in dem die Säumniszuschläge ausgewiesen werden, wird in voller Höhe gewährt, soweit die Säumniszuschläge ab dem 1.1.2019 entstanden sind. Denn die Höhe der Säumniszuschläge kann nur insgesamt verfassungswidrig oder verfassungsgemäß sein.
Hinsichtlich der bis zum 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge hatte der Antrag keinen Erfolg, da das BVerfG den Zinssatz für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 im Ergebnis für verfassungsgemäß gehalten hat.
Hinweise: Auch wenn der Aussetzungsantrag Erfolg gehabt hat, macht der BFH deutlich, dass es sich nur um eine vorläufige Entscheidung ohne eine bestimmte Tendenz handelt und dass eine abschließende Entscheidung erst im Hauptsacheverfahren getroffen werden kann. Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge ergeben sich also allein daraus, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit offen ist.
In der Praxis empfiehlt es sich bei säumiger Zahlung, einen Abrechnungsbescheid zu beantragen, in dem die Säumniszuschläge ausgewiesen werden, und dann unter Hinweis auf den aktuellen BFH-Beschluss Einspruch einzulegen und ggf. auch Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, falls eine Zahlung der Säumniszuschläge zunächst vermieden werden soll.
Quelle: BFH, Beschluss v. 23.5.2022 - V B 4/22 (AdV); NWB
20.07.2022
Für die umsatzsteuerliche Zuordnung eines sowohl privat als auch unternehmerisch genutzten Gegenstands zum Unternehmen muss keine Frist eingehalten werden, bis zu deren Ablauf der Unternehmer die Zuordnung dem Finanzamt mitzuteilen hat. Allerdings stellt die Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung, die für steuerlich nicht beratene Unternehmer gilt, eine Dokumentationsfrist dar, bis zu deren Ablauf diejenigen Anhaltspunkte, aus denen sich eine Zuordnung zum Unternehmen ergibt, dokumentiert sein müssen; diese Dokumentation bzw. die entsprechenden Anhaltspunkte können dem Finanzamt noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.
Hintergrund: Verwendet der Unternehmer einen Gegenstand sowohl für sein Unternehmen als auch privat, hat er umsatzsteuerlich ein sog. Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand entweder vollständig oder nur anteilig oder aber gar nicht seinem Unternehmen zuordnen und dementsprechend die Vorsteuer vollständig, anteilig oder gar nicht abziehen. Allerdings muss er bei einer vollständigen Zuordnung die Privatnutzung des Gegenstands der Umsatzsteuer unterwerfen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) musste das Zuordnungswahlrecht bis zum Termin für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung ausgeübt werden; dabei kam es für alle Unternehmer auf die Abgabefrist an, die für steuerlich nicht beratene Unternehmer gilt: Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2017 war dies der 31.5. des Folgejahres; seit dem Veranlagungszeitraum 2018 gilt – vorbehaltlich coronabedingter Fristverlängerungen – grundsätzlich der 31.7. des Folgejahres.
Streitfall: Der Kläger war Einzelunternehmer und hatte seine Büroräume bislang immer im eigenen Haus unterhalten. Im Jahr 2014 plante er den Bau eines Einfamilienhauses. In den Bauplänen war ein ca. 17 qm großer Raum im Erdgeschoss als „Arbeiten“ bezeichnet. In seinen monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen machte der Kläger keine Vorsteuer aus den Herstellungskosten des Einfamilienhauses geltend. Erst in seiner im September 2016 abgegebenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2014 zog er die auf den 17 qm großen Raum entfallende Vorsteuer ab. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug nicht an, weil der Kläger die Zuordnung zum Unternehmen nicht bis zum 31.5.2015 vorgenommen habe.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen, nachdem der BFH den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen hatte:
Es gibt keine Mitteilungsfrist, innerhalb derer der Unternehmer das Finanzamt über die erfolgte vollständige oder teilweise Zuordnung des gemischt genutzten Gegenstands zum Unternehmen informieren muss.
Es gibt lediglich eine Dokumentationsfrist, innerhalb derer diejenigen Anhaltspunkte, die nach außen hin erkennbar sind und die für eine Zuordnung zum Unternehmen sprechen, zu dokumentieren sind. Wird diese Dokumentationsfrist, die im Streitjahr 2014 mit der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung bis zum 31.5.2015 identisch ist, eingehalten, können die Anhaltspunkte dem Finanzamt auch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.
Im Streitfall könnte ein solcher Anhaltspunkt die Bezeichnung des Raums als „Arbeiten“ in den Bauplänen sein. Immerhin benötigte der Kläger ein Büro, und er hatte bereits vor 2014 kein externes Büro genutzt, sondern sein Büro in den Privaträumen untergebracht. Für eine Zuordnung zum Unternehmen könnte ferner sprechen, dass der Kläger den neuen Raum sogar schon bis zum Ablauf der Dokumentationsfrist (31.5.2015) für sein Unternehmen genutzt hat.
Für die Zuordnung ist es nicht entscheidend, dass der Kläger den Vorsteuerabzug nicht in seinen Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemacht hat.
Hinweise: Der BFH hat die Sache nun an das FG zurückverwiesen, damit dieses prüft, ob die genannten Anhaltspunkte oder andere Anhaltspunkte für eine umsatzsteuerliche Zuordnung zum Unternehmen bis zum 31.5.2015 vorgelegen haben und dokumentiert worden sind.
Der BFH hatte den EuGH zur Klärung der Frage angerufen, ob die bisher angenommene Zuordnungsfrist bis zum 31.5. des Folgejahres (für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2017) mit dem Europarecht vereinbar ist. Der EuGH hat dies im Grundsatz bejaht. Dennoch weicht der BFH die Zuordnungsfrist nun auf und macht aus ihr eine bloße Dokumentationsfrist. Für Unternehmer dürfte dies eine Entlastung darstellen, da sie nicht mehr gezwungen sind, dem Finanzamt bis zum Abgabetermin für die Umsatzsteuererklärung (für steuerlich nicht beratene Steuerpflichtige) die erfolgte Zuordnung mitzuteilen.
Quelle: BFH, Urteil v. 4.5.2022 - XI R 28/21 (XI R 3/19); NWB
19.07.2022
Tritt ein Steuerberater für einen Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt auf, ohne dass er eine ausdrückliche Vollmacht vorlegt, wird eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Steuerberaters vermutet. Dies hat zur Folge, dass der Steuerbescheid gegenüber dem Steuerberater für seinen Mandanten wirksam bekannt gegeben werden kann.
Hintergrund: Ein Steuerbescheid ist grundsätzlich gegenüber dem Betroffenen bekannt zu geben, kann aber auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Mit der Bekanntgabe wird der Bescheid wirksam.
Streitfall: Die Kläger waren Eheleute und hatten ausländische Kapitalerträge nicht ordnungsgemäß erklärt. Sie beauftragten den Steuerberater S im Jahr 2014, die Kapitaleinkünfte für die Jahre 2008 bis 2011 zu erklären und die Einkommensteuererklärung für 2012 zu erstellen. S reichte beim Finanzamt entsprechende Vollmachten der Kläger für die „Erklärung von Einkünften 2008 bis 2011“ sowie „Einkommensteuer 2012“ ein. Die Steuerfahndung forderte den S im weiteren Verlauf des Verfahrens auf, die Anlagen für Kapitaleinkünfte der Jahre 2008 bis 2011 einzureichen sowie die Kapitaleinkünfte für die Jahre 2004 bis 2007 zu erklären. S reichte im September 2015 die Anlagen für die Kapitaleinkünfte der Kläger für die Jahre 2004 bis 2011 „wunschgemäß“ beim Finanzamt ein. Das Finanzamt stellte daraufhin dem S einen geänderten Einkommensteuerbescheid für die Kläger für 2004 mit Postzustellungsurkunde am 21.12.2015 zu. Die Kläger hielten den Bescheid für unwirksam.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab, da der Bescheid wirksam bekannt gegeben worden war:
Die Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids für 2004 an S war gegenüber den Klägern wirksam. Denn S war Bevollmächtigter der Kläger.
Zwar hatte S eine Vollmacht nur für die Besteuerungszeiträume 2008 bis 2012 vorgelegt. Eine Bevollmächtigung kann aber auch ohne ausdrückliche Vollmacht vorliegen, wenn nämlich der Steuerberater für den Steuerpflichtigen auftritt. Die Bevollmächtigung ist dann zu vermuten.
Im Streitfall trat S auch hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2007 für die Kläger auf und übersandte in ihrem Namen Unterlagen über ausländische Kapitalerträge an das Finanzamt. Zudem war S auch bereits für die Jahre 2008 bis 2012 unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht für die Kläger aufgetreten. Das Finanzamt durfte daher davon ausgehen, dass die Vollmacht der Kläger für die Jahre 2008 bis 2012 nachträglich auf die Jahre 2004 bis 2007 erweitert worden war.
Hinweise: Der Gesetzgeber regelt seit 2017 ausdrücklich, dass bei Steuerberatern, die für einen Steuerpflichtigen handeln, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet wird. Schon vor der Gesetzesregelung wurde aber – wie im Streitfall – eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet. Der BFH macht deutlich, dass die Gesetzesregelung die Rechtsprechungsgrundsätze lediglich verankern sollte.
Die Wirksamkeit der Bekanntgabe des Bescheids am 21.12.2015 war deshalb für das Finanzamt so wichtig, weil am 31.12.2015 Festsetzungsverjährung für das Streitjahr 2004 eintrat. Die Kläger hatten ihre Steuererklärung für 2004 im Jahr 2005 abgegeben und die Kapitaleinkünfte hinterzogen, so dass die Verjährungsfrist zehn Jahre betrug und am 1.1.2006 begann und am 31.12.2015 endete. Wäre die Zustellung des Bescheids unwirksam gewesen, hätte die Bekanntgabe des Bescheids im Jahr 2016 nicht mehr nachgeholt werden können.
Quelle: BFH, Urteil v. 16.3.2022 - VIII R 19/19; NWB
18.07.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat einen Fragen-Antworten-Katalog zu den steuerlichen Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten veröffentlicht.
Hintergrund: Die vielen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erfahren in Deutschland die persönliche und finanzielle Unterstützung der Bevölkerung und der Unternehmen. Mit mehreren Schreiben hat das BMF steuerliche Erleichterungen für Helfende erlassen. Die nun vom BMF veröffentlichten FAQ sollen einen kurzen Überblick über die näheren Einzelheiten geben.
Im Einzelnen geht das BMF auf die folgenden Fragen näher ein:
Gesellschaftliches Engagement
Wie werden Spenden steuerlich berücksichtigt? Ändert sich wegen des Krieges in der Ukraine etwas an Abläufen, Verfahren und Nachweisen?
Engagierte Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen spenden an ihre inländische Heimatgemeinde zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten. Was muss die Gemeinde beachten?
Wie werden Sachspenden (zum Beispiel Medikamente oder Kleidung) an Krankenhäuser oder andere Hilfseinrichtungen steuerlich behandelt, wenn sie von einem Betrieb stammen, der mit dieser Spendenaktion öffentlich wirbt?
Hat es umsatzsteuerliche Konsequenzen, wenn Unternehmen Personal oder Gegenstände (zum Beispiel Medikamente oder Kleidung) unentgeltlich bereitstellen?
Sind bestimmte Umsatzsteuerbefreiungsnormen auf die entgeltlichen Überlassungen von Sachmitteln und Räumen sowie von Personal zwischen steuerbegünstigten Einrichtungen anwendbar?
Sind bestimmte Umsatzsteuerbefreiungsnormen auch auf entgeltliche Betreuungs- und Versorgungsleistungen für Kriegsflüchtlinge anwendbar?
Darf jede steuerbegünstigte Körperschaft (zum Beispiel ein gemeinnütziger Verein oder eine gemeinnützige Stiftung) unabhängig von ihrem eigentlichen Satzungszweck Spenden im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine einwerben?
Dürfen steuerbegünstigte Körperschaften (zum Beispiel gemeinnützige Vereine oder gemeinnützige Stiftungen) außerhalb ihrer Satzungszwecke zur Bewältigung der humanitären Folgen des Krieges in der Ukraine tätig werden (zum Beispiel durch Unterstützung der Kriegsflüchtlinge)?
Wie sind entgeltliche Tätigkeiten steuerbegünstigter Körperschaften (zum Beispiel gemeinnütziger Vereine oder gemeinnütziger Stiftungen) zu behandeln, die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ausgeübt werden?
Können Geldzuwendungen oder Sachspenden, die direkt an die Kriegsflüchtlinge gegeben werden, steuerlich geltend gemacht werden?
Können Spenden, die direkt auf ein Spendenkonto einer ukrainischen Organisation eingezahlt werden, in Deutschland steuerlich geltend gemacht werden?
Dürfen Kriegsflüchtlinge - mit oder ohne Begründung einer Mitgliedschaft - beitragsfrei in Sportvereinen mittrainieren, ohne dass dies die Gemeinnützigkeit des jeweiligen Sportvereins gefährdet?
Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine
Dürfen steuerbegünstigte Körperschaften (zum Beispiel gemeinnützige Vereine oder gemeinnützige Stiftungen) Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in ihren Räumlichkeiten unterbringen, ohne dass der Status der Gemeinnützigkeit gefährdet ist?
Führt die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine als Nichtmitglieder bei steuerbefreiten Vermietungsgenossenschaften und Vermietungsvereinen zum Wegfall der Steuerbefreiung?
Führt die Aufnahme von volljährigen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine durch Alleinerziehende in ihren Haushalt zum Wegfall der Steuerklasse II?
Können Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, die aus der Ukraine geflohen sind, als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (zum Beispiel Aufwendungen, die durch die private Unterbringung entstanden sind)?
Ich möchte Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine unentgeltlich Wohnraum zur Verfügung stellen. Muss ich dann Einkünfte in Höhe der Mieteinnahmen, auf die ich verzichte, versteuern?
Ich habe eine Wohnung, die ich eigentlich zu vermieten beabsichtige. Hätte es Auswirkungen auf meinen Werbungskostenabzug, wenn ich die Wohnung vorübergehend und unentgeltlich oder sehr günstig Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zur Verfügung stelle?
Ich habe eine Ferienwohnung, die ich eigentlich zeitweise oder ganzjährig an wechselnde Feriengäste vermiete. Hat es steuerliche Konsequenzen, wenn ich sie vorübergehend und unentgeltlich Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zur Verfügung stelle?
Ich habe Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in meine selbstgenutzte Wohnung aufgenommen und erhalte hierfür von den Behörden eine pauschale Kostenerstattung. Führt dies zu steuerpflichtigen Einkünften?
Ich habe Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in mein selbstgenutztes Familienheim vorübergehend unentgeltlich bzw. gegen Erstattung von Nebenkosten aufgenommen. Wird bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Steuerbefreiung nach § 13 Absatz 1 Nummer 4a bis 4c Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz gewährt oder fällt eine in der Vergangenheit gewährte Steuerbefreiung innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums rückwirkend weg?
Führen Nutzungsänderungen von unternehmerisch genutzten Räumlichkeiten der öffentlichen Hand zu umsatzsteuerlichen Konsequenzen?
Ich habe eine Wohnung, die dem Betriebsvermögen zugeordnet ist. Hätte es Auswirkungen auf meinen Betriebsausgabenabzug oder auf die Betriebsvermögenseigenschaft, wenn ich sie vorübergehend und unentgeltlich Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zur Verfügung stelle?
Ich habe Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in meine selbstgenutzte Immobilie vorübergehend unentgeltlich aufgenommen. Gilt diese Überlassung im Rahmen der Prüfung eines sog. privaten Veräußerungsgeschäfts als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken?
Unterstützungen an Arbeitnehmer
Können Teile des Arbeitslohns oder eines angesammelten Wertguthabens steuerfrei gespendet werden?
Kann der Arbeitgeber Spenden der Arbeitnehmer steuerfrei erstatten?
Können Arbeitnehmer Aufwendungen für den Unterhalt von Personen geltend machen, obwohl diesen Aufwendungen Unterstützungsleistungen des Arbeitgebers gegenüberstehen?
Sind steuerfreie Beihilfen und Unterstützungen des Arbeitgebers möglich?
Sind Arbeitslohnspenden beitragsfrei in der Sozialversicherung?
Hinweis: Die Ausführungen gelten als allgemeine Hinweise. Die Entscheidung im steuerlichen Einzelfall trifft das zuständige Finanzamt. Anpassungen aufgrund aktueller Entwicklungen werden dem BMF zufolge stetig in das Dokument aufgenommen.
Die FAQ (Stand: 5.7.2022) sind auf der Homepage des BMF veröffentlicht.
Quelle: BMF online, NWB
15.07.2022
Ein Trauerredner kann seine Kosten für schwarze Anzüge, die er ausschließlich beruflich trägt, nicht als Betriebsausgaben absetzen. Es handelt sich um Aufwendungen für bürgerliche Kleidung, die auch privat getragen werden kann, so dass die Aufwendungen mit den Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten sind.
Hintergrund: Der Gesetzgeber erkennt Aufwendungen für die private Lebensführung steuerlich nicht an, auch wenn sie den Beruf fördern.
Streitfall: Der Kläger war selbständiger Trauerredner und machte die Kosten für seine schwarzen Anzüge, die er als Trauerredner nutzte, als Betriebsausgaben geltend. Er beschäftigte seine Ehefrau als Trauerrednerin und bezahlte ihr die schwarze Kleidung, die sie als Trauerrednerin nutzte. Auch diese Kosten machte er als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte weder die Kosten für die schwarze Kleidung für den Kläger noch die Kosten des Klägers für die schwarze Kleidung seiner Ehefrau an.
Entscheidung: Der BFH gab dem Finanzamt grundsätzlich Recht, verwies die Sache jedoch wegen der für die Ehefrau bezahlten schwarzen Kleidung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die Kosten für bürgerliche Kleidung sind grundsätzlich nicht absetzbar, da sie privat getragen werden kann. Damit greift das steuerliche Abzugsverbot für Kosten der privaten Lebensführung.
Ein Abzug als Werbungskosten oder Betriebsausgaben wird nur dann anerkannt, wenn es sich um typische Berufskleidung handelt. Um typische Berufskleidung handelt es sich, wenn die Kleidung objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet ist und wegen der Eigenart des Berufs nötig ist oder wenn die Kleidung von privater Kleidung unterschieden werden kann, weil sie z.B. einen Firmenemblem enthält, Schutzfunktionen aufweist oder weil es sich um eine Uniform handelt.
Die schwarzen Anzüge des Klägers sind keine typische Berufskleidung. Für den steuerlichen Abzug genügt es nicht, dass der Kläger einen höheren Verschleiß an Anzügen hat oder die Anzüge ausschließlich beruflich nutzt.
Auch ein anteiliger Abzug der Kosten ist nicht möglich. Denn hierzu müsste der berufliche Nutzungsanteil leicht und einwandfrei ermittelt werden können.
Hinweise: Die Zurückverweisung an das FG erfolgte wegen der vom Kläger übernommenen Kosten für die Bekleidung seiner angestellten Ehefrau. Der Kläger hat als Arbeitgeber Kosten seiner Arbeitnehmerin übernommen, die grundsätzlich Betriebsausgaben für den Klägerin darstellen. Da es sich bei der Arbeitnehmerin aber um seine Ehefrau handelte, hängt die steuerliche Anerkennung der Kosten davon ab, dass der Arbeitsvertrag zwischen den beiden einem Fremdvergleich standhält. Dies setzt voraus, dass im Arbeitsvertrag die Übernahme der Kosten für die Kleidung eindeutig geregelt war. Ob dies der Fall war, muss das FG nun prüfen.
Quelle: BFH, Urteil v. 16.3.2022 - VIII R 33/18; NWB
13.07.2022
Haben die Großeltern denselben Vorerben und nach dessen Tod denselben Nacherben eingesetzt, erhält der Nacherbe nur einen Freibetrag, nicht aber zwei Freibeträge für die Nacherbschaft nach dem Großvater sowie für die Nacherbschaft nach der Großmutter.
Hintergrund: Mit einer Vorerb- und Nacherbschaft kann der Erblasser festlegen, dass zwei verschiedene Personen nacheinander von ihm erben. Vorerbe und Nacherbe erben also nicht gleichzeitig. Zivilrechtlich erben Vor- und Nacherbe vom ursprünglichen Erblasser, während steuerlich zunächst der Vorerbe erbt, ohne dass die Nacherbschaft nachlassmindernd berücksichtigt wird, und anschließend erbt der Nacherbe vom Vorerben. Allerdings kann der Nacherbe beantragen, dass für die Besteuerung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde gelegt wird.
Streitfall: Die Kläger waren Geschwister. Die Großeltern der Kläger hatten die Tante der Kläger als Vorerbin und die Kläger als Nacherben im Fall des Todes der Tante eingesetzt. 1966 starb der Großvater, 1992 starb die Großmutter, und 2015 starb die Tante, nachdem sie Vorerbin geworden war. Die Kläger hatten zu diesem Zeitpunkt keine Eltern mehr. Sie waren auch Miterben des eigenen Nachlasses ihrer Tante. Nach dem Tod ihrer Tante gaben die Kläger eine Erbschaftsteuererklärung ab und beantragten, dass hinsichtlich des Nacherbes ihr Verwandtschaftsverhältnis zu ihren Großeltern zugrunde gelegt wird. Dabei wollte jeder von ihnen zwei Freibeträge à 400.000 € erhalten, weil sie von jeweils zwei Nacherbschaften für jeden der Kläger ausgingen. Das Finanzamt gewährte jedoch nur jeweils einen Freibetrag.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Steuerlich erbte zunächst die Tante der Klägerin als Vorerbin, und nach ihrem Tod erbten die Kläger als Nacherben von ihrer Tante. Da die Kläger zudem auch Erben ihrer Tante waren, erbten sie auch eigenes Vermögen der Tante. Steuerlich wird alles als ein einheitlicher Erwerb vom Vorerben behandelt.
Es kommt nicht darauf an, ob es sich um eine oder mehrere Nacherbschaften handelte, solange die Nacherbschaften von demselben Vorerben stammen. Unbeachtlich für den steuerlichen Übergang des Nacherbes von der Tante auf die Kläger ist auch, ob die Kläger den Antrag gestellt haben, dass insoweit das Verwandtschaftsverhältnis zu ihren Großeltern zugrunde gelegt wird.
Zwar erhält der Nacherbe grundsätzlich zwei Freibeträge, nämlich einen Freibetrag für das Vermögen im Rahmen der Nacherbfolge sowie einen Freibetrag für das eigene Vermögen des Vorerben (Tante). Jedoch wird der Freibetrag für das eigene Vermögen des Vorerben nur gewährt, soweit der Freibetrag für das Nacherbe nicht verbraucht ist.
Im Ergebnis erhält also jeder Kläger nur einen Freibetrag von 400.000 €, da dies der Freibetrag für Enkel ist, wenn ihre Eltern nicht mehr leben. Den erforderlichen Antrag, dass ihr Verwandtschaftsverhältnis zu den Großeltern zugrunde gelegt wird, haben die Kläger gestellt.
Hinweise: Für den BFH ist ausschlaggebend, dass der Nacherbe nur vom Vorerben erbt. Deshalb steht ihm im Ergebnis auch nur ein Freibetrag zu, der höher ausfallen kann, wenn der Antrag gestellt wird, dass das Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser zugrunde gelegt wird, und der Erblasser in einem näheren Verwandtschaftsverhältnis zum Nacherben steht als der Vorerbe zum Nacherben; trotz des Antrags bleibt es aber bei einem einzigen Freibetrag. Dieser Freibetrag – im Streitfall waren dies 400.000 € pro Kläger – wird zunächst auf das Vermögen im Rahmen der Nacherbschaft angewendet; soweit danach noch ein Freibetrag verbleibt, wird er auf das eigene Vermögen des Vorerben angewendet.
Den Antrag, dass das Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser zugrunde gelegt wird, kann jeder Nacherbe individuell stellen. Der Antrag ist spätestens bis zur Bestandskraft des Erbschaftsteuerbescheids beim Finanzamt zu stellen.
Quelle: BFH, Urteil vom 1.12.2021 - II R 1/20; NWB
12.07.2022
Die Ausgliederung eines Einzelunternehmens, zu dem Grundbesitz gehört, auf eine GmbH, die der Einzelunternehmer neu gegründet hat, ist nach der sog. Konzernklausel grunderwerbsteuerfrei. Daher löst der Übergang des Grundbesitzes vom Einzelunternehmer auf die GmbH keine Grunderwerbsteuer aus.
Hintergrund: Nach der sog. Konzernklausel sind bestimmte Umwandlungsvorgänge, die ein grundbesitzendes Unternehmen betreffen, innerhalb eines Konzerns grunderwerbsteuerfrei. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist u.a., dass die Umwandlung konzernintern erfolgt und fünf Jahre vor der Umwandlung und fünf Jahre nach der Umwandlung Beteiligungsverhältnisse von mindestens 95 % zwischen der Konzernmutter und ihren Konzerntöchtern bestehen; diese Fünfjahresfristen nennt man Vorbehaltens- und Nachbehaltensfrist.
Streitfall: N war ein im Handelsregister eingetragener Einzelkaufmann. Zu seinem Unternehmen gehörten auch Grundstücke. Er gründete eine GmbH, die die Antragstellerin im aktuellen Verfahren ist und die am 28.4.2021 im Handelsregister eingetragen wurde, und gliederte mit Vertrag vom 17.3.2021 sein Einzelunternehmen einschließlich der Grundstücke auf die Antragstellerin aus. Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer gegen die Antragstellerin hinsichtlich des auf sie übergegangenen Grundbesitzes fest. Die Antragstellerin legte gegen den Grunderwerbsteuerbescheid Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt ablehnte.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) gewährte die Aussetzung der Vollziehung:
Die sog. Konzernklausel ist anwendbar. Sie greift grundsätzlich bei Ausgliederungen. N und die Antragstellerin bildeten einen Konzern im Sinne der Konzernklausel, da N zu mindestens 95 % an der Antragstellerin beteiligt war, nämlich sogar zu 100 %. Es ist unschädlich, dass N ein Einzelunternehmer und keine Gesellschaft war; denn die Konzernklausel verlangt lediglich ein „herrschendes Unternehmen“, ohne dass es auf eine bestimmte Rechtsform ankommt.
Auch die fünfjährige Vor- und Nachbehaltensfrist wurde nicht verletzt. Zwar ist die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren im Streitfall nicht eingehalten worden, da die Antragstellerin erst im Jahr 2021 gegründet worden ist, so dass N nicht in den fünf Jahren vor der Umwandlung im Jahr 2021 an ihr beteiligt war. Die fünfjährige Vorbehaltensfrist ist aber nicht zu beachten, wenn sie aus umwandlungsbedingten Gründen nicht eingehalten werden kann. Dies ist der Fall, wenn – wie bei einer Ausgliederung zur Neugründung – die Umwandlung auf einen Rechtsträger erfolgt, der erst im Zuge der Umwandlung gegründet wird.
Hinweise: Das FG schließt sich in seinem Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) an. Der BFH hatte den Wortlaut der Konzernklausel hinsichtlich der fünfjährigen Vorbehaltens- und Nachbehaltensfrist als zu eng angesehen, wenn bei der Umwandlung ein beteiligter Rechtsträger erlischt oder erst entsteht.
FG Münster, Beschluss vom 3.5.2022 – 8 V 246/22 GrE; NWB
11.07.2022
Der Bundesrat hat am 8.7.2022 dem "Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung" (sog. Zinsanpassungsgesetz) zugestimmt, das der Bundestag am 23.6.2022 verabschiedet hatte.
Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2021 den gesetzlichen Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in Höhe von 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig beurteilt und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis zum 31.7.2022 aufgefordert. Das Gesetz wurde nun final verabschiedet.
1,8 statt 6 Prozent
Rückwirkend für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 gilt damit ein Zinssatz von 0,15 Prozent pro Monat (also 1,8 Prozent pro Jahr). Die Angemessenheit des neuen Zinssatzes wird künftig evaluiert, erstmals zum 1.1.2026. Außerdem verankert das Gesetz eine bisher nur im Verwaltungsweg getroffene Regelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen bei vor Fälligkeit freiwillig geleisteten Zahlungen. Sie erstreckt sich damit künftig auch auf die von Kommunen verwaltete Gewerbesteuer.
Die Bundesregierung erwartet durch die Änderung in diesem Jahr Mindereinnahmen von 2,46 Milliarden Euro und im kommenden Jahr von 530 Millionen Euro.
Hinweis: Das Gesetz kann nach Unterzeichnung durch den Bundesspräsidenten verkündet werden - es soll noch im Juli in Kraft treten.
Quelle: BundesratKOMPAKT, Meldung vom 8.7.2022; NWB
11.07.2022
Wie bereits berichtet, hat das Finanzministerium Baden-Württemberg ein Merkblatt für die Besteuerung der sog. Influencer herausgegeben, die im Internet Produkte und Dienstleistungen präsentieren. Das Merkblatt enthält eine Darstellung der steuerlichen Folgen für sog. Influencer im Bereich der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer (s. hierzu unsere Nachricht vom 14.6.2022). Nachfolgend werden wir das Schreiben für Sie ein wenig erläutern.
Hintergrund: Bei sog. Influencern handelt es sich um Menschen, die im Internet, etwa auf YouTube oder Instagram, Produkte oder Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar präsentieren bzw. bewerben. Wenn sie erfolgreich sind, erhalten sie je nach Vertragsgestaltung Geld von YouTube, von den Herstellern (z.B. sog. Affiliate-Marketing-Provisionen, wenn die Produkte über einen im Video präsentierten Link bestellt werden), und sie bekommen die Produkte oder Dienstleistungen (z.B. Hotelübernachtungen, Eintrittskarten) ggf. umsonst.
Wesentlicher Inhalt des Merkblatts: In dem Merkblatt wird auf die potenziellen steuerlichen Folgen hingewiesen:
Einkommensteuer: Influencer erzielen gewerbliche Einkünfte. Der Gewinn aus der Influencer-Tätigkeit kann Einkommensteuer auslösen, wenn der Gewinn ggf. zusammen mit weiteren Einkünften wie z.B. Arbeitslohn über dem Grundfreibetrag von 9.408 € (ab 2020), 9.744 € (ab 2021) bzw. 10.347 € (ab 2022) liegt.
Hinweis: Wer nur einmalig als sog. Influencer tätig wird, muss einen Gewinn bis zu 256 € nicht versteuern. Ein einmaliger Gewinn, der höher als 256 € ist, muss in voller Höhe als sonstige Einkünfte versteuert werden, nicht aber als gewerbliche Einkünfte. Einmalige Einkünfte sind also nicht gewerbesteuerpflichtig.
Der Gewinn wird durch Werbegeschenke wie kostenlos zur Verfügung gestellte Waren oder Dienstleistungen erhöht. Nach Auffassung des Finanzministeriums ist hierfür der Marktwert anzusetzen.
Hinweise: Der Umgang mit Gratisprodukten ist noch nicht geklärt. Insbesondere erscheint eine Steuerpflicht fraglich, wenn die Gratisprodukte ungefragt zugesandt werden. Das Bayerische Landesamt für Steuern hat vor zwei Jahren ebenfalls ein Merkblatt herausgegeben und in diesem eine Steuerpflicht verneint, wenn der Influencer die Waren zurücksendet oder wenn die Waren von geringem Wert sind oder wenn der Hersteller die Besteuerung übernimmt. Das Finanzministerium Baden-Württemberg geht hierauf zwar nicht ein, aber die Auffassung des Bayerischen Landesamts für Steuern erscheint zutreffend. Sofern die Waren zurückgesendet werden, sollte dies genau dokumentiert werden, um eine ungewollte Besteuerung zu vermeiden. Eine Rücksendung von Waren empfiehlt sich auch bei dem überschüssigen Teil der Waren, der für das Influencer-Video nicht benötigt wird. Sollte der überschüssige Teil der Waren privat verwendet bzw. im Freundeskreis verschenkt werden, droht insoweit eine Steuerpflicht.
Gewerbesteuer: Erzielt der Influencer gewerbliche Einkünfte – und nicht sonstige Einkünfte (s. oben) –, ist er gewerbesteuerpflichtig und muss Gewerbesteuer zahlen, wenn sein Gewinn über dem Freibetrag von 24.500 € liegt.
Hinweise: Das Finanzministerium weist darauf hin, dass eine Gewerbeanmeldung erforderlich ist und dass die Einnahmen und Ausgaben aufzuzeichnen sind.
Umsatzsteuer: Ein Influencer, der wiederholt tätig wird und nicht nur einmalig, ist Unternehmer und daher grundsätzlich zur Abführung von Umsatzsteuer auf seine Einnahmen verpflichtet. Dafür kann er auch Vorsteuer in Anspruch nehmen. Auf die Gewinnerzielungsabsicht kommt es umsatzsteuerlich nicht an.
Hinweis: Allerdings brauchen Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer abzuführen. Kleinunternehmer ist, wer im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 22.000 € Umsatz und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 € Umsatz (jeweils zzgl. Umsatzsteuer) erzielt. Der sog. Influencer darf als Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer ausweisen und auch Umsatzsteuer in Gutschriften nicht akzeptieren, sondern muss einer solchen Gutschrift widersprechen.
Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg, „Steuerguide für Influencerinnen und Influencer“ (Stand Juni 2022); NWB
07.07.2022
Ein Gästeführer in einem Museum, das nur im Rahmen von Gruppenführungen besucht werden kann, erzielt umsatzsteuerfreie Umsätze. Der Gästeführer kann dieselbe Umsatzsteuerbefreiung in Anspruch nehmen, wie sie für das Museum beim Kartenverkauf gilt.
Hintergrund: Nach deutschem Umsatzsteuerrecht sind die Umsätze von Museen und gleichartigen Einrichtungen umsatzsteuerfrei. Für gleichartige Einrichtungen gilt dies nur, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Museum erfüllt.
Streitfall: Der Kläger war selbständiger Museumsführer im Museum A, das von einer gemeinnützigen Stiftung betrieben wurde und nur im Rahmen von Gruppenführungen besucht werden konnte. Die Umsätze des Museums aus dem Kartenverkauf waren umsatzsteuerfrei. Der Kläger verfügte über eine Bescheinigung der für ihn zuständigen Bezirksregierung, nach der er als Museumsführer die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie vergleichbare Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Der Kläger behandelte seine Umsätze als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt nahm jedoch eine Umsatzsteuerpflicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze und gab der Klage statt:
Der Kläger ist umsatzsteuerlich eine „Einrichtung“, die einem Museum vergleichbar ist. Daher gilt die Umsatzsteuerbefreiung für Museen auch für ihn.
Der Begriff der „Einrichtung“ erfasst auch natürliche Personen. Aus der Bescheinigung der zuständigen Behörde ergibt sich, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie ein Museum.
Die Umsatzsteuerbefreiung für Museen gilt nicht nur für die Eintrittskarten, sondern auch für andere typische Museumsleistungen. Hierzu gehören etwa Führungen, wenn das Museum nur in Begleitung eines Gästeführers besucht werden kann. Der Kläger als Museumsführer ist dann ein unmittelbarer und unverzichtbarer Bestandteil der kulturellen Leistung des Museums.
Hinweise: Der BFH stellt entscheidend darauf ab, dass das Museum nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden durfte. Die Umsatzsteuerfreiheit dürfte daher nicht für selbständige Museumsführer gelten, die Führungen in Museen durchführen, die auch ohne Führung besichtigt werden können.
Eine Umsatzsteuerbefreiung nach europäischem Recht, die für den Schul- und Hochschulunterricht gilt, lehnte der BFH ab, weil die Erklärungen eines Museumsführers allenfalls einen spezialisierten Unterricht darstellen, aber nicht das für die Umsatzsteuerbefreiung erforderliche breite und vielfältige Spektrum der Wissensvermittlung umfassen.
Der BFH weist in seiner Entscheidung ferner darauf hin, dass die Umsatzsteuerbefreiung nicht für Hausmeister oder Sicherheitsmitarbeiter gilt; bei ihnen fehlt es an einer kulturellen Leistung.
BFH, Beschluss vom 15.12.2021 – XI R 19/18; NWB
06.07.2022
Für einen Pferderennstall, den ein Manager zwecks Repräsentation unterhält, kann keine Vorsteuer geltend gemacht werden. Denn für Repräsentationsaufwendungen ist sowohl der einkommensteuerliche Betriebsausgabenabzug als auch der umsatzsteuerliche Vorsteuerabzug gesetzlich ausgeschlossen.
Außerdem hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Umsatzsteuerschuld eines Gutschriftempfängers bejaht, der einem Abrechnungsmodus durch Gutschrift zugestimmt hat, eine Gutschrift für eine nicht umsatzsteuerbare Leistung erhält und der Gutschrift nicht widerspricht.
Hintergrund: Aufwendungen für die Jagd, Fischerei oder Yachten sowie für ähnliche Zwecke sind nach dem Gesetz einkommensteuerlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Umsatzsteuerlich ist für derartige Aufwendungen der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Streitfall: Der Kläger war Manager einer von ihm beherrschten KG. Daneben unterhielt er in den Streitjahren 2007 bis 2013 einen Pferderennstall, zu dem mehrere erfolgreiche Rennpferde gehörten, die auch Preisgelder erzielten. Für die Preisgelder erhielt der Kläger Gutschriften, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Der Kläger verkaufte auch Rennpferde. Bis auf das Jahr 2012 erzielte der Kläger mit dem Rennstall Verluste, so dass er einkommensteuerlich als sog. Liebhabereibetrieb eingestuft wurde; die Verluste und der Gewinn wurden also einkommensteuerlich nicht berücksichtigt. Der Kläger machte Vorsteuer aus den Aufwendungen für den Rennstall geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte, weil es von Repräsentationsaufwendungen ausging.
Entscheidung: Der BFH ließ den Vorsteuerabzug nicht zu, bejahte eine Umsatzsteuerschuld des Klägers aus den Gutschriften und wies die Klage ab:
Zwar war der Kläger Unternehmer und daher grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Seine unternehmerische Tätigkeit ergab sich aus dem Verkauf von Rennpferden. Die Erzielung der Preisgelder begründete hingegen keine unternehmerische Tätigkeit, da Preisgelder nicht umsatzsteuerbar sind.
Der Vorsteuerabzug war aber gesetzlich ausgeschlossen, da der Pferderennstall des Klägers Repräsentationszwecken diente. Im Gegensatz zu einem Zuchtstall tritt ein Rennstall deutlich stärker ins Bild der Öffentlichkeit und ist daher geeigneter, einem Repräsentationsbedürfnis des Unternehmers zu dienen. Der Pferderennstall und der Kläger sind immer wieder in den Medien erwähnt worden, wobei das Engagement des Klägers im Reitsport und das Bild eines beruflich wie auch privat erfolgreichen Unternehmers betont worden sind. Zudem ist die von ihm beherrschte KG auch Namensgeber mehrerer Pferderennen gewesen.
Der Kläger muss die in den Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer auf die Preisgelder an das Finanzamt abführen. Er schuldet die Umsatzsteuer, obwohl Preisgelder nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Denn nach dem Gesetz muss ein Unternehmer, der zu Unrecht Umsatzsteuer ausweist, die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dies gilt auch für einen Gutschriftempfänger, wenn in der Gutschrift zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen wird, der Gutschriftempfänger der Abrechnung im Wege der Gutschrift zugestimmt und er der fehlerhaften Gutschrift nicht widersprochen hat.
Hinweise: Das Abzugsverbot für Repräsentationsaufwendungen gilt nicht, wenn der Repräsentationszweck Gegenstand eines mit Gewinnerzielungsabsicht unterhaltenen Betriebs ist, z.B. bei einem Unternehmen, das mit Gewinnerzielungsabsicht Yachten vermietet. Diese Ausnahme galt für den Kläger aber nicht, weil ihm die Gewinnerzielungsabsicht fehlte.
Das Urteil des BFH bedeutet nicht, dass Aufwendungen und Vorsteuern für den Unterhalt eines Pferdestalls steuerlich nie anerkannt werden. Es kommt darauf an, ob mit dem Pferdestall eine Repräsentation bezweckt wird. Bei einem Zuchtbetrieb in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen wird man eine Repräsentation eher verneinen können, bei einem Rennstall mit einer beachtlichen Medienpräsenz des Rennstallbetreibers wird man – wie im Streitfall – den Repräsentationszweck hingegen eher bejahen, erst recht, wenn der Rennstall Verluste erwirtschaftet.
BFH, Beschluss vom 15.12.2021 – XI R 19/18; NWB
05.07.2022
Die Miete für einen Messestand ist bei der Gewerbesteuer nicht dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen, wenn die Teilnahme an der Messe für die unternehmerische Tätigkeit nicht zwingend erforderlich ist, weil der Unternehmer keinen Direktvertrieb unterhält, sondern seine Produkte durch ein stehendes Händlernetz verkauft.
Hintergrund: Gewerbesteuerlich werden bestimmte Aufwendungen dem Gewinn wieder hinzugerechnet. So wird z.B. ein Viertel der Hälfte (d. h. 12,5 %) der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von Grundstücken hinzugerechnet. Allerdings wird seit 2020 ein Freibetrag von 200.000 € gewährt (bis einschließlich 2019: 100.000 €). Die Regelungen zur Hinzurechnung bezwecken, dass individuelle unternehmerische Entscheidungen, Anlagevermögen nicht zu erwerben, sondern zu mieten, die Höhe der Gewerbesteuerschuld nicht beeinflussen sollen.
Streitfall: Die Klägerin produzierte Waren. Sie verkaufte ihre Produkte nicht im Direktbetrieb, sondern durch ein stehendes Händlernetz. In den Jahren 2009 bis 2011 mietete sie auf mehreren Messen Messestände an, um ihre Produkte zu präsentieren. Ihre jährlichen Aufwendungen hierfür betrugen zwischen 78.000 € und 105.000 €. Das Finanzamt rechnete die Aufwendungen im Anteil von 12,5 % dem Gewerbeertrag hinzu; der damals gültige Freibetrag von 100.000 € war bereits durch andere Hinzurechnungen aufgebraucht worden.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer setzt u.a. voraus, dass das angemietete Grundstück zum Anlagevermögen gehören würde, wenn es im Eigentum des Unternehmers stünde, sog. fiktionales Anlagevermögen.
Zum fiktionalen Anlagevermögen gehört ein angemietetes Wirtschaftsgut, wenn der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein des Wirtschaftsguts erfordert.
Für die Klägerin war es nicht erforderlich, dass sie dauerhaft einen Messestand unterhält. Denn sie unterhielt für den Verkauf ihrer Produkte keinen Direktvertrieb, sondern nutzte ein stehendes Händlernetz. Die Teilnahme an den Messen war für die Klägerin nur förderlich, führte aber nicht dazu, dass die angemieteten Messestände zum fiktionalen Anlagevermögen gehörten. Eine Hinzurechnung kam daher nicht in Betracht.
Hinweise: Die Kontrollfrage für die Prüfung der Zugehörigkeit zum fiktionalen Anlagevermögen lautet dem BFH zufolge: Lässt sich die Tätigkeit des Unternehmers – unterstellt, dass er Eigentümer des Wirtschaftsguts ist – wirtschaftlich nur dann sinnvoll ausüben, wenn er das Eigentum an dem Wirtschaftsgut langfristig erworben hat? Falls diese Frage zu bejahen ist, kommt es zu einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung.
Aktuell neigt der BFH verstärkt dazu, die Zugehörigkeit zum fiktionalen Anlagevermögen eher zu verneinen und damit eine Hinzurechnung abzulehnen. Es bleibt aber in vielen Fällen sehr einzelfallabhängig, ob es zu einer Hinzurechnung kommt. Hätte die Klägerin einen Direktvertrieb unterhalten, wäre die Hinzurechnung wohl bejaht worden.
BFH, Beschluss v. 23.3.2022 - III R 14/21; NWB
04.07.2022
Aktuell sind Phishing-E-Mails im Umlauf, die vorgeben, Newsletter des des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zu sein. Insbesondere BMF-Schreiben werden unrechtmäßig kopiert, verfälscht und versendet. Hierauf macht das BMF aktuell aufmerksam.
Hierzu führt das BMF weiter aus:
Das BMF verschickt Newsletter-E-Mails ausschließlich mit dieser Absenderadresse: newsletter@news.bundesfinanzministerium.de.
Sollten Sie eine E-Mail erhalten haben, die wie ein BMF-Newsletter aussieht, aber nicht von der Absenderadresse newsletter@news.bundesfinanzministerium.de verschickt wurde, gehen Sie bitte wie folgt vor:
Klicken Sie nicht auf die in der E-Mail enthaltenen Links.
Laden Sie keine Dateien aus unbekannter Quelle herunter.
Löschen Sie die verdächtige E-Mail unverzüglich.
Hinweis: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik stellt Ihnen weitere Informationen bereit, wie Sie Phishing-E-Mails erkennen und wie Sie sich vor Phishing schützen können.
BMF online, Meldung vom 4.7.2022; NWB
04.07.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Juni 2022 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2022 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben vom 1.7.2022 - III C 3 - S 7329/19/10001 :004 (2022/0682528); NWB
01.07.2022
Mehr Geld für Rentner, flexiblere Zeiten in der Pflege und Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende September: Über diese und weitere Neuregelungen informiert die Bundesregierung in einer aktuellen Meldung.
Ruhestand
Renten steigen
Die Renten steigen zum 1. Juli 2022: im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent. Außerdem wird der sogenannte Nachholfaktor wieder eingesetzt. Auch bei Erwerbsminderungsrenten werden Verbesserungen auf den Weg gebracht.
Arbeit
Kurzarbeitergeld bis 30. September verlängert
Kurzarbeitergeld soll weiterhin gezahlt werden, wenn zehn Prozent der Beschäftigten eines Betriebs von Arbeitsausfall betroffen sind. Die Regelung wird zum 30. September 2022 verlängert. Hintergrund ist der Ukraine-Krieg. Die Verordnung tritt mit Wirkung vom 1. Juli 2022 in Kraft.
Pflege
Akuthilfen für pflegende Angehörige verlängert
Durch die Corona-Pandemie sind pflegende Angehörige besonders belastet. Auch wenn noch nicht klar ist, wie es im Herbst konkret weitergehen wird, werden die Akuthilfen bereits jetzt bis Ende Dezember 2022 verlängert. Pflegezeit und Familienpflegezeit können somit flexibler gestaltet werden. Auch können im Akutfall bis zu 20 Arbeitstage in Anspruch genommen werden.
Gesundheit
Das gilt jetzt bei Corona-Tests
Zum 30. Juni tritt die neue Coronavirus-Testverordnung in Kraft. Wichtig: Weiterhin wird es eine flächendeckende Infrastruktur für Bürgertests geben. Bürgerinnen und Bürger müssen sich in bestimmten Fällen mit drei Euro an einem Test beteiligen.
Familie
Grundsicherung: Sofortzuschlag für Kinder und Einmalzahlung für Erwachsene
Ab Juli erhalten rund 2,9 Millionen von Armut betroffene Kinder in Deutschland monatlich 20 Euro zusätzlich. Dieser Sofortzuschlag wird ohne weiteren Antrag unbürokratisch ausgezahlt. Erwachsene Bezieher von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Grundsicherung erhalten einmalig 200 Euro. Die Bundesregierung will so besondere Härten aufgrund der Pandemie und steigender Lebenshaltungskosten abfedern.
Einmaliger Kinderbonus 2022
Für jedes Kind, das Anspruch auf Kindergeld hat, gibt es einen Einmalbonus von 100 Euro. Er soll Familien in Zeiten außergewöhnlicher Belastungen helfen und die stark angestiegenen Preise abfedern. Der Kinderbonus ist Teil einer Reihe von Entlastungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Er wird ab Juli ausgezahlt und muss nicht extra beantragt werden.
Energie
Keine EEG-Umlage mehr
Stromkunden müssen ab dem 1. Juli 2022 keine EEG-Umlage mehr zahlen. Die Stromanbieter müssen die Absenkung in vollem Umfang an die Endverbraucher weitergeben. Ein entsprechendes Gesetz zur Absenkung der Kostenbelastung durch die EEG-Umlage ist am 28. Mai 2022 in Kraft getreten.
Verbraucherschutz
Mietspiegel werden rechtssicherer
Anhand von Mietspiegeln können Vermieter Mieterhöhungen begründen - und Mieter können mit ihrer Hilfe überprüfen, ob diese berechtigt sind. Mietspiegel müssen deshalb den Wohnungsmarkt realistisch abbilden. Zum 1. Juli 2022 treten nun Mindestanforderungen an Mietspiegel in Kraft, um mehr Rechtssicherheit zu erreichen.
Online-Verträge kündigen mit einem Klick
Das Gesetz für faire Verbraucherverträge hat bereits wichtige Verbesserungen gebracht. Am Telefon aufgeschwatzte Verträge – etwa Energielieferverträge oder Zeitungs-Abos – sowie überlange Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen gehören der Vergangenheit an. Im Online-Bereich reichen oft wenige Klicks, um Verträge abzuschließen. Nun wird ein Button als unkomplizierte Kündigungsmöglichkeit eingeführt.
Rücknahmepflicht für Elektro-Altgeräte
Lebensmittelhändler mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern sind zur Rücknahme von Elektro-Altgeräten verpflichtet. Das gilt, wenn sie selbst mehrmals im Jahr Elektrogeräte anbieten. Für kleine Elektro-Altgeräte ist dies verpflichtend – unabhängig vom Neukauf eines Gerätes, für größere Altgeräte gilt dies beim Kauf eines entsprechenden neuen Gerätes. Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) wird ab dem 1. Juli 2022 entsprechend geändert.
Telefonieren im Ausland ohne Zusatzkosten
Im Ausland telefonieren, im Internet surfen oder Kurznachrichten verschicken: Das ist auch weiterhin ohne zusätzliche Kosten möglich. Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben einer Verlängerung der geltenden Regelungen für das Roaming zu Inlandspreisen bis 2032 zugestimmt. Die EU-Verordnung gilt in der EU sowie den EWR-Staaten.
Soziales
Grundsicherung: Sanktionen für ein Jahr ausgesetzt
Jobcenter dürfen vom 1. Juli 2022 bis zum 1. Juni 2023 bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen gegen Arbeitssuchende erlassen. Damit geht die Bundesregierung einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Bürgergeld. Wird dieses eingeführt, werden auch Sanktionen und Mitwirkungspflichten neu geregelt.
Finanzen Sondervermögen: 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr
Deutschland braucht eine gut ausgestattete Bundeswehr, um den sicherheitspolitischen Herausforderungen gewachsen zu sein. Der Bundestag und der Bundesrat haben dem Sondervermögen zugestimmt. Für umfassende Investitionen stehen nun 100 Milliarden Euro bereit.
Bundesregierung online, Meldung v. 30.6.2022; NWB
01.07.2022
Für einen gerichtlichen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn es um einen Bagatellbetrag von weniger als 5 € geht, der Anwaltskosten von mehr als 100 € auslösen würde.
Hintergrund: Klagen und bei Gericht gestellte Anträge sind nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Streitfall: Der Antragsteller musste 4,50 € Säumniszuschläge wegen einer verspäteten Steuerzahlung an das Finanzamt entrichten. Nachdem er die Säumniszuschläge gezahlt hatte, machte er geltend, dass die Säumniszuschläge verfassungswidrig seien, weil der in den Säumniszuschlägen enthaltene Zinsanteil unverhältnismäßig hoch sei, und er beantragte beim Finanzgericht die Aufhebung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids, in dem die Säumniszuschläge festgestellt worden waren.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) lehnte den Antrag wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ab:
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil es dem Antragsteller nur um einen sehr geringfügigen Betrag geht, nämlich um die Höhe des Zinsanteils, der in dem Säumniszuschlag von 4,50 € enthalten ist.
Zwar gibt es im Verfahrensrecht keine allgemeine Bagatellgrenze. Jedoch bestehen bei der Festsetzung von Steuern je nach Steuerart bestimmte Bagatellgrenzen, die bei ca. 8 € beginnen. Das Unterschreiten dieser Bagatellgrenzen wie im Streitfall ist ein Indiz für ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei einer gerichtlichen Entscheidung zu erstattungsfähigen Kosten des Beraters in Höhe von ca. 111 € käme. Die Gebühren für den Berater wären also um ein Vielfaches höher als der eigentliche Streitbetrag.
Hinweise: Im Streitfall kam noch ein weiterer Grund für die Abweisung des Antrags hinzu: Der Berater des Antragstellers hatte in einer Vielzahl von Verfahren gerichtliche Anträge auf Aufhebung des Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge gestellt. Das Gericht schloss hieraus, dass es dem Berater weniger um die Aufhebung der Vollziehung eines Zinsanteils von ca. 2 € gegangen war als um die Erstattung seiner Gebühren.
Die Abweisung einer Klage oder eines gerichtlichen Antrags wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses kommt in der Praxis dann vor, wenn das Finanzamt dem Begehren des Steuerpflichtigen bereits abgeholfen hat, der Steuerpflichtige aber seine Klage bzw. seinen Antrag weiter aufrechterhält.
FG Münster, Beschluss vom 30.5.2022 – 15 V 408/22; NWB
30.06.2022
Bundestag und Bundesrat haben das „Vierte Corona-Steuerhilfegesetz“ beschlossen. Das Gesetz ist inzwischen im Bundesgesetzblatt verkündet worden.
Hintergrund: Um die Folgen der Corona-Krise für die Wirtschaft und die Allgemeinheit abzufedern, wurden in der Vergangenheit u.a. mit den Corona-Steuerhilfegesetzen diverse steuerliche Erleichterungen umgesetzt. Weitere Maßnahmen folgen nun mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz.
Die wesentlichen Regelungen:
1. Erleichterungen für Arbeitnehmer
Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld werden nunmehr bis zum 30.6.2022 steuerfrei gestellt; bislang wurde die Steuerfreiheit bis zum 31.12.2021 gewährt.
Auch für den Veranlagungszeitraum 2022 können Arbeitnehmer die sog. Homeoffice-Pauschale geltend machen, wenn sie zu Hause im Homeoffice tätig sind. Die Homeoffice-Pauschale beträgt 5 € für jeden vollen Tag, maximal 600 € jährlich.
Hinweis: Die Homeoffice-Pauschale wird auch dann gewährt, wenn der beruflich genutzte Raum bzw. Raumteil nicht die Voraussetzungen eines häuslichen Arbeitszimmers erfüllt. Der Arbeitnehmer kann also die Pauschale beantragen, wenn er z.B. nur eine Schreibecke im Wohn- oder Schlafzimmer nutzt. Allerdings wird sie nicht zusätzlich zum Werbungskostenpauschbetrag gewährt. Aufwendungen für Arbeitsmittel und Telefon-/Internetkosten sind durch die Homeoffice- Pauschale nicht abgegolten.
Steuerbefreiung von Corona-Sonderzahlungen an Pflegekräfte: Vom Arbeitgeber zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer gewährte Sonderleistungen werden bis zu einem Betrag von 4.500 € steuerfrei gestellt. Begünstigt sind nicht nur vom Staat finanzierte Corona-Sonderzahlungen, sondern auch freiwillige Leistungen der Arbeitgeber. Voraussetzung ist, dass die Arbeitnehmer in einer der im Gesetz aufgeführten Einrichtungen beschäftigt sind. Dies sind insbesondere Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen, ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in bestimmten Einrichtungen erbringen, sowie Rettungsdienste. Die Regelung betrifft Zahlungen, die in der Zeit vom 18.11.2021 bis zum 31.12.2022 zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wurden bzw. noch geleistet werden.
Hinweise: Bislang gab es eine Steuerfreiheit für Sonderzahlungen in Höhe von bis zu 1.500 €. Diese Steuerfreiheit stand jedem Arbeitnehmer zu, selbst wenn er eine reine Bürotätigkeit ausübte.
2. Erleichterungen für Unternehmer
Die degressive Abschreibung in Höhe der zweieinhalbfachen linearen Abschreibung, maximal 25 %, auf bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wird bis zum 31.12.2022 verlängert und kann daher auch für Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt werden.
Die Investitionsfrist für den Investitionsabzugsbetrag wird um ein weiteres Jahr verlängert. Dies betrifft Investitionsabzugsbeträge, die ohne Durchführung der Investition zum 31.12.2022 rückgängig gemacht werden müssten.
Auch die Reinvestitionsfrist für die Rücklage von Gewinnen aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter wie z.B. Grundstücke oder Gebäude wird um ein Jahr verlängert.
Hinweis: Dies betrifft Rücklagen, die an sich am Schluss des nach dem 31.12.2021 und vor dem 1.1.2023 endenden Wirtschaftsjahres – im Regelfall also am 31.12.2022 – aufzulösen wären.
Abzinsung von Verbindlichkeiten, Aufhebung des Abzinsungsgebots: Bisher müssen bilanzierende Unternehmen unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens zwölf Monaten unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 5,5 % abzinsen. U.a. vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase wurde diese Regelung für nach dem 31.12.2022 endende Wirtschaftsjahre aufgehoben.
Hinweis: Die Abzinsungspflicht bei Rückstellungen bleibt dagegen unverändert bestehen.
3. Erleichterungen für alle Steuerzahler
Der Verlustrücktrag wird verbessert, d.h. die Möglichkeit, Verluste eines Jahres in ein Vorjahr zurücktragen und dort mit Gewinnen zu verrechnen. Zum einen wird der Höchstbetrag, der in ein Vorjahr zurückgetragen werden kann, von 1 Mio. € auf 10 Mio. € bzw. – im Fall der Zusammenveranlagung – von 2 Mio. € auf 20 Mio. € erhöht. Außerdem kann ab dem Veranlagungszeitraum 2022 auch ein Verlustrücktrag zwei Veranlagungszeiträume zurück erfolgen, falls der Verlust im Vorjahr nicht ausgeschöpft werden kann.
Verlängerte Abgabefristen für die Steuererklärung: Die Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen der Jahre 2021 bis 2024 werden verlängert.
Für steuerlich beratene Steuerpflichtige gelten nun die folgenden Abgabefristen:
Besteuerungszeitraum 2020: 31.8.2022,
Besteuerungszeitraum 2021: 31.8.2023,
Besteuerungszeitraum 2022: 31.7.2024,
Besteuerungszeitraum 2023: 2.6.2025,
Besteuerungszeitraum 2024: 30.4.2026.
Für steuerlich nicht beratene Steuerpflichtige gelten die folgenden Abgabefristen:
Besteuerungszeitraum 2021: 31.10.2022 (soweit dieser Tag in dem Land, zu dem das Finanzamt gehört, ein gesetzlicher Feiertag ist, endet die Frist am 1.11.2022).
Besteuerungszeitraum 2022: 2.10.2023,
Besteuerungszeitraum 2023: 2.9.2024,
Besteuerungszeitraum 2024: 31.7.2025.
Viertes Corona-Steuerhilfegesetz, BGBl 2022 I S. 911; NWB
29.06.2022
Aus einer Nullfestsetzung ergibt sich für den Steuerpflichtigen grundsätzlich keine Beschwer. Dies gilt auch für eine Nullfestsetzung, die sich gegen einen gemeinnützigen Verein richtet, wenn der Verein mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält und nur bei einem der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe streitig ist, ob er ein sog. Zweckbetrieb ist. Der Nullbescheid stellt dann nicht die Steuerpflicht fest, da wegen der anderen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe ohnehin ein Steuerbescheid ergehen würde.
Hintergrund: Gemeinnützige Vereine sind von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit, so dass ihnen gegenüber keine Steuerfestsetzung ergeht. Anders ist dies aber, wenn ein gemeinnütziger Verein einen sog. wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Der Gewinn aus diesem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb muss besteuert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen gelten wirtschaftliche Geschäftsbetriebe aber als Zweckbetrieb und sind dann steuerlich unschädlich.
Streitfall: Der Kläger war ein gemeinnütziger Verein im Bereich der Wohlfahrtspflege, der neben seinem gemeinnützigen Bereich mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sowie Zweckbetriebe unterhielt. Im Streitjahr 2012 richtete der Kläger zudem eine Abrechnungsstelle für die Abrechnung von Krankentransporten ein, die einen Gewinn von 0 € erwirtschaftete; nach Auffassung des Klägers handelte es sich bei der Abrechnungsstelle um einen Zweckbetrieb. Das Finanzamt sah nach einer Außenprüfung in der Abrechnungsstelle hingegen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Es änderte daraufhin die Körperschaft- und Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung, wobei die Körperschaftsteuer wie auch der Gewerbesteuermessbetrag jedoch weiterhin 0 € betrugen. Hiergegen klagte der Kläger.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt die Klage für unzulässig und wies sie ab:
Der Kläger ist durch die Festsetzung einer Körperschaftsteuer und eines Gewerbesteuermessbetrags von jeweils 0 € nicht beschwert. Eine Steuer bzw. ein Messbetrag von 0 € beschwert den Steuerpflichtigen nicht, da er keine Steuer entrichten muss. Ohne Beschwer ist die Klage unzulässig.
Zwar kann bei gemeinnützigen Vereinen eine Steuer- bzw. Messbetragsfestsetzung von 0 € eine Beschwer begründen, weil mit der Festsetzung von 0 € die Steuerpflicht dem Grunde nach festgestellt und damit die Steuerfreiheit verneint wird. Im Streitfall ergibt sich aus der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung aber keine derartige Bedeutung.
Streitig ist nur der sachliche Umfang der Steuerbefreiung, da der Kläger mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhielt. Wegen der anderen Geschäftsbetriebe wäre ohnehin eine Steuerfestsetzung ergangen. Der Streit, ob die Abrechnungsstelle als Zweckbetrieb oder aber als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einzustufen ist, wirkt sich im Streitjahr nicht aus, da der Gewinn aus der Abrechnungsstelle 0 € betrug.
Hinweise: Hätte der Kläger keinen weiteren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, hätte sich aus der Nullfestsetzung ergeben, dass das Finanzamt den Kläger nicht für vollständig steuerbefreit hält. Die Klage wäre dann wohl zulässig gewesen.
Der Grundsatz, dass sich aus einer Nullfestsetzung keine Beschwer ergibt, gilt nicht bei der Umsatzsteuer, da hier auch eine negative Steuerfestsetzung möglich ist, wenn die Vorsteuer höher ist als die Umsatzsteuer.
BFH, Urteil vom 16.12.2021 – V R 19/21; NWB
28.06.2022
Wird ein Investitionsabzugsbetrag für einen Pkw gebildet, muss der Nachweis der nahezu ausschließlich betrieblichen Nutzung des Pkw nicht zwingend durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erbracht werden. Ein Nachweis ist auch durch andere Beweismittel wie z.B. Zeugen möglich.
Hintergrund: Ein Unternehmer kann für künftige Investitionen einen Investitionsabzugsbetrag steuermindernd bilden. Voraussetzung für die Sonderabschreibung ist u.a. aber, dass das Wirtschaftsgut nach seiner Anschaffung bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres ausschließlich betrieblich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.
Streitfall: Der Kläger war Rechtsanwalt. Er bildete in den Streitjahren 2009 und 2013 jeweils einen Investitionsabzugsbetrag für einen Pkw. Er schaffte beide Pkw an, führte dann aber keine ordnungsgemäßen Fahrtenbücher. Das Finanzamt ging deshalb von einer nicht nahezu ausschließlich betrieblichen Nutzung der Pkw aus und machte die beiden Investitionsabzugsbeträge rückgängig. Der Kläger hat im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) Zeugen benannt, die bestätigen sollten, dass er die betrieblichen Fahrten mit den beiden Pkw durchgeführt habe. Das FG hat diese Zeugen nicht vernommen.
Entscheidung: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, das nun ermitteln muss, ob die beiden Pkw nahezu ausschließlich betrieblich genutzt worden sind:
Die Bildung des Investitionsabzugsbetrags setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut nahezu ausschließlich betrieblich genutzt wird, d.h. zu mindestens 90 %.
Dieser Nachweis kann durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt werden. Im Streitfall war das jeweilige Fahrtenbuch aber nicht ordnungsgemäß, da es nicht zeitnah geführt worden war und Kilometerstände sowie Privatfahrten fehlten.
Trotz fehlender ordnungsgemäßer Fahrtenbücher kann der nahezu ausschließlich betriebliche Nutzungsanteil aber auch auf andere Weise nachgewiesen werden, z.B. durch Zeugen oder andere Aufzeichnungen. Das FG muss daher den Zeugenanträgen nachkommen und anhand der Zeugenaussagen prüfen, ob sich aufgrund dieser Zeugenaussagen eine mindestens 90%ige betriebliche Nutzung der Pkw ergibt.
Hinweise: Der BFH bestätigt seine aktuelle Rechtsprechung, nach der ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch für den Nachweis der nahezu ausschließlich betrieblichen Nutzung eines Pkw im Rahmen eines Investitionsabzugsbetrags nicht zwingend erforderlich ist. Denkbar sind auch andere Beweismittel wie z.B. Zeugen oder andere Aufzeichnungen; so könnten etwa Werkstattrechnungen vorgelegt werden, aus denen sich der Kilometerstand ergibt. In der Praxis wird es allerdings schwierig sein, mit Hilfe anderer Beweismittel den Umfang der betrieblichen Nutzung nachzuweisen.
Anders ist die Rechtslage bei der Bewertung der Pkw-Privatnutzung eines betrieblichen Pkw. Die Bewertung erfolgt zwingend nach der sog. 1-%-Methode in Höhe eines Prozents des Bruttolistenpreises des Pkw pro Monat, wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht geführt wird.
BFH, Urteil vom 16.3.2022 – VIII R 24/19; NWB
27.06.2022
Die Umsatzsteuer auf eine Vermittlungsprovision, die in fünf Jahresraten gezahlt wird, entsteht grundsätzlich bereits mit der Vermittlung. Die Umsatzsteuer darf nicht zugunsten des Unternehmers berichtigt werden, da die Vereinbarung einer Ratenzahlung keine Uneinbringlichkeit darstellt, die eine Berichtigung ermöglichen würde.
Hintergrund: Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer bereits mit der Erbringung der Leistung (sog. Soll-Besteuerung). Auf die Erstellung der Rechnung, die Fälligkeit oder die Bezahlung kommt es also im Regelfall nicht an.
Streitfall: Die Klägerin, die ihre Umsätze nach der sog. Soll-Besteuerung versteuerte, vermittelte im Jahr 2012 ein Grundstück. Die Vereinbarung sah hierfür eine Provision von 1 Mio. € netto zzgl. 190.000 € vor, die in fünf Jahresraten à 200.000 € zzgl. 38.000 € Umsatzsteuer in den Jahren 2013 bis 2017 zu zahlen war. Das Finanzamt stellte auf die Vermittlungsleistung im Jahr 2012 ab und verlangte von der Klägerin 190.000 € Umsatzsteuer für 2012. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Umsatzsteuer erst ab 2013 jährlich in Höhe von 38.000 € (19 % auf 200.000 €) entstehe, also erst mit der jeweiligen Ratenzahlung.
Entscheidung: Der BFH hat dem Finanzamt grundsätzlich Recht gegeben, die Sache aber zurückverwiesen, weil die Klägerin Teilleistungen erbracht haben könnte:
Die Umsatzsteuer entsteht nach den Grundsätzen der Soll-Besteuerung mit der Ausführung der Vermittlungsleistung im Jahr 2012. Auf die Bezahlung der Leistung und auf die Fälligkeit des Zahlungsbetrags kommt es nicht an.
Eine Berichtigung der Umsatzsteuer zugunsten der Klägerin ist nicht möglich. Denn eine Berichtigung setzt voraus, dass entweder die Bemessungsgrundlage gemindert wird oder die Forderung uneinbringlich ist. Allein die Vereinbarung einer Ratenzahlung führt aber nicht zur Uneinbringlichkeit. Auch ist die Bemessungsgrundlage nicht gemindert worden.
Die Klägerin hatte allerdings in der Vorinstanz vor dem Finanzgericht (FG) geltend gemacht, dass die Provision auch für die „Begleitung“ des gesamten Projekts gezahlt wurde. Sollte dies stimmen, könnte die Klägerin nicht nur eine einmalige Vermittlungsleistung erbracht haben, sondern Teilleistungen, so dass die Umsatzsteuer mit der Ausführung der einzelnen Teilleistung in Höhe des dafür vereinbarten Teilentgelts entstehen würde. Der BFH hat die Sache an das FG zur entsprechenden Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen.
Hinweise: Der BFH hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, der eine Entstehung der Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung bejaht und eine Berichtigung der Umsatzsteuer zugunsten der Klägerin verneint hat. Der BFH folgt mit seiner Entscheidung nun dem EuGH.
Diese Rechtsprechung führt dazu, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer vorfinanzieren muss. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Unternehmer Teilleistungen erbringt oder wenn er die sog. Ist-Besteuerung anwenden kann (Zahlung der Umsatzsteuer erst nach Erhalt des Geldes). Die Ist-Besteuerung ist im Wesentlichen aber auf Freiberufler sowie auf Unternehmer mit einem Jahresumsatz von maximal 600.000 € beschränkt.
Bislang bejaht der BFH eine Berichtigung der Umsatzsteuer, soweit der Unternehmer aufgrund eines vereinbarten Sicherungseinbehalts wegen Gewährleistungsansprüchen sein Entgelt zunächst nicht vollständig erhält. In seinem aktuellen Urteil lässt der BFH aber ausdrücklich offen, ob er hieran noch festhält oder ob er künftig eine Berichtigung ablehnt. Im letztgenannten Fall müsste der Unternehmer dann die auf den Sicherungseinbehalt entfallende Umsatzsteuer ebenfalls vorfinanzieren.
BFH, Urteil vom 1.2.2022 – V R 37/21 (V R 16/19); NWB
23.06.2022
Eine für das Vorjahr geleistete Umsatzsteuervorauszahlung kann im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung nur dann im Vorjahr als Betriebsausgabe abgezogen werden, wenn die Zahlung bis zum 10.1. des Folgejahres geleistet wird und wenn die Umsatzsteuervorauszahlung auch im Zeitraum vom 1.1. bis zum 10.1. des Folgejahres fällig ist. War die Vorauszahlung hingegen schon im Vorjahr fällig oder wird sie erst nach dem 10.1. des Folgejahres fällig, ist der Betriebsausgabenabzug erst im Jahr der Zahlung möglich.
Hintergrund: Bei der Einnahmen-Überschussrechnung gilt grundsätzlich das Zufluss- und Abflussprinzip. Einnahmen sind also im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern und Ausgaben im Zeitpunkt des Abflusses als Betriebsausgaben geltend zu machen. Das Gesetz enthält aber eine Ausnahme für sog. wiederkehrende Zahlungen, die innerhalb von 10 Tagen vor oder nach dem Jahreswechsel geleistet werden, aber das vorherige bzw. das folgende Jahr betreffen: Sie werden in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Eine Umsatzsteuerzahlung für Dezember 2021, die am 5.1.2022 an das Finanzamt gezahlt wird, ist aufgrund dieser Regelung grundsätzlich im Jahr 2021 als Betriebsausgabe abziehbar; denn Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen aufgrund von Voranmeldungen gelten als wiederkehrende Zahlungen.
Sachverhalt: Der Kläger war Unternehmer und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung, d.h. nach Zufluss- und Abflussgesichtspunkten. Die Vorauszahlungen zur Umsatzsteuer für Mai 2017 bis Juli 2017 zahlte er nicht im Jahr 2017, sondern erst am 9.1.2018. Er machte die Zahlung als Betriebsausgabe des Jahres 2017 geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil die Zahlungen bereits im Jahr 2017 fällig gewesen waren.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Mai 2017 bis Juli 2017 sind erst im Jahr 2018 abgeflossen und daher erst im Jahr 2018 als Betriebsausgabe abziehbar.
Die Ausnahmeregelung für regelmäßig wiederkehrende Zahlungen gilt nicht. Zwar sind Umsatzsteuervorauszahlungen regelmäßig wiederkehrende Zahlungen, und sie wurden auch bis zum 10.1. des Folgejahres, d.h. bis zum 10.1.2018, geleistet.
Die Umsatzsteuervorauszahlungen müssen zusätzlich aber auch in den ersten zehn Tagen des Folgejahres 2018 fällig sein, damit sie im Vorjahr 2017 als Betriebsausgabe abgezogen werden können. Die Fälligkeit im Zehntageszeitraum ist erforderlich, um Zufallsergebnisse zu verhindern. Anderenfalls könnten Umsatzsteuervorauszahlungen, die schon seit längerer Zeit fällig sind, abweichend vom Abflusszeitpunkt im Vorjahr der Zahlung als Betriebsausgabe abgezogen werden.
Im Streitfall waren die drei Zahlungen bereits im Jahr 2017 fällig und nicht erst im Zeitraum vom 1.1.2018 bis 10.1.2018. Die Ausnahmeregelung für regelmäßig wiederkehrende Zahlungen gilt daher nicht, so dass es beim Betriebsausgabenabzug im Jahr der Zahlung, d.h. hier im Jahr 2018, bleibt.
Hinweise: Bislang war streitig, ob für den vom Zahlungsjahr abweichenden Abzug als regelmäßig wiederkehrende Betriebsausgabe nicht nur die Zahlung in den ersten zehn Tagen des Folgejahres erforderlich ist, sondern auch die Fälligkeit in den ersten zehn Tagen des Folgejahres. Diese Streitfrage hat der BFH nun bejaht. Bei Umsatzsteuervorauszahlungen kommt daher ein Betriebsausgabenabzug im Vorjahr für eine in den ersten zehn Tagen des Folgejahres geleistete Zahlung nur dann in Betracht, wenn es sich um die Vorauszahlung für den Dezember des Vorjahres oder für das IV. Quartal des Vorjahres handelt und keine Dauerfristverlängerung, durch die die Fälligkeit um einen Monat verschoben wird, gewährt wurde. Wurde eine Dauerfristverlängerung gewährt, ist der Abzug im Vorjahr der Zahlung nur bei der Umsatzsteuervorauszahlung für den November des Vorjahres möglich, wenn die Zahlung bis zum 10.1. des Folgejahres erfolgt.
Das Urteil dürfte entsprechend auch für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen wie z.B. Mieteinnahmen gelten. Diese müssten also in den letzten zehn Tagen des Jahres erzielt worden und auch in diesem Zeitraum fällig sein, damit die Einnahme dem Folgejahr zugerechnet werden kann und im Folgejahr versteuert werden muss.
Für Bilanzierer hat das Urteil keine Bedeutung, da es dort nicht auf den Zahlungszeitpunkt, sondern stets auf den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung ankommt.
BFH, Urteil vom 16.2.2022 – X R 2/21; NWB
22.06.2022
Die Abgabe der Einkommensteuererklärung bei einem unzuständigen Finanzamt kann die sog. Anlaufhemmung beenden und damit den Beginn der Festsetzungsfrist auslösen, wenn das unzuständige Finanzamt seine Unzuständigkeit erkennt, aber weder die Erklärung an das zuständige Finanzamt weiterleitet noch den Steuerpflichtigen darauf hinweist, dass er die Einkommensteuererklärung dem zuständigen Finanzamt zusenden muss.
Hintergrund: Die Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre. Ist eine Steuererklärung einzureichen, beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens aber mit Ablauf des dritten Jahres (sog. Anlaufhemmung). Wird also im Jahr 2022 die Einkommensteuererklärung für 2021 eingereicht, beginnt die vierjährige Verjährungsfrist für 2021 mit Ablauf des 31.12.2022 und endet mit Ablauf des 31.12.2026.
Streitfall: Der Kläger war Nachlassverwalter des verstorbenen M und musste die Steuererklärungen für M erstellen. M wurde bis zu seinem Tod im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts A einkommensteuerlich geführt. Für die gesonderte Feststellung seiner freiberuflichen Einkünfte war jedoch das Finanzamt H zuständig, da M in dessen Zuständigkeitsbereich als Architekt tätig gewesen war. Das Finanzamt A erließ am 7.4.2011 einen Einkommensteuerbescheid für 2010 und schätzte mangels Abgabe der Einkommensteuererklärung die Besteuerungsgrundlagen auf 0 €. Im Oktober 2011 reichte der Steuerberater des M die Einkommensteuererklärung für 2010 beim unzuständigen Finanzamt H ein. Das Finanzamt H leitete die Einkommensteuererklärung für 2010 nicht an das zuständige Finanzamt A weiter, sondern erließ am 2.3.2012 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung und stellte die Einkünfte entsprechend den Angaben in der Einkommensteuererklärung in Höhe von ca. 975.000 € fest. Zugleich schickte es eine entsprechende Mitteilung an das zuständige Finanzamt A über die Höhe der festgestellten Einkünfte. Auf dieser Grundlage erließ das Finanzamt H am 6.10.2016 einen Einkommensteuerbescheid und legte freiberufliche Einkünfte in Höhe von 975.000 € zugrunde.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob den Einkommensteuerbescheid vom 6.10.2016 auf und gab der Klage statt:
Der Einkommensteuerbescheid vom 6.10.2016 ist nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen und war daher aufzuheben.
Die vierjährige Festsetzungsfrist für 2010 begann mit Ablauf des 31.12.2011, da die Einkommensteuererklärung für 2010 im Jahr 2011 abgegeben worden ist. Die Festsetzungsfrist lief daher nach vier Jahren mit Ablauf des 31.12.2015 ab, so dass am 6.10.2016 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Die Festsetzungsfrist beginnt grundsätzlich erst nach Abgabe der Einkommensteuererklärung beim zuständigen Finanzamt. Anderenfalls würde die Festsetzungsfrist beginnen, bevor das für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzamt etwas vom Entstehen und der Höhe des Steueranspruchs erfahren hat.
Das zuständige Finanzamt wäre das Finanzamt A gewesen; die Steuererklärung wurde aber beim Finanzamt H abgegeben, das nur für die gesonderte Feststellung der Einkünfte zuständig war, nicht jedoch für die Einkommensteuer.
Ausnahmsweise genügt für die Beendigung der Anlaufhemmung und damit für den Beginn der Festsetzungsfrist aber auch die Abgabe der Steuererklärung bei einem unzuständigen Finanzamt, wenn dieses trotz Kenntnis seiner Unzuständigkeit die Steuererklärung zu den Akten nimmt, anstatt die Erklärung an das zuständige Finanzamt weiterzuleiten oder den Steuerpflichtigen darüber zu informieren, dass es die Steuererklärung nicht an das zuständige Finanzamt weiterleitet.
Der Kläger ist damit so zu stellen, als ob der Verstoß nicht erfolgt wäre. Bei einer ordnungsgemäßen Handhabung wäre die Einkommensteuererklärung noch im Oktober 2011 an das Finanzamt A weitergeleitet worden, so dass mit Ablauf des 31.12.2011 die vierjährige Festsetzungsfrist begonnen hätte.
Hinweise: Das Finanzamt A war nicht so langsam mit der Steuerfestsetzung, wie es scheint. Es hatte durchaus schon vor dem Jahr 2016 versucht, die Einkommensteuer für 2010 gegenüber dem Kläger festzusetzen; jedoch war die Bekanntgabe nicht wirksam erfolgt, möglicherweise auch wegen der verfahrensrechtlichen Komplikationen aufgrund des Todes des M.
Dem Finanzamt A half es auch nicht, dass es beim Erlass eines Feststellungsbescheids eine sog. Ablaufhemmung gibt. Denn diese Ablaufhemmung beträgt nur zwei Jahre, und der Feststellungsbescheid war vom Finanzamt H am 2.3.2012 bekanntgegeben worden. Eine Ablaufhemmung bis zum 6.10.2016 trat also nicht ein.
Die aktuelle Entscheidung betrifft einen Ausnahmefall, weil das Finanzamt H seine Fürsorgepflicht verletzt hat. Der BFH hält im Übrigen an seinem Grundsatz fest, dass eine Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt abgegeben werden muss, damit die Anlaufhemmung beendet werden kann und die Festsetzungsfrist beginnt.
BFH, Urteil vom 14.12.2021 – VIII R 31/19; NWB
21.06.2022
Die Einziehung von GmbH-Anteilen eines ausscheidenden Gesellschafters gegen Abfindung unterliegt der Schenkungsteuer, wenn die gezahlte Abfindung unter dem tatsächlichen Wert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters liegt. Dies gilt nicht nur im Fall der Zwangseinziehung, sondern auch dann, wenn die Einziehung mit Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters erfolgt.
Hintergrund: Nach dem Gesetz löst die Einziehung von GmbH-Anteilen Schenkungsteuer aus, wenn der Anteil aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag der GmbH bei Ausscheiden des Gesellschafters eingezogen wird und der Abfindungsanspruch niedriger ist als der tatsächliche Wert des Anteils. Besteuert wird dann die Werterhöhung, die sich für die Anteile der verbleibenden Gesellschafter ergibt. Gesellschaftsrechtlich darf eine Einziehung nur erfolgen, wenn sie entweder im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist oder – ohne Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters – wenn die Voraussetzungen der Einziehung vor dem Zeitpunkt, in welchem der ausscheidende Gesellschafter den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren.
Streitfall: Der Kläger war zusammen mit A, B und C an der X-GmbH beteiligt. Jeder Gesellschafter hielt einen Geschäftsanteil von 81.000 €. Nach dem Gesellschaftsvertrag war die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig. Im Mai 2007 beschlossen die vier Gesellschafter die Einziehung des Geschäftsanteils des A zum 31.12.2007 gegen eine Abfindung von 75.000 €, die in 75 Monatsraten zu zahlen war. Tatsächlich war die Beteiligung des A ca. 205.000 € wert. Das Finanzamt setzte die Differenz zu einem Drittel als schenkungsteuerpflichtigen Erwerb des Klägers an. Der Kläger war der Ansicht, dass nur die zwangsweise Einziehung Schenkungsteuer auslöse.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar ist dem Kläger nicht der Geschäftsanteil des A anteilig geschenkt worden; denn der Geschäftsanteil des A ging aufgrund der Einziehung unter. Jedoch stellt das Gesetz die sich aufgrund einer Einziehung des Anteils gegen Abfindung unter Wert ergebende Werterhöhung einer Schenkung gleich.
Das Gesetz erfasst nicht nur die Zwangseinziehung, sondern auch die Einziehung mit Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters. Anderenfalls ergäbe sich eine Besteuerungslücke, wenn die Einziehung gegen Minderabfindung von allen Gesellschaftern beschlossen wird.
Im Streitfall lag der Abfindungswert unter dem tatsächlichen Wert, so dass es beim Kläger wie auch bei B und C zu einer Werterhöhung kam.
Hinweise: Über die Einziehung eines Anteils bei einer Kapitalgesellschaft hinaus führt auch das Ausscheiden eines Gesellschafters gegen eine zu niedrige Abfindung zur Schenkungsteuer, und zwar sowohl bei Kapital- als auch bei Personengesellschaften. Wird ein Anteil einer Personen- oder Kapitalgesellschaft zu einem zu niedrigen Wert bewusst, d.h. freigebig, auf eine andere Person übertragen bzw. verkauft, liegt ebenfalls eine Schenkung in Höhe der Wertdifferenz vor, die allerdings aufgrund der Begünstigungen für das Betriebsvermögen weitgehend steuerfrei sein kann.
Der tatsächliche Wert des Anteils des A (205.000 €) war nicht streitig; zudem hätte ein etwaiger Streit über den Wert des Anteils in einem anderen Verfahren geführt werden müssen, nämlich im Verfahren gegen die sog. gesonderte Wertfeststellung. Da die Abfindung in 75 Monatsraten gezahlt werden sollte, war die Abfindung von 75.000 € auf 63.720 € abzuzinsen. Damit ergab sich eine Wertdifferenz von 141.210 € (204.930 € Wert des Anteils abzüglich 63.720 € abgezinste Abfindung), die zu einem Drittel (= 47.070 €) auf den Kläger entfiel. Nach Abzug des Freibetrags ergab sich eine Schenkungsteuer in Höhe von 7.106 € für den Kläger.
Auch bei B und C kam es zu entsprechenden Werterhöhungen, die schenkungsteuerbar waren. Allerdings betrifft das aktuelle BFH-Urteil nur die Klage des Klägers.
BFH, Urteil vom 17.11.2021 – II R 21/20; NWB
20.06.2022
Minijobberinnen und Minijobber können künftig 520 Euro statt 450 Euro durchschnittlich monatlich verdienen. Ab dem 1. Oktober 2022 wird sich die Minijob-Grenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen orientieren. Die wichtigsten Informationen zu den Änderungen für Minijobber und Arbeitgeber, finden Sie in diesem Beitrag.
Mindestlohn erhöht sich auf 12 Euro pro Stunde
Der Gesetzgeber erhöht zum 1. Oktober 2022 den gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro je Zeitstunde. Die Erhöhung geht auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag zurück.
Minijob-Grenze wird auf 520 Euro monatlich angehoben
Die Verdienstgrenze im Minijob liegt seit dem Jahr 2013 unverändert bei 450 Euro im Monat. Zukünftig wird die Minijob-Grenze dynamisch und am Mindestlohn ausgerichtet angepasst. Das bedeutet, dass sich die Verdienstgrenze künftig an einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden und am Mindestlohn orientiert. Erhöht sich der Mindestlohn, steigt also auch die Minijob-Grenze.
Mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde wird die Minijob-Grenze zum 1. Oktober 2022 entsprechend auf 520 Euro monatlich erhöht.
Neuregelungen auch beim Überschreiten der Minijob-Verdienstgrenze
Überschreitet der durchschnittliche Monatsverdienst die Minijob-Grenze, liegt kein Minijob mehr vor. Ausgenommen hiervon sind gelegentliche nicht vorhersehbare Überschreitungen. Die Höhe der Verdienste in den Monaten des unvorhersehbaren Überschreitens ist unerheblich. Als gelegentlich wird heute ein Zeitraum von bis zu drei Kalendermonaten innerhalb eines Zeitjahres angesehen. Diese Regelung ergibt sich bisher ausschließlich aus den Geringfügigkeits-Richtlinien.
Zukünftig wird das unvorhersehbare Überschreiten gesetzlich geregelt. Gelegentlich ist dann ein unvorhersehbares Überschreiten bis zu zwei Kalendermonaten innerhalb eines Zeitjahres. Darüber hinaus darf die Überschreitung maximal 520 Euro monatlich betragen, so dass auf Jahressicht ein maximaler Verdienst bis zur Höhe des 14-fachen der Minijob-Grenze möglich sein wird. Eine Minijobberin oder ein Minijobber darf also grundsätzlich 6.240 Euro über 12 Monate und in begründetem Ausnahmefall höchstens 7.280 Euro im Jahr verdienen.
Wichtiger Hinweis für Rentner: Für einige Rentenbezieher gilt in der Rentenversicherung eine kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze. Mit Erhöhung der Verdienstgrenze im Minijob ab dem 1. Oktober 2022 sollten Rentner diese bei der Ausübung eines Minijobs im Blick haben. Nach aktuellem Stand wird die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 6.300 Euro für Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder der Knappschaftsausgleichsleistung nicht angepasst. Ein gelegentliches unvorhersehbares Überschreiten der Verdienstgrenze im Minijob könnte dazu führen, dass Rentner die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 6.300 Euro überschreiten. Dies würde sich rentenschädlich auswirken. Bei der Knappschaftsausgleichsleistung würde sogar der Anspruch auf diese Rente entfallen. Für Bezieher einer Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze gilt derzeit eine höhere Hinzuverdienstgrenze. Ab dem 1. Januar 2023 beträgt diese nach aktueller Rechtslage auch wieder 6.300 Euro.
Midijob-Grenze wird von 1.300 auf 1.600 Euro angehoben
Mit dem neuen Gesetz wird auch die Verdienstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich erhöht. Bisher liegt ein sogenannter Midijob vor, wenn das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers im Übergangsbereich 450,01 Euro bis 1.300 Euro beträgt. Künftig liegt ein Midijob vor, wenn Arbeitnehmer regelmäßig im Monat mehr als 520,00 Euro und maximal 1.600 Euro verdienen.
Im neuen Übergangsbereich werden Arbeitgeber stärker belastet als heute. Der Beitragsanteil des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin beläuft sich im unteren Bereich des Übergangsbereichs (ab 520,01 Euro) wie bei Minijobs auf ca. 28 Prozent und wird gleitend bis 1.600 Euro auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen. Midijobber und Midijobberinnen profitieren dadurch, dass der Belastungssprung beim Übergang vom Minijob zum Midijob geglättet wird. Dadurch soll der Anreiz für Minijobber erhöht werden, ihre Arbeitszeit über die Minijob-Grenze hinaus auszuweiten.
Midijobs sind sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen, für die die Krankenkassen zuständig sind und nicht die Minijob-Zentrale.
Minijob-Zentrale online, Meldung vom 13.6.2022; NWB
17.06.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) gewährt bei der Unterstützung ukrainischer Arbeitnehmer, die durch den Krieg in der Ukraine geschädigt worden sind, steuerliche Erleichterungen in Gestalt einer Steuerfreiheit der Unterstützungsleistungen. Außerdem lässt es Arbeitslohnspenden, die zugunsten ukrainischer Kriegsgeschädigter geleistet werden, steuerfrei.
Hintergrund: Nach dem Gesetz sind Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit geleistet werden, steuerfrei. Die Finanzverwaltung lässt unter bestimmten Voraussetzungen auch bestimmte Unterstützungsleistungen an Arbeitnehmer bis zu einem Betrag von 600 € steuerfrei.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens: Das BMF erweitert die gesetzliche Regelung und die bisherige Verwaltungspraxis auf Unterstützungsleistungen zugunsten von Arbeitnehmern, die durch den Krieg in der Ukraine geschädigt worden sind:
Unterstützungsleistungen des Arbeitgebers an Arbeitnehmer, die durch den Krieg in der Ukraine geschädigt sind, sind bis zur Höhe von 600 € je Kalenderjahr und Arbeitnehmer steuerfrei.
Ist die Unterstützungsleistung höher als 600 €, kann auch der übersteigende Betrag steuerfrei sein, wenn es sich um einen besonderen Notfall handelt. Dies ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer die Ukraine als Kriegsflüchtling verlassen hat oder in vergleichbarer Weise unmittelbar vom Krieg betroffen ist.
Steuerfrei sind auch Zinsvorteile oder Zinszuschüsse, die dem vom Ukraine-Krieg geschädigten Arbeitnehmer gewährt werden. Das Darlehen darf aber nicht höher als der ihm durch den Krieg entstandenen Schaden sein.
Auch weitere Vorteile, die der Arbeitgeber gewährt, sind steuerfrei, z.B. eine Pkw-Überlassung, wenn der Pkw des Arbeitnehmers aufgrund des Kriegs nicht mehr verfügbar ist, eine Wohnungsüberlassung, die Ausstattung einer Wohnung oder Verpflegung, wenn der Arbeitnehmer insoweit Unterstützung benötigt.
Hinweis: Der Arbeitgeber muss die steuerfreien Leistungen im Lohnkonto aufzeichnen. Zudem muss er dokumentieren, dass die o.g. Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllt sind. Hierzu gehört die Dokumentation, dass der Arbeitnehmer durch den Krieg in der Ukraine geschädigt worden ist, die Höhe des Schadens sowie die Unterstützungsleistung.
Arbeitslohnspenden von Arbeitnehmern sind steuerfrei, wenn sie an Arbeitnehmer, die durch den Ukraine-Krieg geschädigt sind, geleistet werden oder wenn sie auf ein Spendenkonto zugunsten der Ukraine eingezahlt werden.
Es kann sich dabei auch um Arbeitslohnspenden zugunsten von kriegsgeschädigten Arbeitnehmern von Geschäftspartnern des Arbeitgebers handeln.
Hinweis: Die steuerfreie Arbeitslohnspende ist nicht in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben. Allerdings darf die steuerfreie Arbeitslohnspende nicht zusätzlich als Spende steuerlich abgezogen werden.
BMF-Schreiben vom 7.6.2022 - IV C 4 - S 2223/19/10003 :017; NWB
15.06.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat anlässlich der vorübergehenden Einführung des sog. 9-Euro-Tickets zu steuerfreien Zuschüssen des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit Stellung genommen. Das BMF beanstandet es nicht, wenn der Zuschuss des Arbeitgebers während des Geltungszeitraums des sog. 9-Euro-Tickets im Zeitraum Juni bis August 2022 höher ist als die nunmehr geminderten monatlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers. Allerdings darf der Zuschuss über das Jahr betrachtet nicht höher sein als die jährlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers für den öffentlichen Nahverkehr.
Hintergrund: Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für den öffentlichen Linienverkehr, d.h. für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeit, sind nach dem Gesetz steuerfrei, wenn der Zuschuss zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt wird. Allerdings mindert der Zuschuss die Höhe der Werbungskosten des Arbeitnehmers.
Inhalt des aktuellen Schreibens des BMF:
Wegen des sog. 9-Euro-Tickets mindern sich die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeit. Das BMF beanstandet es nicht, wenn der Zuschuss des Arbeitgebers während des Geltungszeitraums im Zeitraum Juni bis August 2022 nicht gemindert wird, sondern höher ist als die nunmehr geminderten monatlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers. Dies steht der Steuerfreiheit des Zuschusses im Zeitraum Juni bis August 2022 zunächst nicht entgegen.
Allerdings darf der Zuschuss des Arbeitgebers über das Jahr 2022 betrachtet nicht höher sein als die jährlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeit. Es gilt also eine Jahresbetrachtung.
Übersteigt der im Jahr 2022 gezahlte Zuschuss des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit, ist der übersteigende Betrag steuerpflichtig und nicht mehr steuerfrei.
Hinweise: Die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse sind zu bescheinigen; denn sie mindern die Entfernungspauschale.
Das sog. 9-Euro-Ticket entlastet den Arbeitnehmer nicht, wenn der Arbeitgeber ohnehin die Kosten für die Monatskarte bzw. Jahreskarte übernommen hat und der Zuschuss steuerfrei ist.
Das aktuelle BMF-Schreiben führt zu einer zeitlichen Entlastung, weil der Arbeitgeber nicht sofort seinen Zuschuss an die gesunkenen Kosten für den Nahverkehr anpassen muss. Allerdings kann auf diese Anpassung nicht generell verzichtet werden, weil nach der Jahresbetrachtung der jährlich geleistete Zuschuss die jährlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers nicht übersteigen darf; anderenfalls ist der übersteigende Betrag steuerpflichtig.
BMF-Schreiben vom 30.5.2022 – IV C 5 – S 2351/19/10002 :007; NWB
14.06.2022
Das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg hat einen Steuerguide für Influencer veröffentlicht.
Darin gibt das Ministerium einen Überblick darüber, welche Steuerarten für Influencerinnen und Influencer infrage kommen können und ob Betroffene ihre Tätigkeit beim Finanzamt anzeigen müssen. Das Ministerium weist zugleich darauf hin, dass der Steuerguide keine Fachberatung ersetzt.
Hinweis: Zu finden ist der Steuerguide auf der Homepage des Ministeriums.
Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 9.6.2022, NWB
13.06.2022
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält es für möglich, dass das gesetzliche Aufteilungsgebot bei Beherbergungsumsätzen gegen EU-Recht verstößt, und hat daher in einem aktuellen Fall Aussetzung der Vollziehung gewährt. Das Aufteilungsgebot führt dazu, dass z.B. das Entgelt für das Frühstück oder für den Wellnessbereich in einem Hotel nicht mit 7 % ermäßigt besteuert werden kann, sondern dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 % unterliegt.
Hintergrund: Der Gesetzgeber gewährt für Übernachtungsleistungen von Hotels und Pensionen den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Nach dem Gesetz gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz aber nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, wie z.B. Frühstück, Schwimmbad oder Parkplatz, auch wenn diese Leistungen im Übernachtungspreis enthalten sind.
Streitfall: Die Antragstellerin betreibt ein Hotel und Restaurant. Im Übernachtungspreis war auch ein Frühstück sowie der Zugang zu einem Schwimmbad enthalten. Die Antragstellerin unterwarf ihre Umsätze des Jahres 2017 dem ermäßigten Steuersatz von 7 % und begründete dies damit, dass sie eine einheitliche Leistung erbracht habe. Das Finanzamt teilte den Übernachtungspreis jedoch auf und besteuerte den auf das Frühstück und auf das Schwimmbad entfallenden Teil des Übernachtungspreises mit 19 %. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die vom Finanzamt sowie vom Finanzgericht abgelehnt wurde.
Entscheidung: Der BFH gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Beschwerdeverfahren statt:
Nach deutschem Recht ist zwar eine Aufteilung des Übernachtungspreises in den Preis für die eigentliche Übernachtung und in den Preis für die sonstigen Leistungen wie z.B. die Nutzung des Schwimmbades oder das Frühstück geboten. Nach diesem Aufteilungsgebot darf nur der auf die Übernachtung entfallende Teil des Gesamtpreises mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % besteuert werden.
Das deutsche Aufteilungsgebot könnte allerdings mit dem Recht der EU unvereinbar sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nämlich entschieden, dass auch eine sog. einheitliche Leistung vorliegen kann, so dass derjenige Umsatzsteuersatz anwendbar ist, der für den Hauptbestandteil der Leistung gilt. Überträgt man diese Entscheidung auf Beherbergungsumsätze, könnte dies dazu führen, dass eine einheitliche Leistung vorliegt, die sich aus der Übernachtung einerseits und aus den unselbständigen Nebenleistungen (Frühstück, Nutzung Schwimmbad) andererseits zusammensetzt; es würde dann der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für das Gesamtentgelt greifen, weil die Hauptleistung die Übernachtungsleistung ist, für die der ermäßigte Steuersatz von 7 % gilt.
Zu der Frage, ob ein Aufteilungsgebot gilt oder ob der Grundsatz der einheitlichen Leistung gilt, ist derzeit ein Verfahren beim EuGH anhängig. Dieses anhängige Verfahren rechtfertigt es, Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
Hinweise: Der aktuelle Fall betrifft neben der Übernachtungsbranche auch Umsätze aus langfristiger Vermietung. Die Vermietung ist zwar grundsätzlich umsatzsteuerfrei; dies gilt nach dem deutschen Gesetz aber ausdrücklich nicht für die Vermietung von Betriebsvorrichtungen. Wird ein Grundstück zusammen mit den auf dem Grundstück befindlichen Betriebsvorrichtungen vermietet, stellt sich die Frage, ob die Miete nach dem Aufteilungsgebot aufzuteilen ist, so dass der auf die Vermietung der Betriebsvorrichtungen entfallende Mietteil umsatzsteuerpflichtig ist, oder ob nach dem Grundsatz der einheitlichen Leistung die Gesamtmiete umsatzsteuerfrei bleibt.
BFH, Beschluss v. 7.3.2022 - XI B 2/21 (AdV), NWB
10.06.2022
Der Deutsche Bundestag hat am 3.6.2022 dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zugestimmt. Damit wird der allgemeine gesetzliche Mindestlohn zum 1.10.2022 auf 12 Euro brutto je Zeitstunde angehoben.
Seit dem 1.1.2022 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 9,82 Euro. Zum 1.7.2022 steigt er turnusmäßig auf 10,45 Euro. Einmalig zum Oktober 2022 wird der Mindestlohn nun per Gesetz auf 12 Euro pro Stunde angehoben.
Im Zuge der Anpassung des Mindestlohns auf 12 Euro wird die Entgeltgrenze für Minijobs von derzeit 450 Euro auf 520 Euro angehoben und dynamisiert. Die Midijob-Grenze wird von derzeit 1.300 auf 1.600 Euro monatlich angehoben.
Über etwaige weitere Erhöhungsschritte wird die unabhängige Mindestlohnkommission befinden - erstmalig bis zum 30.6.2023 mit Wirkung zum 1.1.2024.
Hinweis: Der Bundesrat befasst sich am 10.6.2022 abschließend mit dem Gesetz. Es ist nicht zu erwarten, dass die Länderkammer das Vorhaben blockieren wird. Danach muss das Gesetz noch im Bundesgesetzblatt verkündet werden.
u.a. Bundesarbeitsministerium online, Meldung v. 3.6.2022; NWB
Nachricht aktualisiert am : Der Bundesrat hat das Gesetz in seiner heutigen Sitzung abschließend gebilligt. Die Regelungen können damit - nach Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten und der Verkündung im Bundesgesetzblatt - wie geplant in Kraft treten.
09.06.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Mai 2022 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2022 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben vom 1.6.2022 - III C 3 - S 7329/19/10001 :004 (2022/0573639); NWB
08.06.2022
Ein Steuerpflichtiger hat keinen Auskunftsanspruch gegenüber der beim Bundeszentralamt für Steuern ansässigen Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen über die gespeicherten Daten. Denn eine Auskunft würde die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzverwaltung gefährden, weil der Steuerpflichtige dann wüsste, was die Finanzverwaltung bereits über ihn in Erfahrung gebracht hat, und er darauf reagieren könnte.
Hintergrund: Beim Bundeszentralamt für Steuern gibt es eine Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA), die steuerliche Informationen mit Auslandsbezug sammelt und speichert. So werden bei der IZA z.B. Daten zu Briefkastenfirmen im Ausland erfasst.
Streitfall: Die Klägerin war eine im Ausland registrierte Gesellschaft, bei der nicht sicher war, ob sich die geschäftliche Oberleitung ebenfalls in Deutschland oder aber im Ausland befand. Die Klägerin hatte davon erfahren, dass bei der IZA Daten über sie gespeichert waren, die sie teilweise für falsch hielt. Sie beantragte eine Auskunft über die gespeicherten Daten und eine Berichtigung des über sie gespeicherten Firmenprofils.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die dahingehend gerichtete Klage ab:
Zwar besteht nach der Datenschutz-Grundverordnung grundsätzlich ein Auskunftsanspruch. Dieser Auskunftsanspruch wird im Steuerrecht aber eingeschränkt.
Der Auskunftsanspruch besteht nach dem Gesetz nicht, wenn die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzverwaltung gefährdet, wenn der Steuerpflichtige aufgrund der erteilten Information steuerlich bedeutsame Sachverhalte verschleiern könnte, wenn er steuerlich bedeutsame Spuren verwischen könnte oder wenn er seine steuerlichen Mitwirkungspflichten auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden einstellen könnte.
Im Streitfall bestand kein Auskunftsanspruch, weil die Erteilung der Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzverwaltung gefährden würde. Die Klägerin wüsste dann nämlich, welche Informationen die Finanzverwaltung bereits über sie und ihren Geschäftsführer gesammelt hat, der im Fall von Briefkastenfirmen i. d. R. auch noch Geschäftsführer weiterer Briefkastenfirmen sein dürfte. Der Geschäftsführer wüsste dann, welche Briefkastenfirmen der Finanzverwaltung bereits bekannt sind und welche noch nicht, so dass er die Tätigkeiten in die noch nicht entdeckten Briefkastenfirmen verlagern könnte.
Da es keinen Auskunftsanspruch der Klägerin gibt, hat sie auch keinen Berichtigungsanspruch bezüglich des von ihr beanstandeten Firmenprofils.
Hinweise: Der Fall zeigt, dass die in der Öffentlichkeit oft genannte Datenschutz-Grundverordnung im Steuerrecht nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung hat. Im Steuerrecht gibt es spezielle Regelungen, die sicherstellen sollen, dass die Arbeit der Finanzverwaltung durch Auskunftsansprüche nicht übermäßig behindert wird.
Im Streitfall ging es um einen Auskunftsanspruch gegen die IZA, d.h. bezüglich der gesammelten Informationen mit Auslandsbezug. Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob aus der Datenschutz-Grundverordnung ein Anspruch auf Akteneinsicht abgeleitet werden kann.
BFH, Urteil v. 17.11.2021 - II R 43/19; NWB
07.06.2022
Bei der Bewertung eines Nachlasses kann der niedrigere gemeine Wert für einen Grundstücksanteil nicht durch den Kaufpreis nachgewiesen werden, der im Rahmen einer Teilerbauseinandersetzung an den Miterben gezahlt wird. Ein derartiger Kaufpreis wird nämlich nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gezahlt.
Hintergrund: Werden Grundstücke vererbt oder verschenkt, muss der Wert des Grundstücks ermittelt werden. Die Wertermittlung erfolgt nach einem typisierenden gesetzlichen Verfahren. Allerdings kann der Steuerpflichtige auch einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen.
Streitfall: Der Kläger erbte zusammen mit B ein Grundstück. Die Erbquote des Klägers betrug 40 %, die des B 60 %. Der Kläger war mit B nicht verwandt. Im November 2017 kam es zu einer Teilerbauseinandersetzung, bei der der Kläger den Grundstücksteil des B für 48.000 € kaufte. Bei der Ermittlung des Kaufpreises ging der Kläger von dem Kaufpreis für vergleichbare Objekte aus (130.000 €), minderte diesen um Sanierungskosten in Höhe von 50.000 € auf 80.000 € und setzte eine Quote von 60 % für den Anteil des B an. Das Finanzamt setzte hingegen einen Grundbesitzwert von ca. 138.000 € an, gegen den sich der Kläger wehrte.
Entscheidung: Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar kann der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen. Es muss sich dann aber um einen Wert handeln, der sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse ergibt.
Der Kläger hat einen derartigen niedrigeren Wert nicht nachgewiesen. Denn die Teilerbauseinandersetzung erfolgte nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr. Die Teilerbauseinandersetzung bezog sich nicht auf das gesamte Grundstück, sondern nur auf einen Grundstücksanteil von 60 %; im gewöhnlichen Geschäftsverkehr werden jedoch nur gesamte Grundstücke veräußert, nicht Grundstücksanteile. Außerdem ist der Grundstücksanteil keiner anderen Person angeboten worden.
Hinweise: Unbeachtlich war, dass der Kläger und B nicht verwandt und damit keine nahestehenden Personen waren.
Der Kläger hätte den niedrigeren gemeinen Wert durch ein Sachverständigengutachten nachweisen können. Der mit B vereinbarte Kaufpreis war hingegen nicht geeignet.
Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, das Aktenzeichen dort lautet II R 8/21.
FG Düsseldorf, Urteil v. 3.9.2020 - 11 K 2359/19 BG; NWB
02.06.2022
Die Maßnahmen der sog. Entlastungspakete I und II treten - teilweise rückwirkend in Kraft. Über diese und weitere gesetzliche Neuregelungen informiert die Bundesregierung.
Entlastungspaket I
Um die steigenden Energiepreise abzufedern, hat die Bundesregierung steuerliche Entlastungen auf den Weg gebracht. Rückwirkend zum Jahresbeginn steigen die Entfernungspauschale, der Grundfreibetrag und der Arbeitnehmerpauschbetrag.
Entlastungspaket II
Mit dem zweiten Entlastungspaket erhalten Bürger weitere Unterstützung: Eine einmalige Energiepreispauschale, einen einmaligen Kinderbonus, die temporäre Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe und das 9-Euro-Ticket.
Höherer Heizkostenzuschuss
Zusätzlich werden 2,1 Millionen Menschen mit einem einmaligen Heizkostenzuschuss entlastet – vor allem Wohngeld-Haushalte und Studierende mit BAföG. Wegen der zuletzt noch stärker gestiegenen Energiekosten verdoppelt sich der Zuschuss gegenüber dem ursprünglichen Entwurf. Das Gesetz tritt am 1. Juni 2022 in Kraft.
Sichere Energieversorgung
Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft. Die Bundesregierung arbeitet fortlaufend daran, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Ein wichtiger Schritt: die Modernisierung des Energiesicherungsgesetzes. Das entsprechende Gesetz trat am 22. Mai 2022 in Kraft.
Sanktionen gegen Russland effektiv durchsetzen
Die EU-Sanktionen gegen Russland umfassen das Einfrieren von Vermögenswerten gelisteter Personen, Reisebeschränkungen, Beschränkungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie Im- und Exportrestriktionen. Das Gesetz soll eine effektive Durchsetzung der Sanktionen in Deutschland sicherstellen.
Grundsicherung für ukrainische Geflüchtete
Die Bundesregierung ermöglicht registrierten Geflüchteten aus der Ukraine einen frühzeitigen Wechsel in die Grundsicherungssysteme. Sie werden ab 1. Juni wie anerkannte Asylsuchende behandelt und haben damit Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung. Die Geflüchteten erhalten zudem erleichterten Zugang zu Integrations- und Sprachkursen sowie zum Arbeitsmarkt.
Bundesregierung online, Meldung v. 27.5.2022; NWB
01.06.2022
Das vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegte und im Sommer 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (GSVWG) tritt am 28.5.2022, in Kraft. Das Gesetz soll insbesondere die Transparenz auf Online-Marktplätzen verbessern, für Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf das Influencer-Marketing sorgen und vor unlauteren Geschäftspraktiken bei Kaffeefahrten schützen.
Im Einzelnen enthält das Gesetz die folgenden Regelungen:
Rankings und Verbraucherbewertungen auf Online-Marktplätzen: Betreiber von Online-Marktplätzen müssen darüber informieren, ob es sich bei den Anbietern, die über ihre Plattform Waren und Dienstleistungen vertreiben, um Unternehmer handelt. Ermöglichen Vergleichs- und andere Vermittlungsplattformen Verbrauchern die Suche nach Waren oder Dienstleistungen verschiedener Anbieter, müssen sie die Hauptparameter ihres Rankings und die Gewichtung dieser Parameter offenlegen. Machen Plattformen, Webshops oder andere Unternehmer Verbraucherbewertungen öffentlich zugänglich, müssen sie darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die Bewertungen tatsächlich von Verbrauchern stammen.
Individuelle Rechtsbehelfe: Verbraucher, die durch schuldhafte unlautere geschäftliche Handlungen geschädigt worden sind, erhalten einen Anspruch auf Schadensersatz. Bestimmte grenzüberschreitende Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften in der Europäischen Union stellen in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit dar, um diese Verstöße einheitlicher sanktionieren zu können.
Verbot der Vermarktung wesentlich unterschiedlicher Waren als identisch ("Dual Quality"): Identisch gekennzeichnete und vermarktete Waren können in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Beschaffenheit oder Rezeptur haben. Zukünftig ist vorgesehen, dass die Vermarktung einer Ware als identisch zu einer in anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt bereitgestellten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Merkmale wesentlich unterscheiden.
Kaffeefahrten: Das Gesetz erweitert die Anzeigepflicht der Veranstalter gegenüber der zuständigen Behörde auch bei ins Ausland führenden Kaffeefahrten und verschärft die Informationspflichten bei der Bewerbung solcher Veranstaltungen. Der Vertrieb von Finanzanlagen, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln auf Kaffeefahrten wird verboten und der Bußgeldrahmen von 1.000 Euro auf 10.000 Euro erhöht.
Kennzeichnung kommerzieller Kommunikation: Das Gesetz stellt zudem klar, in welchen Fällen Inhalte als kommerzielle Kommunikation gekennzeichnet werden müssen. Dies hat vor allem Bedeutung für die Frage, wann Influencer oder Blogger von ihnen abgegebene Empfehlungen als Werbung kennzeichnen müssen.
BMJ, Newsletter v. 27.5.2022; NWB
31.05.2022
Dem Bürgerservice der Bundesregierung werden vermehrt unseriöse E-Mails gemeldet. In ihnen fordert die Bundesregierung vermeintlich dazu auf, ausstehende Schulden zu bezahlen. Diese E-Mails stammen nicht von der Bundesregierung und enthalten betrügerische Absichten.
Hierzu führt die Bundesregierung weiter aus:
Derzeit werden vermehrt E-Mails im Namen der Bundesregierung verschickt, die NICHT VON DER BUNDESREGIERUNG STAMMEN und betrügerische Absichten beinhalten. Unserem Bürgerservice wurden mehrere solcher Phishing-Angriffe gemeldet.
Wir bitten Sie – seien Sie wachsam, öffnen Sie keine E-Mails, die Ihnen zweifelhaft erscheinen, klicken Sie auf keine Links und öffnen Sie keine Dateianhänge, die in der Mail enthalten sein könnten.
Woran Sie Phishing-Mails erkennen können
Einige Merkmale, die auf einen Betrugsversuch hindeuten:
eine unpersönliche Anrede: „Sehr geehrte/r Frau/Herr bzw. Kunde“
Der Text der Mail gibt dringenden Handlungsbedarf vor, etwa: „Wenn Sie Ihre Daten nicht umgehend aktualisieren, dann gehen sie unwiederbringlich verloren.“ Oder: „Begleichen Sie Ihre Schulden sofort.“
Drohungen kommen zum Einsatz: „Wenn Sie das nicht tun, müssen wir Ihr Konto leider sperren."
Sie werden aufgefordert, vertrauliche Daten wie die PIN für Ihren Online-Bankzugang oder eine Kreditkartennummer einzugeben.
Die E-Mail enthält Links oder Formulare.
Die Mail scheint von einer bekannten Person oder Organisation zu stammen, jedoch kommt Ihnen das Anliegen des Absenders ungewöhnlich vor.
Mehr Informationen zum Thema finden Sie auf der Webseite des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI). In seinem Newsletter informiert das BSI außerdem regelmäßig zu Verbraucherschutz-Themen. Sie können ihn hier abonnieren.
Auch der Verbraucherschutz klärt zum Thema ausführlich auf. Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite des Netzwerks der Verbraucherzentralen in Deutschland.
Bundesregierung online, Meldung v. 25.5.2022; NWB
30.05.2022
Ein Golfclub, der Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbringt, kann sich nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit nach europäischem Recht berufen. Er kann hinsichtlich der Teilnehmergebühren für Golfturniere auch nicht die deutsche Umsatzsteuerfreiheit beanspruchen, wenn er eine sog. Einrichtung mit Gewinnstreben ist, weil in seiner Satzung nicht geregelt ist, dass das Vereinsvermögen im Fall der Auflösung des Vereins für gemeinnützige Zwecke zu verwenden ist.
Hintergrund: Nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht sind Entgelte für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen, die von gemeinnützigen Vereinen durchgeführt werden, umsatzsteuerfrei. Nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht sind hingegen Entgelte für bestimmte Dienstleistungen, die in einem engen Zusammenhang mit dem Sport stehen, umsatzsteuerfrei, wenn der Sport von einer Einrichtung angeboten wird, die kein Gewinnstreben hat.
Streitfall: Der Kläger ist der nicht gemeinnützige Golfverein Schloss Igling e.V., dessen Mitglieder einen Jahresbeitrag von ca. 1.000 € sowie eine Aufnahmegebühr von einmalig ca. 200 € zahlen. Die Satzung des Vereins enthielt keine Regelung, nach der das Vereinsvermögen im Fall der Auflösung des Vereins für gemeinnützige Zwecke verwendet werden muss. Der Verein erzielte im Jahr 2011 Einnahmen aus der Gebühr für die Platznutzung (sog. Greenfee), Startgelder für die Teilnahme an Turnieren, Gebühren für die Nutzung von Ballautomaten und Caddys sowie aus dem Verkauf eines Golfschlägers, insgesamt ca. 78.000 €. Diese Einnahmen behandelte das Finanzamt als umsatzsteuerpflichtig und verlangte von dem Verein Umsatzsteuer.
Entscheidung: Der BFH verneint eine Umsatzsteuerfreiheit und hat die Klage des Vereins abgewiesen:
Ein Sportverein kann sich nicht unmittelbar auf die Umsatzsteuerfreiheit nach europäischem Recht berufen. Denn danach sind nur „bestimmte“ Leistungen im Sportbereich steuerfrei. Dies bedeutet, dass die endgültige Entscheidung darüber, welche Leistungen umsatzsteuerfrei sind, vom jeweiligen nationalen Gesetzgeber, z.B. vom deutschen Gesetzgeber, getroffen werden müssen; dies verhindert, dass ein Verein sich unmittelbar auf die europäische Umsatzsteuerbefreiung berufen kann.
Auch die deutsche Umsatzsteuerfreiheit steht dem Verein nicht zu. Denn hierfür wäre bei Auslegung der deutschen Regelung unter Berücksichtigung des europäischen Umsatzsteuerrechts erforderlich, dass der Verein eine Einrichtung ohne Gewinnstreben ist. Dies setzt aber eine entsprechende gemeinnützige Satzung voraus, die u.a. regelt, dass im Fall der Auflösung des Vereins das Vereinsvermögen für gemeinnützige Zwecke verwendet wird. Diesen Anforderungen genügte die Satzung des Vereins im Jahr 2011 nicht, sondern erst im Jahr 2016.
Die Regelung für Kleinunternehmer kam für den Verein aufgrund der Höhe seiner Umsätze nicht in Betracht.
Hinweise: Der BFH ändert seine Rechtsprechung, nachdem er im Streitfall den Europäischen Gerichtshof angerufen hatte und dieser eine unmittelbare Berufung auf das europäische Umsatzsteuerrecht abgelehnt hat. Bislang ließ der BFH es zu, dass sich ein deutscher Sportverein unmittelbar auf die Steuerbefreiung nach dem europäischen Recht beruft; dies ist nun nicht mehr möglich.
Handelt es sich bei dem Verein um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben, steht ihm nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht die Umsatzsteuerfreiheit für Teilnehmergebühren für sportliche Veranstaltungen zu. Diese Voraussetzung dürfte beim Kläger für den Zeitraum ab 2016 erfüllt sein, soweit er Golfturniere durchführt und hierfür Teilnahmegebühren vereinnahmt. Für die weiteren streitigen Leistungen wie die Greenfee oder die Miete für die Nutzung des Ballautomaten oder der Caddys gibt es keine Umsatzsteuerfreiheit nach deutschem Recht.
Die Mitgliedsbeiträge wurden vom Finanzamt im Streitfall als nicht umsatzsteuerbar angesehen und sind daher nicht streitig. Der BFH hatte zwar im Beschluss über das Vorabentscheidungsersuchen Zweifel anklingen lassen, äußert sich dazu nun aber nicht mehr.
BFH, Urteil vom 21.4.2022 – V R 48/20 (V R 20/17); NWB
27.05.2022
Angesichts des beständigen Abklingens der Corona-Infektionszahlen besteht kein Anlass, die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung über den 25.5.2022 hinaus zu verlängern. Hierauf hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hingewiesen.
Regionale und betriebliche Infektionsausbrüche sind jedoch auch danach nicht ausgeschlossen. Arbeitgeber bleiben daher aufgefordert, das Infektionsgeschehen weiter zu beobachten und bei Bedarf das betriebliche Hygienekonzept an das Infektionsgeschehen anzupassen.
Das BMAS wird hierzu Empfehlungen in Form von Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) bereitstellen, die den betrieblichen Akteuren Orientierung und Hinweise zur Verhinderung und Eingrenzung betrieblicher Ausbrüche geben. Darin wird vor allem auf solche Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes eingegangen, die sich im Verlauf der Pandemie besonders bewährt haben.
Darüber hinaus beobachtet das BMAS das Infektionsgeschehen auch weiterhin und wird im Falle eines kritischen bundesweiten Wiederanstiegs rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergreifen und bekannt machen.
BMAS online, Meldung v. 20.5.2022; NWB
27.05.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährung veröffentlicht, in dem die Sichtweise der Finanzverwaltung dargestellt wird. Das Schreiben erläutert viele technische Begriffe und geht auf die Zuordnung zu den einzelnen Einkünften ein, wobei auch vereinzelt die bilanzielle Erfassung dargestellt wird.
Hintergrund: Seit geraumer Zeit gibt es virtuelle Währungen wie z.B. Bitcoin, die in der Praxis zwar als Zahlungsmittel akzeptiert werden, aber keine offizielle Währung darstellen.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Das BMF erläutert in einem zehnseitigen Abschnitt die Fachbegriffe wie z.B. Proof of work, Forging, Masternode, Wallets, ICO, UTXO, Lending oder Hard Fork.
Hinweis: Wer diese Begriffe kennt, wird durch das BMF-Schreiben nichts Neues lernen. Wer diese Begriffe noch nicht kennt, wird vermutlich auch nach der Lektüre des BMF-Schreibens nicht schlauer sein.
Für Bilanzierer gelten nach dem BMF-Schreiben die folgenden Grundsätze:
Die einzelnen Einheiten virtueller Währungen und die sonstigen Token sind nicht abnutzbare materielle Wirtschaftsgüter, die mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten sind.
Die Anschaffungskosten ergeben sich aus dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung. Hierzu kann auf den Börsenpreis digitaler Börsen oder auf den Marktpreis, wie er sich von Handelsplattformen oder aus Internetlisten ergibt, zurückgegriffen werden. Falls die Ermittlung der individuellen Anschaffungskosten nicht möglich ist, darf eine Bewertung mit den durchschnittlichen Anschaffungskosten erfolgen.
Die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen hängt davon ab, ob die Kryptowährung dauerhaft dem Betrieb zu dienen bestimmt ist (dann Anlagevermögen) oder aber wieder verkauft werden soll (dann Umlaufvermögen). Dementsprechend ist die Kryptowährung in der Bilanz als Finanzanlage (Anlagevermögen) oder als sonstiger Vermögensgegenstand (Umlaufvermögen) auszuweisen.
Hinweis: Ausführungen zu einer möglichen Teilwertabschreibung enthält das BMF-Schreiben nicht. Die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung hängt nach dem Gesetz davon ab, dass der Wert voraussichtlich dauernd gemindert ist.
Durch die Veräußerung, Verwendung oder sog. Blockerstellung können steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden.
Gehört die Kryptowährung zum Betriebsvermögen, wird jede Betriebsvermögensmehrung als Gewinneinkünfte besteuert; zu gewerblichen Einkünften kommt es auch, wenn der Steuerpflichtige ausschließlich im Bereich der Kryptowährung nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird.
Bei einer Einnahmen-Überschussrechnung werden die Anschaffungskosten für die Kryptowährung erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses als Betriebsausgaben berücksichtigt.
Gehört die Kryptowährung zum Privatvermögen, kann die Veräußerung der Kryptowährung zu einem Spekulationsgewinn führen. Dabei gilt eine Spekulationsfrist von einem Jahr. Ein Spekulationsgewinn bleibt steuerfrei, wenn der Gesamtgewinn aus allen Spekulationsgeschäften dieses Jahres weniger als 600 € beträgt.
Hinweis: Nach jedem Tausch beginnt eine neue einjährige Spekulationsfrist.
Das aktuelle BMF-Schreiben gilt für alle offenen Fälle.
Hinweis: Das BMF-Schreiben bindet nur die Finanzverwaltung, nicht aber die Finanzgerichte. Das BMF-Schreiben betrifft im Übrigen auch nur die ertragsteuerliche Behandlung, nicht aber die umsatzsteuerliche Behandlung von Kryptowährungen.
BMF-Schreiben v. 10.5.2022 – IV C 1 – S 2256/19/10003 :001; NWB
28.02.2022
Der Koalitionsausschuss hat sich am 23.2.2022 vor dem Hintergrund der stark steigenden Preise für Energie auf zehn Entlastungsschritte verständigt, die nun auf den Weg gebracht werden sollen.
Folgende Maßnahmen sind geplant:
Wegfall der EEG-Umlage: Angesichts der gestiegenen Strompreise für Verbraucher und die Wirtschaft soll die EEG-Umlage bereits zum 1.7.2022 entfallen. Die Koalition verbindet damit die Erwartung, dass die Stromanbieter die sich daraus ergebende Entlastung der Endverbraucher in Höhe von 3,723 ct/kWh in vollem Umfang weitergeben. Die Übertragungsnetzbetreiber sollen verpflichtet werden, die EEG-Umlage angesichts veränderter Rahmenbedingungen unterjährig neu zu berechnen. Die Ausnahmen, die an die EEG-Umlage gekoppelt sind, sollen ebenso wie die Ausnahmen von den Energiesteuern sowie Kompensationsregeln mit Wirkung zum 1.1.2023 überprüft und angepasst werden.
Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrages: Um Arbeitnehmer zu unterstützen, soll der Arbeitnehmerpauschbetrag bei der Einkommensteuer um 200 € auf 1.200 € erhöht werden, rückwirkend ab dem 1.1.2022.
Erhöhung des Grundfreibetrages: Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer soll von derzeit 9.984 € um 363 € auf 10.347 € angehoben werden, rückwirkend ab dem 1.1.2022.
Erhöhung der Fernpendlerpauschale: Die eigentlich am 1.1.2024 anstehende Erhöhung der Pauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) sowie der Mobilitätsprämie soll vorgezogen werden. Sie soll damit rückwirkend ab dem 1.1.2022 38 ct betragen. Die Bundesregierung strebt noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Pendlerpauschale an, die ökologisch-soziale Belange der Mobilität besser berücksichtigt.
Einführung eines Coronazuschusses: Erwachsende Beziehende von existenzsichernden Leistungen sollen mit einer Einmalzahlung in Höhe von 100 € unterstützt werden. Davon sollen insbesondere diejenigen profitieren, die Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung erhalten.
Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder: Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder soll zum 1.7.2022 auf den Weg gebracht werden. Er soll in Höhe von 20 € pro Monat bis zur Einführung der Kindergrundsicherung denjenigen Kindern helfen, die besondere finanzielle Unterstützung brauchen.
Erhöhung des Mindestlohns: Die am 23.2.2022 vom Bundeskabinett beschlossene Anhebung des Mindestlohns auf 12 € brutto ab dem 1.10.2022 soll zügig vom Bundestag beschlossen werden.
Umsetzung der Maßnahmen des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes: Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Vierte Corona-Steuerhilfegesetz soll zügig vom Bundestag beschlossen werden. Dort sind im Wesentlichen folgende Maßnahmen vorgesehen:
Erweiterte Verlustverrechnung (Betriebsverluste der Jahre 2022 und 2023 können bis 10 Millionen € auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Jahre zurückgetragen und mit den entsprechenden Gewinnen verrechnet werden),
Verlängerung degressive Abschreibung um ein Jahr (auch in 2022 getätigte Investitionen sollen degressiv abgeschrieben werden können),
Verlängerung Home-Office-Pauschale von jährlich maximal 600 € um ein Jahr,
Steuerbefreiung Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (freiwillige Aufstockungen des Arbeitsgebers sollen bis zum 30.06.2022 steuerfrei sein),
Steuerfreiheit für den Corona-Pflegebonus (auch für 2022 soll es einen neuen einmaligen Steuerfreibetrag für Beschäftige in Pflegebereichen von max. 3.000 € geben) und
Verlängerung Abgabe der Steuererklärungen für 2020, 2021 und 2022 (die Abgabefrist für die Steuererklärungen des Jahres 2020 durch Steuerberater soll bis zum 31.8.2022 verlängert werden. Zugunsten aller Steuerpflichtigen wird auch die Abgabefrist für die Steuererklärungen der Jahre 2021 und 2022 verlängert.)
Verlängerung des Kurzarbeitergeldes: Die zum 31.3.2022 auslaufenden Sonderreglungen beim Kurzarbeitergeld sollen mit gewissen Einschränkungen erneut verlängert werden und zwar bis zum 30.6.2022:
Die Voraussetzungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld sollen herabgesetzt bleiben.
Auf den Aufbau von Minusstunden soll verzichtet werden.
Einkommen aus während der Kurzarbeit aufgenommenen Minijobs soll nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet werden.
Ab dem vierten beziehungsweise siebten Bezugsmonat sollen erhöhte Leistungssätze gelten.
Die Sozialversicherungsbeiträge sollen den Arbeitgebern nach dem 31.3.2022 zur Hälfte erstattet werden, wenn die Kurzarbeit mit Qualifizierung verbunden wird (keine vollständige Erstattung mehr).
Leiharbeiter sollen über den 31.3.2022 hinaus kein Kurzarbeitergeld mehr erhalten.
Heizkostenzuschuss: Der von der Bundesregierung beschlossene einmalige Heizkostenzuschuss für Wohngeldbeziehende, Studierende, Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende mit unterstützenden Leistungen soll zügig vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Vor dem Hintergrund stark gestiegener Energiepreise sollen Empfänger von Wohngeld 135 € (und Wohngeld-Haushalte mit zwei Personen 175 € sowie pro weiterem Familienmitglied 35 €) erhalten, Azubis und Studierende im Bafög-Bezug 115 € pro Person. Der Heizkostenzuschuss soll im Sommer gezahlt werden, wenn in der Regel die Heizkosten- oder Nebenkostenabrechnungen anstehen.
Bundesfinanzministerium, Pressemitteilung v. 24.2.2022 sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz online, NWB
25.02.2022
Die Kosten einer Religionslehrerin für eine einwöchige Rundreise durch Israel sind nicht als Werbungskosten absetzbar, wenn nahezu ausschließlich Orte besucht werden, die von allgemein-touristischem Interesse sind. Es genügt in diesem Fall nicht, dass an der Rundreise nur Religionslehrer teilgenommen haben.
Hintergrund: Beruflich veranlasste Aufwendungen sind als Werbungskosten abziehbar. Eine nur untergeordnete private Mitveranlassung ist unschädlich. Anders ist dies aber bei gemischt veranlassten Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch privat veranlasst sind. Hier kann allenfalls ein anteiliger Abzug der Aufwendungen in Betracht kommen, wenn sich die private und berufliche Veranlassung voneinander trennen lassen.
Sachverhalt: Die Klägerin war im Streitjahr 2019 Religionslehrerin an einem katholischen Gymnasium, dessen Träger das Bistum war. Sie nahm an einer vom Bistum organisierten Studienfahrt nach Israel teil, an der ausschließlich Religionslehrer teilnahmen. Das einwöchige Programm umfasste den Besuch der Hirtenfelder bei Bet Sahr, den Besuch Jerusalems, des Toten Meeres, der Gedenkstätte Yad Vashem, des Sees Genezareth sowie von Haifa und Nazareth. Außerdem gehörte zum Programm die Teilnahme an insgesamt vier Gottesdiensten. Die Klägerin machte ihre Aufwendungen in Höhe von ca. 1.700 € als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte die Werbungskosten nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Reise war sowohl beruflich als auch privat veranlasst. Die berufliche Veranlassung ergab sich aus dem Programm und dem Konzept der Reise sowie aus dem von der Klägerin geführten Reisetagebuch. Die private Veranlassung folgte ebenfalls aus dem Programm, das nahezu ausschließlich Ziele enthielt, die von allgemein-touristischem und kulturellem Interesse waren. Auch der Besuch von vier Gottesdiensten ist privat veranlasst, da er der Religionsausübung dient.
Der Arbeitgeber der Klägerin hat sich weder an den Kosten beteiligt, noch fand die Reise während der Schulzeit statt, sondern in den Herbstferien. Dies zeigt, dass die private Mitveranlassung nicht von untergeordneter Bedeutung war. Es ist daher unbeachtlich, dass ausschließlich Religionslehrer an der Reise teilgenommen haben.
Die berufliche Mitveranlassung lässt sich nicht von der privaten Mitveranlassung trennen, so dass die Aufwendungen auch nicht anteilig als Werbungskosten abziehbar sind.
Hinweis: Ein teilweiser Abzug der Kosten war nicht möglich, weil sich private und berufliche Veranlassung nicht voneinander trennen ließen. Anders wäre dies, wenn sich an einen rein beruflich veranlassten Reiseteil (z.B. Besuch einer Fachmesse) noch ein Badeurlaub anschließt. In diesem Fall kann der auf den Besuch der Fachmesse entfallende Teil der Reisekosten steuerlich abgesetzt werden.
FG Münster, Urteil v. 27.1.2022 - 1 K 224/21 E; NWB
24.02.2022
Die Bundesregierung hat am 23.2.2022 den Entwurf eines Mindestlohnerhöhungsgesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Mindestlohn zum 1.10.2022 auf 12 € angehoben wird. Zudem soll die Entgeltgrenze für Minijobs auf 520 € erhöht werden.
Darüber hinaus sind folgende Regelungen vorgesehen:
Zukünftige Anpassungen des Mindestlohns sollen weiterhin auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission erfolgen, erstmals wieder bis zum 30.6.2023 mit Wirkung zum 1.1.2024.
Als Folgeänderung zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns enthält der Entwurf eine Anpassung der Schwellenwerte der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung, die Ausnahmen von den Dokumentationspflichten der §§ 16, 17 Mindestlohngesetz vorsieht.
Zugleich sollen Maßnahmen getroffen werden, die die Aufnahme einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung fördern und verhindern helfen, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht werden.
Dazu wird die Möglichkeit eines zulässigen unvorhersehbaren Überschreitens der Entgeltgrenze für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung gesetzlich geregelt
Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich soll von monatlich 1.300 € auf 1.600 € angehoben werden. Außerdem sollen die Beschäftigten innerhalb des Übergangsbereichs stärker entlastet werden. Der Belastungssprung beim Übergang aus einer geringfügigen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung soll geglättet werden. Ziel ist es, Anreize zu geben, über einen Minijob hinaus erwerbstätig zu sein. Der Arbeitgeberbeitrag soll oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 % angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen werden.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Pressemitteilung vom 23.2.2022; NWB
23.02.2022
Die obersten Finanzbehörden der Bundesländer gewähren aufgrund der Corona-Krise Unternehmern, die Betriebsvermögen ganz oder teilweise erbschaftsteuerfrei geerbt oder im Wege der Schenkung erhalten haben, eine erbschaftsteuerliche Erleichterung. Soweit der Unternehmer für die Erbschaftsteuerfreiheit die sog. Mindestlohnsumme einhalten muss und ihm dies aufgrund der Corona-Krise nicht möglich war, führt dies nicht zum teilweisen oder vollständigen Wegfall der Erbschaftsteuerfreiheit.
Hintergrund: Betriebsvermögen kann nach aktuellem Recht weitgehend erbschaftsteuerfrei vererbt oder verschenkt werden. Voraussetzung ist u.a., dass der Erbe bzw. Beschenkte das Unternehmen fünf Jahre lang fortführt und in den nächsten fünf Jahren die bisherige Lohnsumme durchschnittlich zu 80 % jährlich (d. h. zu 400 % in fünf Jahren) aufwendet; diesen Betrag bezeichnet man als Mindestlohnsumme. Wird die Mindestlohnsumme nicht erreicht, fällt die Steuerbefreiung im Umfang des Unterschreitens der Mindestlohnsumme anteilig weg.
Schreiben der obersten Finanzbehörden der Länder: Die obersten Finanzbehörden der Länder sehen den Wegfall der Steuerbefreiung als unbillig an, wenn das Unterschreiten der Mindestlohnsumme coronabedingt ist.
Im Einzelnen gelten folgende Voraussetzungen für die Unbilligkeit:
Die Unterschreitung der Mindestlohnsumme ist ausschließlich auf die Corona-Krise zurückzuführen. Hierzu sind die drei folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:
Im Zeitraum 1.3.2020 bis 30.6.2022 wurde die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme unterschritten.
Im Zeitraum 1.3.2020 bis 30.6.2022 wurde Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt.
Hinweis: Auch ohne Zahlung von Kurzarbeitergeld kann im Einzelfall gleichwohl eine Unbilligkeit des Wegfalls der Steuerbefreiung angenommen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn bereits vor der Zahlung von Kurzarbeitergeld einzelne Arbeitsverträge beendet wurden, z. B. in der Gastronomie.
Der Betrieb gehört zu einer Branche, die von einer verordneten Schließung aufgrund der Corona-Krise betroffen war.
Hinweis: Auch mittelbare Schließungen können im Einzelfall für eine Unbilligkeit sprechen. Dies ist z. B. der Fall, wenn es sich bei dem Betrieb um eine Textilreinigung für Hotelwäsche, ein Beförderungsunternehmen oder um eine Brauerei handelt.
Andere Gründe für die Unterschreitung der Mindestlohnsumme dürfen nicht vorliegen. Betriebsbedingte Kündigungen wären also außerhalb der o.g. Ausnahme grundsätzlich schädlich.
Hinweise: Sind die Voraussetzungen erfüllt, kommt eine sog. Billigkeitsfestsetzung oder ein Erlass der Erbschaftsteuer in Betracht. Ist die für den Erhalt der Mindestlohnsumme erforderliche durchschnittliche Lohnsumme jedoch schon vor dem Beginn der Corona-Krise unterschritten worden, rechtfertigt dies weder eine Billigkeitsfestsetzung noch einen Erlass.
Soweit die Vererbung oder Schenkung des Betriebsvermögens steuerpflichtig war, kann die Erbschaftsteuer nach dem Gesetz gestundet werden. Diese Stundung endet zwar, wenn die Mindestlohnsumme nicht erreicht wird; auch insoweit kommt nach dem aktuellen Schreiben der obersten Finanzbehörden eine Weitergewährung der Stundung in Betracht, wenn die Unterschreitung der Mindestlohnsumme coronabedingt war.
Oberste Finanzbehörden der Länder v. 30.12.2021 - S 3812a; NWB
22.02.2022
Am 18.2.2022 hat der Bundestag den Gesetzentwurf zum Kurzarbeitergeld (BT-Drucks. 20/688) in einer vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (BT-Drucks. 20/734) in 2./3. Lesung beschlossen. Danach werden die Sonderregeln für die Kurzarbeit bis zum 30.6.2022 verlängert.
Hierzu führt die Bundesregierung u.a. weiter aus:
Da die aktuelle Kurzarbeitergeld-Verordnung am 31.3.2022 ausläuft, hat der Bundestag dem Beschluss des Kabinetts (s. hierzu unsere Nachricht v. 14.2.2022) zugestimmt, dass im Anschluss folgende Regelungen bis zum 30.6.2022 weiter gelten sollen:
Die Voraussetzungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld bleiben herabgesetzt.
Auf den Aufbau von Minusstunden wird verzichtet.
Einkommen aus während der Kurzarbeit aufgenommenen Minijobs wird nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet.
Ab dem vierten beziehungsweise siebten Bezugsmonat gelten erhöhte Leistungssätze.
Mit dem Gesetz wird die maximale Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld auf 28 Monate verlängert, aktuell beträgt sie 24 Monate. Die Sozialversicherungsbeiträge werden den Arbeitgebern nach dem 31.3.2022 weiter zur Hälfte erstattet, wenn die Kurzarbeit mit Qualifizierung verbunden wird. Leiharbeitnehmer sollen künftig kein Kurzarbeitergeld mehr erhalten.
Hinweise: Neben den Regelungen zum Kurzarbeitergeld werden auch die Akuthilfen für pflegende Angehörige sowie einige Regelungen zur Pflegezeit und Familienpflegezeit bis zum 30.6.2022 verlängert.
Das Bundesarbeitsministerium informiert über die aktuell geltenden Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld. Häufige Fragen beantwortet die Bundesagentur für Arbeit.
Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates.
Bundesregierung online, Meldung v. 18.2.2022; NWB
21.02.2022
Die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung kann auch dadurch begründet werden, dass dieselbe Person bzw. Personengruppe sowohl an der Besitz-Personengesellschaft als auch an der Betriebs-Personengesellschaft jeweils über eine Kapitalgesellschaft mehrheitlich beteiligt ist. Die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft aufseiten der Besitz-Personengesellschaft begründet ebenso wie eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft aufseiten der Betriebs-Personengesellschaft kein Durchgriffsverbot; der Bundesfinanzhof (BFH) ändert insoweit seine Rechtsprechung.
Hintergrund: Von einer Betriebsaufspaltung spricht man, wenn ein Besitzunternehmen und ein Betriebsunternehmen personell und sachlich miteinander verflochten sind. Die sachliche Verflechtung erfolgt typischerweise durch die Vermietung eines Grundstücks durch das Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen. Die personelle Verflechtung ist zu bejahen, wenn dieselbe Person oder Personengruppe ihren Willen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen durchsetzen kann. Eine Betriebsaufspaltung führt dazu, dass das vermietende Besitzunternehmen gewerbliche Einkünfte erzielt und damit gewerbesteuerpflichtig ist. Außerdem kann das Besitzunternehmen bei der Gewerbesteuer keine erweiterte Kürzung mehr beantragen, da diese nur vermögensverwaltenden Gesellschaften offensteht.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, an der der A mit 50,7 %, weitere Kommanditisten (B, C, D und Y) mit 49,3 % und die BV-GmbH als Komplementärin mit 0 % beteiligt waren. Alleiniger Gesellschafter der BV-GmbH war der A. Die Klägerin verpachtete ein Grundstück an die M-KG. An der M-KG war die H-GmbH als alleinige Kommanditistin beteiligt; der A war mit 90 % an der H-GmbH beteiligt. Komplementärin der M-KG war die V-GmbH, deren Alleingesellschafterin wiederum die H-GmbH war. Die Klägerin war aufgrund ihrer sog. gewerblichen Prägung gewerbesteuerpflichtig und machte für ihren Gewinn die erweiterte Kürzung geltend. Das Finanzamt erkannte diese nicht an, weil es von einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der M-KG ausging, bei der durch A eine personelle Verflechtung begründet worden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer war zu verneinen, da die Klägerin aufgrund einer Betriebsaufspaltung originär gewerblich tätig war und deshalb keine vermögensverwaltende Personengesellschaft war, die nur aufgrund ihrer gewerblichen Prägung gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre.
Die sachliche Verflechtung ergab sich aus der Vermietung des Geschäftsgrundstücks durch die Klägerin an die M-KG.
Die personelle Verflechtung lag ebenfalls vor, da der A seinen Willen bei der Klägerin als Besitzunternehmerin sowie bei der M-KG als Betriebsgesellschaft durchsetzen konnte. Unbeachtlich ist, dass der A auf die Klägerin teilweise nur über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft, nämlich über die BV-GmbH, zugreifen konnte. Denn auch dies ermöglichte ihm eine Beherrschung der Klägerin, da er Alleingesellschafter der BV-GmbH war und alle wesentlichen Gesellschafterbeschlüsse, für die nach der Satzung der BV-GmbH eine Mehrheit von 75 % der Stimmen erforderlich war, treffen konnte.
Auch auf die M-KG konnte A zwar nur über die V-GmbH und über die H-GmbH zugreifen. Dies genügte aber, weil er 90 % an der H-GmbH hielt, die ihrerseits alleinige Kommanditistin der M-KG sowie Alleingesellschafterin der Komplementärin (V-GmbH) war.
Hinweise: Der BFH ändert seine Rechtsprechung, indem er nun auch bei einer Besitz-Personengesellschaft eine Beherrschung über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft für möglich hält. Bisher hatte er dies abgelehnt und nur aufseiten einer Betriebs-Personengesellschaft eine Beherrschung über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft für denkbar gehalten. Der BFH erkennt jetzt aber, dass es keine sachlichen Gründe für eine Unterscheidung zwischen einer Beherrschung einer Besitz-Personengesellschaft über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft und der Beherrschung einer Betriebs-Personengesellschaft über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft gibt.
BFH, Urteil v. 16.9.2021 - IV R 7/18; NWB
18.02.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) sieht die Ausstellung digitaler Corona-Impfzertifikate durch Ärzte nicht als gewerbliche Tätigkeit, sondern als freiberufliche Tätigkeit an. Bei ärztlichen Gemeinschaftspraxen kommt es daher durch die Ausstellung digitaler Corona-Impfzertifikate nicht zu einer sog. Infektion der ansonsten freiberuflichen Tätigkeit; die Gemeinschaftspraxis wird also nicht gewerbesteuerpflichtig.
Hintergrund: Erzielt eine freiberuflich tätige Personengesellschaft auch gewerbliche Einkünfte, kann es bei Überschreitung einer Bagatellgrenze zu einer sog. Infektion kommen, so dass die gesamten Einkünfte als gewerblich angesehen werden. Dies führt dann zur Gewerbesteuerpflicht. Derartige Risiken bestehen z.B. bei einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis, die Zahnpflegemittel verkauft, oder bei einer Musikband, die Merchandising-Artikel wie etwa T-Shirts oder Tassen verkauft.
Wesentliche Aussage des BMF: Das BMF nimmt in einem Fragen-Antwort-Katalog zu Einzelfragen bezüglich der steuerlichen Folgen der Corona-Krise Stellung, u.a. auch zur Ausstellung digitaler Impfzertifikate durch ärztliche Gemeinschaftspraxen:
Die Ausstellung eines digitalen Impfzertifikats durch einen Arzt stellt keine gewerbliche Tätigkeit dar. Vielmehr handelt es sich um eine freiberufliche Tätigkeit, da sie eng mit der Impfung, einer originären ärztlichen Tätigkeit, verbunden ist.
Dies gilt auch dann, wenn die Impfung nicht vom Arzt selbst ausgeführt worden ist, sondern von einem anderen Arzt oder einem Impfzentrum.
Hinweise: Würde die Ausstellung digitaler Impfzertifikate zu gewerblichen Einkünften führen, müssten ärztliche Gemeinschaftspraxen diese Tätigkeit durch eine gesonderte Gesellschaft ausführen, um eine sog. Infektion ihrer freiberuflichen Einkünfte zu vermeiden. Es wäre dann nur der Gewinn, der von der gesonderten Gesellschaft durch Ausstellung der Impfzertifikate erzielt worden ist, gewerbesteuerpflichtig.
Bei freiberuflich tätigen Einzelunternehmern gibt es nach dem Gesetz keine Infektion ihrer freiberuflichen Einkünfte, wenn sie zusätzlich auch gewerbliche Einkünfte erzielen und die freiberufliche Tätigkeit von der gewerblichen Tätigkeit trennen.
Zu erwähnen ist noch eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., nach der auch die Durchführung von Corona-Tests durch Ärzte nicht zu gewerblichen Einkünften führt, auch wenn sich der Arzt der Mithilfe von Arzthelferinnen bedient, sofern der Arzt leitend und eigenverantwortlich tätig ist. Damit droht auch insoweit keine „Infektion“ der freiberuflichen Einkünfte und Gewerbesteuerpflicht.
BMF, FAQ "Corona" Steuern, Stand 31.1.2022; OFD Frankfurt a.M. v, 26.10.2021 - S 2245 A - 018 - St 214; NWB
17.02.2022
Der Bund und die Länder haben sich am 16.2.2022 darauf verständigt, die Corona-Wirtschaftshilfen als Absicherungsinstrument bis Ende Juni 2022 zu verlängern.
Danach werden die Programmbedingungen der Überbrückungshilfe IV fortgesetzt. Die ergänzenden Programme der Neustarthilfe für Soloselbständige und Härtefallhilfen werden parallel zur Überbrückungshilfe IV verlängert. Bund und Länder haben sich zudem dazu bekannt, dass sie alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den kriminellen Missbrauch der Wirtschaftshilfen zu verhindern, damit sichergestellt ist, dass die Hilfen dort ankommen, wo sie benötigt werden.
Die Förderbedingungen im Einzelnen:
Die verlängerte Überbrückungshilfe IV wird unverändert fortgesetzt bis Ende Juni 2022.
Grundlegende Antragsvoraussetzung ist weiterhin ein Corona-bedingter Umsatzrückgang von 30 Prozent im Vergleich zum Referenzzeitraum 2019. Der maximale Fördersatz der förderfähigen Fixkosten beträgt 90 Prozent bei einem Umsatzrückgang von über 70 Prozent. Auch die umfassenden förderfähigen Fixkosten bleiben unverändert. So können weiterhin die Kosten für Miete, Pacht, Zinsaufwendungen für Kredite, Ausgaben für Instandhaltung, Versicherungen usw. geltend gemacht werden.
Für Soloselbständige steht auch weiterhin die Neustarthilfe zur Verfügung. Je nach Höhe des coronabedingten Umsatzausfalls stehen über die „Neustarthilfe 2022 Zweites Quartal“ bis zu 1.500 € pro Monat zur Verfügung, also bis zu 4.500 € für den verlängerten Förderzeitraum April bis Juni 2022.
Die „Neustarthilfe 2022 Zweites Quartal“ richtet sich weiterhin an die Betroffenen, die coronabedingte Umsatzeinbußen verzeichnen, aber aufgrund geringer Fixkosten kaum von der Überbrückungshilfe IV profitieren. Wie bisher können neben Soloselbstständigen (mit oder ohne Personengesellschaften) auch kurz befristet Beschäftigte in den Darstellenden Künsten, unständig Beschäftigte aller Branchen sowie Kapitalgesellschaften und Genossenschaften antragsberechtigt sein. Auch die „Neustarthilfe 2022 Zweites Quartal“ wird als Vorschuss ausgezahlt und muss je nach Umsatzentwicklung im Förderzeitraum anteilig zurückgezahlt werden. Sie wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet.
Hinweis: Die FAQ zur Überbrückungshilfe IV und "Neustarthilfe 2022" werden nach Angaben des Bundesfinanzministeriums zeitnah überarbeitet. Nach Anpassung des Programms kann die Antragstellung über die bekannte Plattform ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de erfolgen.
Bundesfinanzministerium, Pressemitteilung v. 16.2.2022; NWB
16.02.2022
Die Bundesregierung hat am 16.2.2022 den Entwurf eines Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes beschlossen. Mit gezielten steuerlichen Erleichterungen will die Bundesregierung Unternehmen sowie Bürger unterstützen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Corona-Pandemie so gut wie möglich abzumildern.
Folgende steuerliche Maßnahmen sind vorgesehen:
Corona-Bonus für Pflegekräfte: Vom Arbeitgeber an in bestimmten Einrichtungen - insbesondere Krankenhäusern - tätige Arbeitnehmer gewährte Prämien zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise werden bis zu einem Betrag von 3.000 € steuerfrei gestellt und auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II nicht angerechnet.
Die Steuerfreiheit von Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld wird um sechs Monate bis Ende Juni 2022 verlängert.
Die bestehende Regelung zur Homeoffice-Pauschale wird um ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.
Zur schnellen Refinanzierung schafft die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens unternehmerische Vorteile und Investitionsanreize. Diese Möglichkeit wird um ein Jahr verlängert für Wirtschaftsgüter, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt werden.
Die erweiterte Verlustverrechnung wird bis Ende 2023 verlängert: Für 2022 und 2023 wird der Höchstbetrag beim Verlustrücktrag auf 10 Mio. € bzw. auf 20 Mio. € bei Zusammenveranlagung angehoben. Der Verlustrücktrag wird darüber hinaus ab 2022 dauerhaft auf zwei Jahre ausgeweitet und erfolgt in die unmittelbar vorangegangenen beiden Jahre.
Steuerpflichtigen, die in 2022 investieren wollen, aber wegen der Corona-Pandemie nicht investieren können, wird die Möglichkeit gewährt, Investitionen in 2023 nachzuholen, da die Investitionsfristen für steuerliche Investitionsabzugsbeträge um ein weiteres Jahr verlängert werden.
Um die Liquidität von Unternehmen zu erhalten, werden die steuerlichen Investitionsfristen für Reinvestitionen um ein weiteres Jahr verlängert.
Die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen 2020 in beratenen Fällen wird um weitere drei Monate verlängert. Hieran anknüpfend werden auch die Erklärungsfristen für 2021 und 2022 – auch für nicht beratene Steuerpflichtige – verlängert.
Zudem wird der Registerbezug beim Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt zur Umsetzung einer Vereinbarung mit der Europäischen Kommission vom Inland auf EU/EWR-Staaten erweitert.
Hinweis: Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.
BMF, Pressemittelung v. 16.2.2022; NWB
15.02.2022
Zurzeit werden Betrugs-Mails im Namen des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) verschickt. Über die E-Mail-Adresse "zezag.su@sealingz.com" versuchen Betrüger, an Informationen von Steuerzahlern zu gelangen.
Hierzu führt das BZSt weiter aus:
Die Betrüger versenden E-Mails mit dem Titel "Erneute Mitteilung der IdNr" über die o. g. E-Mail-Adresse und behaupten, dass die betroffenen Bürger aufgrund einer Modernisierungsmaßnahme eine neue steuerliche Identifikationsnummer im Anhang der E-Mail erhalten.
Das BZSt warnt ausdrücklich davor, auf diese Betrugs-E-Mail zu reagieren bzw. den Link oder die Datei in der E-Mail zu öffnen.
Betrugs-E-Mails erkennen Sie unter anderem an folgenden Kriterien:
Steuerbescheide, Zahlungsaufforderungen und Mitteilung der steuerlichen Identifikationsnummer werden vom BZSt nur per Brief zugestellt, niemals per E-Mail. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Sie einer Kontaktaufnahme per E-Mail ausdrücklich zugestimmt haben.
Zahlungen sind ausnahmslos per Überweisung auf ein inländisches Konto der Bundeskasse zu leisten.
Die Fälschungen sind oftmals in schlechtem Deutsch mit Rechtschreibfehlern verfasst. Häufig werden Fachbegriffe falsch verwendet.
Echte Bescheide tragen immer den Namen und die Telefonnummer der/des verantwortlichen Bearbeiterin / Bearbeiters.
Das BZSt wird Sie niemals bitten für die Zahlung einer vermeintlichen Steuerschuld einem übersandten Link zu folgen und dort ein Formular auszufüllen.
Da das BZSt ein starkes Interesse daran hat, dass niemand durch solche betrügerischen Fälschungen geschädigt wird, bitten wir Sie bei dem geringsten Verdacht Kontakt mit dem BZSt aufzunehmen. Helfen Sie mit, solche Fälschungen aufzudecken und senden Sie verdächtige E-Mails und ggf. weitere Informationen mit Ihren Kontaktdaten an das BZSt. Sie erhalten eine Rückmeldung, wie Sie sich am besten verhalten sollen.
Telefon: +49 (0)228 406 - 0
Fax: +49 (0)228 406 - 2661
E-Mail: poststelle@bzst.bund.de
De-Mail: poststelle@bzst.de-mail.de
Postanschrift: Bundeszentralamt für Steuern, 53221 Bonn
BZSt online, Meldung v. 9.2.2022; NWB
15.02.2022
Hat ein Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern beendet, besteht kein Anspruch auf Kindergeld. Handelt es sich um eine nur vorübergehende Erkrankung und ist das Kind nachweislich weiter ausbildungswillig, kann es als ausbildungsplatzsuchendes Kind berücksichtigt werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil klargestellt.
Hintergrund: Für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommt ein Kindergeldanspruch u.a. dann in Betracht, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden, sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemühen oder sich wegen einer Behinderung nicht selbst unterhalten können.
Sachverhalt: Die Klägerin ist die Mutter einer im Februar 1994 geborenen Tochter, die im Februar 2016 eine zweijährige schulische Ausbildung begann. Die Familienkasse gewährte daher zunächst Kindergeld. Im Herbst 2017 erfuhr die Familienkasse, dass die Tochter bereits im März 2017 von der Schule abgegangen war und ab September eine Vollzeitbeschäftigung aufgenommen hatte. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung daher ab April 2017 auf.
Die Klägerin legte verschiedene Atteste vor, mit denen sie nachzuweisen versuchte, dass ihre Tochter nur aufgrund einer Erkrankung die Schule nicht mehr weiter habe besuchen können. Der Familienkasse genügte dies nicht. Sie forderte eine alle sechs Monate zu erneuernde ärztliche Bescheinigung, aus der sich die Erkrankung und deren voraussichtliches Ende ergeben. Außerdem ging sie davon aus, dass die Tochter schon im April 2017 gegenüber der Familienkasse hätte erklären müssen, dass sie sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt um eine Berufs- oder Schulausbildung bewerben werde. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage für die Monate April bis September 2017 statt und ging dabei davon aus, dass sich die Tochter weiter in Ausbildung befunden habe.
Entscheidung: Dagegen hielt der BFH die Revision der Familienkasse für begründet:
Eine Berücksichtigung eines in Ausbildung befindlichen Kindes beim Kindergeld setzt voraus, dass das Ausbildungsverhältnis weiter besteht. Hieran fehlt es, wenn das Kind, wie im Streitfall, während der Ausbildung erkrankt und das Ausbildungsverhältnis durch Abmeldung von der Schule, Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wird.
In einem solchen Fall kommt eine Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind in Betracht. Das setzt allerdings voraus, dass es sich um eine vorübergehende, d.h. ihrer Art nach voraussichtlich nicht länger als sechs Monate dauernde Krankheit handelt. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass das Kind trotz vorübergehender Ausbildungsunfähigkeit weiterhin ausbildungswillig ist.
Bei einer voraussichtlich länger als sechs Monate andauernden Erkrankung kommt eine Berücksichtigung als behindertes Kind in Betracht. Daher muss das Finanzgericht der ersten Instanz nun nähere Feststellungen dazu zu treffen, ob die Tochter als ausbildungsplatzsuchendes oder behindertes Kind berücksichtigt werden kann.
BFH, Pressemitteilung vom 10.2.2022 zum Urteil vom 21.8.2021 - III R 41/19; NWB
14.02.2022
Die Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld sollen erneut verlängert werden. Nach Angaben der Bundesregierung sollen die Zugangsvoraussetzungen bis zum 30.6.2022 herabgesetzt bleiben.
Hierzu führt die Bundesregierung u.a. weiter aus:
Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass es weiterhin zu pandemiebedingten Einschränkungen kommt, die sich etwa auf die Veranstaltungs- und Kreativwirtschaft oder das Gastgewerbe auswirken.
Das Bundeskabinett hat daher am einen Verordnungsentwurf auf den Weg gebracht, mit dem folgende Regelungen bis zum weiter gelten sollen:
Die Voraussetzungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld bleiben herabgesetzt.
Auf den Aufbau von Minusstunden wird verzichtet.
Einkommen aus während der Kurzarbeit aufgenommenen Minijobs wird nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet.
Ab dem vierten beziehungsweise siebten Bezugsmonat gelten erhöhte Leistungssätze.
Zudem soll die maximale Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld auf 28 Monate verlängert werden. Sie beträgt aktuell 24 Monate.
Hinweis: Der Entwurf sieht neben den Regelungen zum Kurzarbeitergeld vor, auch die Akuthilfen für pflegende Angehörige sowie einige Regelungen zur Pflegezeit und Familienpflegezeit bis zum 30.6.2022 zu verlängern. Das Bundesarbeitsministerium informiert über die aktuell geltenden Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld. Häufige Fragen beantwortet die Bundesagentur für Arbeit. Die Agentur hält wichtige Informationen auch in Gebärdensprache bereit.
Bundesregierung online, Meldung v. 9.2.2022; NWB (il)
11.02.2022
Am 5.2.2022 hat sich die Pflegekommission einstimmig auf höhere Mindestlöhne für Beschäftigte in der Altenpflege geeinigt. Ab dem 1.9.2022 sollen die Mindestlöhne für Pflegekräfte in Deutschland in drei Schritten steigen. Hierauf macht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aufmerksam.
Hintergrund: Die aktuell gültige Pflegemindestlohn-Verordnung ist noch bis zum 30.4.2022 gültig und sieht vor, dass die Mindestlöhne für Pflegehilfskräfte derzeit 12 €, für qualifizierte Pflegehilfskräfte 12,50 € und für Pflegefachkräfte 15 € betragen. Sie steigen zum 1.4.2022 noch einmal auf 12,55 €, 13,20 € und 15,40 €. Dort, wo der spezielle Pflegemindestlohn nicht zur Anwendung kommt (z.B. in Privathaushalten), gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von aktuell 9,82 € pro Stunde. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag für eine Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns auf 12 € pro Stunde ausgesprochen.
Die nach der neuen Empfehlung der Pflegekommission geplanten Erhöhungsschritte der Pflegemindestlöhne lauten im Einzelnen wie folgt:
Für Pflegehilfskräfte:
Höhe | |
ab 01.09.2022 | 13,70 € |
ab 01.05.2023 | 13,90 € |
ab 01.12.2023 | 14,15 € |
Für qualifizierte Pflegehilfskräfte (Pflegekräfte mit einer mindestens 1-jährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit):
Höhe | |
ab 01.09.2022 | 14,60 € |
ab 01.05.2023 | 14,90 € |
ab 01.12.2023 | 15,25 € |
Für Pflegefachkräfte:
Höhe | |
ab 01.09.2022 | 17,10 € |
ab 01.05.2023 | 17,65 € |
ab 01.12.2023 | 18,25 € |
Für Beschäftigte in der Altenpflege empfiehlt die Pflegekommission außerdem einen Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus. Dieser Mehrurlaub soll bei Beschäftigten mit einer 5-Tage-Woche für das Jahr 2022 sieben Tage, für die Jahre 2023 und 2024 jeweils neun Tage betragen.
Hinweis: Das BMAS strebt an, auf Grundlage der Empfehlung der Pflegekommission die neuen Pflegemindestlöhne auf dem Weg einer Verordnung festzusetzen. Damit werden die empfohlenen Pflegemindestlöhne wie auch der Anspruch auf Mehrurlaub allgemein verbindlich - ungeachtet eventuell höherer Ansprüche aus Arbeits- oder Tarifvertrag.
BMAS, Pressemitteilung v. 8.2.2022; NWB
10.02.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat den Referentenentwurf für ein "Viertes Corona-Steuerhilfegesetz" veröffentlicht. Mit dem Vorhaben sollen Bürger sowie die Wirtschaft bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie weiterhin unterstützt werden.
Die wesentlichen Maßnahmen:
Corona-Bonus für Pflegekräfte: Vom Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen an in bestimmten Einrichtungen – insbesondere Krankenhäusern – tätige Arbeitnehmer gewährte Sonderleistungen zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise sollen bis zu einem Betrag von 3.000 € steuerfrei gestellt werden.
Die steuerliche Förderung der steuerfreien Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld soll um drei Monate bis Ende März 2022 verlängert werden.
Die bestehende Regelung zur Homeoffice-Pauschale soll um ein Jahr bis zum 31.12.2022 verlängert werden.
Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der mit dem sog. Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz eingeführten degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens soll für Wirtschaftsgüter, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt werden, um ein Jahr verlängert werden.
Die erweiterte Verlustverrechnung soll bis Ende 2023 verlängert werden: Für 2022 und 2023 soll der durch das sog. Dritte Corona-Steuerhilfegesetz mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2020 verdoppelte Höchstbetrag des Verlustrücktrags (10 Mio. € bei Einzel/20 Mio. € bei Zusammenveranlagung) auch für die Veranlagungszeiträume 2022 und 2023 gelten. Erst für Veranlagungszeiträume ab 2024 soll eine Rückkehr zu den früheren Höchstgrenzen (von 1 bzw. 2 Mio. €) erfolgen. Darüber hinaus soll der Verlustrücktragszeitraum (ohne zeitliche Beschränkung) ab 2022 auf zwei Jahre ausgedehnt und der Rücktrag sodann in die unmittelbar vorangegangenen beiden Jahre erfolgen.
Die Investitionsfristen für steuerliche Investitionsabzugsbeträge die in 2022 auslaufen, sollen um ein weiteres Jahr verlängert werden.
Die steuerlichen Investitionsfristen für Reinvestitionen sollen um ein weiteres Jahr verlängert werden.
Die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen 2020 in beratenen Fällen soll um weitere drei Monate verlängert werden. Hieran anknüpfend sollen auch die Erklärungsfristen für 2021 und 2022 verlängert werden, jedoch in geringerem Umfang.
Zudem soll der Registerbezug beim Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt zur Umsetzung einer Vereinbarung mit der Europäischen Kommission vom Inland auf EU/EWR-Staaten erweitert werden.
Hinweis: Das Gesetz muss noch das weitere Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und soll grundsätzlich am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Über den weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.
Referentenentwurf für ein "Viertes Corona-Steuerhilfegesetz" v. 3.2.2022; NWB
09.02.2022
Die zehnjährige Spekulationsfrist für Grundstücke beginnt bei einem Grundstückskaufvertrag, der mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet ist und bei dem sich der Steuerpflichtige vor Ablauf der Benennungsfrist selbst als Käufer benennt, erst mit dem Zeitpunkt der Selbstbenennung und noch nicht mit dem Datum des Kaufvertrags.
Hintergrund: Ein steuerpflichtiger Spekulationsgewinn entsteht, wenn innerhalb von zehn Jahren ein Grundstück gekauft und mit Gewinn verkauft wird.
Sachverhalt: Die Klägerin schloss am 21.9.2000 einen Grundstückskaufvertrag mit dem Bundesland X. An dem Kaufvertrag waren mehrere Personen als Erwerber beteiligt, da es um verschiedene Teilgrundstücke ging; die Klägerin war jedoch nicht als Erwerber bezeichnet, sondern nur als „Benenner“. Sie hatte das Recht, bis zum 30.6.2002 einen Erwerber zu benennen; nach Ablauf der Frist galt die Klägerin selbst als Erwerber. Am 20.8.2021, also vor Ablauf der Benennungsfrist, benannte die Klägerin sich selbst und ihren Ehemann als Erwerber und zahlte am 26.2.2002 den Kaufpreis in Höhe von ca. 63.000 €. Am 25.2.2011 verkaufte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann das Grundstück für 190.000 €. Das Finanzamt setzte für beide einen Spekulationsgewinn an. Die Klägerin wehrte sich hiergegen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Der Verkauf des hälftigen Grundstücks durch die Klägerin ist innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist erfolgt. Die Frist begann mit der Ausübung des Benennungsrechts am 20.8.2001, so dass der Verkauf am 25.2.2011 noch innerhalb der Spekulationsfrist lag.
Zwar richtet sich die Spekulationsfrist grundsätzlich nach den Daten der Kaufverträge, so dass die Spekulationsfrist bereits am 21.9.2000 begonnen haben könnte und damit bereits am 25.2.2011 abgelaufen gewesen wäre. Der Kaufvertrag vom 21.9.2000 war für die Klägerin jedoch nicht bindend, sondern nur für das Bundesland X als Verkäufer. Das Benennungsrecht stellte nämlich lediglich ein Angebot dar, das die Klägerin erst am 20.8.2001 angenommen hat; erst durch diesen Selbsteintritt war die Klägerin an den Vertrag gebunden, soweit sie sich selbst benannt hat. Bis zum 20.8.2001 hätte sie sich von dem Vertrag durch Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig lösen können.
Unbeachtlich ist, dass die Klägerin mit Fristablauf ohnehin Erwerberin des Grundstücks geworden wäre. Denn dies ist ein hypothetischer Sachverhalt, der tatsächlich nicht verwirklicht worden ist und daher nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann.
Hinweise: Gegen einen Erwerb bereits im Jahr 2000 sprach auch der Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung im Februar 2002. Dieser Zeitpunkt lag deutlich näher am Tag des Selbsteintritts (August 2001) als am Tag des Kaufvertrags (September 2000).
Der Ehemann der Klägerin hat ebenfalls einen Spekulationsgewinn erzielt, gegen den er aber nicht geklagt hat. Denn bei ihm war es unstreitig, dass er erst am 20.8.2001 einen Anteil an dem Grundstück erworben hat, so dass der Verkauf am 25.2.2011 innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist erfolgt ist; im Gegensatz zur Klägerin war der Ehemann nicht als „Benenner“ im Kaufvertrag vom 21.9.2000 genannt.
BFH, Urteil v. 26.10.2021 - IX R 12/20; NWB
08.02.2022
Helfer in den Impf- und Testzentren können weiterhin von der sog. Übungsleiter- und der Ehrenamtspauschale profitieren. Auf einen entsprechenden Beschluss der Finanzministerien der Länder sowie des Bundesfinanzministeriums macht das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg aufmerksam.
Hintergrund: Bereits in den Jahren 2020 und 2021 konnten die freiwilligen Helfer in den Impf- und Testzentren von der sog. Übungsleiter- oder von der Ehrenamtspauschale profitieren. Die Finanzministerien der Länder sowie das Bundesfinanzministerium haben nun beschlossen, diese Erleichterungen auch für das Jahr 2022 zu verlängern.
Hierzu führt das FinMin Baden-Württemberg weiter aus:
So wie es Bund und Länder vereinbart haben, gelten für die Jahre 2020 bis 2022 folgende Regelungen:
Für all diejenigen, die direkt an der Impfung oder Testung beteiligt sind - also in Aufklärungsgesprächen oder beim Impfen oder Testen selbst - gilt die Übungsleiterpauschale. Im Jahr 2020 lag die Übungsleiterpauschale bei 2.400 €, seit 2021 beträgt sie 3.000 € jährlich. Wer sich in der Verwaltung und der Organisation von Impf- oder Testzentren engagiert, kann die Ehrenamtspauschale in Anspruch nehmen. Diese lag 2020 bei 720 € und erhöhte sich ab 2021 auf 840 €. Das gilt auch für mobile Impf- und Testzentren.
Aufgrund der steuerlichen Vorschriften können die freiwilligen Helfer in den Testzentren die Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale nur in Anspruch nehmen, wenn es sich beim Auftraggeber oder Arbeitgeber um eine gemeinnützige Einrichtung oder einen öffentlichen Arbeitgeber handelt, d.h. das Land oder eine Kommune.
Bei den Impfzentren haben sich Bund und Länder darauf verständigt, dass die Übungsleiter- und die Ehrenamtspauschale auch dann in Betracht kommt, wenn das Impfzentrum im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unter Hinzuziehung von Privaten oder gänzlich von Privaten betrieben wird.
Sowohl Übungsleiter- als auch Ehrenamtspauschale greifen lediglich bei Vergütungen für nebenberufliche Tätigkeiten. Das ist in der Regel der Fall, wenn diese Tätigkeiten nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitstelle in Anspruch nehmen oder die regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht mehr als 14 Stunden beträgt. Dabei können auch solche Helfer nebenberuflich tätig sein, die keinen Hauptberuf ausüben, etwa Studenten oder Rentner.
Die Pauschalen sind Jahresbeträge, die den freiwilligen Helfern nur einmal pro Kalenderjahr gewährt werden. Bei mehreren Tätigkeiten, für die die Übungsleiterpauschale anzuwenden ist (z.B. Helfer im Impfbereich und Trainerin einer Jugendmannschaft), sind die Einnahmen daher zusammenzurechnen. Das gilt für die Ehrenamtspauschale ebenso.
Sind die freiwilligen Helfer sowohl im Bereich Impfung/Testung als auch im Bereich der Verwaltung/Organisation der Impf- und Testzentren nebenberuflich tätig, können beide Pauschalen nebeneinander berücksichtigt werden. Das setzt aber voraus, dass die Tätigkeiten entsprechend vereinbart und gesondert vergütet werden.
FinMin Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 7.2.2022; NWB
07.02.2022
Fahren Profisportler im Mannschaftsbus zu Auswärtsspielen, dann sind die hierfür vom Arbeitgeber geleisteten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit steuerfrei. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) aktuell entschieden.
Hintergrund: Zuschläge, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn zahlt, sind steuerfrei, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen.
Sachverhalt: Die Klägerin nimmt mit einer Mannschaft am Spielbetrieb einer deutschen Profiliga teil. Die bei ihr angestellten Spieler und Betreuer sind verpflichtet, zu Auswärtsspielen im Mannschaftsbus anzureisen. Erfolgte die Anreise an Sonn- oder Feiertagen oder in der Nacht, dann erhielten Spieler und Betreuer hierfür neben ihrem Grundgehalt steuerfreie Zuschläge. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass für die Beförderungszeiten zu Auswärtsspielen, soweit diese nicht mit belastenden Tätigkeiten verbunden seien (bloßer Zeitaufwand im Mannschaftsbus), keine steuerfreien Zuschläge geleistet werden könnten. Der hierauf entfallende Teil der Zuschläge sei daher von der Klägerin nachzuversteuern. Dagegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der BFH gab der Klägerin Recht:
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung genügt es, wenn der Arbeitnehmer – wie hier – zu den in der Vorschrift genannten Zeiten im Interesse seines Arbeitgebers tatsächlich tätig wird, für diese Tätigkeit ein Vergütungsanspruch besteht und noch zusätzlich Zuschläge gewährt werden.
Ob sich die Reisezeiten im Mannschaftsbus für Spieler und Betreuer als individuell belastende Tätigkeit darstellen, ist dagegen unerheblich. Eine solche verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit der Zuschläge nicht.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass eine mit einem Grundlohn vergütete Tätigkeit – hier die gesamte und damit auch die passive Fahrtätigkeit – zu den begünstigten Zeiten (Sonntags, Feiertags oder Nachts) tatsächlich ausgeübt wird. Ob die zu diesen Zeiten verrichtete Tätigkeit den einzelnen Arbeitnehmer in besonderer Weise fordert oder ihm "leicht von der Hand" geht, ist nicht entscheidend.
Hinweis: Die Höhe der von der Klägerin steuerfrei gezahlten Zuschläge war vorliegend nicht streitig. Die Klägerin hat bei deren Berechnung die maximal steuerfrei anwendbaren Prozentsätze gewahrt und den Stundenlohn für die Berechnung der Zuschläge – wie im Gesetz vorgesehen – mit höchstens 50 € angesetzt. In einem solchen Fall steht es der Steuerfreiheit nicht entgegen, wenn der Stundenlohn – wie beispielsweise bei Spitzensportlern – tatsächlich 50 € überschreitet.
BFH, Urteil vom 16.12.2021 – VI R 28/19; NWB
04.02.2022
Das Finanzgericht Münster (FG) hat verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge im Jahr 2019 und hat Aussetzung der Vollziehung gewährt. Die verfassungsrechtlichen Zweifel ergeben sich aus der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellten Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes ab 1.1.2019; die Begründung des BVerfG zur Höhe des Zinssatzes lässt sich auf Säumniszuschläge übertragen und führt zur Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe, da es eine teilweise Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Höhe von Säumniszuschlägen nicht geben kann.
Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags verwirkt. Sie sind also doppelt so hoch wie Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betragen. Das BVerfG hat im letzten Jahr die Höhe des Zinssatzes für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 31.7.2022 rückwirkend ab 1.1.2019 einen neuen Zinssatz verabschieden.
Sachverhalt: Die Antragstellerin war eine GmbH, die aufgrund eines Grundstückskaufs im Jahr 2019 Grunderwerbsteuer bis zum 5.9.2019 zahlen musste. Tatsächlich zahlte sie diese erst am 19.11.2019, so dass Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 5.9.2019 bis 5.12.2019 für drei Monate in Höhe von insgesamt 3 % verwirkt wurden. Die Antragstellerin beantragte einen Abrechnungsbescheid über die Säumniszuschläge, legte gegen diesen Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt ablehnte.
Entscheidung: Das FG gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids in voller Höhe statt:
Die Aussetzung der Vollziehung ist zu gewähren, da es verfassungsrechtliche Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge von 1 % monatlich gibt.
Säumniszuschläge stellen zum einen ein Druckmittel dar und sollen den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anhalten. Zum anderen stellen sie auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der fälligen Steuern dar. Schließlich sollen sie den Verwaltungsaufwand des Finanzamts, der aufgrund einer verspäteten Zahlung entsteht, ausgleichen.
Soweit Säumniszuschläge eine Gegenleistung für das Hinausschieben der fälligen Steuern darstellen, haben sie eine zinsähnliche Funktion. Die Höhe des Zinssatzes von 6 % ist aber für Verzinsungszeiträume seit dem 1.1.2019 verfassungswidrig, wie das BVerfG festgestellt hat. Dies schlägt auch auf den Säumniszuschlag durch.
Die gesetzlich festgelegte Höhe des Säumniszuschlags kann nur insgesamt verfassungswidrig oder verfassungskonform sein, nicht aber teilweise verfassungswidrig. Daher ist eine Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe geboten.
Hinweise: Im Allgemeinen geht man davon aus, dass in etwa die Hälfte des Säumniszuschlags, also 0,5 % monatlich, eine Gegenleistung darstellt. Sollte der Gesetzgeber nun den Zinssatz rückwirkend ab 1.1.2019 auf z.B. 3 % festlegen, müsste dies auch eine Minderung der Säumniszuschläge nach sich ziehen, so dass dieser nur noch 0,75 % monatlich betragen dürfte. Ob der Gesetzgeber die Höhe der Säumniszuschläge mindern wird, ist derzeit nicht absehbar.
Säumniszuschläge werden nicht durch Bescheid festgesetzt, sondern kraft Gesetzes verwirkt. Hält man die Säumniszuschläge für falsch, kann man einen sog. Abrechnungsbescheid beantragen und gegen diesen dann mittels Einspruchs und Klage vorgehen. Ebenso kann - wie im Streitfall - ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden, so dass im Erfolgsfall die Säumniszuschläge vorerst nicht gezahlt zu werden brauchen, bis über den Einspruch oder die Klage entschieden ist.
FG Münster, Beschluss v. 16.12.2021 - 12 V 2684/21 AO, Beschwerde zugelassen; NWB
02.02.2022
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Januar 2022 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2022 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben vom 1.2.2022 - III C 3 - S 7329/19/10001 :004 (2022/0106534); NWB
01.02.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat wegen der anhaltenden Corona-Krise die verfahrensrechtlichen Steuererleichterungen erneut verlängert. Die bisherigen Schutzmaßnahmen, die bis zum 31.3.2022 galten, werden auf Antrag mindestens bis zum 30.6.2022 verlängert.
Hintergrund: Das BMF hatte zuletzt im Dezember 2021 Erleichterungen in Bezug auf Steuernachzahlungen und Vorauszahlungen sowie Vollstreckungsschutz wegen der Corona-Krise gewährt. Diese Erleichterungen galten bis zum 31.3.2022, nachdem sie bereits vorher mehrfach verlängert worden waren.
Aktuelles Schreiben des BMF: Mit seinem aktuellen Schreiben verlängert das BMF die im Dezember 2021 eingeräumten Erleichterungen um weitere drei Monate bis zum 30.6.2022. Im Einzelnen gilt:
Stundung: Steuern, die bis zum 31.3.2022 fällig werden, können bis zum 30.6.2022 in einem sog. vereinfachten Verfahren zinsfrei gestundet werden, wenn bis zum 31.3.2022 ein entsprechender Antrag gestellt wird. An die Begründung des Stundungsantrags sind keine hohen Anforderungen zu stellen; der Antrag ist nicht wegen fehlenden Nachweises des Wertes der entstandenen Schäden abzulehnen.
Hinweis: Die Stundung kann bis zum 30.9.2022 verlängert werden, wenn eine Ratenzahlung vereinbart wird.
Vollstreckungsschutz: Auf Mitteilung des Vollstreckungsschuldners wird bis zum 30.6.2022 Vollstreckungsaufschub für Steuern gewährt, die bis zum 31.3.2022 fällig sind. Die Säumniszuschläge, die im Zeitraum vom 1.1.2021 bis zum 30.6.2022 entstehen, sind grundsätzlich zu erlassen.
Hinweis: Wird eine Ratenzahlung vereinbart, ist eine Verlängerung des Vollstreckungsaufschubs bis zum 30.9.2022 möglich.
Vorauszahlungen: Steuerpflichtige können – wie bisher – bis zum 30.6.2022 einen Antrag auf Anpassung der Einkommen- und Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2021 und 2022 stellen. An die Begründung des Antrags sind keine strengen Anforderungen zu stellen.
Hinweise: Die Erleichterungen gelten für Steuerpflichtige, die unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen sind. Dies knüpft an die Definition in den Corona-Hilfe-Anträgen an. Es dürfte daher der Hinweis genügen, dass man Corona-Hilfen erhält bzw. anspruchsberechtigt ist.
Ist der Steuerpflichtige nicht unmittelbar und auch nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen, kann er nach allgemeinen Grundsätzen eine Stundung oder Vollstreckungsschutz beantragen, und zwar auch über den 30.6.2022 bzw. – bei Ratenzahlungen – über den 30.9.2022 hinaus. Hier sind dann die üblichen, d.h. strengeren Nachweispflichten zu erfüllen.
BMF-Schreiben v. 31.1.2022 - IV A 3 - S 0336/20/10001 :047; NWB
06.01.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat - wie bereits zum Vorjahr - die Frist für die Reinvestition verlängert, wenn eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet worden ist. Die Reinvestitionsfrist wird grundsätzlich auf den 31.12.2022 verlängert, so dass zum 31.12.2021 keine Rücklage für Ersatzbeschaffung gewinnerhöhend aufzulösen ist.
Hintergrund: Scheidet ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt wie z.B. aufgrund eines Brandes aus dem Betriebsvermögen aus, ersetzt häufig die Versicherung den Schaden. Ist der Versicherungsersatz höher als der Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts, erhöht dieser Mehrbetrag, den man stille Reserven nennt, den Gewinn. Die Finanzverwaltung räumt dem Unternehmer in diesem Fall die Möglichkeit ein, den Gewinn durch eine sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung zu neutralisieren. Die Rücklage kann dann auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden und mindert dessen Anschaffungskosten und damit auch die Abschreibungen für das Ersatzwirtschaftsgut. Die Ersatzbeschaffung muss aber innerhalb einer bestimmten Frist (Reinvestitionsfrist) erfolgen (s. auch Hinweise unten). Bereits zum 31.12.2020 hatte das BMF die Reinvestitionsfrist um ein Jahr verlängert.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens: Dem BMF zufolge muss zum 31.12.2021 keine Rücklage für Ersatzbeschaffung aufgelöst werden.
Im Einzelnen gilt:
Die Reinvestitionsfrist für die Rücklage für Ersatzbeschaffung wird um zwei Jahre verlängert, wenn die Rücklage an sich bereits am 31.12.2020 hätte aufgelöst werden müssen und nur aufgrund des zum 31.12.2020 ergangenen BMF-Schreibens um ein Jahr verlängert worden ist.
Hinweis: Die Fristverlängerung gilt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen gewesen wäre.
Ist die Rücklage an sich zum 31.12.2021 aufzulösen, verlängert sich die Reinvestitionsfrist um ein Jahr zum 31.12.2022.
Hinweis: Die Fristverlängerung von einem Jahr gilt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre.
Hinweise: Die Rücklage kann gebildet werden, wenn die Ersatzbeschaffung nicht im selben Jahr, in dem das Wirtschaftsgut ausscheidet, erfolgt. Für die Ersatzbeschaffung hat der Unternehmer grundsätzlich bis zum Ende des Folgejahres Zeit. Bei bestimmten Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wie z.B. Immobilien oder Binnenschiffen beträgt die Reinvestitionsfrist vier Jahre. Für die Neuherstellung eines zerstörten Gebäudes hat der Unternehmer sogar sechs Jahre Zeit.
Die Fristverlängerung beruht auf der Corona-Krise. Der Gesetzgeber hat bereits vor kurzem die gesetzlichen Fristen für vergleichbare (Re-)Investitionsfristen ebenfalls um ein Jahr verlängert: So hat er die Reinvestitionsfrist für die Rücklage, die für den Gewinn aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter gebildet werden darf, um ein Jahr verlängert, und er hat die Investitionsfrist, die bei der Bildung eines Investitionsabzugsbetrags greift, für die zum 31.12.2017 und 31.12.2018 gebildeten Investitionsabzugsbeträge um ein Jahr verlängert.
BMF-Schreiben v. 15.12.2021 – IV C 6 – S 2138/19/10002 :003; NWB
04.01.2022
Betreibt ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein eine individuelle Verbraucherberatung in Gestalt einer sog. Finanzanalyse gegen Entgelt, kann es sich hierbei um einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb handeln, so dass der Verein von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit ist. Allerdings folgt daraus nicht automatisch auch der ermäßigte Steuersatz bei der Umsatzsteuer; es gilt vielmehr der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 %, wenn der Zweckbetrieb nur einen einzigen Tätigkeitsgegenstand hat.
Hintergrund: Gemeinnützige Vereine sind grundsätzlich steuerbefreit. Soweit sie jedoch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, ist dieser steuerpflichtig. Die Umsätze aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterliegen grundsätzlich dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 %. Eine Ausnahme gilt jedoch für einen sog. Zweckbetrieb, mit dem der Satzungszweck verwirklicht wird, wenn der Zweck nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden kann und wenn der Zweckbetrieb nicht in unangemessene Konkurrenz zu nicht gemeinnützigen Unternehmen tritt. Umsatzsteuerlich werden diese Voraussetzungen eines Zweckbetriebs jedoch noch verschärft.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine im Bereich des Verbraucherschutzes tätige gemeinnützige Körperschaft. Außerdem bot die Klägerin Verbrauchern eine individuelle Finanzanalyse zum Preis von 10 bis 29 € an: Verbraucher konnten sich im Bereich Versicherungen auf der Grundlage einer von der Klägerin erstellten Datenbank einen Versicherungsvergleich erstellen lassen. Die Klägerin erzielte aus der Finanzanalyse Einnahmen in Höhe von ca. 100.000 € und erwirtschaftete einen Verlust von etwa 70.000 €. Das Finanzamt sah in der Finanzanalyse einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, erließ einen Körperschaft- sowie Gewerbesteuermessbescheid und unterwarf die Umsätze aus der Finanzanalyse dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 %.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage gegen den Körperschaft- sowie Gewerbesteuermessbescheid statt, wies aber die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid ab:
Der Körperschaft- sowie Gewerbesteuermessbescheid sind rechtswidrig, weil die Klägerin mit ihrer Finanzanalyse einen steuerlich unschädlichen Zweckbetrieb unterhielt. Die Klägerin war daher gemeinnützig.
Die Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz gehören zu den vom Gesetzgeber anerkannten gemeinnützigen Zwecken. Hierzu gehört auch die Einzelberatung von Verbrauchern.
Zwar stellt die Durchführung von Finanzanalysen gegen Entgelt einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, der grundsätzlich steuerpflichtig ist. Dieser wirtschaftliche Geschäftsbetrieb erfüllte im Streitfall aber die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs, so dass die Gemeinnützigkeit erhalten bleibt. Denn die Finanzanalyse diente der Verwirklichung des Satzungszwecks „Verbraucherberatung“. Die entgeltlichen Finanzanalysen waren auch für die Zweckerreichung erforderlich; denn eine nur allgemeine Information über den Verbraucherschutz etwa durch Zeitschriften verschafft dem Verbraucher nur einen allgemeinen Marktüberblick.
Schließlich trat die Klägerin zu nicht gemeinnützigen Betrieben derselben Art nur insoweit in Wettbewerb, als dies zur Erfüllung der Satzungszwecke unvermeidbar war. Tatsächlich gab es aber nur ein eingeschränktes Wettbewerbsverhältnis zu Versicherungsportalen, -maklern und -beratern; denn die Klägerin beriet unabhängig und hatte kein wirtschaftliches Interesse am Abschluss eines Versicherungsvertrags.
Die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid ist hingegen unbegründet. Der Klägerin steht der ermäßigte Steuersatz nicht zu, obwohl es sich bei der Finanzanalyse um einen Zweckbetrieb handelte. Der ermäßigte Steuersatz wird bei Umsätzen aus Zweckbetrieben nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. So darf z.B. der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dienen. Diese erhöhten Voraussetzungen gelten entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung für alle Zweckbetriebe.
Die Klägerin erfüllte diese umsatzsteuerlichen Voraussetzungen nicht. Denn ein Zweckbetrieb dient bereits dann vorrangig der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, wenn es sich – wie im Streitfall – um den einzigen Tätigkeitsgegenstand des jeweiligen Zweckbetriebs handelt. Auf die Erzielung eines Gewinns kommt es nicht an.
Hinweise: Es erscheint merkwürdig, dass der Zweckbetrieb ertragsteuerlich, also bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer, unschädlich ist, bei der Umsatzsteuer aber nicht automatisch zum ermäßigten Steuersatz führt. Der Grund hierfür liegt in einer Gesetzesverschärfung, die im Jahr 2006 eingefügt worden ist und nicht mehr automatisch den Zweckbetrieb umsatzsteuerlich begünstigt.
Die Formulierung des BFH, ein Zweckbetrieb diene bereits dann vorrangig der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, wenn es sich um den einzigen Tätigkeitsgegenstand des jeweiligen Zweckbetriebs handle, klingt nach einem Zirkelschluss. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz für Umsätze eines Zweckbetriebs könnte wohl dann in Betracht kommen, wenn der Zweckbetrieb mehrere Tätigkeitsbereiche umfasst und die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
BFH, Urteil v. 26.8.2021 - V R 5/19; NWB
03.01.2022
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Dezember 2021 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2021 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben vom 3.1.2022 - III C 3 - S 7329/19/10001 :003 (2021/1327105)); NWB
03.01.2022
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich erneut zur Festsetzung von Zinsen geäußert und seine bisherigen Schreiben aktualisiert. Die aktualisierte Fassung betrifft zum einen Einspruchsverfahren gegen die Zinsfestsetzung für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 und zum anderen die Anrechnung von Nachzahlungszinsen auf Hinterziehungszinsen.
Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat vor kurzem den Zinssatz von 6 % für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 31.7.2022 einen neuen Zinssatz festlegen. Die Entscheidung des BVerfG betrifft nicht den Zinssatz von 6 % für Hinterziehungszinsen.
Wesentliche Aussagen des BMF:
Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung von Zinsen, die für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 festgesetzt worden sind und nicht mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen worden sind, werden ausgesetzt, bis der Gesetzgeber über den neuen Zinssatz entschieden hat.
Hinweis: Sobald der Gesetzgeber den neuen Zinssatz verabschiedet hat, wird das Einspruchsverfahren fortgesetzt. Die Höhe des neuen Zinssatzes ist derzeit noch nicht bekannt.
Im Fall einer Steuerhinterziehung werden die Hinterziehungszinsen vorläufig festgesetzt, soweit sie Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 betreffen und soweit Nachzahlungszinsen angerechnet werden. Denn der neue Zinssatz für Nachzahlungszinsen beeinflusst den Anrechnungsbetrag und damit auch die endgültige Höhe der Hinterziehungszinsen.
Hinweis: Eine vorläufige Festsetzung ergeht auch bei der Änderung oder Berichtigung von Hinterziehungszinsen, wenn die Hinterziehungszinsen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig festgesetzt worden sind.
BMF-Schreiben v. 3.12.2021 – IV A 3 – S 0338/19/10004 :005; NWB
23.12.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat aufgrund der anhaltenden Corona-Krise einzelne, bereits bestehende coronabedingte Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene bis zum 31.12.2022 verlängert.
Hintergrund: Die Corona-Krise ist u.a. für gemeinnützige Vereine auch unter steuerlichen Gesichtspunkten ein Problem, wenn sie z.B. Mittel für Betroffene der Corona-Krise verwenden wollen. Das BMF hat daher in mehreren Schreiben des Jahres 2020 Erleichterungen gewährt, die bis zum 31.12.2021 befristet waren.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens: Dem BMF zufolge gelten die bis zum 31.12021 gewährten steuerlichen Erleichterungen für alle Maßnahmen fort, die bis zum 31.12.2022 durchgeführt werden.
Dabei handelt es sich u.a. um die folgenden Maßnahmen:
Bei Spenden auf Sonderkonten für Corona-Betroffene, die z.B. von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von Wohlfahrtsverbänden eingerichtet worden sind, genügt der vereinfachte Zuwendungsnachweis, d.h. der Überweisungsträger, um die Spende steuerlich absetzen zu können.
Gemeinnützige Vereine dürfen Mittel, die sie im Rahmen einer Sonderaktion für Corona-Betroffene erhalten haben, für Corona-Betroffene verwenden, auch wenn dies von ihrer Satzung nicht gedeckt ist. Hierbei sind aber noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen, z.B. die Prüfung der Bedürftigkeit der unterstützten Person.
Gemeinnützige Vereine dürfen auch Räume oder Personal für Corona-Betroffene verwenden, ohne dass dies die Gemeinnützigkeit gefährdet.
Unternehmer können Unterstützungsmaßnahmen für Corona-Betroffene als Betriebsausgaben absetzen.
Arbeitnehmer können einen Teil ihres Arbeitslohns zugunsten Corona-Betroffener spenden, indem der Arbeitgeber diesen Teil des Arbeitslohns auf ein Spendenkonto zugunsten der Corona-Hilfe einzahlt. Dieser Teil des Arbeitslohns muss dann nicht versteuert werden, wenn entsprechende Aufzeichnungen im Lohnkonto gefertigt werden.
Hinweise: Die bisherigen BMF-Schreiben enthielten auch noch umsatzsteuerliche Erleichterungen, die durch das aktuelle Schreiben nicht bis zum 31.12.2022 verlängert wurden. Dies liegt jedoch daran, dass die umsatzsteuerlichen Erleichterungen nunmehr durch ein gesondertes BMF-Schreiben gewährt werden. Zu den umsatzsteuerlichen Erleichterungen gehört z.B. der Verzicht auf die Umsatzbesteuerung unentgeltlicher Hilfsmaßnahmen von Unternehmen als sog. unentgeltliche Wertabgabe.
BMF-Schreiben v. 15.12.2021 - IV C 4 - S 2223/19/10003 :006; NWB
23.12.2021
Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für die Lieferung von Essen kann für Umsätze eines Fast-Food-Restaurants in einem Einkaufszentrum gewährt werden, auch wenn sich in dem Einkaufszentrum ein sog. Food Court befindet, an dem sich für alle Besucher des Einkaufszentrums Tische und Stühle befinden. Der ermäßigte Steuersatz wird dann gewährt, wenn aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dem Restaurantkunden die Nutzungsmöglichkeit des Food Courts vom Betreiber des Einkaufszentrums eingeräumt wird oder wenn der Food Court gerade geschlossen ist oder wenn der Restaurantkunde erklärt, den Food Court nicht nutzen zu wollen.
Hintergrund: Die Lieferung von Essen wird grundsätzlich ermäßigt mit 7 % Umsatzsteuer besteuert. Hingegen unterliegen Dienstleistungen im kulinarischen Bereich dem allgemeinen Steuersatz von 19 % (zur aktuellen Rechtslage aufgrund der Corona-Krise siehe Hinweis unten).
Eine Dienstleistung wird angenommen, sobald neben der Lieferung von Essen noch Dienstleistungselemente hinzutreten wie z.B. die Bedienung, oder z.B. eine Sitzmöglichkeit oder eine Garderobe zur Verfügung gestellt werden. Der Verkauf eines einfachen Essens wie eines Hamburgers zum Mitnehmen unterliegt daher einer Umsatzsteuer von 7 %. Kann sich der Gast im Restaurant jedoch hinsetzen, handelt es sich um eine Dienstleistung, die mit 19 % besteuert wird (zur aktuellen Ausnahme s. unten im Hinweis).
Sachverhalt: Die Klägerin betrieb ein Fast-Food-Restaurant in einem Einkaufszentrum. Dabei handelte es sich um einen Laden mit einer Fläche von 114 qm zzgl. 20 qm Nebenfläche. Für die Kunden gab es im Restaurant weder Stühle noch Tische. In dem Einkaufszentrum befand sich allerdings ein sog. Food Court, der von jedem Besucher des Einkaufszentrums genutzt werden konnte. Nach dem Mietvertrag der Klägerin durften ihre Gäste den Food Court benutzen, ohne dass es einen abgesperrten Bereich für die Gäste der Klägerin gab. Das Finanzamt versagte den ermäßigten Steuersatz und besteuerte die Umsätze der Klägerin im Jahr 2011 mit 19 %.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt den ermäßigten Umsatzsteuersatz für möglich und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Ob es sich um eine ermäßigt besteuerte Lieferung von Essen oder aber um eine regulär besteuerte Dienstleistung handelt, richtet sich nach der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers. Erbringt die Klägerin aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers neben der Lieferung von Essen auch noch Dienstleistungselemente, handelt es sich um eine Dienstleistung, so dass der Umsatzsteuersatz von 19 % gilt.
Als Dienstleistungselement kommt hier die Sitzmöglichkeit zwecks Verzehrs des Essens im Food Court in Betracht. Entscheidend ist damit, ob diese Sitzmöglichkeiten aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers vom Betreiber des Einkaufszentrums bereitgestellt werden – in diesem Fall würde der ermäßigte Steuersatz gelten – oder ob diese Sitzmöglichkeiten aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers von der Klägerin zur Verfügung gestellt werden; dies wäre dann ein Dienstleistungselement der leistenden Klägerin, so dass eine Leistung vorliegen würde, die mit 19 % zu besteuern wäre.
Für ein Dienstleistungselement seitens der Klägerin könnte es sprechen, wenn sie das Fast-Food-Essen auf Tabletts ausreichen würde. Denn dann wird dem Gast klar, dass er das Tablett mit dem Essen zu einem Verzehrort in der Nähe bringen und dort verzehren kann.
Hinweise: Das FG muss nun aufklären, welche Sicht ein Durchschnittsverbraucher hatte. Dabei kommt der Aushändigung der Speisen auf einem Tablett eine wichtige Bedeutung zu. Auf die Art des Tabletts kommt es hingegen nicht an, so dass es irrelevant ist, ob es sich um ein einfaches, flaches Tablett handelt oder aber um ein sog. Mensa-Tablett, das so unterteilt ist, dass es einen Teller ersetzt.
Sollte die Nutzungsmöglichkeit des Food Court aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers als Leistung der Klägerin erscheinen, führt dies nicht durchgehend zur Anwendung des regulären Umsatzsteuersatzes. Soweit z. B. der einzelne Kunde bei der Entgegennahme des Essens erklärt haben sollte, dass er den Food Court nicht nutzen will, oder soweit der Food Court geschlossen war (wegen unterschiedlicher Öffnungszeiten des Restaurants und des Food Courts), handelt es sich um eine Essenslieferung ohne Dienstleistungselemente, für die der ermäßigte Steuersatz greift.
Bietet ein Restaurant ein kulinarisches Niveau oberhalb des Fast-Food-Bereichs, handelt es sich ohnehin um eine Dienstleistung, weil das Dienstleistungselement in der Zubereitung des Essens steckt. Im Streitfall ging es jedoch um Fast Food wie z.B. Hamburger oder Döner Kebap.
Aufgrund der Corona-Krise hat der Gesetzgeber den Umsatzsteuersatz für Speisen im Restaurant auf 7 % bis zum 31.12.2022 herabgesetzt; dies gilt nicht für Getränke.
BFH, Urteil v. 26.8.2021 - V R 42/20; NWB
22.12.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) verlängert aufgrund der Corona-Krise erneut den Schutz der Steuerzahler bei Steuernachzahlungen und -vorauszahlungen sowie im Fall einer Vollstreckung. Die bisherigen Schutzmaßnahmen, die bis zum 30.9.2021 galten, werden auf Antrag nun bis zum 31.3.2022 verlängert.
Hintergrund: Das BMF hatte zuletzt im März 2021 Erleichterungen bei Steuernachzahlungen und Vorauszahlungen sowie Vollstreckungsschutz aufgrund der Corona-Krise gewährt. Diese Erleichterungen galten bis zum 30.9.2021, nachdem sie bereits vorher mehrfach verlängert worden waren.
Aktuelles Schreiben des BMF: Mit seinem aktuellen Schreiben verlängert das BMF die im März 2021 eingeräumten Erleichterungen um ein halbes Jahr bis zum 31.3.2022. Im Einzelnen gilt:
Stundung: Steuern, die bis zum 31.1.2022 fällig werden, können bis zum 31.3.2022 in einem sog. vereinfachten Verfahren zinsfrei gestundet werden, wenn bis zum 31.1.2022 ein Stundungsantrag gestellt wird. An die Begründung des Stundungsantrags sind keine hohen Anforderungen zu stellen; der Antrag ist nicht wegen fehlenden Nachweises des Wertes der entstandenen Schäden abzulehnen.
Hinweis: Die Stundung kann bis zum 30.6.2022 verlängert werden, wenn eine Ratenzahlung vereinbart wird.
Vollstreckungsschutz: Auf Mitteilung des Vollstreckungsschuldners wird bis zum 31.3.2022 Vollstreckungsaufschub für Steuern gewährt, die bis zum 31.1.2022 fällig sind. Die Säumniszuschläge, die im Zeitraum vom 1.1.2021 bis zum 31.3.2022 entstehen, sind grundsätzlich zu erlassen; dieser Erlass kann durch eine sog. Allgemeinverfügung erfolgen, die im Bundessteuerblatt für alle betroffenen Steuerpflichtigen veröffentlicht wird.
Hinweis: Wird eine Ratenzahlung vereinbart, ist eine Verlängerung des Vollstreckungsaufschubs bis zum 30.6.2022 möglich.
Vorauszahlungen: Steuerpflichtige können bis zum 30.6.2022 einen Antrag auf Anpassung der Einkommen- und Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2021 und 2022 stellen. An die Begründung des Antrags sind keine strengen Anforderungen zu stellen.
Hinweise: Die Erleichterungen gelten für Steuerpflichtige, die unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen sind. Dies knüpft an die Definition in den Corona-Hilfe-Anträgen an. Es dürfte daher der Hinweis genügen, dass man Corona-Hilfen erhält bzw. anspruchsberechtigt ist.
Ist der Steuerpflichtige nicht unmittelbar und auch nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen, kann er nach allgemeinen Grundsätzen eine Stundung oder Vollstreckungsschutz beantragen, und zwar auch über den 31.3.2022 bzw. – bei Ratenzahlungen – über den 30.6.2022 hinaus. Hier sind dann aber die üblichen, d.h. strengeren Nachweispflichten zu erfüllen.
BMF-Schreiben v. 7.12.2021 – IV A 3 – S 0336/20/10001 :045; NWB
21.12.2021
Die Verwendung betrieblich gesammelter Meilen im Bonusprogramm „Miles & More“ für betriebliche Flüge wirkt sich bei der Einnahmen-Überschussrechnung steuerneutral aus. Die Nutzung der gesammelten Flugmeilen stellt eine fiktive Einnahme dar, die den Betriebsausgabenabzug in Höhe des Flugpreises ausgleicht. Es ist nicht zulässig, den Flugpreis, der ohne Verwendung der Meilen entstehen würde, als Betriebsausgabe abzusetzen und die verwendeten Meilen lediglich mit dem gesetzlichen Steuersatz von 2,25 % für Vorteile aus Bonusprogrammen zu versteuern.
Hintergrund: Verschiedene Unternehmen bieten Bonusprogramme an wie z.B. die Lufthansa, die über ihr Miles & More-Programm das Sammeln von Meilen und die spätere Einlösung der gesammelten Meilen für Flug- oder sonstige Sachprämien ermöglicht. Der Gesetzgeber ermöglicht Unternehmen wie der Lufthansa, die gewährten Sachprämien auf Antrag mit einem Steuersatz von 2,25 % zu versteuern.
Sachverhalt: Der Kläger war Unternehmer und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung, also nach Zufluss- und Abflussgrundsätzen. Er hatte durch betriebliche Flüge Meilen gesammelt, die er im Streitjahr bei der Buchung betrieblicher Flüge einsetzte. Er machte den ungekürzten Flugpreis, der also ohne Verwendung der Meilen angefallen wäre, als Betriebsausgabe geltend und versteuerte die eingesetzten Meilen mit dem gesetzlichen Steuersatz für Bonusprogramme von 2,25 %. Dies akzeptierte das Finanzamt nicht.
Entscheidung: Das Hessische Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Verwendung der betrieblich gesammelten Meilen verläuft steuerneutral. Einerseits führt die Verwendung der gesammelten Flugmeilen zu einer fiktiven Einnahme; andererseits kann der Kläger den ungekürzten Flugpreis, der ohne Nutzung der Meilen entstanden wäre, als Betriebsausgabe absetzen.
Die Anwendung des gesetzlichen Steuersatzes von 2,25 % für Bonusprogramme wie Miles & More kommt bei der Verwendung betrieblich gesammelter Meilen für betriebliche Flüge nicht in Betracht. Dieser Steuersatz ist nur dann anwendbar, wenn betrieblich oder beruflich gesammelte Meilen für Privatflüge oder private Sachprämien verwendet werden und der entsprechende Antrag gestellt wird. Die gesammelten Meilen gehörten aber in das Betriebsvermögen des Klägers und wurden nicht privat eingesetzt.
Hinweise: Der Kläger hat seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Bei der Bilanzierung führt das Sammeln von Meilen auf betrieblichen Flügen grundsätzlich zu einer Aktivierung einer Forderung, die dann bei der Verwendung der Meilen ausgebucht wird. Allerdings ist noch nicht geklärt, ob die Forderung erst bei einer bestimmten Mindestzahl gesammelter Meilen, die für die Einlösung erforderlich ist, zu aktivieren ist.
Hessisches FG, Urteil v. 13.7.2021 - 4 K 404/20; NWB
20.12.2021
Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine e.V. (BVL) hat für Arbeitnehmer und Rentner für das Jahr 2022 relevante steuerliche Änderungen zusammengestellt.
1. Höherer Grundfreibetrag / Abbau der kalten Progression
Der Grundfreibetrag steigt um 240 Euro auf 9.984 Euro für Alleinstehende und um 480 Euro auf 19.968 Euro für Ehepaare oder eingetragene Lebenspartner, die gemeinsam ihre Steuererklärung abgeben. Bis zu diesem Betrag bleibt das Einkommen steuerfrei. Zum Abbau der sogenannten kalten Progression werden zusätzlich die übrigen Eckwerte des Steuertarifs um 1,17 % angehoben.
2. Gestiegener Unterhaltshöchstbetrag
Der Unterhaltshöchstbetrag wird an das Existenzminimum angepasst und steigt ebenfalls auf 9.984 Euro. Bis zu diesem Betrag können Unterstützungsleistungen an Angehörige oder andere begünstigte Personen steuerlich geltend gemacht werden. Zusätzlich können Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgesetzt werden.
3. Neue Höchstbeträge für abzugsfähige Altersvorsorgeaufwendungen
Beiträge zur Altersvorsorge in die gesetzliche Rente, in die Rürup-Rente, in landwirtschaftliche Alterskassen sowie berufsständische Versorgungseinrichtungen sind als Sonderausgaben steuerlich abzugsfähig, soweit sie den Höchstbetrag nicht übersteigen.
Die Höchstbeträge für abzugsfähige Sonderausgaben betragen im Jahr 2022 25.639 Euro und 51.278 Euro (Einzel- / Zusammenveranlagung). Da der steuerlich abzugsfähige Anteil Jahr für Jahr um jeweils zwei Prozentpunkte steigt, können Steuerpflichtige von den geleisteten Beitragszahlungen nunmehr bis zu 94 Prozent des Höchstbetrags als Sonderausgaben steuerlich absetzen. Für das Jahr 2022 sind das also bis zu 24.101 Euro (Alleinstehende) bzw. 48.202 Euro (Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner).
4. Anhebung der Freigrenze für Sachbezüge auf 50 Euro
Arbeitgeber können ihren Beschäftigten steuerfreie Sachbezüge beispielsweise in Form von Gutscheinen oder Fahrtickets gewähren. Die Obergrenze dieses Monatsbetrages erhöht sich ab 1. Januar 2022 von bisher 44 Euro auf 50 Euro.
5. Neue Sachbezugswerte
Der Monatswert für Verpflegung wird ab 1. Januar 2022 auf 270 Euro angehoben. Für verbilligt oder unentgeltlich gewährte Mahlzeiten gelten ab 2022 pro Kalendertag folgende Werte:
Frühstück 1,87 Euro
Mittag- oder Abendessen 3,57 Euro.
Der Sachbezugswert 2022 für Unterkunft oder Miete beträgt 241 Euro im Monat.
6. Steuerfreie Corona-Prämie noch bis
Arbeitgeber, die ihre durch die Corona-Krise belastenden Arbeitnehmer bislang noch nicht finanziell unterstützt haben, können bis zum 31. März 2022 zusätzlich zum Gehalt eine steuerfreie Corona-Prämie auszahlen. Die Verlängerung des Auszahlungszeitraums führt aber nicht dazu, dass eine Corona-Prämie im ersten Vierteljahr 2022 nochmals in voller Höhe ausgezahlt werden kann. Die 2020 eingeführte Corona-Prämie kann in dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis 31. März 2022 geleistet werden und darf den Höchstbetrag von insgesamt 1.500 Euro nicht übersteigen.
7. Anhebung des Mindestlohns / Minijobber aufgepasst
Zum 1. Januar 2022 steigt der Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro auf 9,82 Euro. Zum 1. Juli 2022 wird der Mindestlohn nochmal auf dann 10,45 Euro angehoben. Zu beachten ist, dass der Mindestlohn auch für sogenannte Minijobs, also geringfügige Arbeitsverhältnisse gilt, bei denen der monatliche Lohn regelmäßig nicht mehr als 450 Euro beträgt. Minijobber, bei denen vertraglich eine feste Arbeitsstundenanzahl in der Woche oder im Monat vereinbart ist, sollten prüfen, ob sie trotz gestiegenen Mindestlohns noch innerhalb des Grenzbetrags bleiben.
8. Verlängerung der Homeoffice-Pauschale bis Ende 2022 geplant
Bisher war die Homeoffice-Pauschale für die Jahre 2020 und 2021 befristet. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung ist eine Steueränderung für 2022 zur Homeoffice-Pauschale vorgesehen. Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie soll die Homeoffice-Pauschale auch im Jahr 2022 steuerlich abgesetzt werden.
Für die Kalenderjahre 2020 und 2021 können Arbeitnehmer bis zu fünf Euro für jeden Arbeitstag in der häuslichen Wohnung als Werbungskosten absetzen. Maximal gilt dies für 120 Tage, insgesamt also bis zu 600 Euro im Jahr. Die Homeoffice-Pauschale wird jedoch nicht zusätzlich zum Werbungskostenpauschbetrag gewährt. Daher können besonders diejenigen profitieren, die Werbungskosten von über 1.000 Euro haben. Allerdings entfällt für die Arbeitstage im Homeoffice die Fahrt zur Arbeitsstätte und somit die Pendlerpauschale.
BVL, Pressemitteilung v. 17.12.2021; NWB
20.12.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) informiert aktuell über neue steuerliche Regelungen, die zum 1.1.2022 in Kraft treten.
Informationen für Alleinerziehende
Höherer Entlastungsbetrag gilt unbefristet
Alleinerziehende werden bei der Lohn- und Einkommensteuer entlastet – mit einem besonderen Freibetrag, dem sogenannten Entlastungsbetrag. Um die außergewöhnliche Belastung von Alleinerziehenden während der Pandemie zu berücksichtigen, wurde der Entlastungsbetrag für die Jahre 2020 und 2021 mehr als verdoppelt: von ursprünglich 1.908 Euro auf nun 4.008 Euro jährlich. Als Zeichen für die Situation von Alleinerziehenden insgesamt gilt der Betrag ab dem Jahr 2022 nun unbefristet.
Informationen für Arbeitnehmer und Selbstständige
Der Grundfreibetrag wird erhöht
Das sog. Existenzminimum muss für alle steuerfrei sein. Dafür gibt es bei der Einkommensteuer den Grundfreibetrag. Nach einer Erhöhung von 9.408 Euro auf 9.696 Euro im Jahr 2021 wird er zum Jahr 2022 erneut angehoben: auf 9.984 Euro. So berücksichtigt die Bundesregierung die gestiegenen Lebenshaltungskosten in Deutschland. Der Höchstbetrag für den Abzug von Unterhaltsleistungen wird ab dem 1.1.2022 ebenfalls entsprechend erhöht.
Die kalte Progression wird weiter abgebaut
Eine Gehaltserhöhung, also eine Lohnsteigerung, soll sich auch im Geldbeutel von Arbeitnehmer bemerkbar machen. Deshalb wird der Einkommensteuertarif für das Jahr 2022 so angepasst, dass der Effekt der sog. kalten Progression ausgeglichen wird. Das bedeutet: Löhne und Gehälter werden nicht höher besteuert, insoweit ihr Anstieg lediglich die Inflation ausgleicht.
Steuerfreier Bonus kann weiter ausgezahlt werden
Um den oftmals erschwerten Bedingungen in der Pandemie Rechnung zu tragen, hat die Bundesregierung den Arbeitgebern eine besondere Zuwendung für ihre Mitarbeitenden ermöglicht: Bonuszahlungen (Beihilfen und Unterstützungen) in Höhe von bis zu 1.500 Euro können seit dem 1.3.2020 steuerfrei ausgezahlt werden. Diese Regelung gilt noch bis zum 31.3.2022.
Informationen für Unternehmen und Selbstständige in Pandemiezeiten
Coronahilfen gehen in die Verlängerung
Unternehmen und Soloselbstständige können mit der Verlängerung der Coronahilfen bis Ende März 2022 umfassende Unterstützung in Anspruch nehmen, wenn sie unter coronabedingten Einschränkungen leiden:
Überbrückungshilfe IV für Unternehmen und Soloselbstständige: bis zu 90 Prozent Fixkostenerstattung
Verbesserter Eigenkapitalzuschuss für Unternehmen, die besonders schwer von coronabedingten Schließungen betroffen sind
Neustarthilfe für Soloselbstständige: weiterhin bis zu 1.500 Euro pro Monat an direkten Zuschüssen.
Darüber hinaus gelten auch wesentliche Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2022. Zudem wurden die Antragsfrist für das KfW-Sonderprogramm bis zum 30.4.2022 verlängert sowie geltende Kreditobergrenzen erneut erhöht. Damit steht das Programm Unternehmen aller Größen und Branchen zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs zur Verfügung.
Mehr Zeit für geplante Investitionen
Planen kleinere Unternehmen innerhalb der kommenden drei Jahre die Anschaffung von Maschinen o. ä., können sie mit dem sog. Investitionsabzugsbetrag einen Teil der Kosten bereits jetzt bei der Gewinnermittlung abziehen. Wegen der Coronakrise konnten viele Unternehmen jedoch nicht wie geplant investieren, weshalb ihnen nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist die rückwirkende Abwicklung des Investitionsabzugsbetrags drohte. Für begünstigte Investitionen mit Frist bis Ende 2020 wurde daher bereits eine Verlängerung bis Ende 2021 vereinbart. Diese Frist wird nun nochmals um ein Jahr bis Ende 2022 verlängert. So können Unternehmen ihre Investitionen ohne negative steuerliche Folgen nachholen.
Informationen für Grundstückseigentümer
Grundsteuerreform: Stichtag für den Stand von Angaben
Zum 1.1.2025 wird die neue Grundsteuer als unbürokratische, faire und verfassungsfeste Regelung in Kraft treten. Damit werden auch die Einheitswerte als bisherige Berechnungsgrundlage der Grundsteuer ihre Gültigkeit verlieren. An deren Stelle tritt dann in allen Bundesländern, die keine abweichenden Regelungen getroffen haben, der Grundsteuerwert. Ermittelt wird er vom jeweils zuständigen Finanzamt anhand einiger weniger Angaben, die Grundstückseigentümer ihrem Finanzamt mitteilen. Stichtag für den Stand dieser Angaben ist der 1.1.2022. Zu diesem Stichtag müssen Eigentümer aber zunächst nichts unternehmen. Sie werden voraussichtlich Ende März 2022 mit öffentlicher Bekanntmachung weiter informiert.
Allgemeine Informationen
Stärkung des Gesundheits- und Jugendschutzes mit angepasster Tabaksteuer
Von E-Zigaretten bis hin zu „Heat-not-Burn-Produkten“ – der Tabakwarenmarkt sowie das Konsumverhalten haben sich verändert. Deshalb passen wir die Tabaksteuertarife zum 1.1.2022 an – und um so auch den Gesundheits- und Jugendschutz zu stärken. Die Steuer auf Zigaretten und Feinschnitt wird bis 2026 in vier Stufen angehoben. Daneben wird die Besteuerung von erhitztem Tabak („Heat-not-Burn-Produkte“) sowie Substanzen, die in E-Zigaretten konsumiert werden, angepasst. Wasserpfeifentabak unterliegt zukünftig ebenfalls einer angepassten, höheren Besteuerung.
BMF online, Meldung v. 20.12.2021; NWB
20.12.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) informiert über die Reform der Grundsteuer.
Hintergrund: Zum 1.1.2025 werden die neuen Grundsteuerregelungen in Kraft treten. Damit verliert der Einheitswert als Berechnungsgrundlage seine Gültigkeit. Die Mehrzahl der Bundesländer folgt bei der Reform dem Bundesmodell.
Hierzu führt das BMF u.a. weiter aus:
Auf der Grundlage des reformierten Grundsteuer- und Bewertungsrechts sind für alle rund 36 Millionen wirtschaftliche Einheiten des Grundbesitzes neue Bemessungsgrundlagen für Zwecke der Grundsteuer ab dem Kalenderjahr 2025 zu ermitteln.
Das bisherige Verfahren zur Ermittlung der Grundsteuer bleibt erhalten:
Grundsteuerwert x Steuermesszahl x Hebesatz = Grundsteuer
Grundsteuerwert: ermittelt das Finanzamt anhand einer Feststellungserklärung
Steuermesszahl: gesetzlich festgelegt
Hebesatz: legt Stadt beziehungsweise Gemeinde fest
Die Mehrzahl der Bundesländer setzt die neue Grundsteuer nach dem sogenannten Bundesmodell um, das mit dem Grundsteuer-Reformgesetz eingeführt wurde. Im Bereich der sogenannten Grundsteuer A (land- und forstwirtschaftliches Vermögen / Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) setzen die meisten Länder das Bundesmodell um. Im Bereich der sogenannten Grundsteuer B (Grundvermögen / Grundstücke) weichen die Länder Saarland und Sachsen lediglich bei der Höhe der Steuermesszahlen vom Bundesmodell ab. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen wenden hingegen ein eigenes Grundsteuermodell an.
Feststellungserklärung zur Ermittlung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022
In einer Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 sind neue Grundsteuerwerte festzustellen, die der Grundsteuer ab dem Kalenderjahr 2025 zugrunde gelegt werden.
Für Wohngrundstücke sind hierzu im Wesentlichen folgende Angaben erforderlich:
Lage des Grundstücks
Grundstücksfläche
Bodenrichtwert
Gebäudeart
Wohnfläche
Baujahr des Gebäudes
Diese Angaben übermitteln Grundstückseigentümer in einer Feststellungserklärung ihrem Finanzamt. Entscheidend für alle Angaben ist dabei der Stand zum Stichtag 1.1.2022.
Wichtig: Grundstückseigentümer müssen nicht bereits zum 1.1.2022 aktiv werden. Die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung wird voraussichtlich Ende März 2022 durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Die elektronisch abzugebenden Feststellungserklärungen können ab 1.7.2022 über die Steuer-Onlineplattform ELSTER eingereicht werden. Die Abgabefrist läuft nach derzeitigem Stand bis zum 31.10.2022.
Die Länder werden die rechtzeitige und vollständige Erklärungsabgabe mit weiteren Informationen unterstützen.
Grundsteuerwertbescheid und Grundsteuermessbescheid
Anhand der Angaben in der Grundsteuererklärung berechnet das Finanzamt den Grundsteuerwert und stellt einen Grundsteuerwertbescheid aus. Außerdem berechnet das Finanzamt anhand einer gesetzlich festgeschriebenen Steuermesszahl den Grundsteuermessbetrag und stellt einen Grundsteuermessbescheid aus.
Beide Bescheide sind keine Zahlungsaufforderungen. Sie sind die Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer durch die Stadt oder Gemeinde. Den Städten und Gemeinden stellt das Finanzamt elektronisch die Daten zur Verfügung, die für die Berechnung der Grundsteuer erforderlich sind.
Grundsteuerbescheid von Stadt oder Gemeinde
Anhand der übermittelten Daten ermittelt dann abschließend die Stadt beziehungsweise Gemeinde die zu zahlende Grundsteuer. Dazu multipliziert sie den Grundsteuermessbetrag mit dem Hebesatz, der von der Stadt beziehungsweise Gemeinde festgelegt wird. Daraus ergibt sich die zu zahlende Grundsteuer, die als Grundsteuerbescheid in der Regel an den beziehungsweise die Eigentümer gesendet wird.
Der Hebesatz soll durch die Städte und Gemeinden so angepasst werden, dass die Grundsteuerreform für die jeweilige Stadt oder Gemeinde möglichst aufkommensneutral ist. Für die einzelnen Steuerpflichtigen kann sich die Höhe der Grundsteuer jedoch ändern.
Hinweis: Die neu berechnete Grundsteuer ist ab dem Jahr 2025 auf Grundlage des Grundsteuerbescheides zu zahlen, bis dahin gelten bestehende Regelungen fort.
BMF online, Meldung v. 20.12.2021; NWB
20.12.2021
Zwar kann eine Lohnsteueranrufungsauskunft unter den gleichen Voraussetzungen geändert oder aufgehoben werden, die für eine verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung gelten. Eine Aufhebung ist aber jedenfalls dann rechtswidrig, wenn die erteilte Lohnsteueranrufungsauskunft rechtmäßig war.
Hintergrund: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können beim Finanzamt hinsichtlich lohnsteuerlicher Fragen eine sog. Anrufungsauskunft beantragen. Das Finanzamt erteilt dann eine Anrufungsauskunft, so dass die Beteiligten dann wissen, ob z.B. bestimmte Vergütungen lohnsteuerpflichtig sind oder wann die Lohnsteuer entsteht und einzubehalten ist.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine AG. Sie bot ihren Führungskräften ein erfolgsabhängiges Vergütungsprogramm an. Danach sollten die Arbeitnehmer eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten, wenn der Geschäftserfolg in einem vierjährigen Zeitraum den Geschäftserfolg aus dem vorherigen vierjährigen Zeitraum in einem bestimmten Maß überschritt. Die Klägerin war der Auffassung, dass es sich um Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit handelt, die tarifbegünstigt besteuert werden. Sie beantragte daher beim Finanzamt im Jahr 2011 eine Lohnsteueranrufungsauskunft zur Tarifbegünstigung, die das Finanzamt antragsgemäß erteilte. Im April 2017 hob das Finanzamt die Anrufungsauskunft mit Wirkung für die Zukunft auf und begründete dies damit, dass die erteilte Anrufungsauskunft rechtswidrig gewesen sei; denn tatsächlich habe es sich um nicht begünstigte Bonuszahlungen gehandelt. Hiergegen wandte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Der Gesetzgeber hat zwar die Lohnsteueranrufungsauskunft geregelt, nicht aber ihre Änderung oder Aufhebung. Jedoch gibt es eine Regelung zur Aufhebung oder Änderung einer verbindlichen Auskunft im Anschluss an eine Außenprüfung, die entsprechend angewendet werden kann.
Danach kann auch eine Lohnsteueranrufungsauskunft grundsätzlich aufgehoben oder geändert werden. Allerdings muss das Finanzamt sein Ermessen fehlerfrei ausüben. Hierzu gehört die Abwägung des Vertrauens des Arbeitgebers in die erteilte Anrufungsauskunft mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der die Durchsetzung des zutreffenden Rechts verlangt.
Im Streitfall hat das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da die erteilte Anrufungsauskunft rechtmäßig war. Die erfolgsabhängige Vergütung wurde nämlich für eine vierjährige Tätigkeit und damit für eine mehrjährige Tätigkeit bezahlt. Es kommt nicht darauf an, dass die Vergütungen jährlich ausgezahlt wurden.
Hinweise: Die Lohnsteueranrufungsauskunft wird gebührenfrei erteilt. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber der verbindlichen Auskunft, für die eine Gebühr abhängig von der Höhe des Streitwerts festgesetzt wird. Der Grund für die Möglichkeit einer Lohnsteueranrufungsauskunft liegt darin, dass der Arbeitgeber mit dem Einbehalt und der Abführung der Lohnsteuer quasi staatliche Aufgaben wahrnimmt und deshalb „fachlichen Rat“ bei lohnsteuerlichen Fragen erhalten soll; auch der Arbeitnehmer hat diese Möglichkeit. Stellt sich später die Fehlerhaftigkeit einer Lohnsteueranrufungsauskunft heraus, kann der Arbeitgeber nicht durch einen Haftungsbescheid für die nicht einbehaltene Lohnsteuer in Anspruch genommen werden.
BFH, Urteil v. 2.9.2021 - VI R 19/19; NWB
17.12.2021
Spenden einer GmbH an eine gemeinnützige Stiftung können zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen und sind dem Einkommen der GmbH wieder hinzuzurechnen, wenn es sich bei der Stiftung um eine dem Gesellschafter nahestehende Person handelt. Dies kann der Fall sein, wenn die Stiftung von den Gesellschaftern der GmbH gegründet worden ist und die Gesellschafter auch Vorstandsvorsitzende der Stiftung sind sowie selbst an die Stiftung spenden.
Hintergrund: Vermögensminderungen einer GmbH, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, stellen verdeckte Gewinnausschüttungen dar, die dem Einkommen der GmbH wieder hinzugerechnet werden. Eine GmbH kann unter bestimmten Voraussetzungen 20 % ihres Einkommens oder 4 Promille der Summe ihrer gesamten Umsätze und ihrer im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter an gemeinnützige Körperschaften spenden.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, an der die Eheleute B und C beteiligt waren; außerdem war B treuhänderisch für D (Treugeber) beteiligt. Im Jahr 2009 gründeten B und C als einzige Stifter die gemeinnützige A-Stiftung. B und C waren zudem Vorstandsmitglieder, während D Vorsitzender des Stiftungsvorstands war. Satzungszweck der A-Stiftung war die Förderung der Kunst und Kultur; hierzu wollte die A-Stiftung die von B und C eingebrachten Kunstwerke als Dauerleihgabe zwei Kunstmuseen zur Verfügung stellen. B und C spendeten als Privatpersonen im Jahr 2009 Kunstwerke an die A-Stiftung und überschritten dabei die steuerliche Grenze für Spenden, so dass für sie ein Spendenvortrag festgestellt wurde. Die Klägerin spendete im Jahr 2009 ebenfalls Kunstwerke an die A-Stiftung und machte die Aufwendungen hierfür als Spenden steuerlich geltend. Das Finanzamt sah in den Aufwendungen der Klägerin für die gespendeten Kunstwerke verdeckte Gewinnausschüttungen und rechnete sie als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Einkommen der Klägerin hinzu.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Aufwendungen für die gespendeten Kunstwerke waren durch das Gesellschaftsverhältnis zu den Eheleuten B und C veranlasst und daher als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Einkommen der Klägerin hinzuzurechnen.
Zwar wurden die Kunstwerke nicht den Gesellschaftern B und C zugewendet. Für eine verdeckte Gewinnausschüttung genügt es aber, wenn die Zuwendung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person geleistet wird.
Die A-Stiftung war eine den Gesellschaftern B und C nahestehende Person. Ein derartiges Näheverhältnis kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Es kann auch zwischen einem Gesellschafter und einer gemeinnützigen Stiftung bestehen.
Im Streitfall bestand ein Näheverhältnis zwischen den Gesellschaftern B und C einerseits sowie der A-Stiftung andererseits. Denn die Stiftung wurde von den Eheleuten B und C gegründet, und die Eheleute B und C waren Vorstandsmitglieder der Stiftung. Außerdem spendeten die Eheleute B und C persönlich an die A-Stiftung, und zwar über ihre steuerlichen Höchstbeträge hinaus. Schließlich spendete die Klägerin vorrangig an die A-Stiftung, aber nur in geringem Umfang an andere gemeinnützige Körperschaften.
Hinweise: Für ein Näheverhältnis zwischen Gesellschafter und gemeinnütziger Einrichtung genügt es nicht, dass der Gesellschafter die ideellen Ziele der gemeinnützigen Einrichtung teilt. Anderenfalls wäre ein Spendenabzug bei einer GmbH kaum denkbar.
Die verdeckte Gewinnausschüttung führt im Streitfall dazu, dass sich das Einkommen der Klägerin (GmbH) nicht durch die Aufwendungen für die gespendeten Kunstwerke mindert. Außerdem müssen die Eheleute B und C die verdeckten Gewinnausschüttungen nun als Kapitaleinkünfte versteuern, und zwar grundsätzlich mit der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 %.
BFH, Beschluss v. 13.7.2021 - I R 16/18; NWB
16.12.2021
Hat ein Beschenkter den Gegenstand unter einer sog. aufschiebend bedingten Last erhalten, so dass er bei Eintritt der Bedingung einem Dritten eine Rente zahlen muss, richtet sich die Bewertung dieser Rente, die vom Wert der Schenkung abgezogen werden kann, nach der voraussichtlichen Lebenserwartung des begünstigten Dritten am Tag des Bedingungseintritts. Der sich danach ergebende Wert ist nicht für den Zeitraum zwischen Schenkung und Bedingungseintritt abzuzinsen.
Hintergrund: Die Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer ist der Wert der Schenkung. Ist die Schenkung mit einer Belastung versehen wie z. B. einem Nießbrauch, wird diese Belastung vom Wert abgezogen. Mitunter steht die Belastung aber unter einer aufschiebenden Bedingung wie z. B. dem Tod des Schenkers; der Beschenkte ist dann erst mit dem Tod des Schenkers belastet.
Sachverhalt: Die Klägerin war die Ehefrau des verstorbenen O, der am 23.12.2004 eine Kommanditbeteiligung der gemeinsamen Tochter T geschenkt hatte; allerdings war T nach dem Schenkungsvertrag verpflichtet, nach dem Tod des O an die Klägerin eine monatliche Rente von 4.000 € zahlen. Der O übernahm die Schenkungsteuer, so dass das Finanzamt im Jahr 2010 einen Schenkungsteuerbescheid gegenüber O erließ und diese nach dem Wert der Kommanditbeteiligung bemaß; die Rentenverpflichtung wurde in diesem Bescheid nicht vom Wert abgezogen.
Im Januar 2016 starb O, und T zahlte nunmehr eine monatliche Rente in Höhe von 4.000 € an die Klägerin. Die zu diesem Zeitpunkt 78 Jahre alte Klägerin beantragte in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin des O nunmehr den Abzug der jährlichen Rentenverpflichtung von 48.000 € mit einem sich bei einem Alter von 78 Jahren ergebenden Vervielfältiger von 8,034, d.h. mit 385.632 €. Das Finanzamt zinste die Rentenverpflichtung jedoch für den Zeitraum vom Schenkungstag (23.12.2004) bis zum Todestag (Januar 2016) ab und zog daher nur 213.100 € vom Schenkungswert ab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Rentenverpflichtung mindert den Wert der Bereicherung der T und mindert daher auch die Bemessungsgrundlage der Schenkung des O an die T.
Der Wert der abzuziehenden Rentenverpflichtung ist mit dem gesetzlichen Vervielfältiger zu ermitteln, der vom Alter des Rentenberechtigten im Zeitpunkt des Bedingungseintritt, d.h. des Todes des O, abhängig ist. Die Rente sollte nämlich erst gezahlt werden, wenn O stirbt. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, also O nicht gestorben ist, ist die Rentenverpflichtung schwebend unwirksam. Aufgrund des Alters von 78 Jahren der rentenberechtigten Klägerin im Zeitpunkt des Todes des O ergab sich damit ein Vervielfältiger von 8,034 und damit ein Kapitalwert von 385.632 €.
Dieser Kapitalwert war für den Zeitraum vom Schenkungstag bis zum Todestag nicht abzuzinsen. Eine Abzinsung kommt nur dann in Betracht, wenn die Verpflichtung zu einem späteren Zeitpunkt fällig ist. Die Rentenverpflichtung war nach ihrer Entstehung am Todestag des O aber sofort zu erfüllen. Im Zeitpunkt der Schenkung im Jahr 2004 war die Rentenverpflichtung hingegen noch nicht entstanden und konnte deshalb nicht abgezinst werden.
Hinweise: Entstehen Verpflichtungen erst aufgrund eines Bedingungseintritts, sollte daran gedacht werden, nach dem Bedingungseintritt einen Antrag auf Änderung des Schenkungsteuerbescheids zu stellen. Dieser Antrag kann bis zum Ablauf des Folgejahres gestellt werden, im Streitfall also bis zum 31.12.2017.
BFH, Urteil v. 15.7.2021 - II R 26/19; NWB
15.12.2021
Der Bundesfinanzhof (BFH) richtet an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen zur Umsatzsteuer eines Reitstallbetreibers. Dabei geht es um die Beteiligung des Reitstallbetreibers an etwaigen Preisgeldern der bei ihm untergestellten und bei Turnieren eingesetzten Pferde, die den Eigentümern gehören. Der BFH hält es für denkbar, dass die Beteiligung am Preisgeld ein Entgelt für die Unterbringung und Pflege der Pferde darstellt, das der Umsatzsteuer unterliegt.
Hintergrund: Nach der Rechtsprechung unterliegt ein Preisgeld, das ein Pferd oder ein Pokerspieler bei einem Wettbewerb gewinnt, nicht der Umsatzsteuer. Anders ist dies bei einem Antrittsgeld, das unabhängig von der Platzierung für die Teilnahme an dem Turnier gezahlt wird.
Sachverhalt: Der Kläger betreibt einen Ausbildungsstall für Turnierpferde. Die Eigentümer der Turnierpferde stellen die Pferde in dem Reitstall des Klägers unter, wo sie vom Kläger professionell gepflegt, ausgebildet und auf Turnieren eingesetzt werden. Die Eigentümer tragen die Kosten für die Unterbringung, den Arzt und Hufschmied sowie für den Transport und die Turniere. Der Kläger trägt hingegen die Kosten, die auf ihn als Reiter entfallen (Reisekosten). Außerdem erhält der Kläger 50 % der gewonnenen Preisgelder. Das Finanzamt besteuerte den Anteil des Klägers an den Preisgeldern in den Streitjahren 2007 bis 2012 mit dem damals gültigen Regelsteuersatz der Umsatzsteuer.
Entscheidung: Der BFH hat ein sog. Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet:
Zwar unterliegt ein Preisgeld nicht der Umsatzsteuer. Der Kläger hat aber von den Turnierveranstaltern kein Preisgeld erhalten, sondern von den Eigentümern der Pferde einen Anteil an den gewonnen Preisgeldern.
Zu klären ist, ob die Umsatzsteuerbarkeit auch dann zu verneinen ist, wenn der Eigentümer des Pferdes einen Anteil an dem Preisgeld an den Betreiber des Reitstalls weiterreicht.
Es ist nicht klar, ob die fehlende Umsatzsteuerbarkeit eines Preisgelds in dem bislang vom EuGH entschiedenen Fall daraus resultiert, dass der Eigentümer keine Leistung an den Turnierveranstalter erbringt oder dass das Preisgeld kein Entgelt für den Eigentümer ist. Sollte der EuGH eine Leistung verneint haben, würde sich der aktuelle Fall hiervon unterscheiden; denn der Kläger hat gegenüber den Eigentümern durchaus eine Leistung erbracht, indem er die Pferde untergebracht, gepflegt und ausgebildet hat. Sollte hingegen das Preisgeld kein Entgelt sein, wäre der Klage stattzugeben.
Hinweise: Bislang ging es immer um die unmittelbare Beziehung zwischen Turnierveranstalter und Pferdeeigentümer; in diesen Fällen ist das Preisgeld nicht umsatzsteuerbar. Im Streitfall ist hingegen noch der Reitstallbetreiber (Kläger) beteiligt, der das Pferd des Eigentümers unterbringt und pflegt.
Für eine Umsatzsteuerbarkeit könnte die wirtschaftliche und geschäftliche Realität sprechen, die bei der Umsatzsteuer zu berücksichtigen ist. Da der Kläger nur Turnierpferde unterbringt und diese auch trainiert, dürfte der Kläger ebenso wie die Eigentümer der Pferde die Preisgelder in seine Kalkulation einbeziehen und von Turnierfolgen in einem bestimmten Umfang ausgehen. Dies spräche dann für die Umsatzsteuerbarkeit der Anteile an den Preisgeldern.
BFH, Beschluss v. 27.7.2021 - V R 40/20; NWB
14.12.2021
Die Vererbung einer Doppelhaushälfte, die vom Erblasser selbst genutzt wurde und neben der vom Erben genutzten anderen Doppelhaushälfte liegt, ist erbschaftsteuerfrei, wenn der Erbe die geerbte Doppelhaushälfte mit seiner bereits vorhandenen Doppelhaushälfte verbindet und er die geerbte Doppelhaushälfte zur unverzüglichen Selbstnutzung bestimmt. Dies setzt grundsätzlich eine Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten voraus, es sei denn, es sind gravierende Baumängel vorhanden und der Erbe bemüht sich um eine Beseitigung der Mängel in angemessener Weise.
Hintergrund: Die Vererbung eines Familienheims, d. h. einer vom Erblasser selbst genutzten Immobilie, ist erbschaftsteuerfrei, wenn der Erbe die Immobilie unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt und soweit das Familienheim eine Wohnfläche von 200 m² nicht übersteigt.
Sachverhalt: Der Kläger und sein Vater lebten in einem Doppelhaus und bewohnten jeweils eine Hälfte. Der Vater starb im Oktober 2013 und vererbte seine Doppelhaushälfte an den Kläger. Der Kläger verband beide Hälften miteinander und begann im Herbst 2014 mit der Entrümpelung, nutzte die geerbte Doppelhaushälfte aber zunächst noch nicht selbst, da in der geerbten Doppelhaushälfte Feuchtigkeitsschäden entdeckt wurden. Erst ab August 2016 nutzte der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte zu eigenen Wohnzwecken. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung, weil der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte nicht unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt hatte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Grundsätzlich kann die geerbte Doppelhaushälfte erbschaftsteuerfrei sein. Denn der Vater des Klägers hatte sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt, und der Kläger verband die geerbte Doppelhaushälfte mit der eigenen, selbstgenutzten Doppelhaushälfte.
Allerdings muss noch aufgeklärt werden, ob die geerbte Doppelhaushälfte unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt wurde und damit als Familienheim dienen sollte. Hierfür genügt es nicht, dass die geerbte Doppelhaushälfte zunächst nur als Lagerplatz und lediglich der Garten genutzt wurde. Vielmehr musste der Kläger die geerbte Immobilie grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten selbst nutzen.
Erfolgt die Selbstnutzung erst nach Ablauf von sechs Monaten, ist dies nur dann unschädlich, wenn dem Erben eine Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich war. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich nach Beginn der Renovierung ein gravierender Baumangel zeigt, der vor dem Einzug beseitigt werden muss. Es genügt dann, wenn der Erbe die erforderlichen Bauarbeiten unverzüglich in Auftrag gibt. Verzögern sich dann die Baumaßnahmen, weil die Handwerker ausgelastet sind, ist dies dem Erben nicht anzulasten. Der Erbe ist nicht verpflichtet, einen unverhältnismäßigen Aufwand zu betreiben, um den Mangel zu beseitigen.
Auch bei Entdeckung eines größeren Baumangels muss der Erbe aber grundsätzlich zeitnah mit der Entrümpelung beginnen. Eine spätere Entrümpelung ist nur dann unschädlich, wenn sie nicht zu einer Verzögerung bei der Selbstnutzung führt, weil ohnehin erst der Baumangel beseitigt werden muss.
Hinweise: Das FG muss nun aufklären, ob der Kläger die Beseitigung der Feuchtigkeit nach der Verkehrsanschauung angemessen gefördert hat. Er ist nicht verpflichtet, alles technisch Denkbare wie z.B. Trocknungsgeräte einzusetzen, um den Mangel schnellstmöglich zu beseitigen. Der BFH macht deutlich, dass kein allzu strenger Maßstab bei der Beseitigung von Baumängeln an einer geerbten Immobilie angelegt werden darf. Es kommt auf die Verkehrsanschauung an, so dass eine angemessene Förderung des Baufortschritts genügt.
Sollte im Streitfall eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung zu bejahen sein, muss das FG noch prüfen, ob die geerbte Doppelhaushälfte eine Fläche von mehr als 200 m² aufwies. Falls ja, wäre die Steuerfreiheit nur teilweise zu gewähren, bei einer Fläche von 300 m² also nur zu 2/3.
BFH, Urteil v. 6.5.2021 - II R 46/19; NWB
13.12.2021
Die gesetzliche Gewerbesteuerbefreiung für Altenheime und Pflegeeinrichtung erfasst nur den Gewinn aus dem Betrieb der Pflegeeinrichtung selbst. Die Gewerbesteuerbefreiung gilt aber nicht für Gewinne aus weiteren Tätigkeiten der Einrichtung wie z.B. aus einer Finanzierungstätigkeit.
Hintergrund: Nach dem Gesetz sind verschiedene Einrichtungen wie Altenheime, Altenwohnheime oder Pflegeeinrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Gewerbesteuer befreit.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH und betrieb eine Pflegeeinrichtung. Anlässlich eines Verkaufs der Anteile an der Klägerin durch die bisherige Alleingesellschafterin an den Erwerber X finanzierte die Klägerin den Erwerb der GmbH-Anteile durch X, indem sie bei einer Bank ein Darlehen aufnahm und dieses an X weiterreichte. Die Klägerin erzielte hierdurch in den Streitjahren 2009 bis 2011 einen Gewinn von jeweils mehreren Tausend Euro, den sie als gewerbesteuerfrei behandelte. Das Finanzamt sah die Zinsgewinne als gewerbesteuerpflichtig an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Zwar sind Pflegeeinrichtungen und vergleichbare Einrichtungen von der Gewerbesteuer befreit. Diese Befreiung ist aber keine persönliche Steuerbefreiung, die den gesamten Gewerbeertrag der Einrichtung steuerfrei stellt. Vielmehr erfasst die Befreiung nur den Gewerbeertrag, der aus dem Betrieb der Pflegeeinrichtung selbst erzielt wird. Ansonsten würde der Betrieb einer Pflegeeinrichtung genügen, damit ein Gewerbebetrieb überhaupt keine Gewerbesteuer bezahlen muss.
Der Gewerbeertrag aus der Finanzierungstätigkeit ist gewerbesteuerpflichtig. Es handelt sich um eine von der Pflegetätigkeit trennbare und unterscheidbare Tätigkeit, die nicht unmittelbar mit der Pflegetätigkeit verbunden war und die auch nicht die Pflegetätigkeit der Klägerin verbesserte.
Die Gewerbesteuerpflicht für die Finanzierungstätigkeit setzt nicht voraus, dass diese Tätigkeit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellte oder sie den Wettbewerb beeinträchtigte.
Hinweise: Der BFH schränkt die gesetzliche Gewerbesteuerbefreiung auf den Bereich ein, der vom Gesetzgeber genannt wird, also auf die Pflegetätigkeit. Die Befreiung für Pflegeeinrichtungen soll nämlich den Sozialversicherungsträger entlasten, der der Pflegeeinrichtung die Kosten erstattet.
Ebenfalls nicht gewerbesteuerfrei ist der Verkauf von Getränken an die Bewohner der Pflegeeinrichtung oder die Vermietung von Telefonen an die Heimbewohner. Dies hat der BFH bereits in einem früheren Urteil entschieden.
BFH, Urteil v. 1.9.2021 - III R 20/19; NWB
10.12.2021
Bei der Ermittlung der Haftungsquote im Rahmen einer Inanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers durch Haftungsbescheid ist eine zurückzuzahlende Corona-Soforthilfe nicht zu berücksichtigen. Denn dieser Betrag war zweckgebunden und durfte nicht für die Bezahlung von Steuerschulden verwendet wurden.
Hintergrund: Der Geschäftsführer einer GmbH oder UG haftet für die Steuerschulden der Gesellschaften, wenn die Gesellschaft ihre Steuerschulden nicht bezahlt. Er kann dann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dabei gilt der Grundsatz der anteiligen Tilgung: Der Geschäftsführer haftet also nur in dem Umfang, in dem dritte Gläubiger befriedigt wurden. Das Finanzamt soll nämlich nicht besser gestellt werden als dritte Gläubiger.
Sachverhalt: Die Antragstellerin war Geschäftsführerin einer UG, die nach den Feststellungen des Außenprüfers in den Jahren 2016 bis 2018 verdeckte Gewinnausschüttungen an die Antragstellerin in Gestalt überhöhter Gehaltszahlungen geleistet hatte. Das Finanzamt setzte daraufhin im Juli 2020 Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2016 bis 2018 gegenüber der UG fest, die diese nicht bezahlte. Vielmehr wurde am 24.3.2021 über das Vermögen der UG das Insolvenzverfahren eröffnet. Die UG hatte am 1.4.2020 eine Corona-Soforthilfe i. H. von 9.000 € erhalten und hiervon am 28.12.2020 einen Teilbetrag in Höhe von 2.338 € zurückzahlen müssen, da dieser Teilbetrag über den Fixkosten lag. Das Finanzamt erließ gegenüber der Antragstellerin einen Haftungsbescheid für den Zeitraum vom 17.8.2020 bis zum 24.3.2021 und setzte eine Tilgungsquote von ca. 62 % an; dabei berücksichtigte es sowohl bei der Ermittlung der zu tilgenden Verbindlichkeiten als auch bei den getilgten Verbindlichkeiten die zurückzuzahlende Corona-Soforthilfe in Höhe von 2.338 €.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) gab dem Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides weitgehend statt:
Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid dem Grunde nach vor. Die Antragstellerin war Geschäftsführerin der UG und damit verantwortlich für die Bezahlung der betrieblichen Steuern der UG; diese Pflicht hat sie verletzt. Die Steuern waren aufgrund der Außenprüfung festgesetzt worden, und die Antragstellerin kann nicht geltend machen, dass die Steuern zu hoch sind; denn als Geschäftsführerin hätte sie gegen die Steuerfestsetzungen Einspruch einlegen und Klage erheben können.
Die Haftung ist nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung aber auf die Quote beschränkt, in der die UG die Forderungen dritter Gläubiger getilgt hat. Diese Quote betrug nicht ca. 62 %, sondern gerundet nur 35 %. Entgegen der Auffassung des Finanzamts kann nämlich der zurückzuzahlende Teilbetrag der Corona-Soforthilfe weder bei der Ermittlung der zu tilgenden Verbindlichkeiten noch bei der Ermittlung der bezahlten Verbindlichkeiten berücksichtigt werden. Dieser Betrag war nämlich zweckgebunden und nicht pfändbar. Er durfte daher nicht für die Bezahlung der Steuerschulden verwendet werden.
Statt einer Haftungsschuld in Höhe von ca. 5.400 € ergab sich somit nur eine Haftungsschuld von 1.700 €, so dass bezüglich des Differenzbetrags die Vollziehung auszusetzen war. Die Antragstellerin konnte sich hinsichtlich der Haftungsschuld von 1.700 € nicht darauf berufen, dass sie aufgrund der coronabedingten Gesetzesänderungen nicht zu einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet war; denn die Pflicht zur vollständigen und pünktlichen Steuerzahlung wurde durch diese Neuregelungen nicht aufgehoben.
Hinweise: Es handelt sich um einen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz, also nicht um eine endgültige Entscheidung. Voraussichtlich wird es künftig noch weitere Rechtsstreitigkeiten in diesem Bereich geben, wenn die Unternehmen aufgrund der Corona-Krise in Insolvenz gehen und der Geschäftsführer für die Steuerschulden in Anspruch genommen werden soll. Hier kann es sich empfehlen, die Ermittlung der Tilgungsquote auch daraufhin zu überprüfen, ob das Finanzamt zweckgebundene Corona-Hilfen berücksichtigt hat, die nicht für die Bezahlung von Steuerschulden verwendet werden durften.
Der Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt nicht bei der Lohnsteuer. Hier kann der Geschäftsführer durchaus für die gesamte Lohnsteuer der GmbH bzw. UG in Anspruch genommen werden. Der Grund liegt darin, dass die GmbH als Arbeitgeberin die Lohnsteuer treuhänderisch für den Arbeitnehmer abführen muss.
FG Münster, Beschluss v. 15.10.2021 - 9 V 2341/21 K; NWB
09.12.2021
Stirbt ein Kommanditist und ist die Vererbung seines Kommanditanteils durch den Gesellschaftsvertrag zugunsten eines Abfindungsanspruchs ausgeschlossen, muss der Erbe bei der Erbschaftsteuer einen Abfindungsanspruch versteuern, der zu seinem Privatvermögen und nicht zum steuerlich begünstigten Betriebsvermögen gehört. Ist der Abfindungsanspruch höher als der steuerliche Wert des Anteils des verstorbenen Kommanditisten, wird die negative Differenz nicht bei der Erbschaftsteuer berücksichtigt.
Hintergrund: Stirbt der Gesellschafter einer Personengesellschaft, kann durch eine sog. Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, dass die Personengesellschaft durch die verbliebenen Gesellschafter fortgesetzt wird. Dem einzelnen verbleibenden Gesellschafter wächst dann im Umfang seiner Beteiligungsquote der Anteil des verstorbenen Gesellschafters an (sog. Anwachsung). Die Erben des verstorbenen Gesellschafters haben in diesem Fall aber einen Abfindungsanspruch gegen die Personengesellschaft.
Sachverhalt: Die Mutter des Klägers war Kommanditistin einer KG. Als sie starb, hinterließ sie vier Kinder, die ebenfalls an der KG beteiligt waren, und zwar bis zum Tod ihrer Mutter mit jeweils 20 % (ebenso wie ihre Mutter). Der Gesellschaftsvertrag der KG sah vor, dass im Todesfall die KG ohne die Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt wird; dafür sollte den Erben ein Abfindungsanspruch zustehen. Aufgrund des Todes der Mutter waren somit die vier Kinder, zu denen auch der Kläger gehörte, nun mit jeweils 25 % statt wie bislang mit 20 % beteiligt; der steuerliche Wert des Anteils der Mutter wurde auf 1,2 Mio. € festgestellt. Als Erben ihrer Mutter stand den vier Kindern ein Abfindungsanspruch in Höhe von 2 Mio. € zu. Der Kläger begehrte den Ansatz eines negativen Wertes bei der Erbschaftsteuer, indem er 1/4 der Differenz von 800.000 € (1,2 Mio. € steuerlicher Anteilswert abzüglich 2 Mio. € Abfindungsanspruch) geltend machte. Das Finanzamt setzte einen Abfindungsanspruch des Klägers von 500.000 € an, berücksichtigte aber keinen negativen Wert.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zum einen hat der Kläger im Wege der Anwachsung ein Viertel des Anteils seiner Mutter erlangt. Diese Anwachsung unterliegt jedoch nicht der Erbschaftsteuer, weil die Anwachsung auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erfolgt ist und nicht auf erbschaftsteuerlicher Grundlage. Denn zur Anwachsung kam es, weil im Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel vereinbart war, nach der die KG beim Tod eines Gesellschafters unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt wird.
Zum anderen steht dem Kläger ein anteiliger Abfindungsanspruch zu. Dieser gehört zum erbschaftsteuerlich relevanten Nachlass. Er ist dem Privatvermögen zuzuordnen und nicht dem steuerlich begünstigten Betriebsvermögen, da der Kläger den Abfindungsanspruch in seiner Eigenschaft als Erbe der verstorbenen Gesellschafterin, seiner Mutter, erworben hat.
Zum Betriebsvermögen würde der Abfindungsanspruch nur dann gehören, wenn der Kläger und seine Geschwister einen Anteil an der KG im Wege der Erbfolge – und nicht auf der Grundlage einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung – erworben hätten und für diesen Anteil nun einen Abfindungsanspruch erhielten.
Ein negativer Wert in Höhe der Differenz zwischen dem steuerlichen Wert des Anteils (1,2 Mio. x 25 % [Anteil des Klägers am steuerlichen Wert des Anteils] = 300.000 €) und dem Wert der Abfindung (2 Mio. € x 25 % [Anteil des Klägers an der Abfindung] = 500.000 €), mithin in Höhe von 200.000 €, ist erbschaftsteuerlich nicht zu berücksichtigen. Erbschaftsteuerlich kann nach dem Gesetz nur eine positive Differenz angesetzt werden, wenn nämlich der Anteil einen höheren steuerlichen Wert hat als die Abfindung und damit die verbliebenen Gesellschafter bereichert werden; in diesem Fall erfolgt eine Besteuerung, obwohl die Bereicherung, die bei den verbliebenen Gesellschaftern aufgrund der Anwachsung und der zu niedrigeren Abfindung eintritt, auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erfolgt. Eine Erweiterung dieser Regelung auf Fälle mit einer negativen Differenz, in denen die verbliebenen und fortsetzenden Gesellschafter zugleich auch Erben des verstorbenen Gesellschafters sind, kommt nicht in Betracht.
Hinweise: Der Abfindungsanspruch gehört auch nicht zum erbschaftsteuerlich begünstigten Sonderbetriebsvermögen, auch wenn es sich um eine Forderung gegen die Personengesellschaft handelt. Der Abfindungsanspruch hängt nämlich nicht wirtschaftlich mit dem Gesellschaftsverhältnis zusammen. Eine spätere Einlage in das Sonderbetriebsvermögen wäre unbeachtlich, weil bei der Erbschaftsteuer das Stichtagsprinzip gilt, d.h. es kommt auf den Todestag an.
Im Ergebnis wurde ein anteiliger Abfindungsanspruch in Höhe von 500.000 € (2 Mio. € x 25 % Anteil des Klägers) bei der Erbschaftsteuer angesetzt. Die Differenz zwischen dem anteiligen Abfindungsanspruch und dem anteiligen Wert des Anteils blieb außer Ansatz, weil sie negativ war.
BFH, Urteil v. 8.6.2021 - II R 2/19; NWB
08.12.2021
Ein Beschäftigter, der auf dem morgendlichen erstmaligen Weg vom Bett ins Homeoffice stürzt, ist durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Dies hat das Bundessozialgericht in letzter Instanz entschieden.
Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger befand sich auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro. Üblicherweise beginnt er dort unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken. Auf der Wendeltreppe rutschte er aus und brach sich einen Brustwirbel. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte Leistungen aus Anlass des Unfalls ab. Während das Sozialgericht den erstmaligen morgendlichen Weg vom Bett ins Homeoffice als versicherten Betriebsweg ansah, beurteilte das Landessozialgericht ihn als unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen Tätigkeit nur vorausgeht.
Entscheidung: Das Bundessozialgericht bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts der ersten Instanz und gab der Klage statt:
Der Kläger hat einen Arbeitsunfall erlitten, als er auf dem morgendlichen Weg in sein häusliches Büro stürzte.
Das Beschreiten der Treppe ins Homeoffice diente nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme und ist deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert.
Bundessozialgericht, Pressemitteilung vom 8.12.2021 zum Urteil vom 8.12.2021 - B 2 U 4/21 R; NWB
08.12.2021
Die Vererbung von Privatvermögen im Zeitraum vom 1.7.2016 bis 4.11.2016 unterliegt der Erbschaftsteuer. Soweit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 2014 das damalige Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt hat und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis zum 30.6.2016 aufgefordert hatte, die tatsächlich aber erst am 4.11.2016 mit Rückwirkung zum 1.7.2016 erfolgt ist, betraf dies nur die steuerlichen Begünstigungen für das Betriebsvermögen, nicht aber das Privatvermögen.
Hintergrund: Das BVerfG hatte im Jahr 2014 das damals gültige Erbschaftsteuergesetz wegen der zu großen Begünstigung von Betriebsvermögen als verfassungswidrig angesehen, jedoch eine sog. Fortgeltungsanordnung ausgesprochen. Danach sollte das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar sein. Daneben verpflichtete das BVerfG den Gesetzgeber, bis zum 30.6.2016 eine Neuregelung zu treffen. Der Gesetzgeber hat das neue Gesetz in der Folgezeit erst am 4.11.2016 beschlossen und seine Rückwirkung ab dem 1.7.2016 angeordnet.
Sachverhalt: Die Klägerin war Alleinerbin ihrer am 28.8.2016 verstorbenen Tante und erbte Geld. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest. Die Klägerin war der Auffassung, dass es am 28.8.2016 kein wirksames Erbschaftsteuergesetz gab, weil das alte Gesetz nur bis zum 30.6.2016 galt und das neue erst am 4.11.2016 in Kraft trat und die angeordnete Rückwirkung zum 1.7.2016 verfassungswidrig sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des alten Erbschaftsteuergesetzes durch das BVerfG führte nicht zu seiner Unanwendbarkeit bis zum 4.11.2016. Vielmehr war das alte Erbschaftsteuergesetz bis zum 4.11.2016 anwendbar, soweit es die Vererbung von Privatvermögen wie Geld betraf.
Aus dem Urteilsspruch des BVerfG zum alten Erbschaftsteuergesetz ergibt sich, dass das bisherige Gesetz bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar sein sollte; die Neuregelung kam erst am 4.11.2016. Eine darüber hinaus gehende Befristung enthielt das Urteil des BVerfG nicht.
Die an den Gesetzgeber gerichtete Verpflichtung, eine Neuregelung bis zum 30.6.2016 zu erlassen, ändert nichts daran, dass selbst bei Nichteinhaltung dieser Frist das bisherige Recht für das Privatvermögen weitergelten würde. Unbeachtlich ist, dass das BVerfG für den Fall einer Versäumnis dieser Frist keine Sanktionen angeordnet hatte.
Die Neuregelung vom 4.11.2016 und die damit verbundene Rückwirkung betraf nur das Betriebsvermögen, nicht aber das Privatvermögen, um das es im Streitfall ging.
Hinweise: Der Urteilsspruch des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit war misslungen und führte zu großer Rechtsunsicherheit. Denn es war nicht klar, was passieren würde, wenn der Gesetzgeber – wie dann tatsächlich auch geschehen – die Frist zum Erlass einer neuen Regelung nicht einhalten würde. Das BVerfG sah sich dann im Juli 2016, also kurz nach Ablauf der Frist, gezwungen, eine Pressemitteilung herauszugeben, in dem es unter Hinweis auf ein Schreiben des Vorsitzenden Richters des BVerfG-Senats darauf hinwies, dass es nach dem Sommer die Handlungsmöglichkeiten prüfen werde, z.B. den Erlass einer Vollstreckungsanordnung.
Der BFH erspart dem BVerfG jetzt die Peinlichkeit, im Bereich des Privatvermögens unfreiwillig für eine sog. Erbschaftsteuerpause gesorgt zu haben. Jedenfalls bei der Vererbung und Verschenkung von Privatvermögen gilt das bisherige Erbschaftsteuergesetz bis zum 4.11.2016 weiter. Eine verfassungsrechtliche Problematik infolge der Rückwirkung im Zeitraum vom 1.7.2016 bis zum 4.11.2016 kann sich nur bei der Vererbung oder Verschenkung von Betriebsvermögen ergeben.
Von einer erneuten Vorlage an das BVerfG sieht der BFH in seinem aktuellen Urteil ab. Zwar gilt nach Auffassung des BFH eine „nach wie vor sehr großzügige Begünstigung des Betriebsvermögens“; diese führt aber nicht zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung des Privatvermögens. Offengelassen hat der BFH, ob einzelne Normen der Neuregelung, soweit sie die steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen betreffen, gegen das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit und Klarheit verstoßen; denn auch dies würde nicht das hier streitige Privatvermögen betreffen.
BFH, Urteil v. 6.5.2021 - II R 1/19; NWB
07.12.2021
Hat der Unternehmer Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen und musste er sie deshalb an das Finanzamt abführen, kann er diesen Umsatzsteuerbetrag zu seinen Gunsten berichtigen, wenn der Rechnungsempfänger die zunächst geltend gemachte Vorsteuer wieder an das Finanzamt zurückzahlt. Für die Berichtigung des Umsatzsteuerbetrags kommt es auf den Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung nicht an.
Hintergrund: Umsatzsteuer, die unberechtigt in einer Rechnung ausgewiesen wird, muss an das Finanzamt abgeführt werden. Der Rechnungsempfänger darf die Umsatzsteuer an sich nicht als Vorsteuer geltend machen; in der Praxis geschieht dies aber dennoch häufig. Der Rechnungsaussteller darf den Umsatzsteuerbetrag, den er an das Finanzamt abführen musste, zu seinen Gunsten berichtigen, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wird.
Sachverhalt: Es bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem H als Organträger und der L-AG als Organgesellschaft. Sowohl H als auch die L-AG stellten der A-KG in den Jahren 2006 bis 2008 Rechnungen über nicht erbrachte Leistungen aus und wiesen in den Rechnungen unberechtigt Umsatzsteuer aus. Die A-KG machte die Vorsteuer aus den Rechnungen geltend. Nachdem das für die A-KG zuständige Finanzamt den unberechtigten Vorsteuerabzug der A-KG beanstandet hatte, zahlte die A-KG die Vorsteuer im Jahr 2010 an das Finanzamt zurück. Über das Vermögen des H und der L-AG wurde im September 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter berichtigte einen Tag vor der Insolvenzeröffnung die an die A-KG gerichteten Rechnungen der Jahre 2006 bis 2008 und beantragte die Herabsetzung des Umsatzsteuerbetrags für September 2011.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) lehnte eine Berichtigung des Umsatzsteuerbetrags für den September 2011 ab:
Die Berichtigung des Umsatzsteuerbetrags, der an das Finanzamt aufgrund des unberechtigten Steuerausweises in den Rechnungen abgeführt werden musste, kann nicht für den September 2011 vorgenommen werden. Vielmehr ist die Berichtigung für das Jahr 2010 vorzunehmen.
Der Zeitpunkt der Berichtigung des Steuerbetrags richtet sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wird. Hat der Rechnungsempfänger die Vorsteuer (unberechtigt) geltend gemacht, wird die Gefährdung des Steueraufkommens nach dem Gesetz in dem Moment beseitigt, in dem der Rechnungsempfänger die Vorsteuer an das Finanzamt zurückzahlt. Dies war im Jahr 2010 der Fall. Daher kann die Berichtigung des Steuerabzugs nur für 2010 erfolgen.
Zwar hat der Insolvenzverwalter die fehlerhaften Rechnungen im September 2011 berichtigt; für die Berichtigung des Steuerbetrags, der sich aufgrund des unberechtigten Steuerausweises ergibt, kommt es aber nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung an, sondern allein auf den Zeitpunkt, zu dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wird.
Hinweise: Theoretisch könnte der Insolvenzverwalter nun die Berichtigung des Steuerabzugs für 2010 beantragen. Allerdings dürfte hier bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sein.
Die Berichtigung des Steuerbetrags, der aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises an das Finanzamt abzuführen ist, setzt einen Antrag des Rechnungsausstellers und die Zustimmung des Finanzamts voraus. Das Zustimmungserfordernis soll sicherstellen, dass der Rechnungsaussteller, der schon einmal unberechtigt Umsatzsteuer ausgewiesen hat, nicht erneut unberechtigt handelt und den Steuerbetrag eigenmächtig und unberechtigt berichtigt. Die Zustimmung des Finanzamts stellt nach dem aktuellen BFH-Urteil kein Grundlagenbescheid dar, der eine Ablaufhemmung bei der Festsetzungsverjährung auslösen würde.
BFH, Beschluss v. 27.7.2021 - V R 43/19; NWB
06.12.2021
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält eine Vorsteuervergütung auch dann für möglich, wenn die Rechnung formell fehlerhaft ist. Entscheidend ist, dass die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt sind und dass die Rechnung nicht so mangelhaft ist, dass die materiellen Voraussetzungen nicht mehr überprüft werden können.
Hintergrund: Bezieht ein Unternehmer Leistungen im Ausland, kann er einen Vorsteuervergütungsantrag stellen. Die Vorsteuervergütung setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer ordnungsgemäße Rechnungen vorlegen kann.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine französische Unternehmerin, die in Rumänien Geräte einkaufte. Die rumänische Verkäuferin stellte ihr hierfür Umsatzsteuer in Rechnung. Die Klägerin beantragte bei der rumänischen Finanzverwaltung die Vorsteuervergütung, die unter Hinweis auf die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen abgelehnt wurde. Die rumänische Verkäuferin berichtigte ihre Rechnungen, und die Klägerin stellte einen erneuten Vorsteuervergütungsantrag, der keinen Erfolg hatte, weil der Antrag bereits einmal abgelehnt worden war. Das rumänische Finanzgericht rief den EuGH an.
Entscheidung: Der EuGH hielt eine Vorsteuervergütung für möglich:
Die Vorsteuervergütung setzt vor allem voraus, dass die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und eine Leistung von einem Unternehmer an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht worden ist. Hingegen ist nicht entscheidend, dass die Rechnung alle formellen Anforderungen erfüllt.
Eine formell nicht ordnungsgemäße Rechnung berechtigt erst dann nicht mehr zum Vorsteuerabzug, wenn sie so mangelhaft ist, dass das Finanzamt die materiellen Voraussetzungen nicht mehr überprüfen kann.
Der Vorsteuerabzug muss in dem Voranmeldungszeitraum geltend gemacht werden, in dem der Unternehmer erstmals in den Besitz einer Rechnung gelangt ist. Es ist also nicht möglich, dass der Unternehmer den Vorsteuerabzug erst nach Berichtigung der Rechnung geltend macht.
Hinweise: Die abschließende Entscheidung muss nun das rumänische Finanzgericht treffen. Die Entscheidung des EuGH betrifft zwar die Vorsteuervergütung und nicht den allgemeinen Vorsteuerabzug; jedoch sind die formellen Voraussetzungen für einen Vorsteuervergütungsanspruch ebenfalls sehr hoch, so dass aus der EuGH-Entscheidung positive Rückschlüsse für einen Vorsteuerabzug aus einer formell nicht ordnungsgemäßen Rechnung gezogen werden können.
Der EuGH definiert leider nicht die konkrete Grenze, ab der eine Rechnung so mangelhaft ist, dass sie nicht mehr zur Überprüfung der materiellen Voraussetzungen verwendet werden kann. Hier muss die künftige Rechtsprechung des EuGH, aber auch die des Bundesfinanzhofs, im Auge behalten werden. Tendenziell ist der EuGH großzügiger als die deutsche Finanzverwaltung und „verzeiht“ formelle Fehler eher, wenn feststeht, dass es sich um die Leistung eines Unternehmers an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmer handelt.
EuGH, Urteil v. 21.10.2021 - Rs. C-80/20 „Wilo Salmson“; NWB
03.12.2021
Eine Theaterbetriebszulage, die zusätzlich zum Grundlohn gezahlt wird, ist steuerfrei, soweit sie als tariflicher Zuschlag für tatsächlich geleistete Nachtarbeit und für Sonntags- und Feiertagsarbeit gezahlt wird. Unschädlich ist, dass der steuerfreie Teil der Theaterbetriebszulage um einen steuerpflichtigen Zulageteil auf ein festes Bruttogehalt aufgestockt wird. Die gesetzliche Steuerfreiheit für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit setzt nämlich nicht voraus, dass sich insgesamt ein variabler Bruttoarbeitslohn ergibt.
Hintergrund: Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, sind steuerfrei, soweit sie nicht bestimmte Prozentsätze des Grundlohns übersteigen.
Sachverhalt: Die Klägerin war Schauspielerin in einem Musical und erhielt nach ihrem Vertrag einen Bruttoarbeitslohn von 8.250 €. Der Bruttoarbeitslohn setzte sich aus einem Grundlohn von 6.600 € und einer 20 %igen Theaterbetriebszulage von 1.650 € (20 % von 8.250 €) zusammen. In der Theaterbetriebszulage war auch ein Zuschlag für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit enthalten, der anhand der tatsächlich geleisteten Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ermittelt wurde. Soweit dieser Zuschlag für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit niedriger war als 1.650 €, wurde er auf 1.650 € steuerpflichtig aufgestockt, so dass die Klägerin stets ein Bruttogehalt von 8.250 € erhielt. Das Finanzamt erkannte die Steuerfreiheit nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte die Steuerfreiheit und gab der Klage statt:
Die Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wurde von der Klägerin tatsächlich geleistet, und hierfür erhielt sie eine Zulage. Die steuerlich begünstigten Zeiten (Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit) wurden auch ordnungsgemäß aufgezeichnet. Die Zulage für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit war auch nicht Teil des Grundlohns von 6.600 €, sondern wurde neben dem Grundlohn gezahlt.
Unbeachtlich ist, dass die Zulage für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit stets auf 1.650 € aufgestockt und so ein Festgehalt von 8.250 € erreicht wurde. Die Steuerfreiheit der Zulage für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit setzt nicht voraus, dass sich insgesamt ein variables Bruttogehalt ergibt.
Hinweise: Der BFH billigt damit den Manteltarifvertrag „Cast“ und den Entgelttarifvertrag „Cast“ der Gewerkschaft „ver.di“. Denn die Anstellung der Klägerin beruhte auf diesen Tarifverträgen.
Nach dem BFH kann der steuerfreie Zuschlag durch einen weiteren variablen Zuschlag auf ein fixes Bruttogehalt aufgestockt werden.
BFH, Urteil v. 9.6.2021 - VI R 16/19; NWB
02.12.2021
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat November 2021 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2021 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben vom 1.12.2021 - III C 3 - S 7329/19/10001 :003 (2021/1234444); NWB
01.12.2021
Zinsaufwendungen einer GmbH für ein Darlehen, welches sie von ihrem Gesellschafter erhalten hat, sind steuerlich nur insoweit anzuerkennen, als der vereinbarte Zinssatz fremdüblich ist. Bei der Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes ist zu berücksichtigen, ob die Darlehensforderung des Gesellschafters besichert ist und ob das Gesellschafterdarlehen – wie im Regelfall – kraft Gesetzes nachrangig gegenüber den Forderungen Dritter ist. Bei fehlender Besicherung und gesetzlicher Nachrangigkeit kann sich demnach ein höherer fremdüblicher Zinssatz ergeben, der steuerlich anzuerkennen ist.
Hintergrund: Verträge zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter werden steuerlich anerkannt, soweit sie fremdüblich sind. Soweit sie nicht fremdüblich sind und es zu einer Vermögensminderung bei der GmbH kommt, ist die Vermögensminderung durch eine sog. verdeckte Gewinnausschüttung zu kompensieren, die das Einkommen erhöht.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die im Jahr 2012 Anteile an der T-GmbH erwarb. Zur Finanzierung dieses Anteilskaufs nahm die Klägerin bei ihrer Alleingesellschafterin G ein unbesichertes Darlehen zu einem Zinssatz von 8 % auf. Die Darlehensforderung war nachrangig, da Gesellschafterforderungen nach dem Gesetz grundsätzlich im Rang hinter den Forderungen Dritter stehen. Die Klägerin nahm noch zwei weitere Darlehen auf: zum einen bei ihrer Bank ein besichertes Darlehen zum Zinssatz von 4,78 % und zum anderen bei dem Veräußerer der Anteile der T-GmbH ein unbesichertes Darlehen mit einem Zinssatz von 10 %. Das Finanzamt sah für das Gesellschafterdarlehen der G einen Zinssatz von 5 % als fremdüblich an und setzte in Höhe der Zinsdifferenz eine verdeckte Gewinnausschüttung an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt den Ansatz des Finanzamts für fehlerhaft und verwies die Sache zur weiteren Ermittlung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Im Rahmen der Fremdvergleichsprüfung kann nicht unterstellt werden, dass ein fremder Dritter das Darlehen an die Klägerin für einen Zinssatz von 5 % gewährt hätte. Zwar hat die Bank der Klägerin ein Darlehen zu einem Zinssatz von 4,78 % gewährt; dabei handelte es sich aber um ein besichertes Darlehen, das zudem nicht nachrangig war.
Ein fremder Dritter würde bei einem unbesicherten Darlehen, das nachrangig ausgestaltet wird, voraussichtlich einen höheren Zinssatz als 4,78 % oder 5 % fordern. Das FG muss nun eine Fremdvergleichsprüfung durchführen und den fremdüblichen Zinssatz ermitteln.
Sollte es einen Markt für nachrangige Kredite geben, kann es geboten sein, auf die dort verlangten Zinssätze als Vergleichsmaßstab zurückzugreifen.
Hinweise: Die Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes im konkreten Einzelfall obliegt dem FG als sog. Tatsacheninstanz, während der BFH als Revisionsgericht nur die Grundsätze festlegt, die bei der Ermittlung zu beachten sind. Nach den Ausführungen des BFH wird es aber voraussichtlich zu einer deutlichen Minderung der verdeckten Gewinnausschüttung kommen.
Bei der Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes kann auch die Zugehörigkeit der Darlehensnehmerin zu einer Konzernstruktur berücksichtigt werden. Sie kann sich nämlich zinssatzmindernd auswirken, wenn ein fremder Dritter als Darlehensgeber die Zugehörigkeit zu einem Konzern bei der Bewertung der Bonität positiv einschätzen würde.
BFH, Urteil v. 18.7.2021 - I R 62/17; NWB
30.11.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sein Schreiben zur Entfernungspauschale aktualisiert. In dem neuen Schreiben geht das BMF insbesondere auf Gesetzesänderungen ein und berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der letzten Jahre.
Hintergrund: Für Fahrten zwischen Wohnung und der sog. ersten Tätigkeitsstätte (Arbeitsplatz) kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nur die Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer geltend machen, also nur für eine einfache Strecke, nicht aber für die Hin- und Rückfahrt. Beträgt die Entfernung mehr als 20 km, kann der Arbeitnehmer seit 2021 ab dem 21. Kilometer eine Entfernungspauschale von 0,35 € geltend machen.
Wesentliche Änderungen: Aus dem aktuellen BMF-Schreiben ergeben sich die folgenden wesentlichen Änderungen:
Das BMF geht auf die Erhöhung der Entfernungspauschale bei Entfernungen von mehr als 20 km ein. Hier erhöht sich ab 2021 die Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer von 0,30 € auf 0,35 € und ab 2024 von 0,35 € auf 0,38 €.
Hinweis: Auch bei Entfernungen von mehr als 20 km wird für die ersten 20 km nur eine Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer gewährt.
Der Höchstbetrag für die Entfernungspauschale beträgt nach dem Gesetz 4.500 €, es sei denn, es wird ein Kfz genutzt. Wird die Fahrt teils mit dem Kfz und teils mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, kann dem BMF zufolge unterstellt werden, dass das Kfz vorrangig für die Teilstrecke ab dem 21. Entfernungskilometer eingesetzt wird; hierfür gilt der Höchstbetrag von 4.500 € nicht.
Beispiel: Arbeitnehmer A fährt mit dem Kfz 30 km zum Bahnhof und fährt von dort 70 km zur Arbeit. Er fährt jährlich an 220 Tagen zur Arbeit.
Lösung: Für die Strecke vom Bahnhof zur Arbeit (70 km) ergibt sich eine Entfernungspauschale von 4.500 € (220 Tage x 20 km x 0,30 € = 1.320 € + 220 Tage x 50 km x 0,35 € = 3.850 €, zusammen 5.170 €, gekürzt auf den Höchstbetrag von 4.500 €). Für die Strecke von der Wohnung zum Bahnhof mit dem Kfz ergibt sich eine Entfernungspauschale von 2.310 € (220 Tage x 30 km x 0,35 €). Insgesamt beträgt die Entfernungspauschale also 6.810 € (4.500 € + 2.310 €). Für A wirkt sich positiv aus, dass unterstellt wird, dass er zunächst mit der Bahn und erst dann mit dem Kfz fährt und für die Fahrt mit dem Kfz die erhöhte Entfernungspauschale von 0,35 € ohne Begrenzung auf den Höchstbetrag von 4.500 € erhält.
Das BMF übernimmt die BFH-Rechtsprechung zur kürzesten Straßenverbindung, die für die Ermittlung der Entfernung maßgeblich ist. Danach ist die kürzeste Straßenverbindung auch dann maßgeblich, wenn sie mautpflichtig ist oder wenn der Arbeitnehmer sie mit seinem Fahrzeug (z.B. Moped) nicht benutzen darf.
Allerdings folgt das BMF nicht der BFH-Rechtsprechung, wonach mit der Entfernungspauschale auch Unfallkosten abgegolten sind. Für Arbeitnehmer ist diese Auffassung des BMF positiv.
Änderungen ergeben sich auch für Arbeitnehmer, die mehrere Arbeitsverhältnisse haben und die eine Arbeitsstätte vormittags und die andere Arbeitsstätte nachmittags aufsuchen. Hier kann die erhöhte Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer für jede der beiden Arbeitsstätten angesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer mittags wieder nach Hause fährt und jede Strecke mehr als 20 km beträgt. Fährt er mittags hingegen von der einen Arbeitsstätte zu seiner anderen Arbeitsstätte, ist die Summe aller Entfernungen zu bilden; für die Entfernungspauschale darf höchstens die Hälfte der Gesamtstrecke als Entfernung angesetzt werden.
Weiterhin geht das BMF auf Fahrtkosten behinderter Arbeitnehmer ein: Sie können statt der Entfernungspauschale die tatsächlichen Fahrtkosten absetzen oder alternativ die pauschalen Sätze, die sich nach dem Bundesreisekostengesetz ergeben. Fährt der behinderte Arbeitnehmer teils mit dem Kfz, teils mit dem öffentlichen Nahverkehr, muss er sein Wahlrecht für den einzelnen Arbeitstag einheitlich für alle Teilstrecken ausüben. Er kann aber für einzelne Arbeitstage die Entfernungspauschale – bis zum Höchstbetrag von 4.500 € – und für andere Arbeitstage die tatsächlichen Kosten bzw. die Pauschalen nach dem Reisekostengesetz ansetzen.
Hinweise: Ausführlich behandelt wird ferner die Pauschalierung von Sachbezügen des Arbeitgebers in Form von Zuschüssen zu den Fahrtkosten des Arbeitnehmers oder in Gestalt einer unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung des Arbeitnehmers.
Das aktuelle BMF-Schreiben gilt überwiegend ab 1.1.2021. In einzelnen Fällen gibt es abweichende Anwendbarkeitsregelungen. Allerdings ist zu beachten, dass das BMF-Schreiben nur für die Finanzämter bindend ist, nicht aber für die Finanzgerichte.
BMF-Schreiben v. 18.11.2021 – IV D 5 – S 2351/20/10001 :002; NWB
29.11.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) verlängert die umsatzsteuerlichen Billigkeitsmaßnahmen, die es aufgrund der Flutkatastrophe des Sommers 2021 bis zum 31.10.2021 gewährt hatte, bis zum 31.12.2021. Die Verwendung von Material oder Personal für die Beseitigung von Flutschäden löst damit ebenso wenig Umsatzsteuer aus wie in diesem Zusammenhang geleistete Sachspenden.
Hintergrund: Verwendet ein Unternehmer Gegenstände seines Unternehmens für Zwecke außerhalb seines Unternehmens, muss er eine unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterwerfen. Dies gilt auch, wenn er eine an sein Unternehmen erbrachte Dienstleistung für Zwecke außerhalb seines Unternehmens verwendet. Voraussetzung für eine unentgeltliche Wertabgabe ist, dass der Unternehmer für den Bezug der an ihn erbrachten Leistungen die Vorsteuer geltend gemacht hat.
Im Juli 2021 kam es in mehreren Gebieten Deutschlands zu einer Flutkatastrophe. Die Finanzverwaltung hat daraufhin verschiedene steuerliche Entlastungsmaßnahmen für betroffene Unternehmer und Privatpersonen getroffen.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens: Die bereits im Sommer 2021 gewährten umsatzsteuerlichen Entlastungen, die bis zum 31.10.2021 gelten sollten, werden nun bis zum 31.12.2021 verlängert. Dabei handelt es sich um folgende Entlastungen:
Setzt der Unternehmer Maschinen, Fahrzeuge, Geräte o. Ä. für die Beseitigung der unwetterbedingten Schäden ein, wird keine unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme) besteuert. Gleiches gilt für den Einsatz der Geräte zur Unterstützung des eigenen Personals.
Setzt der Unternehmer seine Arbeitnehmer für die Beseitigung der unwetterbedingten Schäden ein, wird ebenfalls keine unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme) besteuert. Gleiches gilt für entsprechende Hilfen, die gegenüber den eigenen Arbeitnehmern erbracht werden.
Sachspenden des Unternehmers werden ebenfalls nicht als unentgeltliche Wertabgabe besteuert. Dies betrifft allerdings nur bestimmte Sachspenden, nämlich
Lebensmittel und Tierfutter,
Güter, die für den täglichen Bedarf notwendig sind (z.B. Hygieneartikel, Reinigungsmittel, Kleidung, Geschirr, Medizin),
Maschinen und Geräte, die für die unmittelbare Bewältigung des Hochwassers benötigt werden, wie z.B. Pumpen oder Werkzeuge,
Gegenstände, die den unmittelbar von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen zugutekommen.
Hinweise: Die vorstehend genannten Hilfsmaßnahmen lösen also weder Umsatzsteuer aus noch beeinträchtigen sie den bereits geltend gemachten Vorsteuerabzug für den Erwerb der Geräte, Maschinen etc. Der Vorsteuerabzug wird auch bei Anschaffung einer Maschine gewährt, wenn von vornherein feststeht, dass die Maschine für die Bewältigung der Folgen der Flutkatastrophe eingesetzt werden soll.
Ob über den 31.12.2021 hinaus eine weitere Verlängerung erfolgen wird, ist derzeit nicht absehbar.
BMF-Schreiben v. 28.10.2021 – III C 2 -S 7030/21/10008 :001; NWB
26.11.2021
Der Bund wird die Überbrückungshilfe III Plus (einschließlich der Neustarthilfe) und Regelungen zur Kurzarbeit um drei Monate bis zum 31.3.2022 verlängern.
Im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) v. 18.11.2021 wird hierzu ausgeführt:
Der Bund wird gemeinsam mit den Ländern weitere Maßnahmen zur Unterstützung der von Corona-Schutzmaßnahmen besonders betroffenen Advents- und Weihnachtsmärkte entwickeln, die durch die Länder administriert werden.
Für betroffene Unternehmen des Handels besteht weiterhin die Möglichkeit, aufgrund der Maßnahmen nicht verkäufliche Saisonware im Rahmen der Überbrückungshilfe III Plus zu berücksichtigen.
Bund und Länder sind sich einig, dass bei ihrer Besprechung am 9.12.2021 die Wirkung der auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ergriffenen Maßnahmen vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens evaluiert wird.
24.11.2021
Die Bundesregierung hat am 24.11.2021 beschlossen, die Möglichkeit zum erleichterten Zugang und zur Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld erneut zu verlängern. Hierauf weist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hin.
Mit der Verordnung über die Bezugsdauer und Verlängerung der Erleichterungen der Kurzarbeit (Kurzarbeitergeldverlängerungsverordnung - KugverlV) wird die Möglichkeit, die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von bis zu 24 Monaten nutzen zu können, für weitere drei Monate bis zum 31.3.2022 verlängert.
Zusätzlich werden auch die Erleichterungen und Sonderregelungen für den Bezug des Kurzarbeitergeldes bis zum 31.3.2022 verlängert. Die bisherige vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge wird dabei auf die Hälfte reduziert.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
Ein Betrieb kann Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind.
Auf den Aufbau von Minusstunden wird vollständig verzichtet.
Auch Leiharbeiter haben Zugang zum Kurzarbeitergeld.
Die maximale Bezugsdauer beträgt 24 Monate.
Den Arbeitgebern werden die während der Kurzarbeit von ihnen allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung zu 50 Prozent erstattet. Die anderen 50 Prozent können ihnen für Weiterbildungen ihrer Beschäftigten erstattet werden, die während der Kurzarbeit beginnen.
Hinweis: Die Änderungen treten mit Wirkung vom 1.1.2022 in Kraft und mit Ablauf des 31.3.2022 außer Kraft.
BMAS sowie Bundesregierung, Pressemitteilungen v. 24.11.2021; NWB
24.11.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ausführlich zur privaten Nutzung von betrieblichen Elektro- und Hybridelektrofahrzeugen durch Unternehmer und Arbeitnehmer Stellung genommen. Hintergrund sind diverse Gesetzesänderungen in den Jahren 2018 bis 2020.
Hintergrund: Sowohl die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs als auch die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens muss versteuert werden, entweder als Entnahme des Unternehmers im Fall eines betrieblichen Fahrzeugs oder als geldwerter Vorteil des Arbeitnehmers im Fall eines Dienstwagens. Diese Grundsätze gelten auch für Elektrofahrzeuge sowie für Hybridelektrofahrzeuge; jedoch gewährt der Gesetzgeber hier Vergünstigungen, indem er einen geringeren Entnahmewert bzw. geldwerten Vorteil ansetzt.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Das BMF definiert ausführlich die Begriffe des Elektrofahrzeugs, des Hybridelektrofahrzeugs, der Emission und des steuerlichen Erfordernisses der Reichweite.
Hinweis: So genügt es für Hybridelektrofahrzeuge, die bis zum 31.12.2021 angeschafft werden, dass der Elektromotor eine Reichweite von mindestens 40 km ermöglicht. Bei Hybridelektrofahrzeugen, die ab dem 1.1.2022 angeschafft werden, ist eine Mindestreichweite von 60 km erforderlich. Ab dem 1.1.2025 gilt eine Mindestreichweite von 80 km.
Das BMF stellt die einzelnen Prozentsätze dar, die bei einer privaten Fahrzeugnutzung je nach Typ des Fahrzeugs und Anschaffungsdatum als Nutzungswert (Entnahme bzw. geldwerter Vorteil) anzusetzen sind. Während für ein reguläres Benzin- oder Dieselfahrzeug 1 % des Bruttolistenpreises monatlich als Entnahmewert bzw. geldwerter Vorteil anzusetzen ist, reduziert sich dieser Betrag bei Elektrofahrzeugen auf bis zu 0,25 % und bei Hybridelektrofahrzeugen auf bis zu 0,5 %.
Auch weiterhin lässt das BMF eine sog. Kostendeckelung bei Anwendung der 1 %-Methode zu. Der Entnahmewert bzw. geldwerte Vorteil darf also nicht höher sein als die Gesamtkosten des Fahrzeugs.
Hinweis: Eine Kostendeckelung kommt in der Praxis durchaus vor. Denn die Kosten eines Fahrzeugs können deutlich abnehmen, wenn das Fahrzeug z. B. vollständig abgeschrieben ist; steuerlich wird jedoch weiterhin 1 % des Bruttolistenpreises monatlich angesetzt, also der Neupreis zugrunde gelegt.
Statt des Ansatzes der 1 %-Methode bzw. des entsprechend geringeren Prozentsatzes kann der Steuerpflichtige die Privatnutzung mit den tatsächlich für die Privatfahrten angefallenen Aufwendungen versteuern. Hierbei ist für Elektro- und Hybridelektrofahrzeuge eine geringere Abschreibung anzusetzen, nämlich je nach Fahrzeugtyp und Anschaffungsdatum nur die Hälfte oder gar nur ein Viertel des Abschreibungsbetrags.
Hinweis: Dem BMF zufolge ist von einer achtjährigen Nutzungsdauer auszugehen, so dass sich eine jährliche Abschreibung in Höhe von 12,5 % ergibt, die sich je nach Fahrzeugtyp und Anschaffungszeitraum um 50 % oder 75 % mindern kann. Stellt der Arbeitgeber kostenlos oder verbilligt Strom zur Verfügung, geht dieser nicht in die Kosten ein und führt damit nicht zu einer Erhöhung des Entnahmewertes bzw. geldwerten Vorteils.
Lädt ein Unternehmer sein betriebliches Hybridelektro- oder Elektrofahrzeug zu Hause auf, also mit privatem Strom, kann er den betrieblichen Nutzungsanteil an den ansonsten privaten Stromkosten (für seinen Haushalt) mithilfe eines gesonderten stationären oder mobilen Stromzählers nachweisen. Zum Nachweis des betrieblichen Nutzungsanteils genügen Aufzeichnungen für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten. Auch der zu zahlende Grundpreis für den Strom kann anteilig als Betriebsausgabe berücksichtigt werden.
Hinweis: Das BMF lässt es zu, dass der betriebliche Nutzungsanteil mit den lohnsteuerlichen Pauschalen angesetzt wird. Hierzu hat das BMF bereits im letzten Jahr ein entsprechendes Schreiben veröffentlicht.
Das BMF stellt sehr ausführlich die Anwendungsregelungen der einzelnen Gesetze dar. Dazu stellt es auch Beispiele dar, die Fälle behandeln, in denen ab Dezember 2030 Elektrofahrzeuge privat genutzt werden.
Hinweise: Hybridelektrofahrzeuge sind umweltpolitisch umstritten; denn die Privatnutzung eines Hybridelektrofahrzeugs ist steuerlich günstiger als die eines Diesel- oder Benzinfahrzeugs, ohne dass sichergestellt ist, dass der Unternehmer oder Arbeitnehmer den Elektromotor überhaupt nutzt. Wird der Elektromotor des Hybridelektrofahrzeugs aber nicht genutzt, verbraucht es aufgrund seines höheren Gewichts mehr Kraftstoff als ein reguläres Diesel- oder Benzinfahrzeug.
Das BMF-Schreiben gilt auch für die Privatnutzung von Elektrofahrrädern und Elektrokleinstfahrzeugen.
BMF, Schreiben v. 5.11.2021 – IV C 6 – S 2177/19/10004 :008, IV C 5 – S 2334/19/10009 :003; NWB
23.11.2021
Am 24.11.2021 tritt das neue Infektionsschutzgesetz in Kraft. Darin enthalten sind u.a. Regelungen, die das Infektionsrisiko für Arbeitnehmer senken sollen – etwa die Homeoffice-Pflicht und die 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Hierauf macht die Bundesregierung aufmerksam.
Hierzu wird weiter ausgeführt:
Der Zutritt zur Arbeitsstätte ist künftig nur Beschäftigten mit 3G-Status erlaubt – das heißt, sie müssen gegen das Coronavirus geimpft sein, genesen oder negativ getestet. Darüber muss der Arbeitgeber vorab informieren und vor Betreten der Arbeitsstätte müssen die entsprechenden Nachweise kontrolliert werden. Das legt das neue Infektionsschutzgesetz fest, das am 24. November in Kraft tritt.
Verstöße werden geahndet
Demnach muss, wer das Betriebgelände betreten will, einen Nachweis über seinen Impf- beziehungsweise Genesenenstatus oder einen aktuellen Negativ-Test vorlegen. Ausnahmen gelten nur, wenn unmittelbar vor Ort ein Test- oder Impfangebot wahrgenommen wird. Verstöße werden auf Seiten der Arbeitgeber und der Beschäftigten mit einem Bußgeld geahndet und können für Beschäftigte arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Arbeitgeber sind verpflichtet, zweimal pro Woche ein Testangebot zu unterbreiten.
Die Daten über den Geimpft-, Genesen- oder Getestet-Status dürfen von den Arbeitgebern dokumentiert werden. Das soll dabei helfen, Arbeitsabläufe besser planen und betriebliche Hygienekonzepte leichter anpassen zu können. Die Daten dürfen jedoch nicht langfristig gespeichert werden.
Zum Schutz von Menschen, die in Pflegeeinrichtungen und Heimen betreut werden, müssen dort die Beschäftigten, auch wenn sie geimpft oder genesen sind, zusätzlich regelmäßig einen negativen Test vorlegen. Dieser Test kann als Selbst-Test ohne Überwachung durchgeführt werden.
Wieder eingeführt: die Homeoffice-Pflicht
Arbeitgeber müssen bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten grundsätzlich die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice anbieten. Dies gilt, sofern nicht zwingende betriebliche Gründe dagegen sprechen.
Beschäftigte müssen das Angebot annehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Dies können zum Beispiel mangelnde räumliche oder technische Gegebenheiten in der Wohnung des Beschäftigten sein. Es genügt eine formlose Mitteilung, dass die persönlichen Umstände Homeoffice nicht zulassen.
Bisherige Maßnahmen bleiben bestehen
Viele bestehende Maßnahmen gelten weiterhin. So bleiben Arbeitgeber beispielsweise verpflichtet zur:
Begrenzung der Beschäftigtenzahl in geschlossenen Arbeits- und Pausenräumen,
Bildung von festen betrieblichen Arbeitsgruppen,
Erstellung und Umsetzung von betrieblichen Hygienekonzepten auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung und
Erhöhung der Impfbereitschaft beizutragen, indem sie über die Risiken einer Covid-19 Erkrankung und bestehende Möglichkeiten einer Impfung informieren, die Betriebsärzte bei betrieblichen Impfangeboten unterstützen sowie Beschäftigte zur Wahrnehmung außerbetrieblicher Impfangebote freistellen.
Außerdem müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten, die nicht von zuhause arbeiten können, mindestens zweimal in der Woche ein Testangebot machen und es bleibt die Maskenpflicht überall dort bestehen, wo technische oder organisatorische Maßnahmen keinen ausreichenden Schutz bieten.
Das neue Infektionsschutzgesetz (BGBl. I S. 4906) tritt am 24.11.2021 in Kraft. Es beinhaltet auch arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen sowie Unterstützungsleistungen. Die Regelungen sollen bundesweit bis zum 19.3.2022 gelten. Eine Verlängerung um drei Monate ist möglich.
Hinweis: Antworten auf häufige Fragen zum betrieblichen Infektionsschutz und zum Homeoffice finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Quelle: Bundesregierung online, Meldung v. 23.11.2021
23.11.2021
Wird ein Wirtschaftsgut angeschafft, für das ein Investitionsabzugsbetrag gebildet worden ist, und wird der Betrieb im Folgejahr vor dem 31.12. aufgegeben, darf der Unternehmer im Jahr der Anschaffung die Sonderabschreibung geltend machen, die im Fall eines Investitionsabzugsbetrags kraft Gesetzes zugelassen ist. Denn das Folgejahr ist aufgrund der Betriebsaufgabe ein abgekürztes Wirtschaftsjahr (sog. Rumpfwirtschaftsjahr), so dass es genügt, dass das Wirtschaftsgut bis zum Tag der Betriebsaufgabe betrieblich genutzt wird.
Hintergrund: Ein Unternehmer kann unter bestimmten Voraussetzungen für künftige Investitionen einen Investitionsabzugsbetrag steuermindernd bilden. Wird das Wirtschaftsgut angeschafft, kann der Investitionsabzugsbetrag wieder gewinnerhöhend hinzugerechnet und in dieser Höhe zugleich die Anschaffungskosten gewinnmindernd herabgesetzt werden. Außerdem kann eine Sonderabschreibung in Höhe von 20 % in Anspruch genommen werden. Voraussetzung für die Sonderabschreibung ist u.a. aber, dass das Wirtschaftsgut nach seiner Anschaffung bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres ausschließlich betrieblich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. Wird das Wirtschaftsgut im Jahr 2021 angeschafft, muss es also bis zum 31.12.2022 ausschließlich betrieblich oder fast ausschließlich genutzt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war Einzelunternehmerin. In ihrer Einnahmen-Überschussrechnung für 2012 bildete sie einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 14.400 € für die Anschaffung eines Pkw. Sie gab die Steuererklärung für 2012 im Februar 2014 beim Finanzamt ab. Im Mai 2014 kaufte die Klägerin den Pkw. Am 15.7.2015 gab die Klägerin ihren Betrieb auf. Die Klägerin machte für das Jahr der Anschaffung (2014) eine Sonderabschreibung auf den Pkw geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte, weil aus seiner Sicht der Pkw nicht zum 31.12.2015 betrieblich genutzt wurde.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klägerin im Grundsatz recht, verwies die Sache aber aus verfahrensrechtlichen Gründen an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die Klägerin konnte die Sonderabschreibung im Jahr 2014 geltend machen, weil sie den Pkw bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres 2015 genutzt hat.
Das folgende Wirtschaftsjahr 2015 endete nämlich nicht am 31.12.2015, sondern aufgrund der Betriebsaufgabe bereits am 15.7.2015. Es handelte sich also um ein sog. Rumpfwirtschaftsjahr. Daher genügt es, wenn der Pkw bis zum 15.7.2015 ausschließlich betrieblich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt worden ist.
Allerdings muss das FG nun im zweiten Rechtsgang noch klären, ob der Pkw ab Anschaffung bis zum 15.7.2015 ausschließlich betrieblich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt worden ist, d.h. zu mindestens 90 %.
Hinweise: Außerdem war der Urteilstenor des FG im ersten Rechtsgang zu unbestimmt. Das FG hatte nämlich nicht die Höhe der Sonderabschreibung genannt.
Das Urteil ist positiv für Unternehmer, die die Investition, für die sie den Investitionsabzugsbetrag gebildet haben, tätigen, aber im Laufe des Folgejahres ihren Betrieb aufgeben. Allerdings hat der BFH offengelassen, ob die Sonderabschreibung auch dann zulässig ist, wenn der Pkw am 30.12.2014 angeschafft und der Betrieb am 2.1.2015 aufgegeben worden wäre. Eine solche zeitliche Nähe zwischen Anschaffung und Betriebsaufgabe bestand im Streitfall aber nicht; zudem ist der Investitionsabzugsbetrag in der im Februar 2014 abgegebenen Steuererklärung für 2012 zeitlich vor der Betriebsaufgabe geltend gemacht worden.
BFH, Urteil vom 28.7.2021 – X R 30/19; NWB
22.11.2021
Ein Verein, der nach seiner Satzung zwar für die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens eintritt, in der Öffentlichkeit aber für die sofortige Aufhebung der Corona-Maßnahmen eintritt, die Effektivität von Masken anzweifelt, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses fordert und auf das verfassungsrechtliche Widerstandsrecht im Fall der Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinweist, ist nicht gemeinnützig. Der Verein ist dann allgemeinpolitisch tätig.
Hintergrund: Die Gemeinnützigkeit wird steuerlich gefördert, indem sie grundsätzlich zur Steuerfreiheit führt und beim Unterstützer den steuerlichen Spendenabzug ermöglicht. Allerdings sieht der Gesetzgeber nur bestimmte Tätigkeiten als gemeinnützig an.
Sachverhalt: Der Antragsteller war ein Verein, der nach seiner Satzung die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege sowie die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens anstrebte. Auf seiner Internetseite stellte er die Effektivität von Masken in Frage und wies auf die schädlichen Nebenwirkungen von Desinfektionsmitteln für die Hände hin. Außerdem verlangte er die sofortige Aufhebung der sog. Corona-Maßnahmen, wies auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht hin, das bei Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gilt, und forderte die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Das Finanzamt erließ gegenüber dem Antragsteller einen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid. Der Antragsteller beantragte die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) lehnte den Antrag ab:
Der Antragsteller war nicht gemeinnützig, so dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheids bestanden. Der Antragsteller hat die Grenzen einer Betätigung, die der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens dient, überschritten, indem er sich allgemeinpolitisch betätigt hat.
Der Antragsteller hat allgemein die Corona-Politik kritisiert, ohne sich mit den medizinischen, virologischen oder epidemiologischen Gründen für die einzelnen Corona-Maßnahmen auseinanderzusetzen. Soweit er zum Widerstand aufgerufen hat, hat er nicht berücksichtigt, dass das zu bekämpfende Unrecht offenkundig sein muss und dass gegen die Corona-Maßnahmen rechtsstaatliche Mittel wie z.B. verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Verfügung stehen.
Die Tätigkeit des Antragstellers dient auch nicht der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens. Der Antragsteller hat sich nämlich nicht umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien beschäftigt und diese objektiv und neutral gewürdigt. Vielmehr geht es dem Antragsteller um konkrete Corona-Maßnahmen.
Hinweise: Wer sich allgemeinpolitisch betätigen will, muss eine Partei gründen, die steuerliche Privilegien genießt. Im Rahmen der Gemeinnützigkeit sind allgemeinpolitische Äußerungen oder Betätigungen hingegen nicht zulässig. Eine politische Betätigung ist bei einem gemeinnützigen Verein steuerlich nur erlaubt, soweit sie im Zusammenhang mit dem gemeinnützigen Zweck des Vereins steht und diesen unterstützt.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte der BFH bereits dem Verein „attac“ die Gemeinnützigkeit versagt, weil dieser ebenfalls allgemeinpolitisch aktiv ist.
BFH, Beschluss v. 18.8.2021 - V B 25/21 (AdV); NWB
19.11.2021
Eine Fremdwährungsverbindlichkeit in Schweizer Franken (CHF) kann im Fall einer Verschlechterung des Devisenkurses am Bilanzstichtag gewinnmindernd in der Bilanz erhöht werden, wenn es am Bilanzstichtag zu fundamentalen Veränderungen der wirtschaftlichen bzw. finanzpolitischen Daten gekommen ist, die eine dauerhafte Veränderung der Wechselkurse vermuten lassen. Diese Voraussetzung war hinsichtlich des CHF an den Bilanzstichtagen zum 31.12.2010 oder zum 31.12.2011 grundsätzlich erfüllt, weil es in der Euro-Zone im Jahr 2010 eine Schuldenkrise gab und weil die Schweiz im Jahr 2011 Stützungsmaßnahmen zugunsten des CHF ergriffen hatte.
Hintergrund: Bilanzierende Unternehmer können in ihrer Steuerbilanz eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf Wirtschaftsgüter vornehmen, wenn am Bilanzstichtag eine voraussichtlich dauernde Wertminderung eingetreten ist. Bei einer Verbindlichkeit kann spiegelbildlich eine gewinnmindernde Teilwerterhöhung auf der Passivseite der Bilanz vorgenommen werden, wenn die Verbindlichkeit voraussichtlich dauernd erhöht ist.
Sachverhalt: Der BFH hatte über drei Fälle zu entscheiden, in denen der jeweilige Unternehmer Darlehen in CHF aufgenommen hatte. Zum 31.12.2010 bzw. – in einem der drei Fälle – auch zum 31.12.2011 hatte sich der Devisenkurs des Euro gegenüber dem CHF verschlechtert; die Restlaufzeiten der Darlehen beliefen sich auf drei, sechs und 13 Jahre. Die Unternehmer nahmen gewinnmindernde Teilwerterhöhungen auf ihre jeweilige Verbindlichkeit vor und setzten diese mit dem schlechteren Devisenkurs in der Bilanz an. Die Finanzämter akzeptierten die Teilwerterhöhungen nicht. Zwei der Kläger hatten in der ersten Instanz beim Finanzgericht (FG) Erfolg, der dritte Kläger unterlag hingegen beim FG.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkennt die Teilwerterhöhungen zwar grundsätzlich an, gelangte aber in den drei Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen, weil er teilweise an die Feststellungen der drei Finanzgerichte gebunden war:
Eine Teilwerterhöhung bei einer Fremdwährungsverbindlichkeit setzt eine voraussichtlich dauernde Erhöhung des Rückzahlungsbetrags voraus. Bei einer langen Restlaufzeit von z.B. zehn Jahren rechtfertigt aber nicht jeder Kursverlust eine Teilwerterhöhung. Denn gerade bei einer langen Restlaufzeit gleichen sich Währungskursschwankungen in der Regel aus.
Allerdings kann selbst bei einer langen Restlaufzeit eine Teilwerterhöhung zulässig sein, wenn es zu fundamentalen Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten kommt. Derartige fundamentale Veränderungen fanden in den Jahren 2010 und 2011 statt:
So befand sich die Euro-Zone, in der der Euro als Währung gilt, im Jahr 2010 in einer Schuldenkrise, weil einige EU-Staaten erheblich verschuldet waren. Daher musste der Euro gestützt werden, indem im Jahr 2010 der sog. Euro-Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Mrd. € eingeführt wurde. Zuvor war bereits eine finanzielle Unterstützung von Griechenland in Höhe von 110 Mrd. € beschlossen worden, und im November 2010 wurden finanzielle Hilfen für Irland bewilligt.
Im Jahr 2011 teilte die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit, dass sie den CHF durch Stützungskäufe sichern würde und einen Mindestkurs von 1,20 CHF pro € gewährleisten will.
Hinweise: Einer der Kläger hatte dennoch bezüglich einer Teilwerterhöhung zum 31.12.2010 keinen Erfolg. Denn das FG der ersten Instanz hatte ausführlich begründet, dass die Voraussetzungen einer Teilwerterhöhung zum 31.12.2010 noch nicht vorlagen; an die Feststellungen und Würdigung des FG war der BFH gebunden.
In den anderen Verfahren hatten die Kläger entweder Erfolg, oder der BFH verwies die Sache an das jeweilige FG zurück, damit dieses prüft, ob es am jeweiligen Bilanzstichtag zu fundamentalen Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten gekommen ist. Hier wird es vermutlich zu Klagestattgaben kommen, weil der BFH die fundamentalen Veränderungen der wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten bereits bejaht hat. Der BFH darf die Würdigung des Sachverhalts jedoch nicht selbst vornehmen, weil er ein Revisionsgericht ist.
Eine bloße quantitative Kursverschlechterung von 20 % am Bilanzstichtag oder von jeweils 10 % an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen genügt dem BFH zufolge hingegen nicht für eine Teilwerterhöhung, weil der Grund für die Kursverschlechterung und die Wahrscheinlichkeit für ein Fortbestehen der Kursverschlechterung nicht berücksichtigt werden.
Auch wenn die Urteile im Grundsatz positiv für die Unternehmen sind, sollte beachtet werden, dass es sich in den Jahren 2010 und 2011 um sehr außergewöhnliche negative Entwicklungen auf dem Devisenmarkt handelte. Bei „normalen“ Kursverschlechterungen wird der BFH vermutlich Teilwerterhöhungen auch weiterhin ablehnen, wenn die Restlaufzeit des Darlehens mehrere Jahre beträgt.
BFH, Urteile v. 2.7.2021 - XI R 29/18 (Bilanzstichtage 31.12.2010 und 31.12.2011), IV R 2/19 und IV R 8/18 (jeweils 31.12.2010); NWB
17.11.2021
Eine GmbH ist im Jahr ihrer Gründung Kleinunternehmerin, wenn ihr Gesamtumsatz nach Hochrechnung auf das gesamte Jahr die Vorjahres-Umsatzgrenze für Kleinunternehmer von 22.000 € (bis einschließlich 2019: 17.500 €) nicht übersteigt. In den Gesamtumsatz gehen bestimmte umsatzsteuerfreie Umsätze wie z.B. Umsätze aus ärztlichen Heilbehandlungen nicht ein. Diese Umsatzsteuerfreiheit gilt für eine GmbH, die mit Krankenhäusern Verträge über die Intensivpflege abschließt und diese durch einen examinierten Kranken- und Intensivpfleger ausführen lässt.
Hintergrund: Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Als Kleinunternehmer ist ein Unternehmer anzusehen, wenn seine vereinnahmten Bruttoumsätze im vorangegangenen Kalenderjahr nicht höher waren als 22.000 € (bis einschließlich 2019: 17.500 €) und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 € betragen werden. Die meisten umsatzsteuerfreien Umsätze wie z.B. ärztliche Heilbehandlungen werden bei der Prüfung der Umsatzgrenzen nicht berücksichtigt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die im September 2012 gegründet wurde. Sie schloss mit einem Krankenhaus einen Vertrag über Intensivpflegeleistungen im Schichtdienst ab. Die Intensivpflegeleistung führte ihr Gesellschafter-Geschäftsführer aus, der examinierter Kranken- und Intensivpfleger war. Im Jahr 2012 erzielte die Klägerin in der Zeit vom September bis Dezember einen Umsatz von 12.755 €. Die GmbH ging davon aus, dass sie Kleinunternehmerin war, und führte keine Umsatzsteuer ab. Das Finanzamt verneinte jedoch die Kleinunternehmerstellung der Klägerin und setzte Umsatzsteuer fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache allerdings an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:
Bei der Prüfung der Überschreitung der Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer kommt es auf die damals gültige Vorjahresumsatzgrenze von 17.500 € an, nicht aber auf die Umsatzgrenze für das laufende Wirtschaftsjahr von 50.000 €; denn die Klägerin ist erst im Streitjahr gegründet worden. Ihr Umsatz von 12.755 € überstieg zwar nicht die Grenze von 17.500 €; jedoch ist ihr im Zeitraum September bis Dezember 2012 erzielter Umsatz auf einen Jahresumsatz hochzurechnen, so dass sich ein Umsatz von 38.265 € ergibt (12.755 € : 4 x 12). Dieser Umsatz liegt an sich über der Umsatzgrenze von 17.500 €.
Jedoch fließen nach dem Gesetz umsatzsteuerfreie Umsätze wie die Umsätze aus Heilbehandlungen nicht in den Umsatz ein, der bei der Prüfung der Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer zu berücksichtigen ist.
Tatsächlich waren die Umsätze der Klägerin umsatzsteuerfrei, weil es sich um eine heilberufliche Tätigkeit handelte, die nach dem Gesetz umsatzsteuerfrei ist. Zu den heilberuflichen Tätigkeiten gehören auch Leistungen im Bereich der Intensivpflege, die durch einen examinierten Kranken- und Intensivpfleger erbracht werden.
Die Umsatzsteuerfreiheit wird auch dann gewährt, wenn der leistende Unternehmer eine juristische Person wie eine GmbH ist; denn die Umsatzsteuerbefreiung hängt nicht von der Rechtsform ab. Die Umsatzsteuerbefreiung setzt auch nicht voraus, dass der Intensivpflegevertrag mit dem Patienten geschlossen wird und dass es zwischen der Klägerin und dem Patienten ein Vertrauensverhältnis gibt; es genügt, dass die Klägerin als Subunternehmerin des Krankenhauses gegenüber dem Patienten tätig geworden ist.
Hinweise: Das FG muss nun noch aufklären, ob die GmbH gesondert Umsatzsteuer in ihren Rechnungen ausgewiesen hat; in diesem Fall würde sie Umsatzsteuer schulden.
Wäre das Krankenhaus als Vertragspartner der Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt, könnte die Klägerin auf ihre Kleinunternehmerstellung verzichten und dem Krankenhaus Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die das Krankenhaus dann als Vorsteuer abziehen könnte. Da das Krankenhaus jedoch überwiegend umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbringt, ist es insoweit nicht vorsteuerabzugsberechtigt, so dass sich ohne Kleinunternehmerstellung die Leistungen der Klägerin für das Krankenhaus verteuern würden.
BFH, Urteil v. 21.4.2021 - XI R 12/19; NWB
16.11.2021
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lehnt eine Umsatzsteuerbefreiung für eine Schwimmschule ab. Es handelt sich beim Schwimmunterricht nicht um den vom Gesetzgeber von der Umsatzsteuer befreiten Schulunterricht, weil der Schwimmunterricht nur ein spezialisierter und punktuell erteilter Unterricht ist.
Hintergrund: Sowohl nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht als auch nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht werden Unterrichtsleistungen wie z.B. Schulunterricht unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die eine Schwimmschule betrieb. Die Klägerin behandelte ihre Leistungen als umsatzsteuerfrei, während das Finanzamt sie als umsatzsteuerpflichtig ansah. Der Fall kam zum Bundesfinanzhof (BFH), der den EuGH anrief.
Entscheidung: Der EuGH verneinte die Umsatzsteuerbefreiung für den Schwimmunterricht:
Das europäische Umsatzsteuerrecht enthält zwar keine Definition des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“. Nach der Rechtsprechung des EuGH geht es aber um die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten des Lehrers an den Schüler bzw. Studenten.
Es ist nicht erforderlich, dass der Unterricht mit einer Abschlussprüfung beendet wird. Der Unterricht muss jedoch Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten entwickeln, die Tätigkeiten ermöglichen, die nicht bloßen Freizeitcharakter haben.
Schwimmunterricht ist zwar wichtig und liegt im Allgemeininteresse, weil Notsituationen bewältigt werden können und weil Schwimmen die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit von Menschen gewährleistet. Der Unterricht dient allerdings nicht der Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten bezüglich eines breiten und vielfältigen Stoffspektrums, wie dies beim Schul- und Hochschulunterricht der Fall ist. Vielmehr handelt es sich beim Schwimmunterricht um einen spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht, der mit einer Schul- oder Hochschulausbildung nicht vergleichbar ist.
Hinweise: Der EuGH hatte bereits für Fahrschulen entschieden, dass sie grundsätzlich keinen umsatzsteuerfreien Unterricht erbringen. Eine Ausnahme gilt für den Fahrschulunterricht für Lkw und landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, weil die entsprechende Fahrerlaubnis für die Berufsausübung genutzt werden kann.
EuGH, Urteil v. 21.10.2021 - Rs. C-373/19 „Dubrovin & Tröger GbR“; NWB
07.10.2021
Die Einladung von Geschäftsfreunden und Arbeitnehmern in eine ganzjährig angemietete VIP-Loge einer Veranstaltungsarena führt grundsätzlich zu Zuwendungen, die der sog. Pauschalsteuer von 30 % unterliegen, wenn der einladende Unternehmer den Antrag auf Pauschalbesteuerung stellt. Bei der Bewertung der Zuwendungen ist der Unternehmer aber nicht an den sog. VIP-Logen-Erlass der Finanzverwaltung gebunden, sondern der Wert ist anhand der konkreten Umstände des Streitfalls so genau wie möglich zu schätzen.
Hintergrund: Lädt der Unternehmer Geschäftsfreunde ein oder macht er ihnen Geschenke, kann dies beim Empfänger eine steuerpflichtige Einnahme auslösen. Der Unternehmer kann dann die Besteuerung für den Empfänger in Gestalt einer sog. Pauschalsteuer von 30 % zzgl. Solidaritätszuschlag übernehmen. Gleiches gilt, wenn der Unternehmer an seine Arbeitnehmer zusätzlich zum vereinbarten Arbeitslohn Zuwendungen erbringt.
Die Finanzverwaltung hat 2005 den sog. VIP-Logen-Erlass veröffentlicht. Danach ist der Preis für eine VIP-Loge in einer Sport- oder Kulturveranstaltung aufzuteilen, und zwar in Höhe von 40 % für Werbung, 30 % für Bewirtung und 30 % für Geschenke. Die sich danach ergebenden Anteile sind dann aus Sicht der Finanzverwaltung z.B. bei der Prüfung der Abziehbarkeit von Geschenken oder bei der Pauschalsteuer zugrunde zu legen.
Sachverhalt: Die Klägerin war Herstellerin von Farben und mietete in der Berliner O²-Arena eine VIP-Loge ganzjährig für ca. 130.000 € an. Die Loge verfügte über 12 Sitzplätze; die Bewirtung war im Preis nicht enthalten. Werbung war der Klägerin nur innerhalb der Loge erlaubt. Die Klägerin lud Geschäftsfreunde sowie eigene Arbeitnehmer ein, die teilweise aber auch die Geschäftsfreunde betreuen mussten. Die Klägerin stellte den Antrag auf Pauschalsteuer. Da im Preis der Loge keine Bewirtung enthalten war, fiel nach ihrer Auffassung der 30%ige Anteil für Bewirtung, wie er im VIP-Logen-Erlass vorgesehen war, weg. Sie teilte daher die Kosten im Verhältnis zu 40/30 auf (40 % Werbung und 30 % Geschenke, d.h. Eintrittskarte) und unterwarf daher nur einen Anteil von 3/7 von 130.000 € der Pauschalsteuer. Das Finanzamt ging hingegen von einem Anteil von 75 % für Geschenke (Eintrittskarte) aus.
Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) gab der Klage zum Teil statt und ermittelte einen eigenen Wert:
Die Finanzgerichte sind an den VIP-Logen-Erlass der Finanzverwaltung nicht gebunden, da dieser nur für die Finanzämter verbindlich ist. Der Wert der Zuwendungen ist vielmehr anhand des Einzelfalls so genau wie möglich zu schätzen.
Soweit Arbeitnehmer eingeladen waren, die die Geschäftsfreunde betreuen mussten, handelte es sich nicht um Zuwendungen, die der Pauschalsteuer unterliegen. Die Teilnahme dieser Arbeitnehmer erfolgte im ganz überwiegend betrieblichen Interesse der Klägerin und führte bei den Arbeitnehmern daher mangels Bereicherung nicht zu Arbeitslohn.
Der Wert für den einzelnen Sitzplatz in der Loge ist anhand des Einzelverkaufspreises in der höchsten Kategorie für die jeweilige Veranstaltung zu ermitteln. Der sich danach ergebende Betrag ist um 5 € zu erhöhen, da sich der Sitzplatz in einer Loge befindet.
Eine Erhöhung dieses Betrags kommt nicht etwa in Betracht, weil mitunter einzelne Plätze in der Loge nicht besetzt waren. Dies erhöhte für die erschienen Geschäftsfreunde und Arbeitnehmer nicht den Zuwendungswert.
Soweit Geschäftsfreunde eingeladen wurden, ist ein Anteil von 40 % für Werbung herauszurechnen. Denn mit der Einladung war auch Werbung für die Klägerin verbunden, da die eingeladenen Geschäftsfreunde die Klägerin positiv wahrnahmen.
Hinweise: Insgesamt minderte sich die Bemessungsgrundlage von ca. 97.500 € (75 % von 130.000 €) auf ca. 80.000 €.
Der Streit kam dadurch zustande, dass in dem Preis für die VIP-Loge keine Bewirtung enthalten gewesen ist. Ansonsten hätte das Finanzamt die Aufteilung des VIP-Logen-Erlasses übernommen.
Hätte die Klägerin keinen Antrag auf Übernahme der Besteuerung für ihre Gäste (Arbeitnehmer und Geschäftsfreunde) gestellt, wäre keine Pauschalsteuer entstanden. Das Finanzamt hätte dann bei jedem einzelnen eingeladenen Gast prüfen müssen, ob die Einladung in die VIP-Loge für diesen steuerpflichtig ist und ob der Steuerbescheid noch geändert werden kann.
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.6.2021 - 8 K 8232/18, Rev. beim BFH noch offen; NWB
06.10.2021
Die bayerische Finanzverwaltung äußert sich zu der Frage, wann Umsatzsteuerzahlungen an das Finanzamt als Betriebsausgaben abzuziehen bzw. Umsatzsteuererstattungen als Betriebseinnahmen zu versteuern sind. Dies betrifft Unternehmer, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnungen ermitteln, also den Gewinn nach Zufluss- und Abflussgrundsätzen ermitteln.
Hintergrund: Bei der Einnahmen-Überschussrechnung gilt grundsätzlich das Zufluss- und Abflussprinzip. Einnahmen sind also im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern und Ausgaben im Zeitpunkt des Abflusses als Betriebsausgaben geltend zu machen. Das Gesetz enthält eine Ausnahme für sog. wiederkehrende Zahlungen, die innerhalb von zehn Tagen vor oder nach dem Jahreswechsel gezahlt werden, jedoch das vorherige bzw. folgende Jahr betreffen: Sie werden in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Eine Umsatzsteuerzahlung für Dezember 2021, die am 5.1.2022 an das Finanzamt gezahlt wird, ist aufgrund dieser Regelung grundsätzlich im Jahr 2021 als Betriebsausgabe abziehbar; denn Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen aufgrund von Voranmeldungen gelten als wiederkehrende Zahlungen.
Wesentlicher Inhalt des Schreibens des Bayerischen Landesamtes für Steuern (BayLfSt):
Das BayLfSt erläutert, wann eine Umsatzsteuerzahlung ab- bzw. zufließt. Dies hängt von der Art der Zahlung ab:
Bei einer Überweisung kommt es für den Abfluss auf die Abgabe des Überweisungsauftrags an, wenn das Konto gedeckt ist, anderenfalls auf den Zeitpunkt der Lastschrift. Der Zufluss erfolgt mit der Gutschrift auf dem Bankkonto.
Bei einer Zahlung mit Scheck ist für den Abfluss der Zeitpunkt der Hingabe des Schecks und für den Zufluss die Entgegennahme des Schecks maßgeblich, sofern die Auszahlung des Schecks nicht wegen fehlender Kontodeckung verweigert werden kann.
Beim Lastschrifteinzugsverfahren genügt für den Abfluss die Erteilung der Einzugsermächtigung, wenn das Konto gedeckt ist; der Abfluss tritt dann mit der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung ein.
Hinweis: Dies gilt aber nicht für die Erstattung. Hier kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Unternehmer wirtschaftlich über den Geldbetrag verfügen kann.
Bei einer Umbuchung durch das Finanzamt handelt es sich um eine Aufrechnung, so dass sowohl für den Abfluss als auch für den Zufluss der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufrechnungserklärung maßgeblich ist. Dies ist der Tag, an dem die Aufrechnung dem Unternehmer bekannt wird.
Fällig wird eine Umsatzsteuererstattung mit der Bekanntgabe der Zustimmung des Finanzamts zu der abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung, die ein Guthaben ausweist. In der Regel erfolgt die Bekanntgabe mit der Gutschrift, weil der Unternehmer hierdurch von der Zustimmung erfährt.
Zahlungen und Erstattung, die sich aus einer Umsatzsteuerjahreserklärung ergeben, gelten nicht als wiederkehrende Zahlungen. Hier kann es also nicht zu einer Verschiebung vom Zufluss- bzw. Abflusszeitpunkt in das Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit kommen.
Hinweise: Nach Auffassung des Bayerischen Landesamts muss die Umsatzsteuer, die gezahlt oder erstattet wird, auch im Zehntageszeitraum vom 20.12. bis 10.1. fällig sein. So soll sichergestellt werden, dass nicht eine seit einem oder seit zwei Jahren fällige Umsatzsteuerschuld, die z.B. am 5.1. gezahlt wird, einem der Vorjahre als Betriebsausgabe zugeordnet wird. Ob diese Auffassung zutreffend ist, muss der Bundesfinanzhof noch entscheiden; zu dieser Frage sind zwei Revisionsverfahren anhängig.
Bayerisches Landesamt für Steuern vom 27.7.2021 – S 2226.2-5/23 St32; NWB
05.10.2021
Ein Spendenabzug ist auch dann möglich, wenn die Spende mit einem konkreten Zweck verbunden wird, so dass der Spendenempfänger die Spende in einer bestimmten, satzungsgemäßen Weise verwenden muss. Erteilt der Spendenempfänger bei einer Geldspende eine Spendenbescheinigung über eine Sachzuwendung, ist dies für den Spendenabzug des Spenders unschädlich.
Hintergrund: Spenden an gemeinnützige Vereine sind im gewissen Umfang steuerlich absetzbar. Voraussetzung ist eine Spendenbescheinigung des Vereins.
Sachverhalt: Die Klägerin war ehrenamtlich für den gemeinnützigen Tierschutzverein V tätig und kümmerte sich dort insbesondere um einen Schäferhund, der als sog. Problemtier nicht mehr vermittelbar war. Daher sollte er in einer gewerblichen Tierpension untergebracht werden. Die Kosten von 5.000 € wollte die Klägerin übernehmen. V schloss daraufhin in Anwesenheit der Klägerin mit der Tierpension einen Tierpflegevertrag, und die Klägerin übergab das Geld entweder an V oder an die Tierpension, was nicht mehr aufgeklärt werden konnte. V erstellte anschließend eine Spendenbescheinigung, nach der die Klägerin eine Sachzuwendung von 5.000 € geleistet habe. Das Finanzamt erkannte den Spendenabzug der Klägerin nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Spendenabzug grundsätzlich für möglich, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die Klägerin hat eine Spende geleistet. Denn sie hat eine Zuwendung an einen gemeinnützigen Verein geleistet. Unbeachtlich ist, dass ihre Spende eine konkrete Zweckbindung aufwies und nur für die Unterbringung des Schäferhunds eingesetzt werden durfte. Denn V konnte trotz der Zweckbindung entscheiden, ob er die Spende annimmt und für gemeinnützige Zwecke verwendet oder ob er die Spende ablehnt. Damit lag das Letztentscheidungsrecht bei V.
Es handelte sich auch um eine unentgeltliche Zuwendung, da sie fremdnützig war und nicht der Klägerin oder ihren Angehörigen zugute kommen sollte.
Die Spende ist auch dem V zugeflossen. Zwar stand nicht fest, ob die Klägerin das Geld direkt dem Vertreter des V oder aber gleich der gewerblichen Tierpension gegeben hat. In beiden Fällen wäre aber das Geld dem V zugeflossen. Ein Zufluss bei V wäre unproblematisch zu bejahen, wenn die Klägerin das Geld einem Vertreter des V bei Abschluss des Pflegevertrags gegeben hätte. Der Zufluss bei V wäre aber auch dann anzunehmen, wenn die Klägerin das Geld der Tierpension übergeben hätte; denn der Vertrag über die Unterbringung des Hundes war zwischen dem V und der Tierpension abgeschlossen worden, so dass die Klägerin in diesem Fall die Verbindlichkeit des V gegenüber der Tierpension beglichen hätte.
Zwar war die Spendenbescheinigung fehlerhaft, weil in ihr eine Sachzuwendung attestiert worden ist. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Versagung des Spendenabzugs; denn der Grund für die Pflicht zur Angabe, ob es sich um eine Geld- oder Sachzuwendung handelt, liegt darin, dass bei Sachzuwendungen die besonderen steuerlichen Voraussetzungen, die die Ermittlung des Wertes der Sachspende betreffen, überprüft werden können. Bei einer Geldspende, wie im Streitfall, kommt es darauf nicht an.
Hinweise: Die Zurückweisung an das FG ist erfolgt, weil noch zu klären ist, ob die Unterbringung eines Hundes in einer gewerblichen Tierpension dem Tierschutz dient und die Unterbringung ggf. erforderlich war. Die bloße Verhaltensauffälligkeit und fehlende Vermittelbarkeit des Hundes genügen nicht, um eine Förderung des Tierschutzes zu bejahen.
Das Urteil macht deutlich, dass eine Zweckbindung nicht schädlich ist. Zweckbindungen sind bei Spenden durchaus üblich, z.B. beim sog. Crowdfunding. Beim „Crowdfunding“ erkennt übrigens auch die Finanzverwaltung den Spendenabzug grundsätzlich an, wenn es sich um gemeinnützige Zwecke handelt.
BFH, Urteil vom 16.3.2021 - X R 37/19; NWB
04.10.2021
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat September 2021 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2021 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben vom 1.10.2021 – III C 3 – S 7329/19/10001 :003 (2021/1025216); NWB
04.10.2021
Der Wechsel vom individuellen Einkommensteuertarif zur Abgeltungsteuer für die Einkünfte aus Kapitalvermögen führt zu einer Minderung der Kirchensteuer, so dass auch der Sonderausgabenzug für die Kirchensteuer zu mindern ist. Diese Minderung des Sonderausgabenabzugs erfolgt in demjenigen Veranlagungszeitraum, in dem der aufgrund des Wechsels zur Abgeltungsteuer geänderte Einkommen- und Kirchensteuerbescheid wirksam wird.
Hintergrund: Die Kirchensteuer ist grundsätzlich als Sonderausgabe abziehbar. Kirchensteuererstattungen mindern den Sonderausgabenabzug (s. auch Hinweis unten). Die Kirchensteuer bemisst sich nach einem – je nach Bundesland und Konfession unterschiedlichen – Prozentsatz, der auf die Einkommensteuer angewendet wird. Erzielt der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte, unterliegen diese grundsätzlich der Abgeltungsteuer. In diesem Fall wird die Kirchensteuer als Zuschlag auf die Abgeltungsteuer erhoben, und ein Sonderausgabenabzug ist nicht möglich.
Sachverhalt: Die Kläger sind kirchensteuerpflichtige Eheleute und erzielten im Zeitraum 2009 bis 2013 u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen, die zunächst dem individuellen Steuersatz der Kläger unterlagen, da die Ehefrau der vom Ehemann beherrschten GmbH ein verzinsliches Darlehen gewährt hatte. Im Jahr 2015 beantragten die Kläger die Änderung der Einkommen- und Kirchensteuerbescheide für 2009 bis 2013 mit der Begründung, auf die Kapitaleinkünfte sei die Abgeltungsteuer anwendbar. Das Finanzamt erließ daraufhin noch im Jahr 2015 geänderte Bescheide für 2009 bis 2013, in denen die Einkommen- und Kirchensteuer gemindert wurden. Insgesamt ergab sich eine Kirchensteuerminderung von 3.715 €. Die Kläger zahlten im Streitjahr 2015 eine Kirchensteuer von 6.144 €. Das Finanzamt berücksichtigte für 2015 nur eine Kirchensteuer in Höhe von 2.429 € (6.144 € - 3.715 €). Die Kläger wehrten sich gegen die Kürzung des Sonderausgabenabzugs.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Durch den Wechsel des Besteuerungssystems für die Kapitaleinkünfte im Zeitraum 2009 bis 2013 vom individuellen Steuersatz zur Abgeltungsteuer kam es zu einer Minderung der Einkommensteuer sowie der Kirchensteuer. Denn die Kapitaleinkünfte sind mit der Abgeltungsteuer abgegolten und erhöhen nicht mehr die Einkommensteuer, die zugleich die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer ist; dadurch mindert sich auch die Kirchensteuer.
Diese Minderung ist beim Sonderausgabenabzug für 2015 zu berücksichtigen; denn die Minderung der Kirchensteuer ist im Jahr 2015 eingetreten, als die Änderungsbescheide für 2009 bis 2013 wirksam wurden.
Würde der Sonderausgabenabzug nicht gemindert, käme es zu einer Doppelbegünstigung der Kläger. Denn dann könnten sie die Kirchensteuer für den Zeitraum 2009 bis 2013 in der ursprünglichen Höhe als Sonderausgabe geltend machen und würden von der nachträglichen Minderung der Kirchensteuer profitieren.
Hinweise: Die Kirchensteuer kann, soweit sie als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer oder als Zuschlag auf die Abgeltungsteuer gezahlt wird, deshalb nicht als Sonderausgabe abgezogen werden, weil es sich bei der Kapitalertrag- und Abgeltungsteuer um günstige Steuertarife von jeweils 25 % handelt. Neben der Ermäßigung des Steuertarifs bedarf es deshalb keiner weiteren Entlastung in Gestalt eines Sonderausgabenabzugs.
Als Sonderausgaben abziehbar sind die vom Arbeitgeber einbehaltene Lohnkirchensteuer, Kirchensteuernachzahlungen, die sich aus Steuerbescheiden ergeben, sowie Vorauszahlungen zur Kirchensteuer. Von der sich danach ergebenden Summe wird die in diesem Jahr erstattete Kirchensteuer abgezogen, unabhängig davon, welchen Veranlagungszeitraum die Erstattung betrifft.
BFH, Urteil vom 16.3.2021 – X R 23/19; NWB
01.10.2021
Ab dem 1.10.2021 können Anträge und Erklärungen zu den Lohnsteuerabzugsmerkmalen, die bisher in Papierform abgegeben werden mussten, erstmalig auch elektronisch dem zuständigen Finanzamt übermittelt werden. Hierauf macht das Finanzministerium Thüringen aktuell aufmerksam.
Hintergrund: Arbeitnehmer müssen ihrem Finanzamt mitteilen, wenn sich die Zahl der Kinderfreibeträge verändert oder wenn die Voraussetzungen für die günstigere Steuerklasse entfallen sind. Wenn zum Beispiel der alleinerziehende oder geschiedene Elternteil mit einem neuen Partner zusammenzieht, oder der Anspruch auf Kindergeld entfällt, entfallen auch die Voraussetzungen für die Steuerklasse II wieder.
Das FinMin Thüringen erläutert weiter:
Die Übermittlung funktioniert bundesweit über das Online-Portal „Mein ELSTER“ oder über Übermittlungsprogramme privater Anbieter.
Folgende Anträge und Erklärungen können elektronisch an das Finanzamt übermittelt werden: Antrag auf Steuerklassenwechsel, Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung, Erklärung zum dauernden Getrenntleben, Erklärung zur Wiederaufnahme der ehelichen oder lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft, Antrag zu den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM).
Nach dem Login in „Mein ELSTER“ sind die Formulare über den Menüpunkt „Formulare & Leistungen“ - „Alle Formulare“ - „Lohnsteuer-Arbeitnehmer“ zu finden.
FinMin Thüringen, Medieninformation v. 29.9.2021; NWB
30.09.2021
Der Kaufmann kann eine Rückstellung für Mehrsteuern, die sich aufgrund einer Außenprüfung ergeben, erst im Jahr der Aufdeckung durch den Prüfer bilden und nicht schon in dem Jahr, dem die Steuern zuzuordnen sind. Auch kann der Kaufmann eine Rückstellung für die durch die Außenprüfung verursachten Steuerberatungskosten nicht schon an einem Bilanzstichtag zu Beginn des Prüfungszeitraums bilden. Er kann den Aufwand für die Steuerberatung erst dann absetzen, wenn der Steuerberater im Rahmen der Außenprüfung tätig geworden ist.
Hintergrund: Rückstellungen sind für Verpflichtungen zu bilden, die dem Grunde oder der Höhe nach ungewiss sind. Zu diesen Verpflichtungen gehören auch betriebliche Steuern.
Sachverhalt: Die Klägerin betrieb ein Taxiunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Nach den Größenmerkmalen für die Außenprüfung war sie zunächst als Kleinstbetrieb und seit 2013 als Kleinbetrieb einzustufen. Das Finanzamt führte 2017 eine Außenprüfung für die Jahre 2012 bis 2014 durch. Die Außenprüfung führte zu Mehrsteuern, u.a. auch bei der Lohnsteuer. Das Finanzamt erließ noch im Jahr 2017 einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid zur Lohnsteuer für 2013 und 2014. Die Klägerin war der Auffassung, dass zum 31.12.2014 eine Rückstellung für Lohnsteuern zu berücksichtigen sei. Außerdem müsse zum 31.12.2012 eine Rückstellung für die durch die Außenprüfung entstehenden Steuerberatungskosten in Höhe von 15.000 € gewinnmindernd berücksichtigt werden.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) erkannte keine der beiden Rückstellungen an und wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
• Eine Rückstellung für die durch die Außenprüfung entstehenden Steuerberatungskosten kann nicht zum Bilanzstichtag des ersten Prüfungsjahres 2012 gebildet werden. An diesem Bilanzstichtag bestand weder eine der Höhe nach ungewisse Verpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Steuerberater, noch war eine künftige Verpflichtung hinreichend wahrscheinlich.
• Mit einer Außenprüfung konnte die Klägerin am 31.12.2012 noch nicht rechnen. Denn es lag noch keine Prüfungsanordnung vor und die Klägerin war auch kein sog. Großbetrieb, der regelmäßig geprüft wird.
• Auch eine Rückstellung für die Lohnsteuer konnte zum 31.12.2014 nicht passiviert werden. Für Mehrsteuern, die sich aufgrund einer Außenprüfung ergeben, darf eine Rückstellung erst dann gebildet werden, wenn der Sachverhalt vom Prüfer aufgedeckt wird. Bis dahin muss der Unternehmer nicht mit einer Inanspruchnahme rechnen. Aufgedeckt wurde der lohnsteuerliche Sachverhalt, der zu Mehrsteuern bei der Lohnsteuer führte, erst im Jahr 2017.
Hinweise: Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, da es bisher keine einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage gibt, wann Mehrsteuern, die sich aufgrund einer Außenprüfung ergeben, zu passivieren sind. Einigkeit besteht nur im Fall der Steuerhinterziehung: In diesem Fall sind die Mehrsteuern erst im Jahr der Aufdeckung zu passivieren.
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass Mehrsteuern, die nicht auf einer Steuerhinterziehung beruhen und sich aufgrund einer Außenprüfung ergeben, bereits im Prüfungsjahr zu passivieren sind.
Zu beachten ist, dass sich nur die Lohnsteuer und grundsätzlich auch die Umsatzsteuer gewinnmindernd auswirken. Die anderen Steuern wie Körperschaft-, Gewerbe- und Einkommensteuer dürfen den steuerlichen Gewinn nicht mindern.
FG Münster, Urteil vom 24.6.2021 – 10 K 2084/18 K, G, Rev. beim BFH: Az. XI R 19/21; NWB
29.09.2021
Die Ausschüttung einer U.S.-amerikanischen Gesellschaft an eine deutsche GmbH, die Vorzugsaktien erhalten hat, kann entweder eine Dividende sein, die bei der deutschen GmbH grundsätzlich steuerfrei ist, oder aber eine Zinszahlung, die bei der deutschen GmbH in vollem Umfang steuerpflichtig ist. Ob es sich um eine Dividende oder um Zinsen handelt, bestimmt sich nach einem sog. Typenvergleich, bei dem geprüft wird, ob die ausländische und die deutsche Gesellschaft als Kapitalgesellschaft anzusehen sind und ob die Beteiligung einer Aktie oder eher einem Darlehen entspricht.
Hintergrund: Dividenden einer Kapitalgesellschaft an eine andere Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich steuerfrei, wenn – nach aktueller Rechtslage – die Beteiligung mindestens 10 % beträgt. Allerdings werden 5 % der Dividende als nicht abziehbare Betriebsausgabe behandelt. Eine Zinseinnahme unterliegt hingegen in vollem Umfang der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine deutsche GmbH und eine Tochtergesellschaft der in der EU ansässigen Y-AB. Die Y-AB hatte eine weitere Tochtergesellschaft, nämlich die in den USA (Delaware) ansässige X-Incorporated, die somit eine Schwestergesellschaft der Klägerin war. Die Klägerin erwarb im November 2001 Vorzugsaktien im Umfang von 30 % an der X-Incorporated, die zuvor einen Teil ihres Vermögens auf einen Trust ausgelagert hatte. Die Klägerin erhielt im Jahr 2001 Ausschüttungen von der X-Incorporated, die aus dem Trust stammten. Nach U.S.-amerikanischem Recht wurden die Ausschüttungen als Zinsen behandelt. Die Klägerin sah die Ausschüttungen als Dividenden an und behandelte sie zu 95 % als steuerfrei. Das Finanzamt besteuerte die Ausschüttungen hingegen als Zinsen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG), das die Klage im ersten Rechtszug abgewiesen hatte, zurück:
Die Steuerfreiheit für Dividenden setzt voraus, dass die Klägerin und die X-Incorporated als Kapitalgesellschaften anzusehen sind und dass die Ausschüttungen als Dividenden auf Aktien anzusehen sind. Soweit der Fall einen ausländischen Bezug hat, ist ein sog. Typenvergleich durchzuführen, bei dem zu prüfen ist, ob die Gesellschaften ihrer Struktur nach einer deutschen GmbH oder AG entsprechen.
Die Klägerin war eine Kapitalgesellschaft, da es sich um eine GmbH handelte. Die X-Incorporated war ebenfalls einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar.
Die Vorzugsaktien, die die Klägerin an der X-Incorporated gehalten hat, entsprachen inländischen Aktien, so dass dies ebenfalls für die Steuerfreiheit von 95 % sprach.
Die Beteiligung der Klägerin an der X-Incorporated entsprach auch inhaltlich einer Aktienbeteiligung, weil sie der Klägerin eine mitgliedschaftliche Beteiligung vermittelte, indem sie ihr Vermögens- und Mitverwaltungsrechte einräumte.
Entgegen der Auffassung des FG ist es für die Qualifizierung als Aktien nicht erforderlich, dass die Klägerin an den stillen Reserven und am Liquidationserlös der X-Incorporated beteiligt war; diese Voraussetzung ist nur bei Genussrechten zu prüfen.
Bei der Gewerbesteuer sind die Ausschüttungen steuerpflichtig, da die gesetzliche Kürzung des Gewerbeertrags um die Dividenden im Streitfall nicht galt; denn die Kürzung setzte im Streitjahr 2001 eine Beteiligung von 10 % am 1.1.2001 voraus. Die Klägerin hat sich aber erst im Laufe des Jahres 2001 an der X-Incorporated beteiligt.
Hinweise: Das FG muss nun prüfen, ob die Betriebsausgaben der Klägerin abziehbar sind. Zwar gelten nach dem Gesetz 5 % der Ausschüttungen als nicht abziehbare Betriebsausgaben. Diese Regelung war aber im Streitjahr 2001 europarechtswidrig und daher nicht anzuwenden. Stattdessen gilt für 2001 eine allgemeine Beschränkung der Betriebsausgaben, so dass diejenigen Aufwendungen der Klägerin nicht abziehbar sind, die mit den Ausschüttungen zusammenhängen.
Unbeachtlich ist, dass die Ausschüttungen nach U.S.-amerikanischem Recht als Zinsen qualifiziert wurden. Diese Einstufung hatte für die X-Incorporated zur Folge, dass sie die Ausschüttungen als Betriebsausgaben, nämlich als Zinsaufwand, abziehen konnte. Das deutsche Steuerrecht ist an diese Einstufung jedoch nicht gebunden.
BFH, Beschluss v. 18.5.2021 - I R 12/18; NWB
28.09.2021
Die Beteiligung eines minderjährigen Kindes an einer Betriebs-GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung kann dem ebenfalls beteiligten Elternteil nicht zugerechnet werden, wenn für das Kind ein Ergänzungspfleger bestellt ist und der Ergänzungspfleger auch die Gesellschafterrechte des Kindes wahrnimmt. Eine Betriebsaufspaltung besteht daher nur dann, wenn das Elternteil selbst die Betriebs-GmbH beherrscht, indem es dort die Stimmenmehrheit innehat.
Hintergrund: Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein Unternehmen, das sog. Besitzunternehmen, einem anderen Unternehmen, der sog. Betriebsgesellschaft, wesentliche Betriebsgrundlagen vermietet bzw. verpachtet, so dass eine sachliche Verflechtung besteht, und wenn zwischen beiden Unternehmen zusätzlich eine personelle Verflechtung besteht, d.h. eine Person oder Personengruppe in beiden Unternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Die Betriebsaufspaltung führt dazu, dass das Besitzunternehmen gewerbliche Einkünfte erzielt und somit der Gewerbesteuer unterliegt.
Sachverhalt: Die Klägerin war die Witwe des V und Alleineigentümerin eines Grundstücks, das sie an die A-GmbH verpachtete. Alleingesellschafter der A-GmbH war bis zu seinem Tod im Januar 2010 der V gewesen. Die Erben des V waren die Klägerin zu ½ und ihre beiden Kinder K1 und K2 zu jeweils ¼. K2 war im Jahr 2010 noch minderjährig; für K2 wurde im Juni 2010 ein Ergänzungspfleger bestellt, der u.a. die Gesellschafterrechte des K2 wahrnahm. Für Beschlüsse bei der A-GmbH genügte die einfache Stimmenmehrheit. Das Finanzamt ging von einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der A-GmbH aus und erfasste die Verpachtungseinkünfte der Klägerin im Streitjahr 2010 als gewerbliche Einkünfte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verneinte eine Betriebsaufspaltung und gab der Klage statt:
Zwar bestand zwischen der Klägerin und der A-GmbH eine sachliche Verflechtung, da die Klägerin der A-GmbH das Betriebsgrundstück und damit eine wesentliche Betriebsgrundlage verpachtet hatte.
Es fehlte aber die personelle Verflechtung. Denn die Klägerin als alleinige Eigentümerin des Grundstücks beherrschte nicht die A-GmbH. Hierzu hätte sie die Stimmrechtsmehrheit benötigt. Sie hatte jedoch nur 50 % der Stimmrechte. Fehlt die Stimmrechtsmehrheit, genügt es für die personelle Verflechtung nicht, dass die Klägerin Geschäftsführerin der A-GmbH war.
Der Klägerin konnten die Stimmrechte ihres minderjährigen Kindes K2 auch nicht zugerechnet werden. Denn die Klägerin und K2 verfolgten keine gleichgerichteten Interessen, da die Stimmrechte des K2 durch den Ergänzungspfleger ausgeübt wurden.
Zwar kann eine personelle Verflechtung auch im Fall einer faktischen Beherrschung der A-GmbH gegeben sein. Hierfür hätte die Klägerin aber in der Lage sein müssen, aus wirtschaftlichen Gründen Druck auf K2 auszuüben. Dieser Druck war nicht möglich, weil K2 durch den Ergänzungspfleger vertreten wurde.
Hinweise: Der Tod des V hätte beinahe zur Entstehung einer Betriebsaufspaltung geführt. Dass diese nicht zustande kam, lag daran, dass die Klägerin lediglich 50 % der Anteile an der A-GmbH hielt und nicht mehr als 50 %. Bei der Erbfolgeplanung sollte deshalb darauf geachtet werden, dass im Fall des Todes eines Ehegatten nicht unfreiwillig eine Betriebsaufspaltung entsteht oder unfreiwillig eine bereits bestehende Betriebsaufspaltung beendet wird, so dass die stillen Reserven versteuert werden müssen.
BFH, Urteil v. 14.4.2021 - XI R 5/19; NWB
27.09.2021
Eine für die Entlastung von Kapitalertragsteuer erforderliche unmittelbare Beteiligung einer Muttergesellschaft an der ausschüttenden Tochtergesellschaft besteht auch dann, wenn die Muttergesellschaft über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft an der Tochtergesellschaft beteiligt ist. Denn steuerlich wird eine vermögensverwaltende Personengesellschaft nach der sog. Bruchteilsbetrachtung hinweggedacht.
Hintergrund: Eine Kapitalgesellschaft muss bei Ausschüttungen grundsätzlich Kapitalertragsteuer von 25 % einbehalten und an das Finanzamt abführen. Ist der Anteilseigner eine Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, wird die Kapitalertragsteuer unter weiteren bestimmten Voraussetzungen auf Antrag nicht erhoben.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine in den Niederlanden ansässige Genossenschaft. Sie war seit 2013 mit mindestens 10 % an der vermögensverwaltenden X-GbR, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, beteiligt; vermögensverwaltend bedeutet, dass die X-GbR keine Gewinneinkünfte (z.B. aus Gewerbebetrieb) erzielte, sondern sog. Überschusseinkünfte, z.B. aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung.
Die X-GbR war zu 100 % an der inländischen Y-AG beteiligt. Die Y-AG tätigte im Jahr 2014 eine Gewinnausschüttung und behielt eine Kapitalertragsteuer von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % ein. Die Klägerin beantragte daraufhin die vollständige Freistellung und Erstattung der Kapitalertragsteuer. Das Finanzamt gab diesem Antrag nur teilweise, nämlich in Höhe von 10 %, statt und stützte diese Freistellung bzw. Erstattung auf das deutsch-niederländische Doppelbesteuerungsabkommen. Die Klägerin machte den verbleibenden Betrag im Klageweg geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Die Klägerin und die Y-AG erfüllten die gesetzlichen Anforderungen an die Freistellung. Die Klägerin hatte weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland, und die Beteiligung bestand ununterbrochen zwölf Monate. Außerdem handelte es sich nicht um Erträge, die der Klägerin anlässlich der Liquidation oder Umwandlung der Y-AG zuflossen.
Auch die streitige Voraussetzung erfüllte die Klägerin: Sie war nämlich zu mindestens 10 % unmittelbar am Kapital der Y-AG erfüllt. Bei dem Kriterium der unmittelbaren Beteiligung kommt es nicht auf die zivilrechtliche Beteiligung an, sondern auf die steuerrechtliche Beteiligung.
Steuerrechtlich gilt bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die sog. Bruchteilsbetrachtung, so dass die von der vermögensverwaltenden Personengesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter den Gesellschaftern unmittelbar als eigenes Wirtschaftsgut anteilig zugerechnet werden; im Ergebnis wird also die vermögensverwaltende Personengesellschaft hinweggedacht, so dass der Gesellschafter unmittelbar und anteilig an dem Wirtschaftsgut beteiligt ist, das sich im Vermögen der vermögensverwaltenden Personengesellschaft befindet.
Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Klägerin unmittelbar zu mindestens 10 % an der Y-AG beteiligt war.
Hinweise: Die Zwischenschaltung der X-GbR hatte regulatorische Gründe, beruhte also auf öffentlich-rechtlichen Auflagen.
Hätte die zivilrechtliche Betrachtung gegolten, wäre nur die X-GbR unmittelbar an der Y-AG beteiligt gewesen, so dass die Klägerin nur mittelbar – über die X-GbR – an der Y-AG beteiligt gewesen wäre. Eine Freistellung bzw. Erstattung der Kapitalertragsteuer wäre dann nicht möglich gewesen.
Hätte die X-GbR Gewinneinkünfte wie z.B. aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit erzielt, hätte die Klage keinen Erfolg gehabt; denn dann wäre die Beteiligung an der Y-AG der X-GbR zugerechnet worden, weil die sog. Bruchteilsbetrachtung nur bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften gilt.
Die Entscheidung für die steuerrechtliche Betrachtung leitet der BFH aus einer Regelung über die Steuerpflicht von Streubesitzdividenden ab, bei der es ebenfalls auf den Umfang der unmittelbaren Beteiligung ankommt: Dort werden Beteiligungen, die nicht über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft gehalten werden, ausdrücklich als unmittelbar fingiert, während Beteiligungen, die über vermögensverwaltende Personengesellschaften gehalten werden, nicht erwähnt werden.
BFH, Beschluss v. 18.5.2021 - I R 77/17; NWB
24.09.2021
Eine Zuständigkeitsvereinbarung, die zwei Finanzämter mit Zustimmung des Steuerpflichtigen getroffen haben und die dazu führt, dass ein an sich nicht zuständiges Finanzamt zuständig wird, kann ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen wieder aufgehoben werden, wenn die Gründe für die Zuständigkeitsvereinbarung weggefallen sind.
Hintergrund: Das örtlich zuständige Finanzamt kann mit einem anderen Finanzamt vereinbaren, dass das andere Finanzamt die Zuständigkeit für den Fall übernimmt. Eine derartige Zuständigkeitsvereinbarung bedarf der Zustimmung des Steuerpflichtigen. Die Zuständigkeitsvereinbarung steht im Ermessen der Finanzbehörden.
Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitgeber und im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts A tätig. Beim Finanzamt A arbeitete seine Ehefrau als Sachbearbeiterin. Aufgrund dieser Tätigkeit der Ehefrau vereinbarte das Finanzamt A mit dem Finanzamt B im Jahr 1994, dass dieses die Zuständigkeit für die Einkommensteuer des Klägers und seiner Ehefrau sowie für die Betriebssteuern des Klägers übernimmt; die Eheleute stimmten der Zuständigkeitsvereinbarung zu. Im Jahr 2013 beendete die Ehefrau des Klägers ihre Tätigkeit beim Finanzamt A. Daraufhin teilte das Finanzamt B dem Kläger und seiner Ehefrau im November 2013 mit, dass der Grund für die Zuständigkeitsvereinbarung entfallen sei und ab sofort wieder das Finanzamt A zuständig sei. Der Kläger gab seine Lohnsteueranmeldungen in der Folgezeit aber nicht in der vorgeschriebenen elektronischen Form ab. Das Finanzamt A setzte daraufhin Verspätungszuschläge zur Lohnsteuer ab Februar 2015 fest, gegen die der Kläger klagte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage gegen das Finanzamt A ab:
Das Finanzamt A war für die Festsetzung der Verspätungszuschläge örtlich zuständig. Denn es handelte sich dabei um das sog. Betriebsstättenfinanzamt, in dessen Bezirk sich das Unternehmen des Klägers befand.
Zwar war aufgrund der Zuständigkeitsvereinbarung aus dem Jahr 1994 das Finanzamt B zuständig gewesen; die Zuständigkeitsvereinbarung wurde allerdings im November 2013 aufgehoben. Diese Aufhebung war wirksam, weil sie keiner Zustimmung des Klägers und seiner Ehefrau bedurfte. Eine Zustimmung ist nach dem Gesetzeswortlaut nur für den Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung erforderlich, nicht aber für deren Aufhebung. Denn die Aufhebung führt zur Rückkehr zur gesetzlich vorgesehenen örtlichen Zuständigkeit.
Die Voraussetzungen für die Festsetzung der Verspätungszuschläge lagen vor, da der Kläger die Lohnsteueranmeldungen nicht in der vorgeschriebenen elektronischen Form abgegeben hatte, so dass dies als Nichtabgabe galt. Ermessensfehler bei der Festsetzung der Verspätungszuschläge waren nicht ersichtlich.
Hinweise: Der BFH weist in seinem Urteil auch darauf hin, dass die Zuständigkeitsvereinbarung nicht grundlos aufgehoben worden ist. Vielmehr wurde die Vereinbarung aufgehoben, weil die Ehefrau des Klägers ihre Tätigkeit beim Finanzamt A beendet hatte.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein an sich örtlich unzuständiges Finanzamt die Zuständigkeit für eine Veranlagung übernimmt. Kommt es z.B. zu einem Umzug des Steuerpflichtigen in den Zuständigkeitsbezirk eines anderen Finanzamts, kann das bislang zuständige Finanzamt die Veranlagung noch fortführen, sofern dies zweckmäßig erscheint und das nunmehr zuständige Finanzamt zustimmt.
BFH, Urteil v. 12.7.2021 - VI R 13/19; NWB
23.09.2021
Zahlungen des Unternehmers, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen, sind auch dann durch einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten abzugrenzen, wenn die einzelnen Zahlungen geringfügig sind. Weder aus dem Wesentlichkeits- noch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt, dass bei geringfügigen Zahlungen eine Aktivierung unterbleiben darf und sich die Zahlung sofort als Aufwand auswirken kann.
Hintergrund: Ausgaben eines bilanzierenden Unternehmers im laufenden Wirtschaftsjahr, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen, sind aktivisch abzugrenzen, indem der Unternehmer einen sog. Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) aktiviert. Im Folgejahr wird der RAP dann gewinnmindernd aufgelöst. Auf diese Weise wird der Aufwand im richtigen Wirtschaftsjahr, nämlich im Folgejahr, erfasst. Ein Beispiel für einen aktiven RAP ist z.B. ein Versicherungsbeitrag für 2022, den der Unternehmer bereits im Jahr 2021 zahlt und der zum 31.12.2021 als RAP zu aktivieren und im Folgejahr 2022 gewinnmindernd aufzulösen ist.
Sachverhalt: Der Kläger war Unternehmer und bilanzierte. Er hatte in den Streitjahren 2015 bis 2017 Zahlungen für das jeweilige Folgejahr geleistet, z.B. Kfz-Steuern und Versicherungsbeiträge. Der jährliche Gesamtbetrag der einzelnen Zahlungen betrug ca. 1.400 € für 2015, 1.500 € für 2016 und 1.300 € für 2017. Der Kläger bildete zum jeweiligen Bilanzstichtag keinen aktiven RAP, sondern erfasste die Zahlungen als Aufwand. Die einzelnen Zahlungen überschritten die damalige Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von 410 € nicht.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Revision des Finanzamts im Grundsatz statt und wies damit die Klage des Klägers ab:
Die Voraussetzungen für die Aktivierung eines RAP zum 31.12.2015, 31.12.2016 und 31.12.2016 lagen vor. Denn die vom Kläger geleisteten Zahlungen stellten Aufwand des jeweiligen Folgejahres dar und wurden für eine bestimmte Zeit geleistet, waren also zeitraumbezogen. Damit bestand ein gesetzliches Aktivierungsgebot zum jeweiligen Bilanzstichtag.
Dieses Aktivierungsgebot kann nicht durch ein Aktivierungswahlrecht in denjenigen Fällen ersetzt werden, in denen die geleisteten Zahlungen geringfügig waren und die Grenze für die Sofortabschreibung auf geringwertige Wirtschaftsgüter (in den Streitjahren: 410 €, aktuell: 800 €) nicht überstiegen. Ein derartiges Wahlrecht lässt sich weder aus dem Wesentlichkeitsgrundsatz noch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ableiten:
Der Grundsatz der Wesentlichkeit kann nur aus einzelnen gesetzlichen Regelungen abgeleitet werden, nach denen geringfügige Beträge steuerlich anders behandelt werden können als höhere Beträge. So gibt es etwa die Sofortabschreibung auf geringwertige Wirtschaftsgüter. Eine solche gesetzliche Regelung gibt es aber nicht für RAP.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt, dass Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Die Aktivierung eines RAP führt aber nicht zu unverhältnismäßigen Folgen, sondern bewirkt ausschließlich, dass der Aufwand in das Folgejahr verlagert wird. Weitere Folgen ergeben sich nicht. Die Aktivierungspflicht für geringfügige RAP führt auch nicht zu einem unverhältnismäßigen Buchführungsaufwand.
Der Kläger musste daher zu den drei Bilanzstichtagen am 31.12.2015, 31.12.2016 und 31.12.2017 die RAP in Höhe von 1.400 € für 2015, 1.500 € für 2016 und 1.300 € für 2017 aktivieren. Im Gegenzug konnte er aber den zum jeweiligen Vorjahr zu bildenden RAP im Folgejahr gewinnmindernd abziehen, so dass sich z.B. der Gewinn für 2016 zugleich um 1.400 € minderte und per Saldo nur um 100 € erhöhte.
Hinweise: Die Aktivierung eines RAP führt nur zu einer Gewinnverlagerung, indem die Gewinnminderung erst im Folgejahr eintritt. Auch wenn das Urteil die Aktivierung von RAP betraf, gelten die vom BFH aufgestellten Grundsätze auch für die Passivierung von RAP: Auch hier darf richtigerweise eine Passivierung von erhaltenen Zahlungen, die Ertrag des Folgejahres darstellen und die für eine bestimmte Zeit gezahlt werden, nicht wegen Geringfügigkeit unterbleiben.
Auch bei geringfügigen Forderungen darf eine Aktivierung nicht unterbleiben. Ebenso sind für geringfügige ungewisse Verpflichtungen Rückstellungen zu passivieren.
BFH, Urteil v. 16.3.2021 - X R 34/19; NWB
22.09.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) lehnt eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen in den Fällen ab, in denen diese von der öffentlichen Hand erbracht und nach öffentlich-rechtlichen Kriterien abgerechnet werden. Damit folgt das BMF der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Hintergrund: Für Handwerkerleistungen für Renovierung, Erhaltungs- Modernisierungsmaßnahmen im eigenen Haushalt wird eine Steuerermäßigung in Höhe von 20 % gewährt, maximal 1.200 €. Diese Steuerermäßigung wird direkt von der festgesetzten Steuer abgezogen.
Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens:
Bei Handwerkerleistungen der öffentlichen Hand, die nicht einem einzelnen Haushalt zugutekommen, sondern allen an den Maßnahmen der öffentlichen Hand beteiligten Haushalten, wie z.B. bei dem Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes oder der Erschließung einer Straße, wird eine Steuerermäßigung von 20 % für haushaltsnahe Handwerkerleistungen nicht gewährt.
Es fehlt an einem Zusammenhang der Handwerkerleistungen mit dem Haushalt des einzelnen Grundstückseigentümers.
Außerdem werden Aufwendungen für die Reinigung der Fahrbahn (Straße) ebenso wie Aufwendungen für den Winterdienst auf der Fahrbahn vor dem eigenen Haushalt nicht von der Steuerermäßigung erfasst, wohl aber die Kosten für die Straßenreinigung des Gehwegs vor dem eigenen Haushalt sowie die Kosten für den Winterdienst auf dem Gehweg vor dem eigenen Haushalt.
Hinweise: Das aktuelle BMF-Schreiben ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Das BMF folgt der Rechtsprechung des BFH. Dieser hatte die Steuerermäßigung für die Handwerkerleistungen mit der Begründung verneint, es gehe nicht um den eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern um die Herstellung bzw. Erhaltung des öffentlichen Wasser-Verteilungs- oder Sammelnetzes. Auch die Fahrbahn vor dem eigenen Haus wird – anders als der Gehweg – nicht mehr zum Haushalt gerechnet.
BMF-Schreiben v. 1.9.2021 – IV C 8 – S 2296-b/21/10002 :001; NWB
21.09.2021
Der Betrieb eines Flüchtlingsheims ist grundsätzlich umsatzsteuerfrei, auch wenn Leistungsempfänger nicht der Flüchtling, sondern das Bundesland oder die Kommune ist. Die Umsatzsteuerbefreiung folgt aus dem europäischen Mehrwertsteuerrecht, das Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbunden sind und die von einer als sozial anerkannten Einrichtung erbracht werden, umsatzsteuerfrei stellt.
Hintergrund: Das deutsche Umsatzsteuerrecht behandelt verschiedene soziale Leistungen als umsatzsteuerfrei, z.B. Leistungen von Betreuungs- oder Pflegeeinrichtungen für körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftige Personen oder Leistungen eines amtlich anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege. Das europäische Mehrwertsteuerrecht geht über diese Befreiungen hinaus und gewährt eine Umsatzsteuerfreiheit für Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbunden sind und die von einer als sozial anerkannten Einrichtung erbracht werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine nicht gemeinnützige GmbH, die im Streitjahr 2014 eine Vielzahl von Flüchtlings-, Aussiedler- und Obdachlosenheimen in verschiedenen Bundesländern betrieb und sich u.a. um die Unterbringung, Verpflegung, Gesundheit und Sicherheit kümmerte. Den jeweiligen Betreibervertrag hatte sie mit dem öffentlichen Träger, z.B. dem Bundesland oder dem Landkreis, geschlossen. Sie erhielt von den Trägern Entgelte, die sie nicht der Umsatzsteuer unterwarf. Das Finanzamt behandelte die Umsätze hingegen als umsatzsteuerpflichtig.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) ging zwar von einer grundsätzlichen Umsatzsteuerfreiheit aus, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Nach deutschem Umsatzsteuerrecht hat die Klägerin keine umsatzsteuerfreien Umsätze getätigt:
Es handelte sich nicht um umsatzsteuerfreie Vermietungsleistungen, da die Klägerin die Grundstücke nicht an den Träger vermietete und auch mit den Flüchtlingen, Aussiedlern und Obdachlosen keinen Vermietungsvertrag geschlossen hatte.
Ebenso wenig lagen umsatzsteuerfreie Leistungen einer Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung vor; denn die Bewohner waren weder krank noch behindert oder von einer Behinderung bedroht.
Schließlich konnte sich die Klägerin auch nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit für Leistungen der Wohlfahrtspflege berufen, da sie weder ein amtlich anerkannter Verband der Wohlfahrtspflege war noch einem solchen Verband als Mitglied angeschlossen war.
Für die Leistungen der Klägerin greift aber die europäische Umsatzsteuerbefreiung für Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbunden sind und die von einer als sozial anerkannten Einrichtung erbracht werden:
Zu den Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, gehört die Betreuung von Flüchtlingen, da sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können und auch nicht arbeiten dürfen. Dies gilt auch für Obdachlose, die ebenfalls wirtschaftlich hilfsbedürftig sind. Auch die Leistungen, die den Aussiedlern zugutekommen, können eng mit der Sozialfürsorge verbunden sein, selbst wenn sie deutsche Staats- oder Volksangehörige sind und nicht Schutz vor Verfolgung suchen.
Die Klägerin war eine als sozial anerkannte Einrichtung. Sie setzte nämlich die Vorgaben der Regelungen über die Flüchtlingsaufnahme um, wurde im Gemeinwohl tätig, und die Kosten wurden von der öffentlichen Hand getragen. Unbeachtlich ist, dass die Klägerin nicht gemeinnützig war. Es kommt ferner auch nicht darauf an, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Flüchtlingen erbracht hat, da sie mit diesen keinen Vertrag geschlossen hatte.
Hinweise: Hinsichtlich einzelner Einrichtungen war der Sachverhalt noch nicht aufgeklärt, so dass der BFH nicht abschließend über den Fall entscheiden konnte. Diese Aufklärung muss nun das FG nachholen. Dabei geht es z.B. um die Frage, ob die Aussiedler und Spätaussiedler tatsächlich wirtschaftlich hilfsbedürftig waren.
Gemeinnützige Betreiber von Flüchtlingsheimen erhalten die Umsatzsteuerfreiheit nach deutschem Recht, weil die Finanzverwaltung entsprechende Erlasse veröffentlicht hat. Nach dem BFH widerspräche es dem Neutralitätsprinzip, wenn man den nicht gemeinnützigen Einrichtungen wie der Klägerin die Umsatzsteuerfreiheit nicht gewähren würde.
BFH, Urteil v. 24.3.2021 - V R 1/19; NWB
20.09.2021
Bei einem Arbeitnehmer, der wie z.B. ein Schiffsoffizier keine erste Tätigkeitsstätte hat, sind die Verpflegungsmehraufwendungen zu kürzen, wenn ihm vom Arbeitgeber unentgeltlich Mahlzeiten gestellt werden. Für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte gilt damit das Gleiche wie für Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte.
Hintergrund: Ein Arbeitnehmer, der beruflich auswärtig für mehr als acht Stunden von seiner Wohnung und von seiner ersten Tätigkeitsstätte tätig wird, kann grundsätzlich Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen. Soweit ihm aber vom Arbeitgeber unentgeltlich Mahlzeiten gestellt werden, sieht der Gesetzgeber eine Kürzung der Verpflegungsmehraufwendungen um 20 % für ein bereitgestelltes Frühstück sowie um jeweils 40 % für ein bereitgestelltes Mittag- und Abendessen vor. Diese Regelungen gelten nach dem Gesetz für Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte. Für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte verweist der Gesetzgeber auf die Regelungen zum Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen dem Grunde nach und auf die Verpflegungspauschalen.
Sachverhalt: Der Kläger war Schiffsoffizier. Er war im Streitjahr 2014 an 169 Tagen tätig und wurde auf dem Schiff von seinem Arbeitgeber unentgeltlich mit Frühstück, Mittag- und Abendessen verpflegt. An zehn Hafentagen gab es jedoch keine Mahlzeiten auf dem Schiff, so dass sich der Kläger selbst versorgen musste. Er machte Verpflegungsmehraufwendungen für 169 Tage in Höhe von jeweils 24 €, insgesamt 4.056 €, geltend. Das Finanzamt erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen nur für die zehn Hafentage an, an denen sich der Kläger selbst versorgen musste. Der Kläger erhob wegen der Verpflegungsmehraufwendungen für die verbleibenden 159 Tage Klage.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Der Kläger kann dem Grunde nach Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen, da er beruflich auswärts für mehr als acht Stunden tätig war. Er hatte zwar keine erste Tätigkeitsstätte; für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte gelten aber die Grundsätze, die für Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte gelten, entsprechend.
Die Verpflegungsmehraufwendungen sind jedoch aufgrund der unentgeltlichen Mahlzeitengestellung in voller Höhe zu kürzen; die Gestellung eines Frühstücks führt zur Kürzung von 20 % und die Gestellung eines Mittags- und Abendessens zur Kürzung in Höhe von jeweils 40 %, zusammen 100 %.
Diese Kürzung gilt auch für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte. Zwar nimmt die Regelung für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte nur auf die Regelung zum Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen dem Grunde nach und zur Höhe der Pauschalbeträge Bezug und bezieht sich nicht ausdrücklich auf die Regelung zur Kürzung bei unentgeltlicher Mahlzeitengestellung. Bei einer Auslegung der Vorschrift ergibt sich jedoch, dass die Bezugnahme auch die Kürzung im Fall einer unentgeltlichen Mahlzeitengestellung umfasst. Anderenfalls wären Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte steuerlich bessergestellt.
Hinweise: Die Kürzung im Fall einer unentgeltlichen Mahlzeitengestellung erfolgt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Mahlzeiten, die ihm der Arbeitgeber unentgeltlich zur Verfügung stellt, nicht einnimmt; auf den Grund für die Nichteinnahme kommt es nicht an.
Das Urteil betrifft die aktuelle Rechtslage, die seit der sog. Reisekostenreform 2014 gilt. Vor 2014 erfolgte zwar keine Kürzung der Verpflegungsmehraufwendungen; jedoch musste dafür aufgrund der unentgeltlichen Mahlzeitengestellung ein geldwerter Vorteil versteuert werden.
BFH, Urteil v. 12.7.2021 - VI R 27/19; NWB
17.09.2021
Die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung besteht nicht, wenn der Gesellschafter, der die Betriebsgesellschaft beherrscht, bei der Besitzpersonengesellschaft zwar die Mehrheit der Stimmen hält, aber insoweit als Treuhänder beteiligt ist und gegenüber seinen Treugebern verpflichtet ist. Der Mehrheitsgesellschafter kann dann aufgrund seiner Bindung gegenüber den Treugebern nicht seinen eigenen Willen bei der Besitzpersonengesellschaft durchsetzen.
Hintergrund: Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein Besitzunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine Betriebsgesellschaft verpachtet, z.B. ein Grundstück, und zwischen beiden Unternehmen eine personelle Verflechtung besteht. Personelle Verflechtung bedeutet, dass eine Person bzw. Personengruppe in beiden Unternehmen ihren geschäftlichen Willen durchsetzen kann. Die Betriebsaufspaltung hat zur Folge, dass das verpachtende Besitzunternehmen nicht Vermietungseinkünfte, sondern gewerbliche Einkünfte erzielt und damit der Gewerbesteuer unterliegt.
Gesellschaften, die nur aufgrund ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen und ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, können für ihren Gewinn aus der Grundstücksverwaltung eine sog. erweiterte Kürzung beantragen, so dass dieser Gewinn nicht der Gewerbesteuer unterliegt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Immobilien-GmbH & Co. KG, die ein Grundstück an die M-KG vermietete. Alleinige Kommanditistin der Klägerin war die A-Holding, die auch Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH der Klägerin war. Die A-Holding hielt etwa 40 % der Anteile an der Klägerin auf eigene Rechnung, während sie die übrigen 60 % für Treugeber hielt und diesen gegenüber weisungsgebunden war. Alle Immobiliengeschäfte der Klägerin, z.B. der Kauf und Verkauf sowie die Vermietung von Immobilien, bedurften einer einfachen Mehrheit. An der M-KG, der Mieterin des Grundstücks, war die A-Holding über mehrere Gesellschaften, mit denen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge bestanden, mittelbar zu 100 % beteiligt. Die Klägerin machte für den Vermietungsertrag die sog. erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer geltend. Das Finanzamt versagte diese, weil es von einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der M-KG ausging.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte die erweiterte Kürzung und gab der Klage statt:
Die Klägerin hat ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet, so dass ihr die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer grundsätzlich zusteht. Zwar wird die erweiterte Kürzung nicht bei einer originär gewerblichen Tätigkeit gewährt, weil dann das Unternehmen nicht nur aufgrund seiner Rechtsform gewerbesteuerpflichtig ist; die Klägerin erzielte aber keine gewerblichen Einkünfte, weil sie kein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung war.
Zwischen der Klägerin und der M-KG bestand zwar eine sachliche Verflechtung, weil die Klägerin ein Grundstück an die M-KG verpachtet hat.
Es fehlte aber die personelle Verflechtung zwischen beiden Unternehmen. Die A-Holding beherrschte zwar die M-KG, da sie mittelbar zu 100 % an dieser beteiligt war und zudem mit den zwischengeschalteten Gesellschaften Beherrschungsverträge abgeschlossen hatte. Die A-Holding beherrschte aber nicht die Klägerin, auch wenn sie die Stimmenmehrheit hielt; denn überwiegend hielt sie ihre Beteiligung als Treuhänderin und war damit den Treugebern verpflichtet und ihnen gegenüber weisungsgebunden. Ihre eigene Beteiligung betrug nur ca. 40 %.
Hinweise: Wäre die Klägerin ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gewesen, hätte sie als Besitzunternehmen gewerbliche Einkünfte erzielt und wäre damit originär gewerblich tätig gewesen. Ihre Rechtsform wäre für die Gewerbesteuerpflicht also nicht ursächlich gewesen, so dass ihr kein Anspruch auf die erweiterte Kürzung zugestanden hätte; sie hätte dann ihren Gewinn aus der Vermietung der Gewerbesteuer unterwerfen müssen.
Hintergrund einer Betriebsaufspaltung ist vor allem die Minderung des Haftungsrisikos. Verursacht die Betriebsgesellschaft, die die Produkte herstellt, einen Schaden, haftet sie zwar; die Haftungsmasse wie z.B. das Betriebsgrundstück befindet sich aber beim Besitzunternehmen.
BFH, Urteil v. 20.5.2021 - IV R 31/19; NWB
15.09.2021
Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist auf die eigenen Kinder, die es anschließend sogleich mit Gewinn an den vom Elternteil ausgesuchten Erwerber verkaufen, ist kein Gestaltungsmissbrauch. Daher muss das Elternteil keinen Spekulationsgewinn versteuern, sondern nur die Kinder, denen die Anschaffung durch das Elternteil zugerechnet wird. Hierdurch kann es zu einer erheblichen Steuerersparnis kommen, wenn der Steuersatz der Kinder deutlich niedriger ist als der des Elternteils.
Hintergrund: Der Verkauf eines Grundstücks des Privatvermögens innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung mit Gewinn führt zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn. Erhält ein Steuerpflichtiger das Grundstück unentgeltlich, z.B. durch Schenkung, wird ihm der entgeltliche Erwerb durch den Rechtsvorgänger (Schenker) zugerechnet.
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte im Jahr 2011 ein Grundstück. Im Jahr 2012 schenkte sie ihren beiden volljährigen Kindern jeweils das hälftige Miteigentum an dem Grundstück, nachdem sie einen Käufer für das Grundstück gesucht und die Verkaufsverhandlungen geführt hatte. Noch am Tag der Schenkung verkauften ihre Kinder das Grundstück an den von ihrer Mutter, der Klägerin, ausgesuchten Käufer und erzielten nach Abzug des von ihrer Mutter im Jahr 2011 gezahlten Kaufpreises einen steuerpflichtigen Gewinn von ca. 97.500 €. Das Finanzamt bejahte einen Gestaltungsmissbrauch und rechnete den Gewinn der Klägerin als Spekulationsgewinn zu. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Die Klägerin hat keinen Spekulationsgewinn erzielt, da sie das Grundstück nicht verkauft hat. Ihre Schenkung an ihre beiden Kinder löst keinen Spekulationsgewinn aus, da ein Spekulationsgewinn einen Verkauf voraussetzt.
Die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an ihre beiden Kinder vor dem Verkauf durch die Kinder stellt keinen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch dar. Ein steuerlicher Gestaltungsmissbrauch kann nicht angenommen werden, wenn die Gestaltung vom Gesetzgeber bereits gesehen worden ist und er in einem Gesetz hierauf reagiert hat.
Eine solche Reaktion des Gesetzgebers findet sich im Einkommensteuergesetz. Denn bei einer unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks wird dem neuen Eigentümer (sog. Einzelrechtsnachfolger) der entgeltliche Erwerb durch den Rechtsvorgänger (Schenker) zugerechnet. Auf diese Weise muss der Einzelrechtsnachfolger einen Spekulationsgewinn versteuern, wenn er das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf durch den Rechtsvorgänger verkauft; denn der Beschenkte gilt nun als entgeltlicher Erwerber. Gäbe es diese gesetzliche Regelung nicht, würde der Einzelrechtsnachfolger keinen Spekulationsgewinn erzielen, weil ein Spekulationsgewinn einen entgeltlichen Erwerb (Kauf) und eine entgeltliche Übertragung (Verkauf) voraussetzt.
Der Gesetzgeber wollte also, dass bei einer Schenkung eines Grundstücks und bei einem Verkauf dieses Grundstücks durch den Beschenkten innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb durch den Schenker der Spekulationsgewinn beim Beschenkten entsteht und versteuert werden muss. Der Spekulationsgewinn kann daher nicht der Klägerin als Schenkerin zugerechnet werden.
Hinweis:: Unbeachtlich war, dass die Klägerin die Verkaufsverhandlungen geführt hatte. Denn die volljährigen Kinder der Klägerin waren nicht verpflichtet, an den von der Klägerin ausgesuchten Käufer zu verkaufen. Auch waren sie nicht verpflichtet, den Verkaufserlös an die Klägerin abzuführen.
Im Ergebnis müssen die Kinder zwar einen jeweils hälftigen Spekulationsgewinn versteuern; ihr Steuersatz war aber deutlich niedriger als der der Klägerin, so dass es insgesamt zu einer Steuerersparnis von ca. 14.000 € kam. Außerdem kann die Schenkung des Grundstücks an die Kinder Schenkungsteuer auslösen; allerdings greift hier ein Freibetrag von 400.000 € pro Kind, der für Schenkungen innerhalb eines Zehnjahreszeitraums gilt.
BFH, Urteil v. 23.4.2021 - IX R 8/20; NWB
13.09.2021
Die Übertragung einer Verpflichtung aus einer Versorgungszusage durch eine GmbH auf einen Pensionsfonds führt beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer zum Zufluss von Arbeitslohn in Höhe der zur Übernahme der Versorgungsverpflichtung erforderlichen und getätigten Leistungen. Der Arbeitslohn ist nur dann steuerfrei, wenn die übertragende GmbH einen Antrag auf Verteilung ihrer Aufwendungen auf zehn Jahre stellt.
Hintergrund: Arbeitnehmern kann eine betriebliche Altersversorgung erteilt werden, z.B. eine Pensionszusage, bei der sich der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Erreichen der vereinbarten Altersgrenze eine monatliche Pension zu zahlen. Bei der Pensionszusage gilt die sog. nachgelagerte Besteuerung, d.h. der Arbeitnehmer muss erst die Pensionszahlung versteuern. Bei anderen Versorgungsarten wie z.B. der betrieblichen Altersversorgung über einen Pensionsfonds gilt hingegen die vorgelagerte Besteuerung, so dass bereits die Beiträge des Arbeitgebers an den Pensionsfonds als Arbeitslohn versteuert werden müssen.
Sachverhalt: Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer der B-GmbH. Die B-GmbH hatte ihm im Jahr 1993 eine Pensionszusage erteilt und hierfür eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen. Im Streitjahr 2010 wurden alle Anteile an der B-GmbH veräußert, und der Kläger beendete seine Tätigkeit als Geschäftsführer der B-GmbH. Die B-GmbH übertrug ihre Versorgungsverpflichtung aus der dem Kläger erteilten Pensionszusage auf einen Pensionsfonds. Im Gegenzug trat sie ihren Anspruch aus der Rückdeckungsversicherung an den Pensionsfonds ab. In der Bilanz der B-GmbH war eine Pensionsrückstellung i. H. von ca. 230.000 € passiviert und ein Anspruch aus der Rückdeckungsversicherung i. H. von ca. 260.000 € aktiviert. Per Saldo ergab sich aus der Auflösung der Pensionsrückstellung und des Anspruchs aus der Rückdeckungsversicherung ein Aufwand von 30.000 €. Einen gesetzlich möglichen Antrag auf Verteilung dieses Aufwands auf einen Zeitraum von zehn Jahren stellte die GmbH nicht. Das Finanzamt erfasste einen Betrag von 230.000 € als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Dem Kläger ist Arbeitslohn zugeflossen, da er aufgrund der Übertragung der Versorgungsverpflichtung auf den Pensionsfonds nun einen eigenständigen Anspruch gegen den Pensionsfonds auf Versorgung erlangt hat. Vor der Übertragung hatte er lediglich eine Pensionsanwartschaft, aber noch keinen Anspruch.
Zwar würde ein bloßer Schuldnerwechsel nicht zum Zufluss von Arbeitslohn führen. Die Übertragung auf den Pensionsfonds war aber kein bloßer Schuldnerwechsel, bei dem nun der Pensionsfonds zur Erfüllung der Pensionszusage verpflichtet gewesen wäre. Die Übertragung der Versorgungsverpflichtung auf den Pensionsfonds führte vielmehr zu einer Änderung des Durchführungswegs der betrieblichen Altersversorgung, indem die Pensionszusage durch eine Pensionsfondsversorgung ausgetauscht wurde. Der Pensionsfonds unterliegt der vorgelagerten Besteuerung, so dass bereits die Beiträge des Arbeitgebers zum Pensionsfonds lohnsteuerpflichtig sind.
Der Arbeitslohn war nicht steuerfrei. Zwar gibt es eine gesetzliche Steuerbefreiung; diese setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber einen Antrag auf Verteilung seines Aufwands auf zehn Jahre stellt. Diesen Antrag hatte die B-GmbH nicht gestellt.
Hinweis: Die Höhe des Arbeitslohns war nicht streitig, so dass es beim Ansatz des Rückstellungsbetrags von 230.000 € blieb. Der steuerpflichtige Betrag wurde also nicht auf den Aufwand des Arbeitgebers (30.000 €) begrenzt.
Die Übertragung einer Versorgungszusage auf einen Pensionsfonds bedarf der Einwilligung des Arbeitnehmers. Der Kläger hätte seine Einwilligung davon abhängig machen sollen, dass die B-GmbH einen Antrag auf Verteilung ihres Aufwands auf zehn Jahre stellt und so die Steuerfreiheit für den Arbeitslohn herbeiführt; denn die Steuerfreiheit setzt die Stellung des Antrags auf Verteilung des Aufwands voraus.
Der BFH hält das Ergebnis für verfassungskonform und hat keine Bedenken, dass die Steuerfreiheit von einem Antrag des Arbeitgebers abhängt und dass der Kläger Arbeitslohn versteuern muss, obwohl ihm keine liquiden Mittel zugeflossen sind. Aufgrund des Einwilligungserfordernisses seitens des Klägers hatte dieser nämlich die Möglichkeit, steuerliche Nachteile zu verhindern.
BFH, Urteil v. 19.4.2021 - VI R 45/18; NWB
10.09.2021
Die Aufforderung eines Außenprüfers an einen Unternehmer, der Berufsgeheimnisträger ist (Anwalt) und seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, "einen Datenträger nach GDPdU" (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) zu überlassen, ist rechtswidrig. Denn zum einen ist die Aufforderung nicht auf die aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Unterlagen beschränkt, sondern umfasst alle Daten. Zum anderen ist die Aufforderung unverhältnismäßig, wenn der Prüfer zu erkennen gibt, dass er die Daten auch außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers und der Diensträume des Finanzamts auf seinem dienstlichen Laptop auswerten wird.
Hintergrund: Das Finanzamt führt in der Regel eine digitale Außenprüfung durch, wenn der Steuerpflichtige die Buchführung elektronisch erstellt. Der Prüfer fordert dann die Buchführungsdaten auf einem Datenträger an, um sie unter Zuhilfenahme von Prüfungsprogrammen auszuwerten.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Partnerschaftsgesellschaft auf dem Gebiet der Rechtsberatung, die ihre Buchführung elektronisch erstellte. Das Finanzamt ordnete bei ihr eine Außenprüfung für die Jahre 2012 bis 2014 an. Zugleich forderte der Prüfer die "Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU" (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) an. Gegen diese Aufforderung legte die Klägerin Einspruch ein und erhob anschließend Klage.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Die Aufforderung war bereits deshalb rechtswidrig, weil sie nicht auf die Überlassung der aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten beschränkt war, sondern die Überlassung aller Daten verlangte. Die Formulierung "Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU" konnte die Klägerin nur so verstehen, dass der Prüfer einen unbegrenzten Zugriff auf die Daten anstrebte. Bei einer Einnahmen-Überschussrechnung ist der Unternehmer aber nur im beschränkten Umfang aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtig, z.B. hinsichtlich der nicht abziehbaren Betriebsausgaben, bezüglich der Anschaffungskosten der nicht abziehbaren Wirtschaftsgüter sowie der Entgelte. Die Aufforderung des Prüfers ging über diese Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht hinaus.
Außerdem war die Aufforderung unverhältnismäßig. Denn der Prüfer beabsichtigte, auch außerhalb der Geschäftsräume der Klägerin und der Diensträume des Finanzamts auf die Daten zugreifen und diese auswerten zu können, z.B. auf dem Dienst-Laptop des Prüfers. Insoweit besteht die Gefahr, dass Dritte auf die Mandantendaten unberechtigt zugreifen können, z.B. bei einem Verlust oder Diebstahl des Laptops. Die Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers hätte daher beschränkt werden müssen, indem ein Zugriff und eine Auswertung der Daten ohne Zustimmung der Klägerin nur in den Geschäftsräumen der Klägerin und den Diensträumen des Finanzamts erfolgen darf.
Hinweise: Die Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers kann ebenso wie die Prüfungsanordnung mit dem Einspruch angefochten werden.
Der Fall weist zwei Besonderheiten auf: Zum einen war die Klägerin Berufsgeheimnisträgerin und speicherte daher auch Daten, die dem Berufsgeheimnis unterliegen. Zum anderen bilanzierte die Klägerin nicht, sondern ermittelte ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Der BFH hat bei einem bilanzierenden Unternehmer, der kein Berufsgeheimnisträger ist, hinsichtlich des Orts der Datenauswertung aber bereits 2014 ebenso unterschieden. Ob die aktuelle Entscheidung jedoch bezüglich des ersten Punktes (Umfang der Datenüberlassung) ebenso bei einem bilanzierenden Unternehmer, der kein Berufsgeheimnisträger ist, getroffen worden wäre, ist nicht sicher. Hier ist für die Praxis empfehlenswert, im Zweifel die Aufforderung anzufechten, wenn diese nicht ausdrücklich auf die Vorlage von Daten, die aufzeichnungspflichtig und aufbewahrungspflichtig sind, beschränkt ist.
BFH, Urteil v. 7.6.2021 - VIII R 24/18; NWB
09.09.2021
Ein Arbeitnehmer, der dauerhaft und typischerweise täglich zu einem vom Arbeitgeber festgelegten Sammelpunkt fahren muss, kann nur die Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden Entfernungskilometer von der Wohnung zum Sammelpunkt als Werbungskosten geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn er vom Sammelpunkt auch zu mehrtägigen Einsätzen gefahren ist und es sich hierbei um nicht absehbare Ausnahmen handelte.
Hintergrund: Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte können Arbeitnehmer nur die Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer geltend machen. Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, sondern muss er nach dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diesbezüglichen Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (Sammelpunkt) oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufsuchen, kann er ebenfalls nur die Entfernungspauschale geltend machen.
Sachverhalt: Der Kläger war ein Baumaschinenführer. Er war nach einer betriebsinternen Anweisung verpflichtet, einen Sammelpunkt aufzusuchen. Von dort fuhr er mit einem Sammelfahrzeug des Arbeitgebers zu seinen Einsatzorten. Teilweise handelte es sich um einwöchige Einsatztätigkeiten mit sechs Übernachtungen. Der Kläger machte die Fahrkosten für die Hin- und Rückfahrt geltend. Das Finanzamt erkannte nur die Entfernungspauschale und damit nur die Hälfte der geltend gemachten Kosten an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:
Der Kläger, der keine erste Tätigkeitsstätte hatte, kann nur die Entfernungspauschale geltend machen, wenn er den Sammelpunkt nach den Anweisungen des Arbeitgebers dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich aufsuchen musste.
Von der Dauerhaftigkeit ist auszugehen, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen des Sammelpunkts unbefristet oder für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt ist. Diese Voraussetzung lag nach den Feststellungen des FG vor.
Ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen ist anzunehmen, wenn der Sammelpunkt „in der Regel üblich“ bzw. „im Normalfall“ arbeitstäglich aufgesucht wurde. Dabei kommt es auf die Sichtweise im Voraus an. Ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen ist also gegeben, wenn der Kläger im Normalfall an jedem Arbeitstag den Sammelpunkt aufsuchen sollte und nur ausnahmsweise nicht am Sammelpunkt erscheinen sollte, z.B. wegen eines unvorhergesehenen Einsatzes oder wegen einer Fortbildungsveranstaltung. In diesem Fall wäre nur die Entfernungspauschale zu gewähren.
Stand hingegen von vornherein fest, dass der Kläger auch auf mehrtägigen Fernbaustellen eingesetzt werden würde, handelte es sich nicht um ein üblicherweise arbeitstägliches Aufsuchen des Sammelpunkts; denn dann wäre klar gewesen, dass er den Sammelpunkt nicht an denjenigen Arbeitstagen aufsucht, an denen er auswärts übernachtet.
Hinweise: Das FG muss nun aufklären, ob der Einsatz auf den mehrtägigen Fernbaustellen eine nicht absehbare Ausnahme war, so dass nur die Entfernungspauschale gewährt werden kann, oder ob von vornherein feststand, dass der Kläger auch auf mehrtägigen Fernbaustellen eingesetzt werden würde, so dass ein Abzug der tatsächlichen Fahrtkosten möglich wäre.
Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Kläger im Nachhinein überwiegend den Sammelpunkt aufgesucht hat oder nicht. Unbeachtlich ist auch das Verhältnis der Fahrten zum Sammelpunkt zu den Gesamtarbeitstagen.
BFH, Urteil v. 19.4.2021 - VI R 6/19; NWB
15.06.2021
Das umsatzsteuerliche Reverse-Charge-Verfahren, nach dem der unternehmerisch tätige Leistungsempfänger die Umsatzsteuer trägt, gilt auch dann, wenn es neben dem unternehmerisch tätigen Leistungsempfänger noch einen weiteren Leistungsempfänger gibt, der aber nicht Unternehmer ist, und wenn der unternehmerische Leistungsempfänger das volle Entgelt als Gesamtschuldner schuldet.
Hintergrund: In bestimmten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, z.B. bei der Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers an einen deutschen Unternehmer oder an eine deutsche juristische Person. Der deutsche Unternehmer muss dann als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
Sachverhalt: Der Kläger war Unternehmer und Alleineigentümer eines unbebauten Grundstücks. Seine Ehefrau und er beauftragten einen österreichischen Bauunternehmer mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Kläger die gesamte Umsatzsteuer für die Baukosten im Wege des sog. Reverse-Charge-Verfahrens schulde. Hiergegen wandte sich der Kläger.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof wies die Klage ab:
Der Kläger war Unternehmer und Leistungsempfänger eines in Österreich ansässigen Unternehmers. Damit greift grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, das dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuerschuld auferlegt.
Die Leistung des österreichischen Unternehmers war nicht umsatzsteuerfrei. Zwar ist die Lieferung eines Grundstücks umsatzsteuerfrei; der österreichische Unternehmer war aber nicht Veräußerer des Grundstücks, sondern das Grundstück gehörte von Anfang an dem Kläger.
Unbeachtlich ist, dass auch die Ehefrau des Klägers ebenfalls Leistungsempfängerin war. Denn der Kläger war gleichwohl Gesamtschuldner des vereinbarten Baupreises und konnte daher vom österreichischen Bauunternehmer in voller Höhe für die Baukosten in Anspruch genommen werden. Außerdem war seine Ehefrau keine Unternehmerin und kam daher als Steuerschuldnerin nach dem Reverse-Charge-Verfahren nicht in Betracht.
Hinweise: Der BFH prüfte noch, ob nicht möglicherweise eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den beiden Eheleuten, Leistungsempfängerin war. Aus Sicht des BFH schied dies aus, weil es an einem gemeinsamen Zweck fehlte. Anderenfalls hätte nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Umsatzsteuer geschuldet, falls sie Unternehmerin gewesen wäre.
BFH, Urteil v. 10.12.2020 - V R 7/20; NWB
14.06.2021
Unternehmen können den erleichterten Zugang zu Kurzarbeitergeld weiterhin in Anspruch nehmen. Die Bundesregierung hat am 9.6.2021 beschlossen, die Antragsfrist um drei Monate bis zum 30.9.2021 zu verlängern. Auch Leiharbeiter profitieren.
Betriebe, die bis 30. September erstmals oder nach dreimonatiger Unterbrechung erneut Kurzarbeit einführen, können die erleichterten Zugangsbedingungen zum Kurzarbeitergeld bis 31.12.2021 in Anspruch nehmen. Aktuell gelten die Erleichterungen für Betriebe, die bis zum 31.6.2021 Kurzarbeit einführen.
Mit der Verordnung gilt weiterhin:
Ein Betrieb kann Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind. Diese Schwelle liegt grundsätzlich bei 30 Prozent.
Auf den Aufbau von Minusstunden wird vollständig verzichtet.
Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer haben Zugang zum Kurzarbeitergeld.
Hinweis: Häufige Fragen zu Kurzarbeit während der Corona-Pandemie beantworten das Bundesarbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit. Die Agentur hält wichtige Informationen auch in Gebärdensprache bereit.
Bundesregierung, Pressemitteilung v. 9.6.2021, NWB
14.06.2021
Die Bundesregierung hat beschlossen, die Überbrückungshilfen für von der Corona-Pandemie betroffene Unternehmen und Soloselbstständige bis zum 30.9.2021 als "Überbrückungshilfe III Plus" zu verlängern. Die derzeitigen Förderbedingungen werden in der Überbrückungshilfe III Plus beibehalten. Neu hinzu kommt die sog. Restart-Prämie, mit der Unternehmen einen höheren Zuschuss zu den Personalkosten erhalten können. Die Neustarthilfe wird ebenfalls bis zum 30.9.2021 als Neustarthilfe Plus weitergeführt.
Die Verlängerung der Überbrückungshilfe III wird mit dem neuen Programm Überbrückungshilfe III Plus umgesetzt, das inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit der Überbrückungshilfe III ist. Auch in der Überbrückungshilfe III Plus sind nur Unternehmen mit einem Corona-bedingten Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent antragsberechtigt. Das neue Programm wird ebenfalls durch die prüfenden Dritten, wie bspw. Steuerberater, über das Corona-Portal des Bundes beantragt.
Für beide Programme gemeinsam gilt künftig:
Die maximale monatliche Förderung in der Überbrückungshilfe III und der Überbrückungshilfe III Plus beträgt 10 Mio. Euro.
Die Obergrenze für Förderungen aus beiden Programmen beträgt maximal 52 Mio. Euro und zwar 12 Mio. Euro aus dem geltenden EU-Beihilferahmen bestehend aus Kleinbeihilfe, De-Minimis sowie Fixkostenhilfe plus 40 Mio. Euro aus dem neuen Beihilferahmen der Bundesregelung Schadensausgleich. Die neue EU-Regelung zum Schadensausgleich gilt für Unternehmen, die von staatlichen Schließungsmaßnahmen direkt oder indirekt betroffen sind. Diese können künftig Schäden von bis zu 40 Mio. Euro geltend machen.
Neu im Programm der Überbrückungshilfe III Plus ist:
Unternehmen, die im Zuge der Wiedereröffnung Personal aus der Kurzarbeit zurückholen, neu einstellen oder anderweitig die Beschäftigung erhöhen, erhalten wahlweise zur bestehenden Personalkostenpauschale eine Personalkostenhilfe („Restart-Prämie“) als Zuschuss zu den dadurch steigenden Personalkosten. Sie erhalten auf die Differenz der tatsächlichen Personalkosten im Fördermonat Juli 2021 zu den Personalkosten im Mai 2021 einen Zuschuss von 60 Prozent. Im August beträgt der Zuschuss noch 40 Prozent und im September 20 Prozent. Nach September 2021 wird kein Zuschuss mehr gewährt.
Ersetzt werden künftig Anwalts- und Gerichtskosten bis 20.000 Euro pro Monat für die insolvenzabwendende Restrukturierung von Unternehmen in einer drohenden Zahlungsunfähigkeit.
Die Neustarthilfe für Soloselbstständige wird verlängert und erhöht sich von bis zu 1.250 Euro pro Monat für den Zeitraum von Januar bis Juni 2021 auf bis zu 1.500 Euro pro Monat für den Zeitraum von Juli bis September 2021. Für den gesamten Förderzeitraum von Januar bis September 2021 können Soloselbstständige somit bis zu 12.000 Euro bekommen.
Hinweise: Die FAQ zur Überbrückungshilfe III werden überarbeitet und zeitnah veröffentlicht. Nach Anpassung des Programms kann die Antragstellung über die bekannte Plattform ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de erfolgen. Antragsbearbeitung und Auszahlung erfolgen in der Verantwortung der Länder.
Die Härtefallhilfen der Länder sollen im Gleichklang mit der Überbrückungshilfe bis Ende September 2021 verlängert werden.
BMF, Pressemitteilung v. 9.6.2021; NWB
14.06.2021
Die Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft für Streubesitzdividenden bei einer Beteiligungsquote von weniger als 10 % kann dadurch ausgeschlossen werden, dass die Kapitalgesellschaft während des laufenden Jahres eine Beteiligung von mindestens 10 % hinzuerwirbt. Dieser Hinzuerwerb kann auch in mehreren Akten erfolgen, also durch den Erwerb mehrerer Beteiligungen von mehreren Veräußern, so dass insgesamt eine Beteiligung von mindestens 10 % hinzuerworben wird. Es ist nicht erforderlich, dass in einem Erwerbsvorgang eine Beteiligung von mindestens 10 % erworben wird.
Hintergrund: Erhält eine Kapitalgesellschaft von einer Tochter-Kapitalgesellschaft eine Dividende, ist die Dividende steuerfrei; allerdings wird ein Anteil von 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgabe behandelt, so dass im Ergebnis 95 % steuerfrei bleiben. Die Steuerfreiheit gilt aber nicht bei Streubesitzdividenden bei einer Beteiligungsquote von weniger als 10 % zu Beginn des Kalenderjahres. Nach dem Gesetz gilt aber der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt, so dass damit keine Streubesitzdividenden mehr vorliegen und die Dividenden steuerfrei sind.
Sachverhalt: Eine Kapitalgesellschaft, die A-GmbH, war mit weniger als 10 % an einer anderen GmbH beteiligt. Die A-GmbH erwarb im Streitjahr von mehreren Veräußerern in einer Vertragsurkunde kleinere Anteile von jeweils weniger als 10 % hinzu; in der Summe ergaben sich aber mindestens 10 %. Das Finanzamt verneinte die Steuerfreiheit, weil die A-GmbH nicht durch einen Erwerb eine Beteiligung von mindestens 10 % hinzuerworben habe, sondern die Anteile von mehreren Veräußerern erworben habe.
Entscheidung: Das Hessische Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar war die A-GmbH zu Beginn des Streitjahres mit weniger als 10 % an den Kapitalgesellschaften beteiligt. Sie hat aber im Laufe des Jahres mindestens 10 % hinzuerworben. Dieser Hinzuerwerb gilt nach dem Gesetz als zu Beginn des Jahres erfolgt. Damit galt sie als zum 1.1. des Streitjahres als mit mindestens 10 % beteiligt, so dass es sich nicht um steuerpflichtige Streubesitzdividenden handelte.
Unschädlich ist, dass die A-GmbH die weiteren 10 % nicht von einem Veräußerer erworben hat, sondern durch mehrere Anteilserwerbe von mehreren Veräußerern, wenngleich in derselben Vertragsurkunde. Auch ein mehraktiger Erwerb, d.h. ein Erwerb von mehreren Veräußerern, kann zu einem Beteiligungserwerb von mindestens 10 % führen.
Hinweise: Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt.
Die erst im Jahr 2013 eingeführte Regelung über die Steuerpflicht von Streubesitzdividenden enthält eine Vielzahl von Zweifelsfragen, u.a. die im Streitfall erhebliche Frage, ob der Hinzuerwerb von mindestens 10 % in einem Akt erfolgen muss oder aber auch gestückelt erfolgen kann. Noch nicht geklärt ist, ob eine GmbH, die bislang weniger als 10 % hält, zwecks Vermeidung von steuerpflichtigen Streubesitzdividenden auch eine Beteiligung von weniger als 10 % hinzuerwerben kann, die zusammen mit ihrer bisherigen Beteiligung aber eine neue Beteiligung von mindestens 10 % ergibt. Weiterhin ist offen, ob eine Beteiligung von mehr als 10 % hinzuerworben werden kann, um Streubesitzdividenden zu vermeiden, die dann aber noch im selben Jahr wieder veräußert wird.
Auch wenn eine Steuerpflicht für Streubesitzdividenden im Einzelfall bestehen sollte, ist der Verkauf der Streubesitzbeteiligung durch eine Kapitalgesellschaft im Ergebnis zu 95 % steuerfrei und nicht steuerpflichtig.
Hessisches FG, Urteil v. 15.3.2021 - 6 K 1163/17, Rev. beim BFH: Az. I R 16/21; NWB
11.06.2021
Der Gesetzgeber hat die Reform der Grunderwerbsteuer verabschiedet. Die Reform, die zum 1.7.2021 in Kraft treten wird, enthält eine Verschärfung für Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Personen- und Kapitalgesellschaften. Hier wird u.a. die bisher schädliche Übertragungsgrenze von 95 % auf 90 % gesenkt und der bisherige Fünfjahreszeitraum auf einen Zehnjahreszeitraum ausgedehnt. Weiterhin wird eine nur für Personengesellschaften geltende Steuerbarkeit erstmalig auch auf Kapitalgesellschaften erstreckt. Verschärfungen gibt es auch bei der Steuerbefreiung für Grundstücksübertragungen zwischen der Personengesellschaft und einem ihrer Gesellschafter.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer erfasst nicht nur den Vertrag über den Verkauf eines Grundstücks. Unter bestimmten Voraussetzungen unterliegt auch der Verkauf von Anteilen an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, die ein Grundstück besitzt, der Grunderwerbsteuer. Voraussetzung ist nach der bisherigen Rechtslage, dass mindestens 95 % der Anteile übertragen werden bzw. ein Gesellschafter mindestens 95 % der Anteile hält. Außerdem ist bei Anteilsübertragungen bei einer Personengesellschaft bislang erforderlich, dass die Übertragung von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren erfolgt. Bei Anteilsübertragungen verwendet man häufig den englischen Begriff "share deals".
Wesentlicher Inhalt der Neuregelungen:
1. Austausch der Gesellschafter bei Personengesellschaften
Nach der bisherigen Regelung entsteht bei Personengesellschaften, die ein inländisches Grundstück halten, Grunderwerbsteuer, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand zu mindestens 95 % ändert, d.h. mindestens 95 % der bisherigen Gesellschafter scheiden aus, und es treten hierfür neue Gesellschafter ein.
Die Neuregelung sieht zum einen eine Minderung der Übertragungsgrenze auf mindestens 90 % (bisher: 95 %) vor.
Hinweis: Die Übertragung von Anteilen unter den sog. Alt-Gesellschaftern, ohne dass neue Gesellschafter hinzukommen, bleibt nach dieser Regelung auch weiterhin unschädlich. Es ist für die Anwendung dieser Regelung auch weiterhin nicht erforderlich, dass einer der Gesellschafter mindestens 90 % (bislang 95 %) der Anteile hält; Grunderwerbsteuer entsteht also auch, wenn 90 Gesellschafter mit jeweils 1 % (bislang 95 Gesellschafter mit jeweils 1 %) in die Personengesellschaft neu eintreten.
Zum anderen wird der Übertragungszeitraum von fünf Jahre auf zehn Jahre ausgedehnt.
Hinweis: Bislang konnten zunächst 94,9 % der Anteile übertragen werden und nach Ablauf von fünf Jahren die verbleibenden 5,1 % auf den neuen Gesellschafter. Im Ergebnis entstand dann Grunderwerbsteuer nur für die Übertragung im Umfang von 5,1 %, weil die Übertragung der 94,9 % zwar als sog. Anteilsvereinigung besteuert wurde (s. unten Abschn. 4), aber steuerfrei blieb. Nunmehr dürfen nur 89,9 % übertragen werden, und die verbleibenden 10,1 % dürfen erst nach Ablauf der 10 Jahre übertragen werden.
2. Austausch der Gesellschafter bei Kapitalgesellschaften
Die bislang nur für Personengesellschaften geltende Regelung (s. oben zu 1) gilt künftig auch für Kapitalgesellschaften.
Hinweis: Dies ist eine deutliche Verschärfung für Kapitalgesellschaften. Bislang gab es für Kapitalgesellschaften nur die unten im Abschnitt 4 dargestellte Regelung, die voraussetzt, dass mindestens ein Gesellschafter 95 % (nunmehr 90 %) hält. Bislang war es also unschädlich, wenn die Gesellschafter ausgetauscht werden, solange kein Gesellschafter mindestens 95 % hielt. Künftig entsteht auch dann Grunderwerbsteuer, wenn an einer GmbH, an der zehn Gesellschafter mit jeweils 10 % beteiligt sind, innerhalb von zehn Jahren neun Gesellschafter ausscheiden und hierfür neue Gesellschafter eintreten.
3. Börsenklausel
Der Austausch von Gesellschaftern bei einer Personen- oder Kapitalgesellschaft nach den Abschnitten 1 oder 2 ist unschädlich, wenn es sich um Anteilsübertragungen an der Börse handelt. Da Personengesellschaften nicht an der Börse gehandelt werden, betrifft die Börsenklausel dort die mittelbare Anteilsübertragung, wenn an einer Personengesellschaft Kapitalgesellschaften beteiligt sind und deren Anteile an der Börse gehandelt werden.
4. Anteilsvereinigung und -übertragung bei Personen- und Kapitalgesellschaften
Sowohl bei grundbesitzenden Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften lösten Anteilsübertragungen bislang Grunderwerbsteuer aus, wenn einer der Gesellschafter aufgrund eines Anteilskaufs mindestens 95 % der Anteile hielt. Auf einen bestimmten Übertragungszeitraum kam es dabei nicht an; es konnte sich also z.B. um zehn Anteilsübertragungen á 9,5 % in einem Zeitraum von 30 Jahren handeln.
Nunmehr wird die Übertragungsgrenze von 95 % auf 90 % gesenkt.
Hinweise: Schädlich sind nach dieser Vorschrift auch weiterhin Anteilsübertragungen unter den bisherigen Gesellschaftern. Im Gegensatz zu der Regelung über den Gesellschafteraustausch (s. oben Abschn. 1 und 2) müssen also nicht neue Gesellschafter hinzukommen, sondern es genügt eine Anteilsverschiebung unter den bisherigen Gesellschaftern. Es muss allerdings ein einziger Gesellschafter mindestens 90 % der Anteile halten, damit Grunderwerbsteuer entsteht.
5. Einschränkung der Steuerbefreiung bei Personengesellschaften
Grundstücksübertragungen zwischen einer Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter sind grundsätzlich im Umfang der Beteiligungsquote des Gesellschafters steuerfrei. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist aber bislang u.a., dass der Gesellschafter bestimmte Beteiligungsfristen einhält und fünf Jahre vorher oder fünf Jahre danach beteiligt ist; diese Fünfjahresfrist wird nun auf zehn Jahre verlängert. Dies gilt auch für Grundstücksübertragungen zwischen Schwester-Personengesellschaften.
Hinweis: In bestimmten Fällen, nämlich bei zeitlich gestreckten Anteilsübertragungen, verlängert sich die Frist sogar auf 15 Jahre.
6. Inkrafttreten
Die Neuregelung tritt zum 1.7.2021 in Kraft. Allerdings bleiben aus Gründen des Vertrauensschutzes Anteilsübertragungen, die vor dem 1.7.2021 erfolgt sind, unberücksichtigt.
Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl 2021 I S. 986; NWB
10.06.2021
Ein Steuerpflichtiger kann für den geplanten Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) keinen Investitionsabzugsbetrag bilden, wenn er selbst nicht unternehmerisch tätig ist, sondern nur die GbR einen Betrieb unterhält.
Hintergrund: Unternehmer können unter bestimmten Voraussetzungen für künftige Investitionen einen Investitionsabzugsbetrag von 50 % der künftigen Anschaffungskosten gewinnmindernd bilden. Sie müssen die Investition innerhalb der nächsten drei Veranlagungszeiträume tätigen; anderenfalls wird der Investitionsabzugsbetrag rückgängig gemacht und die Steuernachzahlung verzinst.
Sachverhalt: Der Kläger war unternehmerisch nicht tätig, während seine Ehefrau an einer GbR beteiligt war, die in der Photovoltaikbranche tätig war. Der Kläger plante im Jahr 2016, seiner Ehefrau den GbR-Anteil abzukaufen. Für diese Investition bildete der Kläger in der Einkommensteuererklärung für 2016 einen Investitionsabzugsbetrag; außerdem bildete die GbR hierfür in ihrer Gewinnfeststellungserklärung für 2016 einen Investitionsabzugsbetrag für den Kläger. Am 1.1.2018 veräußerte die Ehefrau ihren GbR-Anteil an den Kläger. Das Finanzamt erkannte weder den Investitionsabzugsbetrag in der Einkommensteuererklärung noch den Investitionsabzugsbetrag in der Gewinnfeststellungserklärung an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die Klage ab:
Der Investitionsabzugsbetrag in der Gewinnfeststellungserklärung der GbR für 2016 war bereits deshalb nicht anzuerkennen, weil der Kläger im Jahr 2016 noch gar nicht an der GbR beteiligt war. Deshalb konnte für ihn auch kein Investitionsabzugsbetrag gebildet werden.
In der Einkommensteuererklärung für 2016 konnte der Kläger keinen Investitionsabzugsbetrag für den Erwerb des GbR-Anteils bilden, weil ein GbR-Anteil steuerlich betrachtet kein Wirtschaftsgut ist.
Als Wirtschaftsgut angesehen werden nur die im Betriebsvermögen der GbR befindlichen Vermögensgegenstände. Diese werden bei einem Erwerb eines GbR-Anteils anteilig erworben. Allerdings konnte der Kläger auch für den anteiligen Erwerb der im Betriebsvermögen der GbR befindlichen Wirtschaftsgüter keinen Investitionsabzugsbetrag bilden, da der Kläger im Jahr 2016 nicht betrieblich tätig war. Die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags setzt eine betriebliche Tätigkeit voraus.
Hinweise: Der Kläger hat gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt.
Nach dem Erwerb des GbR-Anteils im Jahr 2018 kann der Kläger einen Investitionsabzugsbetrag in seinem Sonderbetriebsvermögen bei der gewerblich tätigen GbR für künftige Investitionen bilden.
Bis einschließlich 2019 betrug der Investitionsabzugsbetrag maximal 40 % der künftigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Dieser Prozentsatz ist ab dem Veranlagungszeitraum 2020 auf 50 % erhöht worden.
FG Münster, Urteil v. 26.3.2021 - 4 K 1018/19 E, F, Rev. beim BFH: Az. IV R 11/21; NWB
09.06.2021
Der Steuerpflichtige muss gegen eine Einspruchsentscheidung nicht klagen, sondern kann stattdessen einen Antrag auf sog. schlichte Änderung stellen, der zu einer Überprüfung der Einspruchsentscheidung durch das Finanzamt führt. Dieser Antrag setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige neue Argumente oder neue Tatsachen vorträgt; vielmehr ist der Antrag auch dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige die gleichen Argumente vorbringt wie im Einspruchsverfahren.
Hintergrund: Ein Steuerbescheid kann zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werden, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der Einspruchsfrist einen Antrag auf sog. schlichte Änderung stellt. Der Antrag auf schlichte Änderung ist auch möglich, wenn das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung erlässt; der Steuerpflichtige kann dann statt einer Klage beim Finanzgericht einen Antrag beim Finanzamt auf schlichte Änderung stellen.
Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und schlossen in den Jahren 1998 bis 2000 Verträge über sog. Sicherheits-Kompakt-Renten (SKR) ab, die sie fremdfinanzierten. Bis einschließlich 2008 machten die Kläger die Zinsaufwendungen anteilig bei den sonstigen Einkünften und bei den Kapitaleinkünften als Werbungskosten geltend. Mit Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 machten sie im Streitjahr 2009 die gesamten Zinsaufwendungen nur noch als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend, weil der Werbungskostenabzug bei den Kapitaleinkünften ab 2009 kraft Gesetzes ausgeschlossen war. Das Finanzamt hielt aber an der bisherigen Aufteilung fest. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt mit einer Teileinspruchsentscheidung vom 14.1.2015 zurück. Am 29.1.2015 beantragten die Kläger, die Teileinspruchsentscheidung zu ändern und sämtliche Zinsaufwendungen als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften sowie Steuerberatungskosten steuerlich anzuerkennen. Das Finanzamt erkannte lediglich die Steuerberatungskosten an und erließ am 26.3.2015 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009. Den weitergehenden Antrag auf Anerkennung der Zinsaufwendungen lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 26.3.2015 ab. Die Kläger legten Einspruch ein und klagten anschließend ohne Erfolg beim Finanzgericht (FG).
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hält eine Änderung der Teileinspruchsentscheidung verfahrensrechtlich für möglich, hat die Sache aber an das FG zur inhaltlichen Prüfung des Schuldzinsenabzugs zurückverwiesen:
Streitig ist der Einspruch der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 26.3.2015. Der Änderungsantrag vom 29.1.2015 auf Anerkennung der Zinsaufwendungen und der Steuerberatungskosten hat sich durch den Änderungsbescheid erledigt, auch wenn in dem Änderungsbescheid nur die Steuerberatungskosten anerkannt worden sind und nicht auch die Zinsaufwendungen. Der Einspruch der Kläger ist daher so zu verstehen, dass sie sich nunmehr gegen den Änderungsbescheid vom 26.3.2015 wenden.
Der Einspruch der Kläger hat Erfolg, wenn der Antrag auf schlichte Änderung der Einspruchsentscheidung begründet war. Ein Steuerpflichtiger kann eine schlichte Änderung einer Einspruchsentscheidung auch dann beantragen, wenn der Antrag keine neuen Tatsachen erhält, sondern mit dem Antrag lediglich die Überprüfung der Rechtsauffassung, die das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung zugrunde gelegt hat, begehrt wird. Der Gesetzeswortlaut enthält keine Einschränkung des Antrags auf schlichte Änderung.
Das FG muss nun prüfen, ob die Aufteilung der Zinsaufwendungen auf die sonstigen Einkünfte (Renteneinkünfte) und Kapitaleinkünfte in den Vorjahren bis einschließlich 2008 zutreffend war. Diese Prüfung hat bislang nicht stattgefunden, weil das FG bereits den Änderungsantrag für unzulässig gehalten hatte.
Hinweise: Erlässt das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung, kann der Steuerpflichtige wählen:
Er kann gegen die Einspruchsentscheidung klagen und damit jeden Punkt des Steuerbescheids angreifen. Außerdem kann er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen.
Oder er stellt beim Finanzamt einen Antrag auf schlichte Änderung der Einspruchsentscheidung und macht einen oder mehrere Punkte geltend. Das Finanzamt prüft dann nur die geltend gemachten Punkte, so dass die Bestandskraft des Bescheids nicht umfassend – wie bei einer Klage –, sondern nur punktuell verhindert wird. Eine Aussetzung der Vollziehung ist nicht möglich. Lehnt das Finanzamt den Antrag auf schlichte Änderung der Einspruchsentscheidung ab, kann der Steuerpflichtige gegen den Ablehnungsbescheid erneut Einspruch einlegen, nicht aber einen erneuten Antrag auf schlichte Änderung stellen.
Der BFH erleichtert nun die Möglichkeit der schlichten Änderung, weil der Steuerpflichtige sein bisheriges Begehren wiederholen und damit eine Überprüfung der Rechtsauffassung des Finanzamts herbeiführen kann; der Steuerpflichtige muss also keine neuen Tatsachen vortragen. Zwar ist die Rechtsposition des Steuerpflichtigen bei einem Antrag auf schlichte Änderung schlechter als bei einer Klage; dafür verursacht ein Antrag auf schlichte Änderung keine Gerichtskosten.
BFH, Urteil vom 27.10.2020 - VIII R 30/17; NWB
08.06.2021
Erlässt das Finanzamt eine Prüfungsanordnung gegen eine Personengesellschaft, die Vermietungseinkünfte erzielt, und führt es anschließend die Außenprüfung durch, führt dies nicht zu einer Ablaufhemmung bei der Feststellungsverjährung. Hierzu kommt es nur, wenn entweder die Prüfungsanordnung gegenüber den Gesellschaftern erlassen wird oder wenn die Personengesellschaft sog. Gewinneinkünfte wie z.B. gewerbliche Einkünfte – und nicht Vermietungseinkünfte – erzielt.
Hintergrund: Grundsätzlich beträgt die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist vier Jahre. Nach dem Gesetz kommt es aber zu einer Ablaufhemmung, wenn das Finanzamt eine Prüfungsanordnung erlässt und mit der Außenprüfung vor dem Ablauf der vier Jahre beginnt: Die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist läuft dann nicht ab, bevor die Steuerbescheide, die aufgrund der Außenprüfung erlassen werden, unanfechtbar geworden sind.
Sachverhalt: Die Kläger waren Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG, die im Streitjahr 2008 Vermietungseinkünfte erklärte und die ihre Feststellungserklärung für 2008 im Jahr 2010 abgab. Im Juni 2011 korrigierte die X-GmbH & Co. KG ihre Einkünfte für 2008 um ca. 450.000 € nach oben, das Finanzamt berücksichtigte diese Korrektur zunächst nicht. Im April 2014 ordnete das Finanzamt eine Außenprüfung an und richtete die Prüfungsanordnung an die X-GmbH, auf die die X-GmbH & Co. KG zwischenzeitlich umgewandelt worden war; die Prüfungsanordnung erging aber nicht gegenüber den Klägern. Der Prüfer stellte keine gewerblichen Einkünfte fest, sondern ging von Vermietungseinkünften aus und erhöhte diese u.a. aufgrund der Korrekturmitteilung der X-GmbH & Co. KG aus dem Jahr 2011. Das Finanzamt änderte im Februar 2016 den Feststellungsbescheid über die Vermietungseinkünfte für 2008. Die Kläger machten den Ablauf der Feststellungsfrist geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt:
Die vierjährige Feststellungsfrist begann mit Ablauf des 31.12.2010, da die X-GmbH & Co. KG im Jahr 2010 ihre Feststellungserklärung abgegeben hatte, und endete daher mit Ablauf des 31.12.2014.
Eine Ablaufhemmung infolge der Außenprüfung trat nicht ein. Denn hierfür wäre erforderlich gewesen, dass sich die Prüfungsanordnung gegen die Gesellschafter richtet. Nur dann wäre sie gegenüber den Gesellschaftern wirksam geworden, so dass die anschließende Außenprüfung die Gesellschafter betroffen hätte und den Ablauf der Verjährungsfrist hätte hemmen können.
Zwar kann eine Personengesellschaft selbst Prüfungssubjekt sein, so dass die Außenprüfung bei der Personengesellschaft nicht nur deren Steuern betrifft, sondern auch die Steuern ihrer Gesellschafter. Dies gilt aber nur dann, wenn die Personengesellschaft Gewinneinkünfte, z.B. gewerbliche Einkünfte, erzielt. Dies war hier nicht der Fall; denn die X-GmbH & Co. KG erzielte lediglich Vermietungseinkünfte, so dass sie nicht Prüfungssubjekt sein konnte.
Hinweise: Das Finanzamt hätte die Prüfungsanordnung gegen die Gesellschafter richten müssen. Voraussetzung für eine rechtmäßige Prüfungsanordnung bei Vermietungseinkünften ist aber, dass die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und dass eine Prüfung im Finanzamt nicht zweckmäßig ist; bei einer gewerblich tätigen Personengesellschaft ist dies nicht erforderlich. Sofern das Finanzamt nicht sicher ist, ob die Personengesellschaft Vermietungseinkünfte oder gewerbliche Einkünfte erzielt, kann es die Prüfungsanordnung zusätzlich an die Personengesellschaft richten.
Der Fall zeigt, dass eine Außenprüfung bei einer Vermietungseinkünfte erzielenden Personengesellschaft für das Finanzamt schwieriger durchzuführen ist als eine Außenprüfung bei einer Personengesellschaft, die sog. Gewinneinkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder Land- und Forstwirtschaft erzielt.
Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil dieses noch prüfen muss, ob aus anderen Gründen eine Ablaufhemmung eingetreten ist. Keine Ablaufhemmung ist jedoch aufgrund der Korrektur der Einkünfte durch die X-GmbH & Co. KG im Jahr 2011 eingetreten. Zwar stellt die Korrektur eine Berichtigung der Steuererklärung dar; dies führt nach dem Gesetz aber nur zu einer Ablaufhemmung von einem Jahr, also bis zum Jahr 2012; der streitige Bescheid ist jedoch erst im Jahr 2016 ergangen.
BFH, Urteil vom 27.10.2020 - IX R 16/19; NWB
07.06.2021
Ein Gerichtsvollzieher kann für die Fahrten von seiner Wohnung zum Ort seines Amtssitzes, wo sich sein Amtsgericht und sein sog. Geschäftszimmer befinden, nur die Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer geltend machen, nicht aber die Kosten für die Hin- und Rückfahrt nach Reisekostengrundsätzen. Bei dem Ort seines Amtssitzes handelt es sich nämlich um seine erste Tätigkeitsstätte.
Hintergrund: Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kann der Arbeitnehmer nur die Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer geltend machen. Werden die Fahrtkosten dagegen nach Reisekostengrundsätzen behandelt, weil keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, ist eine Abrechnung für jeden gefahrenen Kilometer (also Hin- und Rückfahrt) möglich
Sachverhalt: Der Kläger war Gerichtsvollzieher und wohnte in X, wo er auch ein häusliches Arbeitszimmer unterhielt. Seinen Amtssitz hatte er in Y, wo sich auch das Amtsgericht befand, dem er zugeordnet war. Außerdem hatte er in Y ein Geschäftszimmer. Ein solches Zimmer musste er nach der Gerichtsvollzieherordnung unterhalten. Bei dem Geschäftszimmer handelte es sich um ein Gemeinschaftsbüro, das er gemeinsam mit sieben weiteren Gerichtsvollziehern angemietet hatte und das aus vier Bürozimmern bestand. Das Geschäftszimmer nutzte er an zwei Tagen pro Woche für jeweils ca. zwei Stunden. Der Kläger machte Fahrtkosten von 0,30 € für jeden von seiner Wohnung nach Y gefahrenen Kilometer geltend, also für die Hin- und Rückfahrt. Das Finanzamt erkannte nur die Entfernungspauschale, also nur die einfache Strecke, an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kann nur die Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Bei der ersten Tätigkeitsstätte handelt es sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist, d.h. unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder für einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten.
Das Dienstgebäude des Amtsgerichts in Y erfüllte diese Vorgaben. Dies gilt auch für das sog. Geschäftszimmer, das der Kläger zusammen mit weiteren sieben Gerichtsvollziehern angemietet hatte. Zwar gehörte das Dienstzimmer nicht dem Arbeitgeber des Klägers. Es war aber gleichwohl eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, weil der Kläger nach der Gerichtsvollzieherordnung verpflichtet war, ein Geschäftszimmer zu unterhalten und dabei bestimmte Vorgaben für die Einrichtung und Ausstattung einhalten musste, die auch regelmäßig überprüft wurden.
Das Amtsgerichtsgebäude und das Geschäftszimmer stellten eine zusammengefasste betriebliche Einrichtung dar, da sie in einem räumlichen und organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers standen.
Der Kläger suchte beide Orte auch regelmäßig auf: Er musste seine Vollstreckungsaufträge in der Verteilungsstelle des Amtsgerichts abholen bzw. auf eigene Verantwortung abholen lassen, und er hielt zweimal wöchentlich in seinem Geschäftszimmer Bürozeiten ab.
Hinweise: Der BFH ließ die Frage offen, ob es sich bei dem Gerichtsvollzieherbezirk um ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet handelte; denn diese Frage stellt sich nur dann, wenn der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat.
Für die Einstufung als erste Tätigkeitsstätte ist nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer dort seinen qualitativen Tätigkeitsschwerpunkt hat. Es genügt, wenn er dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich schuldet und die zu seinem Berufsbild gehören; hierfür genügen in der Regel einfache Büroarbeiten oder Vorbereitungsarbeiten.
BFH, Urteil vom 16.12.2020 - VI R 35/18; NWB
07.06.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Mai 2021 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2021 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben v. 1.6.2021 - III C 3 - S 7329/19/10001 :003 (2021/0617503); NWB
07.06.2021
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung für möglich, bei der ein deutscher Vermieter ein niederländisches Grundstück an eine niederländische Kapitalgesellschaft, deren Alleingesellschafter er ist, vermietet. Dies hat zur Folge, dass der deutsche Vermieter gewerbliche Einkünfte aus der Vermietung und aus den Dividendenzahlungen erzielt, die nach dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen aber in Deutschland steuerfrei sein können.
Hintergrund: Von einer Betriebsaufspaltung spricht man, wenn der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft an diese eine wesentliche Betriebsgrundlage vermietet, z.B. ein Grundstück. Der Alleingesellschafter erzielt dann keine Vermietungseinkünfte, sondern gewerbliche Einkünfte, die der Gewerbesteuer unterliegen.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine gemeinnützige rechtsfähige Stiftung in Deutschland und zugleich auch Alleingesellschafterin einer niederländischen Kapitalgesellschaft (B.V.). Die Klägerin verpachtete ab 2012 ein in den Niederlanden gelegenes Grundstück an die B.V. Noch im Jahr 2012 bezog die Klägerin von der B.V. eine Dividende. Das Finanzamt ging von einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der B.V. aus. Die Pachteinnahmen beließ das Finanzamt aber aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Niederlanden steuerfrei, nicht jedoch die Dividende, die es nach dem deutschen Recht zu 5 % als steuerpflichtig ansah; nach deutschem Recht bleiben nämlich Dividenden, die eine Körperschaft von einer Tochter-Kapitalgesellschaft erhält, grundsätzlich zu 95 % steuerfrei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwischen der Klägerin und der B.V. bestand eine Betriebsaufspaltung, da zwischen beiden Unternehmen eine sachliche und personelle Verflechtung zu bejahen war. Die personelle Verflechtung war anzunehmen, weil die Klägerin Alleingesellschafterin der B.V. war. Die sachliche Verflechtung bestand, weil die Klägerin der B.V. ein Grundstück und damit eine wesentliche Betriebsgrundlage verpachtet hatte.
Zwar war die Klägerin gemeinnützig und damit grundsätzlich steuerbefreit. Die Steuerbefreiung erfasst aber nicht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin, zu dem die Tätigkeit als Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gehört.
Eine Betriebsaufspaltung kann auch grenzüberschreitend begründet werden, indem ein ausländisches Grundstück an eine ausländische Kapitalgesellschaft verpachtet wird. Eine Betriebsaufspaltung und damit gewerbliche Einkünfte des verpachtenden Besitzunternehmens werden deshalb angenommen, weil hinter beiden Unternehmen, dem Besitz- sowie dem Betriebsunternehmen, ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille besteht. Es gibt keinen Grund, diesen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in Fällen mit Auslandsbezug nicht zu beachten.
Zwar bleiben die Pachteinnahmen als gewerbliche Einkünfte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden in Deutschland steuerfrei und werden nur in den Niederlanden besteuert. Anders ist dies aber bei den Dividenden, die abkommensrechtlich als Kapitaleinkünfte behandelt werden und deshalb in Deutschland steuerpflichtig sind, da sie nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden am Wohnsitz des Dividendenempfängers besteuert werden, also in Deutschland. Damit unterlagen sie in Deutschland zu 5 % der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Hinweise: Bislang war umstritten, ob eine Betriebsaufspaltung auch grenzüberschreitend begründet werden kann. Der BFH hat nun diese Frage bejaht.
Zwar führt die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung grundsätzlich zu gewerblichen Einkünften beim deutschen Besitzunternehmen; durch die Anwendung des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens kann die deutsche Steuerpflicht aber eingeschränkt sein, weil das Besteuerungsrecht beim anderen Staat besteht.
BFH, Urteil vom 17.11.2020 - I R 72/16; NWB
04.06.2021
Die Abgeltungswirkung bei der Kapitalertragsteuer tritt auch dann ein, wenn die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitaleinkünfte zwar einbehalten, nicht aber beim Finanzamt angemeldet und an dieses abgeführt wurde. Dies hat zur Folge, dass Kapitaleinkünfte aus einem betrügerischen Schneeballsystem in diesem Fall grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuerfestsetzung des Anlegers zugrunde zu legen sind.
Hintergrund: Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterliegen auch Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen im Rahmen eines Schneeballsystems der Besteuerung, wenn der Anleger über diese, z.B. durch eine Wiederanlage (Novation), verfügen kann und der Schuldner der Kapitalerträge zu diesem Zeitpunkt leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn das Schneeballsystem zu einem späteren Zeitpunkt zusammenbricht und der Anleger sein Geld verliert.
Sachverhalt: Der Kläger überwies an den Vermögensverwalter B Geld für Aktienkäufe, die dieser im Rahmen seiner Vermögensverwaltung investieren sollte. Tatsächlich betrieb B ein Schneeballsystem und tätigte die Aktiengeschäfte nicht. Er bescheinigte dem Kläger erhebliche Gewinne aus dem Verkauf der angeblich erworbenen Aktien. Auf diesen Abrechnungen wies er den rechnerisch zutreffenden Einbehalt von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag aus. Die Beträge hatte er nicht an das Finanzamt abgeführt, was der Kläger nicht wusste. Die verbliebenen Gewinne zahlte B an den Kläger aus.
Nach einer Außenprüfung erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide, mit denen die Einkommensteuer aufgrund der vom Kläger aus dem Schneeballsystem erzielten fiktiven Kapitaleinkünfte erhöht wurde. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag) wurde nicht auf die Steuerfestsetzung angerechnet.
Entscheidung: Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Erfolg:
Nach Auffassung der Richter ist nicht nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen auf die subjektive Sicht des Anlegers abzustellen, sondern auch bei der Frage, ob die Abgeltungswirkung für die von dem Betreiber des Schneeballsystems einbehaltene Kapitalertragsteuer eintritt.
Konnte der Anleger davon ausgehen, dass die Scheinrenditen dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuer abgegolten. Dies gilt auch dann, wenn die Kapitalertragsteuer von dem Betrüger nicht beim FA angemeldet und abgeführt wurde und dieser keine Genehmigung i. S. des Kreditwesengesetzes hatte.
Die Scheinrenditen sind dem Anleger in diesem Fall allerdings in voller Höhe, also auch unter Berücksichtigung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer zugeflossen, da der Einbehalt für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgte.
BFH, Urteil v. 29.9.2020 - VIII R 17/17; NWB
01.06.2021
Für Steuerpflichtige, die im Jahr 2017 bzw. 2018 einen gewinnmindernden Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG gebildet haben, wird sich nach derzeitigem Stand die Investitionsfrist auf 5 bzw. 4 Jahre für die geplante Anschaffung oder Herstellung verlängern. Hierauf macht der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) aktuell aufmerksam.
Hintergrund: Wer den sog. Investitionsabzugsbetrag (IAB) nutzt, das heißt, für bestimmte künftige Anschaffungen oder Herstellungen vorab eine Gewinnminderung vornimmt, hat grundsätzlich in den darauffolgenden drei Jahren Zeit, diese Investition durchzuführen. So verlagert sich die Steuerlast in ein späteres Jahr. Lässt der Steuerpflichtige die 3-Jahresfrist investitionslos verstreichen, muss er die vorgenommene Gewinnminderung rückgängig machen. Das heißt in der Regel: Steuer- plus Zinsnachzahlungen. Gerade in der derzeitigen Krise käme dies zur Unzeit. Das hatte auch der Gesetzgeber erkannt und die Investitionsfrist für 2017 gebildete IAB zunächst auf 4 Jahre ausgedehnt.
Hierzu führt er DStV weiter aus:
Der DStV hat sich in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines "Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts" (KöMoG) u.a. für eine längere Investitionsfrist für 2017 gebildete IAB ausgesprochen. Ferner forderte der DStV auch für 2018 und 2019 gebildete IAB längere Investitionsfristen.
Zumindest in Teilen haben die Koalitionsfraktionen die Vorschläge im Rahmen des KöMoG nun aufgegriffen. Für in 2017 gebildete IAB sollen Steuerpflichtige danach 5 Jahre für die geplante Investition Zeit haben. Für in 2018 gebildete IAB sollen nunmehr 4 Jahre zur Verfügung stehen.
Mit der geplanten Regelung gewinnen kleine und mittlere Unternehmen etwas mehr Flexibilität und einen großzügigeren Planungshorizont. Gleichzeitig mahnt der DStV Betroffene zur Wachsamkeit: Wer in den besagten Jahren einen IAB gebildet hat, sollte bei der Liquiditätsplanung berücksichtigen, dass die Investitionen spätestens 2022 durchgeführt werden müssen.
Hinweis: Das Gesetz muss noch final vom Bundesrat verabschiedet werden, nach derzeitigem Stand wird das Vorhaben Ende Juni dort behandelt.
DStV, Pressemitteilung v. 20.5.2021 sowie Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages für das sog. KöMoG, BT-Drucks. 19/29843, NWB
31.05.2021
Die Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2020 wird aller Voraussicht nach um drei Monate verlängert. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, der in Kürze verabschiedet werden soll.
Danach soll die Steuererklärungsfrist u. a. für steuerlich beratene Steuerpflichtige auf Ende Mai 2022 verlängert werden. Konsequenterweise soll auch das restliche Fristensystem angepasst werden, so etwa beim Zinslauf, den Verspätungszuschlägen, der Frist für die Vorabanforderungen oder den Zeiträumen für die Einkommensteuervorauszahlungen. Begründet wird die Verlängerung u. a. mit der Mehrbelastung der Berater durch die Corona-Pandemie.
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages für das sog. ATAD-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 19/29848; NWB
28.05.2021
Ändert sich bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft der Gesellschafterbestand innerhalb von fünf Jahren zu mindestens 95 %, entsteht Grunderwerbsteuer. Steht im Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels bereits die Bebauung des bislang unbebauten Grundstücks im Wesentlichen fest und kennen die Neugesellschafter den Plan zur Bebauung, richtet sich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nach dem Wert des bebauten Grundstücks.
Hintergrund: Grunderwerbsteuer entsteht nicht nur beim Verkauf eines Grundstücks, sondern auch bei einer Anteilsübertragung an einer Gesellschaft, die ein Grundstück besitzt. So wird etwa der Austausch der Gesellschafter einer grundbesitzenden Personengesellschaft zu mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren der Grunderwerbsteuer unterworfen. Bemessungsgrundlage ist grundsätzlich der Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Anteilsübertragung. Ausnahmsweise wird aber die Grunderwerbsteuer nach dem Wert bemessen, den das Grundstück im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes hat, wenn die Änderung des Gesellschafterbestands auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks beruht.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, an der neben der Komplementärin, die am Vermögen nicht beteiligt war, noch vier natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt waren. Die Komplementärin hatte bereits am 19.2.2004 mit der X-GmbH einen Mietvertrag über einen noch zu errichtenden Supermarkt in K geschlossen. Im September 2004 erwarb die Klägerin ein Grundstück von der Stadt K und verpflichtete sich gegenüber der Stadt K zur Errichtung eines Supermarktes bis zum 30.9.2007; anderenfalls konnte die Stadt K die Rückübertragung des Grundstücks verlangen. Die Klägerin übernahm im Februar 2005 den von der Komplementärin geschlossenen Mietvertrag. Am 13.5.2005 veräußerten alle Gesellschafter ihre Beteiligungen an die M-GmbH. In den Verträgen über die Anteilsübertragungen wurde auf die bereits erteilte Baugenehmigung sowie auf den Mietvertrag mit der X-GmbH Bezug genommen. Im Jahr 2006 wurde der Supermarkt fertiggestellt. Das Finanzamt setzte aufgrund der Anteilsübertragungen vom 13.5.2005 Grunderwerbsteuer fest und legte als Bemessungsgrundlage den Wert des bebauten Grundstücks von ca. 8,7 Mio. € fest. Die Klägerin war der Auffassung, dass nur der Wert des Grundstücks im unbebauten Zustand (ca. 695.000 €) anzusetzen sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Anteilsübertragung am 13.5.2005 war grunderwerbsteuerbar. Denn es wurden 100 % und damit mindestens 95 % der Gesellschafter einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf einen Schlag und damit innerhalb von fünf Jahren ausgetauscht.
Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer richtete sich nicht nach dem Wert des unbebauten Grundstücks am 13.5.2005. Vielmehr war der Wert des künftigen, bebauten Grundstücks anzusetzen. Denn die Änderung des Gesellschafterbestands beruhte auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es im Zeitpunkt der Anteilsübertragung bereits einen vorgefassten Plan zur Bebauung des Grundstücks gibt, mit dem sich die Personengesellschaft über einen Gesellschafterwechsel in wesentlichen Punkten festgelegt hat, und wenn die Erwerber der Anteile beim Erwerb der Anteile Kenntnis von dem vorgefassten Plan zur Bebauung hatten.
Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt:
Die Bebauung stand im Zeitpunkt der Anteilsübertragung im Wesentlichen fest. Die Klägerin hatte sich gegenüber der Stadt K zur Bebauung mit einem Supermarkt verpflichtet. Sie hatte auch schon einen Mietvertrag mit der X-GmbH abgeschlossen.
Die Erwerber kannten diesen Plan und haben die Anteile wegen dieses Plans erworben. Sie haben nämlich im Anteilskaufvertrag auf die bereits erteilte Baugenehmigung sowie auf den Mietvertrag mit der X-GmbH Bezug genommen.
Hinweise: Es kommt nicht darauf an, ob das Bauvorhaben auch ohne Gesellschafterwechsel zu Ende hätte geführt werden können oder ob der Plan zur Bebauung auch die Änderung des Gesellschafterbestands erforderte.
Der höhere Wertansatz, nämlich der Wert des bebauten Grundstücks, erfolgt deshalb, weil die Erwerber der Anteile faktisch ein bebautes Grundstück erworben haben. Denn es stand im Zeitpunkt des Anteilskaufs bereits fest, dass das Grundstück bebaut wird, und eine Aufhebung des Bebauungs- und Mietvertrags wäre nur unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Einbußen möglich gewesen.
BFH, Urteil vom 16.9.2020 - II R 12/18; NWB
27.05.2021
Pauschaliert der Arbeitgeber die Lohnsteuer für einen Teil des Gehalts, obwohl die Voraussetzungen für eine Pauschalierung nicht vorliegen, muss der Arbeitnehmer diesen Gehaltsteil selbst versteuern. Auf die sich danach ergebende Einkommensteuer wird die pauschale Lohnsteuer nicht angerechnet.
Hintergrund: Für bestimmte Teile des Gehalts kann die Lohnsteuer pauschal berechnet werden. In der Regel ist die pauschale Lohnsteuer, für die es unterschiedliche Steuersätze wie z.B. 15 % oder 25 % gibt, niedriger als die individuelle Lohnsteuer. So ist eine Pauschalierung zulässig für Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, sofern die Zuschüsse nicht die Entfernungspauschale übersteigen (aus Vereinfachungsgründen kann hier von 15 monatliche Fahrten ausgegangen werden) und zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden.
Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitnehmer und durfte einen Dienstwagen auch für private Fahrten sowie für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nutzen; die Entfernung zur Arbeit betrug 34 km. Der Arbeitgeber versteuerte einen monatlichen Betrag von 153 € pauschal (15 Fahrten x 34 km x 0,30 €) und unterwarf im Zeitraum Februar bis Dezember 2014 zusätzlich einen Fahrkostenzuschuss von 193,80 € monatlich der pauschalen Lohnsteuer von 15 %. Das Finanzamt akzeptierte die pauschale Lohnversteuerung von 193,80 € nicht und erfasste diesen Betrag (11 x 193,80 €) im Einkommensteuerbescheid des Klägers, ohne hierauf die pauschale Lohnsteuer, die der Arbeitgeber abgeführt hatte, anzurechnen.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar hat der Arbeitgeber den Zuschuss in Höhe von 153 € monatlich zu Recht pauschal besteuert. Denn dieser Betrag lag nicht über der Entfernungspauschale, die der Kläger hätte geltend machen können. Die Voraussetzungen für eine pauschale Lohnsteuer bezüglich des weiteren monatlichen Zuschusses in Höhe von 193,80 € lagen aber nicht vor. Denn dieser Betrag lag über der Entfernungspauschale.
Das Finanzamt darf daher den Zuschuss bei der Einkommensteuerfestsetzung des Arbeitgebers berücksichtigen. Es handelt sich um regulären Arbeitslohn, für den die Voraussetzungen der pauschalen Lohnsteuer nicht vorliegen. Die vom Arbeitgeber abgeführte pauschale Lohnsteuer ist nicht auf die Einkommensteuerschuld des Klägers anzurechnen.
Soweit der Kläger geltend macht, dass er den Dienstwagen in den Sommermonaten April bis Juli nicht genutzt habe, sondern mit seinem Motorrad bzw. Fahrrad oder seinem privaten Pkw gefahren sei, folgt das Gericht ihm nicht. Der Kläger hat keine entsprechenden Fahrtenaufstellungen vorgelegt, sondern nur pauschal behauptet, den Dienstwagen nicht genutzt zu haben.
Hinweise: Der Fall zeigt, dass der Arbeitnehmer bei einer Pauschalierung durch den Arbeitgeber keinen Vertrauensschutz genießt. Das Finanzamt kann also noch eine Nachversteuerung beim Arbeitnehmer durchführen, sofern seine Einkommensteuerfestsetzung noch nicht erfolgt ist oder aufgrund einer Korrekturvorschrift noch geändert werden kann.
Der Ansatz eines geldwerten Vorteils wegen der Überlassung eines Dienstwagens kann durch ein Privatnutzungsverbot des Arbeitgebers verhindert werden. Sofern dieses Verbot nicht zum Schein vereinbart worden ist, darf dann ein Sachbezug für Privatnutzung nicht angesetzt werden.
FG Münster, Urteil vom 1.3.2021 - 9 K 3046/18 E; NWB
26.05.2021
Die ortsübliche Miete, die für die Prüfung des Werbungskostenabzugs bei den Vermietungseinkünften wichtig ist, ist vorrangig auf der Basis des örtlichen Mietspiegels zu ermitteln. Gibt es keinen Mietspiegel oder ist er nicht verwendbar, kann die ortsübliche Miete mithilfe eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder durch Auskunft aus einer Mietdatenbank oder unter Heranziehung mindestens dreier vergleichbarer Wohnungen ermittelt werden. Jede dieser drei Ermittlungsarten ist grundsätzlich gleichrangig.
Hintergrund: Bei der Vermietung von Wohnungen fallen regelmäßig Werbungskosten an. Der Gesetzgeber sieht eine anteilige Kürzung der Werbungskosten vor, wenn die Miete weniger als 66 % bzw. – seit 2021 – weniger als 50 % der ortsüblichen Miete beträgt.
Sachverhalt: Die Klägerin vermietete seit 2015 eine 57 qm große Wohnung in Thüringen an ihre Tochter zu einer Miete von 300 € monatlich zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 70 €. Die Tochter trug die monatliche Abschlagzahlung für den Strom in Höhe von 49 €. Eine weitere gleich große Wohnung im selben Haus vermietete die Klägerin an einen Fremdmieter für monatlich 500 € zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 78 €. Das Finanzamt erkannte die Werbungskosten für die an die Tochter vermietete Wohnung nur im Umfang von 64,01 % an. Hierbei ging es von einer ortsüblichen Miete von 578 € aus, so dass die von der Tochter gezahlten 370 € weniger als 66 % hiervon, nämlich 64,01 %, betrugen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Bei der ortsüblichen Miete handelt es sich um die ortsübliche Kaltmiete (zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten) für vergleichbare Wohnungen, wie sie sich aus dem örtlichen Mietspiegel ergibt. Dies kann der einfache Mietspiegel, aber auch der qualifizierte Mietspiegel sein. Maßgeblich ist dabei die sich aus dem Mietspiegel ergebende Spanne für vergleichbare Wohnungen; es ist also nicht der Mittelwert anzusetzen. Die Miete ist erst dann nicht mehr ortsüblich, wenn sie die Grenzwerte der Spanne über- oder unterschreitet.
Die ortsübliche Miete ist nur dann nicht aus dem Mietspiegel abzuleiten, wenn es keinen Mietspiegel gibt oder der Mietspiegel nicht regelmäßig an die Marktentwicklung angepasst worden ist oder der Mietspiegel substanzielle Defizite bei der Datenerhebung aufweist oder aus sonstigen Gründen einen mangelhaften Erkenntniswert hat. Gleiches gilt, wenn es sich um ein Sonderobjekt handelt, das nicht vom Mietspiegel erfasst wird.
In den vorstehend genannten Fällen, in denen nicht auf einen Mietspiegel zurückgegriffen werden kann, kann die ortsübliche Miete aus einem Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder aus der Auskunft einer Mietdatenbank oder aus den Mieten für mindestens drei vergleichbare und mit Adresse, Lage und Stockwerk bezeichneten Wohnungen abgeleitet werden. Jeder dieser Ermittlungswege ist grundsätzlich gleichrangig.
Im Streitfall darf die ortsübliche Miete nicht aus der anderen von der Klägerin vermieteten Wohnung abgeleitet werden. Vielmehr muss das FG zunächst den örtlichen Mietspiegel heranziehen und muss bei der Höhe der gezahlten Miete auch die von der Tochter gezahlte Abschlagzahlung für den Strom berücksichtigen, da es sich insoweit um einen abgekürzten Zahlungsweg handelt; die gezahlte Miete betrug damit 419 € (300 € + 70 € + 49 €).
Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass vorrangig der örtliche Mietspiegel auszuwerten ist, um die ortsübliche Miete zu ermitteln. Erst wenn dieser nicht vorhanden oder nicht verwertbar ist, darf auf die Mieten für drei oder mehr vergleichbare Wohnungen zurückgegriffen werden; es ist also nicht möglich, nur die Mieten für ein oder zwei vergleichbare Wohnungen heranzuziehen. Der BFH hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, nach der eine vergleichbare Mietwohnung im selben Haus als ausreichender Vergleichsmaßstab herangezogen werden kann.
BFH, Urteil vom 22.2.2021 - IX R 7/20; NWB
25.05.2021
Ein Vermietungsportal, das online Übernachtungsmöglichkeiten vermittelt, muss einer Gemeinde bzw. Stadt auf Anfrage Auskunft über die bei ihm registrierten privaten Beherbungsbetriebe erteilen. Die Auskunft kann dann zur Festsetzung einer Übernachtungsteuer bzw. Tourismusabgabe verwendet werden.
Hintergrund: Viele Gemeinden oder Städte haben durch Satzung eine Übernachtungsteuer oder Tourismusabgabe geregelt. Schuldner ist der jeweilige Übernachtungsgast, gezahlt wird die Abgabe bzw. Steuer jedoch vom Beherbungsbetrieb, der sie vom Übernachtungsgast einzieht.
Sachverhalt: Die Klägerin betreibt im Internet eine Übernachtungsplattform und vermittelt private Übernachtungsmöglichkeiten. Die Stadt Köln hatte durch Satzung eine Kulturförderabgabe für Übernachtungsgäste festgesetzt und forderte die Klägerin zur schriftlichen Auskunft über die bei ihr registrierten Beherbungsbetriebe auf. Die Klägerin wehrte sich gegen das Auskunftsersuchen und klagte beim Verwaltungsgericht und in der zweiten Instanz beim Oberverwaltungsgericht.
Entscheidung: Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) wies die Klage ab:
Das Auskunftsersuchen ist ein sog. Sammelauskunftsersuchen, bei dem es darum geht, unbekannte Sachverhalte zu ermitteln. Ein solches Auskunftsersuchen ist rechtmäßig, wenn die Behörde aufgrund einer Prognose zu der Einschätzung gelangt, dass sich aus der Auskunft steuererhebliche Tatsachen ergeben.
Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Bei der Stadt Köln waren lediglich 120 Privatvermietungen registriert, aber bei der Klägerin wurden im Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung mehr als 300 Unterkünfte für Köln angeboten. Dies spricht dafür, dass ein Teil der Privatvermieter nicht erfasst war. Zudem sind insbesondere Privatvermietungen für steuerliche Unregelmäßigkeiten anfällig.
Die Stadt Köln kann nicht darauf verwiesen werden, dass sie die Namen der Privatvermieter dem Online-Vermietungsportal selbst entnehmen könnte. Denn zum einen werden mitunter nur die Namen der Verwalter genannt, zum anderen ergeben sich aus dem Online-Vermietungsportal nicht die Adressen der Vermieter und der vermieteten Ferienwohnungen. Außerdem lassen sich dem Portal nur die an diesem Tag angebotenen Unterkünfte entnehmen, nicht aber die bereits vermieteten.
Hinweise: Das OVG ist dem Einwand der Klägerin, sie könne aus rechtlichen Gründen die Namen der Anbieter nicht mitteilen, nicht gefolgt. Denn mögliche vertragliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Privatvermietern sind nicht geeignet, die gesetzliche Auskunftspflicht auszuschließen. Auch geschäftliche Interessen der Klägerin, die Namen ihrer Kunden der Stadt Köln nicht mitzuteilen, sind nicht schützenswert, soweit eine Steuerverkürzung denkbar ist.
Im Streitfall ging es um ein Auskunftsersuchen der Stadt Köln wegen der Festsetzung der Tourismusabgabe. In gleicher Weise wäre auch das Finanzamt berechtigt, eine Auskunft vom Betreiber eines Vermietungsportals einzuholen, um die Vermietungseinkünfte der Privatvermieter zu überprüfen.
OVG Münster, Urteil vom 26.4.2021 - 14 A 2062/17; NWB
25.05.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlicht eine neue Arbeitshilfe zur Aufteilung des Kaufpreises für ein bebautes Grundstück auf den Grund und Boden und auf das Gebäude, nachdem die bisherige Arbeitshilfe vom Bundesfinanzhof (BFH) verworfen worden ist. Die neue Arbeitshilfe sieht neben dem bisherigen Sachwertverfahren auch das Ertragswert- sowie das Vergleichswertverfahren vor.
Hintergrund: Beim Kauf eines bebauten Grundstücks, das zur Einkünfteerzielung eingesetzt wird, also vermietet oder betrieblich genutzt wird, muss der Kaufpreis auf den Grund und Boden sowie auf das Gebäude aufgeteilt werden. Nur der Gebäudeanteil kann abgeschrieben werden, während der Grund- und Bodenanteil nicht abgeschrieben wird. Das BMF hatte vor einigen Jahren eine Arbeitshilfe veröffentlicht, die ein Berechnungsprogramm für die Aufteilung enthielt, allerdings ausschließlich auf dem Sachwertverfahren beruhte. Der BFH hat diese Arbeitshilfe in einem Urteil aus dem Jahr 2020 als ungeeignet eingestuft, weil sie nur das Sachwertverfahren vorsah und weil Regionalisierungsfaktoren unberücksichtigt blieben, die gerade in Ballungsgebieten bedeutsam sind.
Wesentlicher Inhalt der neuen Arbeitshilfe:
Die neue Arbeitshilfe enthält mehrere Berechnungsmodi, nämlich das Ertragswertverfahren, das Vergleichswertverfahren sowie – wie bisher – das Sachwertverfahren. Das Vergleichswertverfahren ist bei Eigentumswohnungen sowie bei Ein- und Zweifamilienhäusern anwendbar. Das Ertragswertverfahren gilt für Mietwohngrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke und Geschäftsgrundstücke, aber auch für Eigentumswohnungen und Ein- und Zweifamilienhäuser, sofern es keinen Vergleichswert gibt. Und das Sachwertverfahren kann bei allen anderen Grundstücken angewendet werden.
Bei jeder dieser Methoden wird zunächst der Grund und Boden bewertet, indem die Fläche des Grundstücks mit dem Bodenrichtwert multipliziert wird. Dies gilt unabhängig vom jeweils anzuwendenden Verfahren.
Anschließend wird je nach Art des Grundstücks das Vergleichswert-, Ertragswert oder Sachwertverfahren angewendet, um den Gebäudewert zu ermitteln. Abschließend werden der Gebäudewert und der Grund- und Bodenwert ins Verhältnis zum Kaufpreis gesetzt und daraus der jeweilige Anteil abgeleitet.
Hinweise: Es bleibt abzuwarten, ob sich nach der neuen Arbeitshilfe bei Anwendung des Vergleichswert- oder Ertragswertverfahrens wirklich höhere Gebäudeanteile ergeben.
Die Arbeitshilfe ist nicht verbindlich, so dass die Kaufpreisaufteilung auch auf andere Art vorgenommen werden kann, z.B. mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens oder anhand einer im Kaufvertrag vorgenommenen Kaufpreisaufteilung. Eine vertragliche Kaufpreisaufteilung wird vom Finanzamt aber häufig nicht akzeptiert, weil der sich nach der vertraglichen Aufteilung ergebende Grund- und Bodenanteil meist niedriger ist als der sich unter Anwendung des Bodenrichtwerts ergebende Betrag und deshalb vom Finanzamt als wirtschaftlich unhaltbar angesehen wird. Der Streit mit dem Finanzamt wird dann in der Regel durch Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden.
BMF, Arbeitshilfe zur Kaufpreisaufteilung bei bebauten Grundstücken, Stand April 2021; NWB
21.05.2021
Das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW hat eine Antragsplattform mit einer Übersicht der Härtefallhilfen in den einzelnen Bundesländern online gestellt.
Hintergrund: Bund und Länder haben sich am 18.3.2021 auf die Ausgestaltung der sog. Härtefallhilfen geeinigt. Die Härtefallhilfen bieten den Bundesländern die Möglichkeit, Unternehmen und Selbständige zu fördern, die von den bisherigen Unternehmenshilfen nicht erfasst werden. Mit der Härtefallhilfe sollen solche Härten abgemildert werden, die im Zeitraum 1.3.2020 bis zum 30.6.2021 coronabedingt entstanden sind. In den meisten Bundesländern können Anträge ausschließlich über einen prüfenden Dritten (Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer) gestellt werden. Eine Beantragung ist - soweit ersichtlich - seit dem 19.5.2021 möglich. Ein rechtlicher Anspruch auf Härtefallhilfe besteht nicht.
Auf der Plattform werden u.a. Informationen
zum Umfang der Hilfen,
zu den Antragsvoraussetzungen sowie
zum weiteren Verfahren
in den einzelnen Bundesländern gebündelt dargestellt. Von dort aus können entsprechende Anträge (außer für Hilfen in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern) gestellt werden.
Hinweise: Zu der länderübergreifenden Antragsplattform gelangen Sie hier.
Allgemeine Informationen zur den Härtefallhilfen hat das BMWi auf seiner Homepage veröffentlicht.
www.haertefallhilfen.de sowie BMWi online; NWB
21.04.2021
Der Bundesfinanzhof (BFH) bejaht faktisch einen Anspruch auf Akteneinsicht in Kindergeldakten. Zwar hat der Kindergeldberechtigte bzw. dessen Vertreter nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung; die Familienkasse muss aber zugunsten des Antragstellers berücksichtigen, dass sich im Kindergeldrecht seltener schützenswerte Informationen Dritter in den Akten befinden und dass Kindergeldakten häufiger elektronisch geführt und daher besser vor einem Verlust geschützt sind als Papierakten, die bei einer Akteneinsicht übersendet werden.
Hintergrund: Für die Festsetzung von Kindergeld gilt grundsätzlich das gleiche Verfahrensrecht wie für die Festsetzung von Steuern. Das Verfahrensrecht sieht für das Einspruchsverfahren keinen ausdrücklichen Anspruch auf Akteneinsicht vor.
Sachverhalt: Der Anwalt der Klägerin beantragte bei der Familienkasse Einsicht in die Kindergeldakte. Diesen Antrag lehnte die Familienkasse ab. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und klagte anschließend. Erst im Revisionsverfahren vor dem BFH erhielt sie die Akteneinsicht, so dass der BFH nur noch über die Verfahrenskosten entscheiden musste.
Entscheidung: Der BFH gab der Klägerin Recht und legte die Verfahrenskosten der Familienkasse auf:
Zwar gibt es im steuerlichen Verfahrensrecht, das auch für das Kindergeld gilt, keinen gesetzlichen Anspruch auf Akteneinsicht. Aber es gibt einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht. Die Familienkasse muss daher die Interessen des Kindergeldberechtigten und die der Behörde gegeneinander abwägen.
Diese Abwägung wird im Kindergeld eher zugunsten des Antragstellers ausfallen. Denn anders als in Steuerakten finden sich in Kindergeldakten seltener Hinweise auf Dritte oder Informationen über Dritte, z.B. Kontrollmitteilungen oder Prüfhinweise. Damit fällt auch der Verwaltungsaufwand für die Prüfung des Akteneinsichtsantrags geringer aus. Zudem sind die Kindergeldakten, die in elektronischer Form geführt werden, leichter zu kopieren, so dass die Behörde trotz Akteneinsicht mit der Akte weiterarbeiten kann; außerdem gibt es keinen Aufwand für die Übersendung und kein Verlustrisiko.
Im Streitfall hat die Familienkasse zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin von vornherein kein Interesse an einer Akteneinsicht haben könne. Tatsächlich überwogen die Belange der Klägerin die Interessen der Familienkasse deutlich; denn die Klägerin war der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig, benötigte Unterlagen und musste Anwälte beauftragen. Damit bestand ein Anspruch auf Akteneinsicht, weil das Ermessen der Behörde auf Null reduziert, d.h. keine andere Entscheidung mehr möglich war als eine Entscheidung zugunsten der Klägerin.
Hinweise: Der BFH sah es als unbeachtlich an, dass die Familienkasse nach eigenen Angaben bereits bestandskräftig über den Kindergeldanspruch der Klägerin entschieden hatte. Denn zum einen hatte die Familienkasse die Daten der entsprechenden Bescheide und die Bewilligungszeiträume nicht genannt, so dass die Überprüfung der Bestandskraft nicht uneingeschränkt möglich war. Zum anderen können bestandskräftige Bescheide auch geändert werden, wenn eine Korrekturvorschrift dies zulässt.
Das Urteil betrifft die Akteneinsicht im Kindergeldrecht vor Beginn eines Klageverfahrens. Auf das allgemeine Steuerrecht lässt sich das Urteil nicht übertragen, weil hier viel häufiger Interessen Dritter betroffen sind, wenn Akteneinsicht genommen wird, z.B. Informationsgeber, Mitgesellschafter, Vertragspartner etc.
Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber erst im Klageverfahren einen Anspruch auf Akteneinsicht gewährt. Dieser Anspruch gilt sowohl für das Steuerrecht als auch für das Kindergeldrecht.
Der BFH ließ offen, ob die Klägerin auch noch einen Anspruch auf Akteneinsicht nach der Datenschutzgrundverordnung hatte.
BFH, Urteil vom 3.11.2020 - III R 59/19; NWB
20.04.2021
Erwirbt der Unternehmer ein Kfz, für das er einen Investitionsabzugsbetrag gebildet hat, muss er die ganz überwiegend betriebliche Nutzung des Kfz nicht zwingend durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweisen, sondern kann auch andere Beweismittel wie z.B. zeitnah geführte Aufzeichnungen vorlegen.
Hintergrund: Unternehmer können unter bestimmten Voraussetzungen für künftige Anschaffungen einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 50 % (bis einschließlich 2019: 40 %) bilden, der ihr Einkommen mindert. Voraussetzung ist u.a., dass das angeschaffte Wirtschaftsgut zu mindestens 90 % betrieblich genutzt wird.
Sachverhalt: Der Kläger war selbständiger Versicherungsvertreter und bildete im Jahr 2011 in seiner Einnahmen-Überschussrechnung einen Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung eines Pkw. Im Jahr 2014 erwarb er den Pkw, rechnete den Investitionsabzugsbetrag hinzu und machte in gleicher Höhe eine Sonderabschreibung geltend. Den Umfang der betrieblichen Nutzung wollte er durch ein Fahrtenbuch nachweisen; jedoch war das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß. Das Finanzamt ging daher von einer mehr als 10 %igen Privatnutzung aus und machte sowohl den Investitionsabzugsbetrag im Jahr 2011 als auch die Sonderabschreibung und die Hinzurechnung im Jahr 2014 rückgängig.
Entscheidung: Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen, das nun anhand weiterer Beweismittel prüfen muss, ob der Kläger den Pkw zu mehr als mindestens 90 % betrieblich genutzt hat:
Der Investitionsabzugsbetrag und die Sonderabschreibung setzen voraus, dass der Pkw zu mindestens 90 % betrieblich genutzt wird. Die mindestens 90 %ige betriebliche Nutzung kann durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
Ein Nachweis ist nicht durch Anwendung der sog. 1 %-Methode möglich. Denn der 1 %-Methode entspricht ein privater Nutzungsanteil von ca. 20 % bis 25 %; zum einen wird 1 % pro Monat angesetzt, so dass sich jährlich bereits 12 % ergeben, und zum anderen werden die 12 % jährlich stets auf den Neuwert (Bruttolistenpreis) angewendet.
Auch wenn der Nachweis durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt werden kann, bedeutet dies nicht, dass bei einem nicht ordnungsgemäßen Fahrtenbuch von einer mehr als 10 %igen privaten Nutzung des Pkw im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags auszugehen ist. Der Gesetzgeber macht hinsichtlich des Nachweises im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags nämlich keine Vorgaben. Die Pflicht zur Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs besteht nur im Rahmen der Bewertung der Privatnutzung, wenn der Unternehmer von der 1 %-Methode abweichen will.
Der Unternehmer kann daher den Umfang der mindestens 90 %igen betrieblichen Nutzung auch durch andere Beweismittel führen, z.B. durch zeitnahe Aufzeichnungen.
Hinweise: Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nur an einer Stelle im Gesetz geregelt, nämlich bei der Bewertung der Privatnutzung eines betrieblichen Kfz, wenn der Unternehmer die 1 %-Methode nicht anwenden will. Der Gesetzgeber hat aber versäumt, diese Pflicht auch auf die Regelung zum Investitionsabzugsbetrag zu übertragen. Daher kann der Unternehmer den Umfang einer mindestens 90 %igen betrieblichen Kfz-Nutzung auf andere Weise nachweisen.
Zwar klingt das Urteil positiv für Unternehmer; praktisch wird die Nachweisführung aber schwierig, wenn der Unternehmer glaubte, ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt zu haben. Er wird dann keine anderen Beweismittel haben, wenn sich die Fehlerhaftigkeit seines Fahrtenbuchs herausstellt.
BFH, Urteil vom 15.7.2020 - III R 62/19; NWB
19.04.2021
Ein Schenkungsteuerbescheid ist unbestimmt und daher aufzuheben, wenn das Finanzamt verschiedene, einzelne Zuwendungen im Schenkungsteuerbescheid in einem Betrag zusammenfasst. Um einzelne Zuwendungen handelt es sich, wenn ein Mann seine Lebensgefährtin zu einer Kreuzfahrt einlädt und an Bord zahlreiche Kosten für Ausflüge, Speisen im Restaurant, Wellness und Friseur übernimmt.
Hintergrund: Schenkungen unterliegen grundsätzlich der Schenkungsteuer. Jede einzelne Schenkung führt an sich zu einem Schenkungsteuerbescheid, weil die Schenkungsteuer keine Jahressteuer ist, sondern anlassbezogen festgesetzt wird. Schenkungen innerhalb eines Zehnjahreszeitraums werden materiell-rechtlich zusammengefasst, so dass z.B. nur ein Freibetrag gewährt wird und sich der Schenkungsteuersatz nach der Summe der Schenkungen innerhalb dieses Zehnjahreszeitraums richtet.
Sachverhalt: Der Kläger buchte im August 2014 für sich und seine Lebensgefährtin eine fünfmonatige Kreuzfahrt in der höchsten Buchungskategorie für ca. 500.000 € (Rechnung vom 10.2.2015); der Preis der Luxuskabine war von der Anzahl der Personen unabhängig. Während der Kreuzfahrt entstanden weitere Kosten in Höhe von ca. 45.000 € für Ausflüge, Speisen im Restaurant, Wellness und Friseur; diese Kosten wurden auf dem sog. Bordkonto taggenau erfasst und abgerechnet. Sämtliche Kosten übernahm der Kläger; seine Lebensgefährtin hätte die Kosten nicht tragen können. Der Kläger gab eine Schenkungsteuererklärung ab und erklärte eine Zuwendung in Höhe von 25.000 € für die anteiligen Kosten für die Anreise, für Ausflüge und Verpflegung sowie für einen weiteren Flug. Außerdem erklärte er sich zur Übernahme der Schenkungsteuer bereit. Das Finanzamt ging hingegen von einer Schenkung in Höhe von 300.000 € durch eine „Zuwendung zum 10.2.2015“ mit dem Zusatz „Schenkung Weltreise“ aus und setzte Schenkungsteuer in Höhe von 100.000 € fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Der Schenkungsteuerbescheid war unbestimmt und daher aufzuheben. Im Schenkungsteuerbescheid muss nämlich jede Zuwendung einzeln aufgeführt werden. Zwar ist eine Bezugnahme auf Anlagen oder Unterlagen wie z.B. einen Betriebsprüfungsbericht zulässig; das Finanzamt muss dann aber im Bescheid und in der Einspruchsentscheidung angeben, welche Schenkungsteuer für die jeweilige Zuwendung festgesetzt wird.
Offenbleiben kann, ob der Kläger überhaupt Schenkungen erbracht hat. In jedem Fall ist die Zusammenfassung der einzelnen Zuwendungen in einem Gesamtbetrag und einer Bezeichnung („Schenkung Weltreise“) im Bescheid zu unbestimmt und führt zumindest zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, wenn nicht sogar zur Nichtigkeit.
Zu unterscheiden war zwischen der Übernahme der Kosten für die Kabine und der Übernahme der Kosten an Bord für die Ausflüge, die Restaurantbesuche und die Wellness- und Friseurleistungen. Selbst wenn der Kläger ein einheitliches Schenkungsversprechen für sämtliche Leistungen abgegeben haben sollte, wäre doch die Schenkungsteuer jeweils erst mit der Erbringung der einzelnen Leistung entstanden.
Hinweise: Die Bezeichnung der einzelnen Zuwendungen ist insbesondere deshalb wichtig, weil für jede einzelne Zuwendung eine Steuerbefreiung oder ein Verjährungseintritt zu prüfen ist und weil mit jeder einzelnen Zuwendung der Zehnjahreszeitraum beginnt.
Im Streitfall hätte es sich bei den auf dem Bordkonto erfassten Leistungen auch um Leistungen für den Kläger handeln können. Die Kostenübernahme für die Lebensgefährtin hätte auch steuerfrei sein können, weil es sich um Unterhaltsleistungen oder um Gelegenheitsgeschenke handelt. Die Aufgliederung der Zuwendungen wäre nicht kompliziert gewesen, weil die Leistungen auf dem Bordkonto taggenau erfasst worden waren.
BFH, Urteil vom 16.9.2020 - II R 24/18; NWB
16.04.2021
Das Finanzamt kann die Gestattung der Ist-Besteuerung zurücknehmen, wenn der Unternehmer unrichtige Angaben hinsichtlich seines voraussichtlichen Gesamtumsatzes gemacht hat. Die Höhe des Gesamtumsatzes im Gründungsjahr ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu ermitteln und auf das gesamte Jahr hochzurechnen; dabei sind die Grundsätze der Soll-Besteuerung anzuwenden, so dass es auf die Erbringung der Leistung des Unternehmers und nicht auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt.
Hintergrund: Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer mit der Ausführung der Leistung, so dass es auf die Bezahlung durch den Kunden nicht ankommt (sog. Soll-Besteuerung). Auf Antrag kann der Unternehmer die sog. Ist-Besteuerung anwenden, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. U.a. darf sein Gesamtumsatz aktuell nicht höher als 600.000 € sein (bis einschließlich 2019 lag die Grenze bei 500.000 €).
Sachverhalt: Der Bundesfinanzhof (BFH) musste über zwei Streitfälle entscheiden, die ähnlich gelagert waren. Die Klägerin in einem der beiden Fälle war eine am 20.9.2011 gegründete GbR, die Photovoltaikanlagen errichtete. Sie beantragte beim Finanzamt die Ist-Besteuerung und erklärte, dass sie im Jahr 2011 voraussichtlich Umsätze in Höhe von 30.000 € erzielen würde. Das Finanzamt gestattete daraufhin am 15.12.2011 die Ist-Besteuerung. Die Klägerin hatte allerdings im November 2011 bereits einen Vertrag über die Errichtung einer Photovoltaikanlage zum Gesamtpreis von ca. 1.258.000 € netto abgeschlossen und für die Montage ein Teilentgelt von 450.000 € zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Im Dezember schloss sie die Montage ab und stellte ihrem Auftraggeber 450.000 € zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Der Auftraggeber zahlte ihr noch im Jahr 2011 einen Teilbetrag von ca. 78.000 €. Als das Finanzamt davon erfuhr, nahm es die Gestattung der Ist-Besteuerung zurück.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichteten Klagen ab:
Die Gestattung der Ist-Besteuerung war rechtswidrig, weil der voraussichtliche Gesamtumsatz der Klägerin im Jahr den im Jahr 2011 gültigen Höchstbetrag von 500.000 € übersteigen würde. Im Jahr der Gründung ist der tatsächliche Umsatz nach den tatsächlichen Verhältnissen des Unternehmers zu ermitteln und auf das Jahr hochzurechnen.
Hierbei gelten die Grundsätze der Soll-Besteuerung, so dass es auf die Ausführung der Leistungen bzw. Teilleistungen der Klägerin ankommt. Die Ist-Besteuerung gilt nicht, weil die ursprüngliche Gestattung zurückgenommen worden ist.
Aufgrund ihres Vertrags über die Errichtung einer Photovoltaikanlage konnte die Klägerin jedenfalls mit einem Teilentgelt für die Montage in Höhe von 450.000 € rechnen. Unbeachtlich ist, dass sie das Entgelt im Jahr 2011 nur teilweise, nämlich in Höhe von 78.000 €, erhalten hat; denn die Ermittlung des tatsächlichen Umsatzes im Jahr 2011 richtet sich nach der Soll-Besteuerung, also auf der Grundlage der ausgeführten Leistungen bzw. Teilleistungen wie der Montage.
Da die Klägerin im September gegründet wurde, im Jahr 2011 also nur vier Monate existierte, war der zu erwartende Umsatz von 450.000 € auf das gesamte Jahr hochzurechnen, so dass sich ein Gesamtumsatz von 1.350.000 € ergab, der deutlich über der damaligen gesetzlichen Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung von 500.000 € lag.
Die Gestattung der Ist-Besteuerung am 15.12.2011 war zwar ein Verwaltungsakt. Dieser Verwaltungsakt konnte aber vom Finanzamt zurückgenommen werden, da die Klägerin unrichtige Angaben gemacht hatte; denn sie hatte einen voraussichtlichen Gesamtumsatz von nur 30.000 € angegeben. Das Finanzamt musste die Rücknahme der Gestattung nicht mit einer abwägenden Stellungnahme im Rahmen seiner Ermessensentscheidung versehen, weil die Klägerin von der Unrichtigkeit ihrer Angaben wusste.
Hinweise: Für die Ermittlung des Gesamtumsatzes im Gründungsjahr zwecks Ist-Besteuerung gelten im Grundsatz die gleichen Grundsätze wie bei einem Kleinunternehmer im Gründungsjahr. Beim Kleinunternehmer wird ebenfalls der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresumsatz umgerechnet und dann geprüft, ob die Umsatzgrenzen für einen Kleinunternehmer eingehalten werden.
Der BFH widerspricht der Auffassung der Klägerin, dass bei jeder Unternehmensgründung im Erstjahr stets die Voraussetzungen für eine Ist-Besteuerung erfüllt sind. Unternehmen, die – wie die Klägerin – bereits im Stadium der Neugründung die Umsatzgrenze von 600.000 € bzw. 500.000 € (vor dem Jahr 2020) überschreiten, benötigen die Erleichterung der Ist-Besteuerung nicht. Diese ist nur kleineren Unternehmen vorbehalten.
BFH, Urteile vom 11.11.2020 - XI R 40/18 und XI R 41/18; NWB
14.04.2021
Der Erbe kann Steuerberatungskosten, die aufgrund der Nacherklärung von Einnahmen, die der Erblasser hinterzogen hat, entstehen, ebenso als Nachlassregelungskosten bei der Erbschaftsteuer abziehen wie Kosten für die Haushaltsauflösung und Räumung der Wohnung des Erblassers.
Hintergrund: Die Erbschaftsteuer richtet sich u.a. nach dem Wert des Nachlasses. Vom Wert des Nachlasses abzuziehen sind Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers sowie sog. Kosten zur Regelung des Nachlasses. Nachlassregelungskosten sind Aufwendungen des Erben, die ihm im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses gehören nicht dazu und sind daher nicht abziehbar.
Sachverhalt: Die Klägerin war Alleinerbin des im Jahr 2013 verstorbenen E, der im Zeitraum von 2002 bis 2012 Zinserträge in der Schweiz hinterzogen hatte. Die Klägerin erklärte diese Zinserträge nach; hierdurch entstanden ihr Steuerberatungskosten in Höhe von ca. 9.500 €. Außerdem ließ sie die von E bewohnte Wohnung räumen und löste den Haushalt auf; dies verursachte Kosten von ca. 2.500 €. In der Erbschaftsteuererklärung machte die Klägerin beide Beträge von 9.500 € und 2.500 € als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das Finanzamt erkannte die Kosten nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Steuerberatungskosten sind als Nachlassregelungskosten zu berücksichtigen. Die Kosten für die Nacherklärung der Zinsen dienten nämlich dazu, den Umfang der Steuerschulden, die vom Erblasser herrühren und dem Grunde nach Nachlassverbindlichkeiten sind, zu klären.
Auch die Räumungskosten sind als Kosten zur Regelung des Nachlasses abziehbar. Denn die Klägerin klärte mit der Auflösung des Haushaltes, welche Teile des Hausrats zum Nachlass gehörten oder aber nur geliehen und deshalb dem Eigentümer zurückzugeben waren. Ohne Erbfall wären die Kosten nicht entstanden; sie waren daher noch keine Kosten der Nachlassverwaltung, die nicht abgezogen werden dürften.
Hinweise: Bezüglich der Steuerberatungskosten weicht der BFH von der Auffassung der Finanzverwaltung ab. Der BFH lässt offen, ob die Steuerberatungskosten als Erblasserschulden hätten berücksichtigt werden können.
Grundsätzlich können Steuerschulden, die auf Einkünfte des Erblassers entfallen, als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, selbst wenn die Steuerschulden im Zeitpunkt des Todes noch nicht festgesetzt waren. Bei hinterzogenen Steuern verlangt der BFH aber grundsätzlich, dass die Steuern vom Erblasser auch tatsächlich entrichtet werden; anderenfalls fehlt es an der wirtschaftlichen Belastung, die einen Abzug vom Wert des Nachlasses rechtfertigt.
BFH, Urteil vom 14.10.2021 - II R 30/19; NWB
13.04.2021
Eine Lehrerin kann die Aufwendungen für einen sog. Schulhund, der im Rahmen der tiergestützten Pädagogik täglich im Schulunterricht eingesetzt wird, zu 50 % als Werbungskosten absetzen. Zudem kann sie die Kosten für die Ausbildung als Therapiehund in voller Höhe als Werbungskosten geltend machen.
Hintergrund: Werbungskosten sind beruflich veranlasste Aufwendungen. Sind die Aufwendungen auch privat veranlasst, kommt eine anteilige Berücksichtigung in Betracht, wenn sich der beruflich veranlasste Anteil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Lehrerin, die einen Hund kaufte, der als sog. Schulhund zur Umsetzung der tiergestützten Pädagogik täglich im Unterricht eingesetzt wurde. Die Klägerin ließ ihn als sog. Therapiehund ausbilden und machte sowohl diese Ausbildungskosten als auch die laufenden Kosten für den Hund einschließlich Abschreibung des Kaufpreises von 1.600 € als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage zum Teil statt und erkannte die Ausbildungskosten in voller Höhe an. Hinsichtlich der laufenden Kosten ließ der BFH einen Anteil von 50 % zum Abzug zu.
Kosten für ein Tier sind steuerlich nicht absetzbar, wenn das Tier in nicht unerheblichem Umfang auch privaten Zwecken „dient“. Ist der berufliche Anteil der Nutzung des Tieres jedoch nach objektiven Maßstäben in nachprüfbarer Weise abgrenzbar, können die Aufwendungen anteilig als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Im Streitfall ließ sich der berufliche Nutzungsanteil objektiv feststellen, denn der Hund wurde täglich in der Schule eingesetzt. Daher kann ein Anteil von 50 % als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Bezüglich der Aufwendungen für die Ausbildung als Therapiehund ist sogar ein vollständiger Werbungskostenabzug möglich. Denn insoweit bestand keine private Mitveranlassung. Die Ausbildung diente ausschließlich dazu, dass der Hund im Rahmen des Konzeptes des tiergestützten Unterrichts eingesetzt werden konnte.
Hinweise: Für die Praxis empfiehlt sich eine Dokumentation des Einsatzes des Schulhundes im Schulalltag, um den beruflichen Anteil der Nutzung des Hundes dokumentieren zu können.
BFH, Urteil vom 14.1.2021 - VI R 15/19; NWB
12.04.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat März 2021 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2020 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF, Schreiben v. 1.4.2021 - III C 3 - S 7329/19/10001 :003 (2021/0372899)
09.04.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) verlängert aufgrund der Corona-Krise erneut den Schutz der Steuerzahler bei Steuernachzahlungen, Vorauszahlungen und vor Vollstreckung. Die bisherigen Schutzmaßnahmen, die bis zum 30.6.2021 galten, werden auf Antrag nun um drei weitere Monate bis zum 30.9.2021 verlängert.
Hintergrund: Das BMF hatte im März 2020 sowie im Dezember 2020 den Steuerpflichtigen Erleichterungen bei Steuernachzahlungen und Vorauszahlungen gewährt. Diese Erleichterungen waren zunächst bis zum 31.12.2020 befristet und wurden dann bis zum 30.6.2021 verlängert.
Aktuelles Schreiben des BMF: Mit seinem aktuellen Schreiben verlängert das BMF die im Dezember 2020 eingeräumten Erleichterungen um drei Monate bis zum 30.9.2021. Im Einzelnen gilt:
Stundung: Steuern, die bis zum 30.6.2021 fällig werden, können bis zum 30.9.2021 zinsfrei gestundet werden, wenn bis zum 30.6.2021 ein entsprechender Antrag gestellt wird. An die Begründung des Stundungsantrags sind keine hohen Anforderungen zu stellen; der Antrag ist nicht wegen fehlenden Nachweises des Wertes der entstandenen Schäden abzulehnen.
Hinweis: Die Stundung kann – wie bisher – bis zum 31.12.2021 verlängert werden, wenn eine Ratenzahlung vereinbart wird.
Vollstreckungsschutz: Auf Mitteilung des Vollstreckungsschuldners wird bis zum 30.9.2021 Vollstreckungsaufschub für Steuern gewährt, die bis zum 30.6.2021 fällig sind. Die Säumniszuschläge, die bis zum 30.9.2021 entstehen, sind grundsätzlich zu erlassen.
Hinweis: Wird eine Ratenzahlung vereinbart, ist eine Verlängerung des Vollstreckungsaufschubs bis zum 31.12.2021 möglich.
Vorauszahlungen: Steuerpflichtige können bis zum 31.12.2021 einen Antrag auf Anpassung der Einkommen- und Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2021 stellen. An die Begründung des Antrags sind keine strengen Anforderungen zu stellen.
Hinweise: Die Erleichterungen gelten für Steuerpflichtige, die unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen sind. Eine Definition, wann man unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen ist, fehlt zwar. Nach einem gesonderten Frage-Antwort-Katalog des BMF genügen den Finanzbehörden aber plausible Angaben des Steuerpflichtigen, dass die Corona-Krise schwerwiegende negative Auswirkungen auf seine wirtschaftliche Situation hat. In der Praxis wird also der Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einer von Corona besonders betroffenen Branche (z.B. Restaurant, Messebau, Tourismusunternehmen) oder auf Beschränkungen des Betriebs aufgrund der Corona-Maßnahmen (z.B. Betriebsschließung oder Kurzarbeit) genügen.
Ist der Steuerpflichtige nicht unmittelbar und auch nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen, kann er nach allgemeinen Grundsätzen eine Stundung oder Vollstreckungsschutz beantragen, und zwar auch über den 31.12.2021 hinaus. Hier sind dann aber die üblichen, d.h. strengeren Nachweispflichten zu erfüllen.
BMF-Schreiben vom 18.3.2021 – IV A 3 – S 0336/20/10001 :037; NWB
08.04.2021
Eine steuerlich nicht vertretene GmbH, die Jahresumsätze von ca. 60.000 € und jährliche Verluste von ca. 4.000 € erzielt, kann von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Bilanz befreit werden, wenn die elektronische Übermittlung für sie wirtschaftlich unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die für die elektronische Übermittlung erforderliche Software mehr als 250 € kostet und die Umstellung einen zeitlichen Mehraufwand von ca. vier Arbeitstagen verursachen würde.
Hintergrund: Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung sind elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Das Finanzamt kann aber auf Antrag auf die elektronische Übermittlung verzichten, wenn die elektronische Übermittlung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die verschiedene Dienstleistungen erbrachte und deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer A war. A erhielt ein Jahresgehalt in Höhe von ca. 6.500 €. Die Klägerin erzielte im Zeitraum 2014 bis 2018 Jahresumsätze zwischen ca. 52.000 € und ca. 112.000 €, während ihr Jahresergebnis zwischen einem Verlust von ca. 4.500 € und einem Gewinn von ca. 1.500 € schwankte. Die Klägerin hatte keinen Steuerberater. Sie beantragte für den Veranlagungszeitraum 2016 die Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Bilanz mit der Begründung, die elektronische Übermittlung sei für sie wirtschaftlich unzumutbar, da ihre Software nicht für die elektronische Übermittlung geeignet sei.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) bejahte eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit und gab der Klage statt:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Bilanz, da die Erfüllung dieser Pflicht für sie wirtschaftlich unzumutbar ist.
Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand erfordern würde. Dabei sind Umsatz und Gewinn zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber will nämlich insbesondere Kleinstbetrieben eine Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung ermöglichen.
Für die Klägerin wäre die Erfüllung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung wirtschaftlich unzumutbar. Sie hatte keinen Steuerberater, sondern erstellte ihre Abschlüsse selbst; ihre Software erfüllte jedoch nicht den Standard der Finanzverwaltung für elektronisch übermittelte Bilanzen. Eine Umstellung der Software hätte nicht nur ca. 260 € gekostet, sondern auch noch einen zeitlichen Mehraufwand von etwa vier Arbeitstagen verursacht. Die Beauftragung eines Steuerberaters hätte sogar ca. 2.000 € gekostet.
Die Klägerin war ein Kleinstbetrieb, der nach dem Willen des Gesetzgebers von der Befreiungsmöglichkeit erfasst werden soll. Sie erzielte überwiegend Verluste und hätte ca. 0,4 % bis 0,5 % ihres Umsatzes aufwenden müssen, um ihre Pflicht zur elektronischen Übermittlung erfüllen zu müssen.
Hinweise: Nach Auffassung des FG kommt es nicht darauf an, ob sich die Klägerin die elektronische Übermittlung der Bilanz leisten kann. Es genügt für die Befreiung, wenn die Kosten im Verhältnis zum Umsatz und Gewinn zu hoch sind. Unerheblich sind auch die finanziellen Verhältnisse des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin.
Ob die Klägerin wirklich als Kleinstbetrieb anzusehen ist, für die eine elektronische Übermittlung wirtschaftlich unzumutbar ist, ist zweifelhaft. Denn immerhin hat sie Umsätze bis zu 112.000 € erzielt, und sie war u.a. auch in den Bereichen der Buchhaltung und IT-Programmierung tätig.
FG Münster, Urteil vom 28.1.2021 - 5 K 436/20 AO; NWB
07.04.2021
Unternehmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie besonders schwer und über eine sehr lange Zeit von Schließungen betroffen sind, erhalten einen neuen zusätzlichen Eigenkapitalzuschuss. Darüber hinaus werden die Bedingungen der Überbrückungshilfe III nochmals verbessert (Ziffer 8 des MPK-Beschlusses vom 23.3.2021). Unter anderem erhalten Unternehmen und Soloselbstständige ein nachträgliches Wahlrecht zwischen Neustarthilfe und Überbrückungshilfe III zum Zeitpunkt der Schlussabrechnung.
Ergänzende Informationen zum neuen Eigenkapitalzuschuss und zu den Verbesserungen der Überbrückungshilfe III:
Alle Unternehmen, die in mindestens drei Monaten seit November 2020 einen Umsatzeinbruch von jeweils mehr als 50 % erlitten haben, erhalten einen Eigenkapitalzuschuss. Der Eigenkapitalzuschuss wird zusätzlich zur regulären Förderung der Überbrückungshilfe III gewährt.
Außerdem wird die Fixkostenerstattung der Überbrückungshilfe III für Unternehmen, die einen Umsatzeinbruch von mehr als 70 % erleiden, auf bis zu 100 % erhöht. Bislang wurden bis zu 90 % der förderfähigen Fixkosten erstattet.
Die Vorgaben des europäischen Beihilferechts sind für die gesamte Förderung der Überbrückungshilfe III (d.h. auch inkl. des Eigenkapitalzuschusses) einzuhalten. Die Überbrückungshilfe III stützt sich auf die Bundesregelung Kleinbeihilfen, die Deminimis-Verordnung und die Bundesregelung Fixkostenhilfe. Unternehmen, die auf Grundlage der Bundesregelung Fixkostenhilfe ihren Antrag stellen, können daher eine Förderung nur bis zu 70 % der ungedeckten Fixkosten i. S. des europäischen Beihilferechts im beihilfefähigen Zeitraum (März 2020 bis Juni 2021) erhalten. Im Falle von kleinen und Kleinstunternehmen (Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz bzw. einer Jahresbilanz von nicht mehr als 10 Mio. Euro), die auf Grundlage der Bundesregelung Fixkostenhilfe ihren Antrag stellen, darf die gewährte Hilfe bis zu 90 % der ungedeckten Fixkosten betragen.
Der Eigenkapitalzuschuss im Überblick:
Anspruchsberechtigt sind Unternehmen mit einem Umsatzeinbruch von mindestens 50 % in mindestens drei Monaten im Zeitraum von November 2020 bis Juni 2021.
Der neue Eigenkapitalzuschuss zur Substanzstärkung beträgt bis zu 40 % des Betrags, den ein Unternehmen für die förderfähigen Fixkosten nach Nr. 1 bis 11 erstattet bekommt (vgl. FAQ zur Überbrückungshilfe III). Der Eigenkapitalzuschuss ist gestaffelt und steigt an, je länger Unternehmen einen Umsatzeinbruch von mindestens 50 % erlitten haben. Gezahlt wird er ab dem dritten Monat des Umsatzeinbruchs und beträgt in diesem Monat 25 %. Im vierten Monat mit einem Umsatzeinbruch von mindestens 50 % erhöht sich der Zuschlag auf 35 %; bei fünf oder mehr Monaten erhöht er sich noch einmal auf 40 % pro Monat. Für die einzelnen Monate ergeben sich somit folgende Fördersätze:
Monate mit Umsatzeinbruch ≥ 50 % | Höhe des Zuschlags |
1. und 2. Monat | Kein Zuschlag |
3. Monat | 25 % |
4. Monat | 35 % |
5. und jeder weitere Monat | 40 % |
Beispiel: Ein Unternehmen erleidet in den Monaten Januar, Februar und März 2021 einen Umsatzeinbruch von 55 %. Das Unternehmen hat jeden Monat 10.000 € betriebliche Fixkosten aus Mietverpflichtungen, Zinsaufwendungen und Ausgaben für Elektrizität, Wasser und Heizung und beantragt dafür die Überbrückungshilfe III. Das Unternehmen erhält eine reguläre Förderung aus der Überbrückungshilfe III in Höhe von jeweils 6.000 € für Januar, Februar und März (60 % von 10.000 €). Es erhält für den Monat März zusätzlich einen Eigenkapitalzuschuss in Höhe von 1.500 € (25 % von 6000 €).
Der neue Eigenkapitalzuschuss wird zusätzlich zur regulären Förderung der Überbrückungshilfe III gewährt.
Weitere Verbesserungen der Überbrückungshilfe III:
Die Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Saisonware und verderbliche Ware für Einzelhändler werden auf Hersteller und Großhändler erweitert.
Für Unternehmen der Veranstaltungs- und Reisewirtschaft wird zusätzlich zur allgemeinen Personalkostenpauschale für jeden Fördermonat eine Anschubhilfe in Höhe von 20 % der Lohnsumme eingeführt, die im entsprechenden Referenzmonat 2019 angefallen wäre. Die maximale Gesamtförderhöhe dieser Anschubhilfe beträgt 2 Mio. Euro.
Die Veranstaltungs- und Kulturbranche kann zusätzlich Ausfall- und Vorbereitungskosten, die bis zu 12 Monate vor Beginn des geplanten Veranstaltungsdatums angefallen sind, geltend machen.
Antragstellern wird in begründeten Härtefällen die Möglichkeit eingeräumt, alternative Vergleichszeiträume zur Ermittlung des Umsatzrückgangs im Jahr 2019 zu wählen.
Unternehmen in Trägerschaft von Religionsgemeinschaften sowie junge Unternehmen bis zum Gründungsdatum 31.10.2020 sind ab jetzt antragsberechtigt. Bisher konnten nur Unternehmen, die bis zum 30.4.2020 gegründet waren, einen Antrag stellen.
Wie für Soloselbständige mit Einnahmen ausschließlich aus freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeiten wird auch für Soloselbständige, die Gesellschafter von Personengesellschaften sind, ein Wahlrecht geschaffen: Sie können den Antrag auf Neustarthilfe entweder über einen prüfenden Dritten oder als Direktantrag stellen (die Antragstellung auf Neustarthilfe über prüfende Dritte ist damit nur noch für Kapitalgesellschaften verpflichtend).
Unternehmen und Soloselbstständige erhalten ein nachträgliches Wahlrecht zwischen Neustarthilfe und Überbrückungshilfe III zum Zeitpunkt der Schlussabrechnung. So kann die im Einzelfall günstigste Hilfe aufgrund des unsicheren Verlaufs der ökonomischen Entwicklung nachträglich bestimmt werden.
Hinweis: Die FAQ zur Überbrückungshilfe III werden überarbeitet und zeitnah veröffentlicht, darin wird das Verfahren zur Auszahlung des Eigenkapitalzuschusses erläutert. Nach Anpassung des Programms kann die Antragstellung über die bekannte Plattform ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de erfolgen. Die Antragsbearbeitung und Auszahlung erfolgt in der Verantwortung der Länder.
BMF Pressemitteilung v. 1.4.2021; NWB
06.04.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) begünstigt Warenspenden von Einzelhändlern, die durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ betroffen sind, an gemeinnützige Organisationen in umsatzsteuerlicher Hinsicht: Die Warenspenden werden nämlich nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterworfen. Dies gilt für Spenden, die im Zeitraum vom 1.3.2020 bis 31.12.2021 geleistet werden.
Hintergrund: Gibt ein Unternehmer Waren verbilligt oder unentgeltlich ab, kann dies Umsatzsteuer auslösen, indem z.B. eine sog. Mindestbemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird oder eine unentgeltliche Wertabgabe besteuert wird.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Das aktuelle Schreiben betrifft Einzelhändler, die ihre Waren aufgrund der Corona-Krise nicht mehr regulär verkaufen können, weil es sich z.B. um Saisonware handelt und das Einzelhandelsgeschäft aufgrund der Corona-Maßnahmen geschlossen war.
Entscheidet sich der Einzelhändler dazu, diese Waren an gemeinnützige Vereine zu spenden, wird dies nicht als unentgeltliche Wertabgabe besteuert.
Dies gilt für Warenspenden im Zeitraum vom 1.3.2020 bis 31.12.2021.
Hinweise: Der Vorsteuerabzug des Einzelhändlers bleibt erhalten. Das BMF-Schreiben stellt also eine Billigkeitsregelung dar, die verhindern soll, dass Einzelhändler, die von der Corona-Krise betroffen sind und Gutes tun, umsatzsteuerlich auch noch belastet werden.
Parallel zum aktuellen Schreiben hat sich das BMF zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage bei Sachspenden geäußert, wenn es sich nicht um die hier genannten Einzelhändler handelt. Danach bestimmt sich die Bemessungsgrundlage einer Sachspende nicht nach den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern nach dem fiktiven Einkaufspreis im Zeitpunkt der Spende. Auf diese Bemessungsgrundlage ist Umsatzteuer zu entrichten, wenn der Einkauf der Waren zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.
BMF-Schreiben vom 18.3.2021 – III C 2 – S 7109/19/10002 :001; NWB
01.04.2021
Der gesetzliche Versorgungsfreibetrag für Versorgungsbezüge wird nicht nur Beamten gewährt, sondern auch anderen Arbeitnehmern, denen von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft eine lebenslange Altersversorgung auf der Grundlage des Arbeitsentgelts und der Dauer der Dienstzeit nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährt wird. Für die Gewährung des Versorgungsfreibetrags kommt es nicht darauf an, dass das Arbeitsverhältnis beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprach.
Hintergrund: Der Gesetzgeber gewährt bei Versorgungsbezügen einen Freibetrag, dessen Höhe vom Jahr des Versorgungsbeginns abhängig ist.
Sachverhalt: Der Kläger war seit 2007 bei einer Krankenkasse, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, als außertariflicher Angestellter beschäftigt. Er hatte Anspruch auf ein sog. Ruhegeld. Das Ruhegeld hing von der Dauer der Beschäftigungszeit und vom ruhegeldfähigen Gehalt ab. Auf das Ruhegeld war die gesetzliche Rente anzurechnen. Seit dem 1.9.2010, als der Kläger 60 Jahre alt war, erhielt der Kläger das Ruhegeld. Im August 2013 vollendete der Kläger das 63. Lebensjahr. Im Jahr 2013 erhielt der Kläger laut Lohnsteuerbescheinigung Versorgungsbezüge in Höhe von ca. 22.500 € und im Jahr 2014 in Höhe von ca. 48.000 €. Das Finanzamt berücksichtigte für 2013 einen Versorgungsfreibetrag in Höhe von ca. 1.100 €, nämlich nur zu 5/12, also ab August 2013. Bei der folgenden Veranlagung für 2014 ging das Finanzamt ebenfalls von einem Versorgungsbeginn im August 2013 aus und berücksichtigte einen entsprechend geringeren Versorgungsfreibetrag.
Entscheidung: Der BFH gab der Klage statt und erkannte einen höheren Versorgungsfreibetrag auf der Grundlage eines Beginns der Versorgung im Jahr 2010 an:
Der Versorgungsfreibetrag wird nicht nur für Versorgungsbezüge aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften gewährt, sondern u.a. auch für Ruhegehälter, die nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften des öffentlichen Rechts gezahlt werden.
Die Versorgung entspricht beamtenrechtlichen Grundsätzen, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund einer Ruhelohnordnung, Satzung, Dienstordnung, Tarifvertrag oder Vertrag eine lebenslange Alters-, Dienstunfähigkeits- oder Hinterbliebenenversorgung auf der Grundlage seines Gehalts und der Dauer seiner Dienstzeit gewährt wird.
Der Arbeitgeber muss die Versorgung selbst erfüllen, darf also keine gesonderte Versorgungseinrichtung einschalten. Außerdem muss der Arbeitnehmer die Altersversorgung erhalten, ohne dass er Beiträge hierzu leisten musste.
Der Kläger hat Versorgungsbezüge erhalten, so dass ihm der Versorgungsfreibetrag zusteht: Seine Altersversorgung richtete sich nach seinem zuletzt bezogenen Gehalt und nach seiner Dienstdauer. Eigene Beiträge musste er nicht leisten. Die Krankenkasse, seine Arbeitgeberin, erbrachte die Versorgungsleistungen auch, ohne eine Versorgungseinrichtung einzuschalten.
Hinweise: Unbeachtlich war, dass das außertarifliche Arbeitsverhältnis des Klägers während seiner aktiven Zeit nicht beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprach. Es kommt nämlich nur darauf an, dass die Versorgungsbezüge beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprechen, was im Streitfall zu bejahen war.
Der Einstufung als Versorgungsbezug steht es übrigens nicht entgegen, wenn auf den Versorgungsbezug eine gesetzliche Rente oder andere Versorgungen wie z.B. eine betriebliche Altersversorgung anzurechnen ist.
BFH, Urteil vom 16.12.2020 - VI R 29/18; NWB
31.03.2021
Die gesetzliche Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne setzt u.a. eine Sanierungsabsicht des Gläubigers voraus, der auf seine Forderung verzichtet. Für die Sanierungsabsicht genügt es nicht, wenn der Gläubiger lediglich den Erlass seiner Forderung beabsichtigt; vielmehr muss er zumindest auch die Sanierung des Schuldners beabsichtigen.
Hintergrund: Sanierungsgewinne sind nach dem Gesetz steuerfrei. Die Steuerfreiheit setzt die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierbarkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung der Gläubigermaßnahme und die Sanierungsabsicht des Gläubigers voraus. Die gesetzliche Regelung wurde im Jahr 2017 eingeführt. Vorher gab es nur eine Steuerbefreiung, die von der Finanzverwaltung ohne gesetzliche Grundlage gewährt wurde und deshalb rechtswidrig war (sog. Sanierungserlass). Der Sanierungserlass wurde im Jahr 2003 von der Finanzverwaltung veröffentlicht, nachdem bis 1997 eine gesetzliche Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne gegolten hatte, die ebenfalls die Sanierungsabsicht, die Sanierungsbedürftigkeit, die Sanierbarkeit und die Sanierungseignung verlangt hatte.
Sachverhalt: Der Kläger befand sich mit seinem Unternehmen in der Krise. Die X-Bank war eine Gläubigerin des Klägers und verzichtete auf einen Teil ihrer Forderungen. Dabei ging es ihr darum, möglichst hohe Tilgungsbeträge für eine bereits abgeschriebene Darlehensforderung, die gegenüber dem Kläger bestand, zu erzielen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, um die Zulassung der Revision zu erreichen.
Entscheidung: Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück, weil die vom Kläger aufgeworfene Frage der Sanierungsabsicht nicht klärungsbedürftig ist:
Die gesetzliche Steuerbefreiung setzt die Sanierungsabsicht voraus. Dieses Erfordernis war sowohl im sog. Sanierungserlass der Finanzverwaltung als auch in der früheren gesetzlichen Steuerbefreiung bis zum Jahr 1997 enthalten. Daher kann auf die Rechtsprechung zur früheren gesetzlichen Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne zurückgegriffen werden, die den Begriff der Sanierungsabsicht bereits geklärt hat.
Die frühere Rechtsprechung forderte, dass der Gläubiger entweder vorrangig die Absicht haben muss, den Schuldner zu sanieren, oder dass die Sanierungsabsicht des Gläubigers zumindest mitentscheidend sein muss. Der Gläubiger musste also in jedem Fall auch fremdnützige Motive verfolgen.
Diese Grundsätze gelten auch nach der Neuregelung, Es genügt daher nicht, dass der Gläubiger nur den Verzicht auf seine Forderung, d.h. den Erlassvertrag, beabsichtigt. Eine nur mitschwingende Absicht des Gläubigers zur Sanierung ist mithin nicht ausreichend.
Für die X-Bank war die Sanierung des Unternehmens des Klägers nicht mitentscheidend; vielmehr ging es ihr darum, möglichst hohe Tilgungsbeträge für eine bereits abgeschriebene Darlehensforderung, die gegenüber dem Kläger bestand, zu erzielen.
Hinweise: Der Beschluss des BFH macht deutlich, dass sich gegenüber der früheren gesetzlichen Steuerbefreiung inhaltlich nichts ändert.
Im Rahmen einer Sanierung sollte auf eine entsprechende Dokumentation der Sanierungsabsicht geachtet werden, um die Steuerbefreiung nicht zu gefährden.
Werden die gesetzlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung eines Sanierungsgewinns eingehalten, ist der Gewinn zwar sowohl bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als auch beim Gewerbesteuermessbetrag steuerfrei; im Gegenzug gehen aber die Verlustvorträge unter. Auf diese Weise soll eine Doppelbegünstigung verhindert werden, die daraus entstehen könnte, dass der Sanierungsgewinn steuerfrei gestellt wird und die Verlustvorträge erhalten bleiben und zur Verrechnung mit künftigen Gewinnen genutzt werden könnten.
BFH, Beschluss vom 27.11.2020 - X B 63/20 (sog. NV-Entscheidung); NWB
30.03.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) sieht auf Antrag von der Versteuerung von Erstattungszinsen, die für Steuererstattungen festgesetzt werden, ab, wenn die Steuererstattung auf einem Ereignis beruht, das zugleich Nachzahlungszinsen auslöst, die steuerlich nicht absetzbar sind. Dem BMF zufolge wäre es nämlich unbillig, wenn ein und dasselbe Ereignis sowohl Erstattungszinsen für einen Veranlagungszeitraum als auch Nachzahlungszinsen für einen anderen Veranlagungszeitraum auslöst und nur die Erstattungszinsen versteuert werden müssen, während die Nachzahlungszinsen steuerlich nicht abgesetzt werden können.
Hintergrund: Steuererstattungen und Steuernachzahlungen werden grundsätzlich verzinst, und zwar mit einem Steuersatz von 6 % jährlich. Erstattungszinsen sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig bzw. bei Unternehmen Betriebseinnahmen; hingegen sind Nachzahlungszinsen nicht absetzbar.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Erstattungszinsen werden auf Antrag nicht besteuert, soweit ihnen Nachzahlungszinsen gegenüberstehen, die steuerlich nicht absetzbar sind und sowohl Erstattungs- als auch Nachzahlungszinsen auf demselben Ereignis beruhen. Bis zur Höhe der Nachzahlungszinsen sind die Erstattungszinsen dann nicht zu versteuern.
Diese Billigkeitsregelung gilt auch für die Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags.
Im Bedarfsfall sind die Erstattungszinsen, die auf Antrag nicht besteuert werden, sachgerecht zu schätzen.
Hinweise: Das BMF-Schreiben betrifft nicht die Festsetzung der Zinsen, d.h. die Höhe der Zinsen oder die Pflicht, Nachzahlungszinsen zu entrichten, bzw. das Recht, Erstattungszinsen zu erhalten. Es geht nur um die ertragsteuerliche Pflicht, die Erstattungszinsen zu versteuern.
Das BMF-Schreiben kann anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:
Der Außenprüfer erhöht im Prüfungsjahr 01 den Warenbestand und damit den Gewinn. Im Prüfungsjahr 02 erhöht er den Wareneinsatz entsprechend und mindert somit den Gewinn. Für das Jahr 01 kommt es zu Nachzahlungszinsen und für das Jahr 02 zu Erstattungszinsen. Betragen die Nachzahlungszinsen 1.000 € und die Erstattungszinsen 900 €, sind die 900 € auf Antrag nicht zu versteuern.
Handelt es sich aber um unterschiedliche Prüfungsfeststellungen, ist die Billigkeitsregelung des BMF nicht anwendbar. Erhöht der Prüfer im Prüfungsjahr 01 den Warenbestand gewinnerhöhend und mindert er im Prüfungsjahr 02 den Gewinn aufgrund einer Rückstellung, handelt es sich nicht um dasselbe Ereignis, so dass die Erstattungszinsen für das Jahr 02 versteuert werden müssen.
BMF-Schreiben vom 16.3.2021 - IV C 1 – S 2252/19/10012 :011; NWB
29.03.2021
Verliert der Steuerpflichtige seine Aktien infolge der insolvenzbedingten Löschung der AG, ist der Verlust steuerlich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen absetzbar. Dies gilt auch bei einer Ausbuchung der wertlos gewordenen Aktien aus seinem Depot. Der steuerliche Verlust entsteht jedoch nicht bereits dann, wenn der Steuerpflichtige mit einer Auskehrung von Vermögen objektiv nicht mehr rechnen kann oder wenn die Notierung der Aktien an der Börse eingestellt wird bzw. wenn die Börsenzulassung der AG widerrufen wird.
Hintergrund: Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch Aktiengewinne und Aktienverluste. Der Gesetzgeber setzt grundsätzlich die Veräußerung der Aktien voraus.
Streitfall: Der Kläger erwarb 2009 10.000 Aktien der N-AG zum Preis von 0,94 € pro Aktie (Gesamtpreis 9.400 €). Im Jahr 2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der N-AG eröffnet. Am 31.12.2013 wurden die Aktien mit einem Wert von 0,029 € pro Aktie im Depot des Klägers ausgewiesen; die AG war also noch nicht im Handelsregister gelöscht. Der Kläger machte in einer Einkommensteuererklärung 2013 einen Verlust aus Kapitalvermögen in Höhe von 9.400 € geltend, den das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Ein steuerlicher Verlust eines Aktionärs setzt einen Realisationstatbestand voraus, also insbesondere eine Veräußerung der Aktien. Der Kläger hat die Aktien jedoch nicht veräußert.
Eine Veräußerung setzt eine Übertragung der Aktien auf einen Dritten gegen Entgelt oder zumindest gegen einen symbolischen Kaufpreis voraus; bei Wertlosigkeit der Aktien kann die Übertragung sogar ohne Kaufpreis erfolgen.
Zwar wird neben der Veräußerung auch die Einlösung als Realisationstatbestand angesehen; eine Einlösung, d.h. Erfüllung, gibt es aber nur bei sonstigen Kapitalforderungen wie z.B. Darlehensforderungen, nicht aber bei Aktien.
Im Wege der Analogie ist allerdings auch der insolvenzbedingte Untergang von Aktien als Realisationstatbestand anzusehen, so dass ein entsprechender Verlust steuerlich zu berücksichtigen ist. Das Gesetz enthält nämlich eine sog. planwidrige Regelungslücke. Beim insolvenzbedingten Untergang wird die Leistungsfähigkeit des Aktionärs genauso gemindert wie bei einem Verkauf der wertgeminderten Aktien. Der BFH widerspricht insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung.
Diese Wertminderung tritt jedoch erst dann ein, wenn die AG insolvenzbedingt beendet und im Handelsregister gelöscht wird. Denn dann erlischt auch das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs.
Gleiches gilt, wenn die Aktien infolge der Insolvenz aus dem Depot des Aktionärs ausgebucht werden; denn der Aktionär verliert damit die Verfügungsmacht über die Aktien.
Im Streitfall ist die N-AG im Jahr 2013 noch nicht gelöscht worden, und die Aktien des Klägers sind auch nicht ausgebucht worden. Es kam lediglich zu einem Wertverlust, der endgültig erst in einem Folgejahr – bei Löschung der N-AG oder bei Ausbuchung der Aktien – eingetreten ist.
Auch eine etwaige Einstellung der Börsennotierung der N-AG oder ein Widerruf der Börsenzulassung der N-AG wären für die Berücksichtigung eines steuerlichen Verlustes nicht ausreichend, weil in beiden Fällen das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs bestehen bliebe.
Hinweise: Dem BFH genügt es nicht, dass im Jahr 2013 festgestanden hat, dass der Kläger keinen Anteil am Vermögen der N-AG mehr erhalten wird. Damit unterscheiden sich Wertverluste aus Aktiengeschäften von Darlehensausfällen. Der Verlust einer Darlehensforderung tritt nämlich dann ein, wenn endgültig feststeht, dass der Gläubiger mit seiner Forderung ausfällt; die Forderung muss also nicht zivilrechtlich erlöschen. Bei einem Aktionär genügt der Ausfall jedoch nicht für die Entstehung des steuerlichen Verlustes, weil entweder die AG gelöscht werden muss oder die Aktien aus dem Depot ausgebucht werden müssen.
Der Gesetzgeber hat ab dem Veranlagungszeitraum 2020 die steuerliche Berücksichtigung von Aktienverlusten und Darlehensausfällen eingeschränkt: Der Verlust aus einer Ausbuchung wertlos gewordener Aktien oder aus der Übertragung wertlos gewordener Aktien kann jährlich nur noch in Höhe von 20.000 € mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Dies gilt auch für Darlehensverluste und Verluste aus der Übertragung wertloser Darlehensforderungen.
BFH, Urteil vom 17.11.2020 - VIII R 20/18; NWB
25.03.2021
Ein Arbeitnehmer und Unternehmer, der einen Gewinn von mehr als 410 € erzielt, ist nicht zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung verpflichtet, wenn er aus sonstigen Gründen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet ist, z.B. weil die Steuerklasse V auf seiner elektronischen Lohnsteuerkarte oder der Lohnsteuerkarte seiner Ehefrau eingetragen war. In den „sonstigen Fällen“ der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung ist die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung nämlich kraft Gesetzes ausgeschlossen.
Hintergrund: Eine Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung besteht u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige einen Gewinn von mehr als 410 € erzielt oder wenn er oder sein Ehegatte Arbeitnehmer sind und die Steuerklasse V oder VI für einen der Ehegatten eingetragen worden ist. Die Einkommensteuererklärung ist elektronisch abzugeben, wenn der Steuerpflichtige sog. Gewinneinkünfte erzielt, z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit und kein sonstiger Fall der Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung vorliegt.
Streitfall: Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2017 als Arbeitnehmer tätig waren. Für die Ehefrau wurde die Lohnsteuerklasse V angewendet. Der Kläger erzielte zudem einen Gewinn aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage in Höhe von ca. 12.000 €. Die Kläger waren daher sowohl wegen der Gewinneinkünfte des Klägers als auch wegen der Lohnsteuerklasse V der Klägerin zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Sie reichten ihre Einkommensteuererklärung in Papierform ein. Das Finanzamt ging wegen der Gewinneinkünfte des Klägers von einer Pflicht zur elektronischen Übermittlung aus und behandelte die in Papierform abgegebene Einkommensteuerklärung als „nicht abgegeben“. Es forderte die Kläger im Oktober 2018 zur elektronischen Übermittlung auf und fügte diesem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung bei; die Kläger legten hiergegen Einspruch ein und klagten anschließend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Eine Pflicht zur elektronischen Übermittlung besteht, wenn der Steuerpflichtige Gewinneinkünfte erzielt und wenn es sich nicht um einen sonstigen Fall der Pflichtveranlagung wie z.B. der Einbehalt der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse V handelt.
Der Kläger hat zwar Gewinneinkünfte erzielt, aber es war zugleich die gesetzliche Ausnahme von der elektronischen Übermittlungspflicht erfüllt, da die Klägerin dem Lohnsteuereinbehalt nach der Steuerklasse V unterlegen hatte. Damit bestand keine Pflicht zur elektronischen Übermittlung.
Nach dem Gesetzeswortlaut gibt es keinen Vorrang der Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung aufgrund von Gewinneinkünften gegenüber der Pflicht zur Abgabe aufgrund des Lohnsteuereinbehalts nach der Steuerklasse V.
Hinweise: Zwar müssen Unternehmer ihre Gewinnermittlung, d.h. Bilanz oder Einnahmen-Überschussrechnung, elektronisch übermitteln. Diese Pflicht bleibt für den Kläger auch bestehen, so dass er seine Einnahmen-Überschussrechnung elektronisch übermitteln muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Einkommensteuererklärung lediglich in Papierform abgegeben werden muss.
Der BFH orientiert sich bei seiner Lösung am Gesetzeswortlaut. Einer Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut ist der Vorrang zu geben, wenn sich das Gesetz an die Allgemeinheit der Steuerpflichtigen richtet; denn die Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut bietet ein Höchstmaß an Rechtssicherheit.
Der Streitfall hatte sich inhaltlich während des Klageverfahrens erledigt, weil das Finanzamt die Kläger auf der Grundlage ihrer in Papierform abgegebenen Einkommensteuererklärung veranlagt und dies als Schätzung bezeichnet hatte. Die Kläger befürchteten allerdings eine Wiederholung des Streits im Folgejahr, so dass der BFH aufgrund der Klage ein sog. Fortsetzungsfeststellungsurteil aussprach und feststellte, dass die Verfügung des Finanzamts vom Oktober 2018 rechtswidrig war.
BFH, Urteil vom 28.10.2020 - X R 36/19; NWB
24.03.2021
Beschäftigt ein Steuerpflichtiger seinen Ehegatten im Rahmen eines geringfügigen Arbeitsverhältnisses, ist das Arbeitsverhältnis anzuerkennen, wenn es fremdüblich vereinbart und tatsächlich durchgeführt wird. Bei einem geringfügigen Arbeitsverhältnis ist es nicht erforderlich, dass eine konkrete Arbeitszeit vereinbart wird oder dass der Arbeitnehmer-Ehegatte Aufzeichnungen über die Arbeitszeit führt.
Hintergrund: Arbeitsverträge zwischen Angehörigen werden steuerlich anerkannt, wenn sie einem Fremdvergleich standhalten. Die Vereinbarungen müssen also fremdüblich sein. Außerdem muss der Arbeitsvertrag auch tatsächlich durchgeführt werden.
Streitfall: Die Kläger sind Eheleute. Der Ehemann war Obergerichtsvollzieher und stellte seine Ehefrau als Bürokraft für 40 Stunden im Monat an. Eine feste Dienstzeit wurde nicht vereinbart, sondern die Ehefrau sollte ihre Arbeit nach Weisung des Ehemanns erbringen und ihre geleisteten Arbeitsstunden dokumentieren. Der Ehemann machte den Gehaltsaufwand für seine Ehefrau als Werbungskosten geltend. Finanzamt und Finanzgericht (FG) erkannten die Werbungskosten nicht an, weil keine feste Arbeitszeit vereinbart worden war und die Ehefrau die Arbeitsstunden nicht hinreichend dokumentiert hatte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das FG zurück, das nun die tatsächliche Durchführung des Arbeitsverhältnisses überprüfen muss:
Der Arbeitsvertrag zwischen dem Ehemann und seiner Ehefrau war zivilrechtlich wirksam und auch fremdüblich. Insbesondere war das Gehalt fremdüblich, und die Bürotätigkeit der Ehefrau war hinreichend bestimmt.
Unschädlich war, dass die genaue Arbeitszeit nicht festgelegt war. Denn gerade bei geringfügigen Beschäftigungen ist es durchaus üblich, dass die Verteilung der vereinbarten Arbeitszeit von den betrieblichen Erfordernissen des Arbeitgebers abhängt und deshalb der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers überlassen wird.
Geprüft werden muss aber noch die tatsächliche Durchführung des Arbeitsvertrags. Die tatsächliche Durchführung kann nicht deshalb verneint werden, weil die Ehefrau keine Aufzeichnungen über ihre Arbeitsleistungen geführt hat oder weil die Nachweise unzureichend sein könnten. Arbeitszeitnachweise sind keine Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung. Detaillierte Arbeitszeitaufzeichnungen sind auch unter fremden Dritten nicht üblich. Soweit die Ehefrau Stundenzettel mit einer Bandbreite von 0,75 Stunden bis fünf Stunden täglich geführt hat, kann dies darin begründet sein, dass ihre Arbeitszeiten von den beruflichen Erfordernissen des Ehemanns abhängig waren.
Hinweise: Das FG muss nun ermitteln, ob die Ehefrau monatlich tatsächlich 40 Stunden für den Ehemann gearbeitet hat. Hierzu kann es z.B. die Ehefrau als Beteiligte, d.h. als Klägerin, hören, nicht aber als Zeugin. Als Zeugin kann eine andere Arbeitnehmerin vernommen werden, die der Ehemann beschäftigt hatte. Die Beweislast für die tatsächliche Tätigkeit liegt bei den Klägern, da sie den Werbungskostenabzug bei den Einkünften des Ehemanns begehren.
Dem Werbungskostenabzug steht nicht entgegen, dass der Kläger selbst nur Arbeitnehmer war. Auch Arbeitnehmer können ihrerseits Arbeitnehmer beschäftigen und die Kosten steuerlich absetzen.
Der Fremdvergleich ist weniger streng durchzuführen, wenn der Steuerpflichtige einen Dritten hätte anstellen müssen, wenn er keinen Angehörigen beschäftigt hätte. Hingegen ist der Fremdvergleich strikt durchzuführen, wenn der Steuerpflichtige einen Angehörigen für solche Tätigkeiten anstellt, die üblicherweise vom Steuerpflichtigen selbst oder unentgeltlich von Familienangehörigen erledigt werden.
BFH, Urteil vom 18.11.2020 - VI R 28/18; NWB
23.03.2021
Schließt ein Vermieter mit der Bank, die ihm eine sog. Schrottimmobilie finanziert, einen Vergleich, nach dem die Bank einen Teil der ausstehenden Darlehensschuld nicht mehr zurückfordert, stellt dies keine Erstattung der bisher entrichteten Schuldzinsen dar und erhöht daher nicht die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Vergleich führt weder zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen noch zu sonstigen Einkünften.
Hintergrund: Zu den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung gehören Schuldzinsen für die Finanzierung der vermieteten Immobilie. Werden die Zinsen in einem Folgejahr erstattet, ist die Erstattung als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern.
Streitfall: 1995 erwarb der Kläger eine vermietete Immobilie zum Preis von 284.000 DM und finanzierte den Kauf mit zwei Darlehen der X-Bank. Tatsächlich handelte es sich um eine sog. Schrottimmobilie, deren tatsächlicher Wert nach einem später erstellten Gutachten nur ca. 70.000 DM betrug. Im Jahr 2010 machte der Kläger Schadensersatzansprüche gegen die X-Bank geltend, und es kam 2012 in einem anschließenden Klageverfahren zu einem Prozessvergleich: Danach sollte der Kläger nicht mehr die ausstehenden Darlehensbeträge von ca. 150.000 € bezahlen, sondern einmalig 88.000 €. Das Finanzamt sah in dem Vergleich und der darin enthaltenen Minderung der Darlehensschuld von ca. 62.000 € (150.000 € abzüglich 88.000 €) eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen ab 2013 (ca. 30.000 €) sowie eine Erstattung überhöhter Kreditzinsen (ca. 32.000 €) und erhöhte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 2012 um 32.000 €.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar würde eine Erstattung der in den Vorjahren steuerlich abgesetzten Kreditzinsen zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung im Jahr 2012 führen. Der Vergleich sah jedoch keine Erstattung der Zinsen vor.
Der Vergleich sollte den für beide Seiten belastenden Rechtsstreit beenden. Nach der Vergleichsvereinbarung sollte weder ein Teil der Schuldzinsen noch ein Teil des Kaufpreises erstattet werden. Der Vergleich enthielt nämlich keine Berechnung, ob und inwieweit der Kaufpreis oder die Schuldzinsen überhöht waren. Zudem gingen sowohl der Kläger als auch die X-Bank in der Vergleichsvereinbarung von der Wirksamkeit der Darlehensverträge aus.
Die Vergleichsvereinbarung führte auch nicht zu sonstigen Einkünften des Klägers. Es fehlte nämlich an einer konkreten Leistung des Klägers. Der Teilverzicht der X-Bank erfolgte nicht als Gegenleistung für die Rücknahme der Klage gegen die X-Bank, sondern der Vergleich diente der Beendigung der für beide Seiten belastenden Prozesssituation.
Hinweise: Der BFH lehnte auch eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen ab. Denn es war nicht erkennbar, dass die X-Bank einen Teil des Kaufpreises erstatten wollte. Zudem sollte sich die Erstattung insoweit erst ab 2013 auswirken, weil das Finanzamt die Abschreibungen erst ab 2013 gemindert hat; Streitjahr war aber das Jahr 2012.
Ob und inwieweit in einer Vergleichsvereinbarung eine Erstattung von Schuldzinsen enthalten ist, ist durch Auslegung des Vergleichs zu ermitteln. Diese Auslegung hat das Finanzgericht vorgenommen, und sie ist vom BFH nicht beanstandet worden. Je nach Formulierung der Vergleichsvereinbarung und abhängig von den übrigen Umständen des Rechtsstreits kann in einer Vergleichsvereinbarung aber auch eine Teilerstattung der Schuldzinsen und/oder des Kaufpreises enthalten sein.
BFH, Urteil vom 10.11.2020 - IX R 32/19; NWB
22.03.2021
Veräußert ein Aktionär seine wertlos gewordenen Aktien zu einem Kaufpreis von 10 € und erwirbt er im Gegenzug vom Käufer wertlose Aktien, führt der hieraus entstehende Verlust zu einem Verlust aus Kapitalvermögen. Die Veräußerung wertloser Aktien stellt keinen Gestaltungsmissbrauch dar, selbst wenn im Gegenzug wertlose Aktien erworben werden.
Hintergrund: Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch Aktiengewinne sowie Verluste aus Aktiengeschäften.
Streitfall: Im Jahr 2011 erwarb der Kläger 1.000 Aktien der X-AG zum Preis von ca. 4.600 €. Die Aktien wurden in der Folgezeit wertlos. Im Februar 2013 verkaufte der Kläger die Aktien zum Preis von insgesamt 10 € an die Y und kaufte im Gegenzug von Y wertlose Aktien. Der Kläger machte in seiner Steuererklärung für 2013 einen Verlust aus Kapitalvermögen in Höhe von 4.590 € geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Ein Verlust aus der Veräußerung von Aktien führt zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen. Eine Veräußerung ist erfolgt, da der Kläger das Eigentum an den Aktien auf Y übertragen hat. Es kommt nicht darauf an, wie hoch die Gegenleistung oder die Veräußerungskosten waren.
Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Verkauf der Aktien an Y nur zum Schein erfolgt ist. Unbeachtlich ist, dass der Kläger im Gegenzug wertlose Aktien der Y erworben hat.
Die Veräußerung der wertlos gewordenen Aktien an Y stellte keinen Gestaltungsmissbrauch dar, der nur aus steuerlichen Gründen erfolgt ist, ohne dass ein wirtschaftlicher Zweck erkennbar war. Der Kläger wollte sich von den wertlos gewordenen Aktien trennen und konnte dies sinnvollerweise nur durch eine Veräußerung erreichen.
Ein Gestaltungsmissbrauch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger im Gegenzug wertlose Aktien von Y erwarb. Denn immerhin wäre ein Gewinn aus der Veräußerung der erworbenen Aktien steuerpflichtig.
Hinweise: Eine entgeltliche Veräußerung kann selbst dann vorliegen, wenn ein Kaufpreis nur symbolischen Charakter hat oder wenn wertlose Aktien ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden.
Der BFH macht deutlich, dass ein Steuerpflichtiger seine Verhältnisse so gestalten darf, dass er keine oder möglichst wenig Steuern zahlt. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt erst dann vor, wenn der Steuerpflichtige einen ungewöhnlichen Weg wählt, der keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat. Dies ist bei einem Verkauf wertloser Aktien bzw. Tausch von Aktien nicht der Fall.
Der Gesetzgeber erkennt seit dem Veranlagungszeitraum 2020 Verluste, die aus der Übertragung wertloser Aktien auf einen Dritten oder aus der Ausbuchung wertloser Aktien entstehen, nur noch bis zu einem Betrag von jährlich 20.000 € an. Ein übersteigender Betrag kann erst in den Folgejahren geltend gemacht werden, aber ebenfalls nur bis zu einem Betrag von 20.000 € jährlich. Diese Einschränkung gilt allerdings nicht für die Übertragung wertgeminderter Aktien, sondern nur für die Übertragung bzw. Ausbuchung wertloser Aktien. Da es im Streitfall um einen Verlust von ca. 4.600 € ging, hätte die Verlustbeschränkung dem Kläger nicht geschadet.
BFH, Urteil vom 29.9.2020 - VIII R 9/17; NWB
19.03.2021
Beteiligt sich an einer GmbH ein atypisch stiller Gesellschafter im Laufe des Jahres, wird der gewerbesteuerliche Freibetrag von 24.500 € in voller Höhe für die GmbH & atypisch Still gewährt. Allerdings wird für den Zeitraum vor der Gründung der GmbH & atypisch Still kein Freibetrag gewährt, da einer GmbH der Freibetrag nicht zusteht.
Hintergrund: An einem Handelsgewerbe kann sich ein stiller Gesellschafter beteiligen. Trägt er Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative, handelt es sich um einen sog. atypisch stillen Gesellschafter, so dass die GmbH & atypisch Still als Mitunternehmerschaft behandelt wird. Es ergehen dann zwei Gewerbesteuermessbescheide: Ein Bescheid richtet sich an die GmbH & atypisch Still, also an die Mitunternehmerschaft, während sich der andere Bescheid an die GmbH selbst richtet. Ein gewerbesteuerlicher Freibetrag von 24.500 € wird nach dem Gesetz nur Einzelunternehmern und Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) gewährt.
Streitfall: Die Klägerin ist eine im Jahr 2008 gegründete GmbH. Am 18.12.2015 beteiligte sich der X als atypisch stiller Gesellschafter an der Klägerin, so dass eine GmbH & atypisch Still entstand. Der Gewinn der GmbH im Jahr 2015 betrug 34.800 €. Das Finanzamt erließ zum einen gegenüber der GmbH einen Gewerbesteuermessbescheid für den Zeitraum vom 1.1.2015 bis zum 17.12.2015, in dem es den Gewinn zeitanteilig in Höhe von ca. 33.500 € ansetzte, aber keinen Freibetrag berücksichtigte. Zum anderen erließ das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbescheid für die GmbH & atypisch Still, in dem es den zeitanteiligen Gewinn für den Zeitraum vom 18.12.2015 bis 31.12.2015 ansetzte (ca. 1.300 €) und hiervon den Freibetrag von 24.500 € abzog, so dass sich ein Messbetrag von 0 € ergab. Die Klägerin wehrte sich gegen den ersten Bescheid, der sie selbst betraf, und machte einen Freibetrag von 24.500 € geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Der Freibetrag von 24.500 € steht nur Einzelunternehmern und Personengesellschaften zu, nicht aber Kapitalgesellschaften.
Der Freibetrag wird bei der GmbH & atypisch Still in voller Höhe berücksichtigt, da die GmbH & atypisch Still eine Personengesellschaft ist. Der Freibetrag wird insoweit nicht nur zeitanteilig für den Zeitraum vom 18.12.2015 bis 31.12.2015 gewährt.
Hinweise: Beide Gewerbesteuermessbescheide werden an die GmbH adressiert. Der Gewerbesteuermessbescheid, der die GmbH & atypisch Still betrifft, ergeht aber an die GmbH als Inhaberin des Handelsgewerbes der atypisch stillen Gesellschaft. Der Bescheid kann nicht an die atypisch stille Gesellschaft adressiert werden, da es sich um eine reine Innengesellschaft handelt, die nicht Beteiligte eines Verfahrens der Gewerbesteuer sein kann.
BFH, Urteil vom 15.7.2020 - III R 68/18; NWB
26.02.2021
Versagt das Finanzamt die Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit eines Vereins, so dass der Verein nicht als gemeinnützig gilt, kann der Verein hiergegen im einstweiligen Rechtsschutz einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist hingegen unzulässig.
Hintergrund: Vereine, die eine steuerliche Gemeinnützigkeit anstreben, müssen eine Satzung haben, die den steuerlichen Gemeinnützigkeitsvorschriften entspricht. Dies nennt man formelle Satzungsmäßigkeit. Nach dem Gesetz stellt das Finanzamt die formelle Satzungsmäßigkeit auf Antrag oder von Amts wegen im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer durch Bescheid fest bzw. verneint sie. Dieser Feststellungsbescheid ist bindend für die Besteuerung des Vereins sowie für die Mitglieder, die Beiträge leisten, und die Spender, die ihre Spenden steuerlich absetzen wollen.
Streitfall: Der Antragsteller ist ein Verein, der die steuerliche Gemeinnützigkeit anstrebt. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Satzung nicht den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts entspreche, und stellte mit Bescheid fest, dass der Verein die Voraussetzungen der formellen Satzungsmäßigkeit nicht erfüllt. Hiergegen legte der Verein Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung und hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, ließ jedoch die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) zu.
Entscheidung: Der BFH lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab, verwies die Sache aber an das FG zur Prüfung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Feststellungsbescheid, mit dem die Voraussetzungen der formellen Satzungsmäßigkeit verneint werden, ist nur durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung möglich, nicht aber durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Bei der Aussetzung der Vollziehung geht es um die Abwehr staatlicher Eingriffe, während es bei der einstweiligen Anordnung um den Erlass eines begünstigenden Bescheids geht.
Zwar ist der Feststellungsbescheid u.a. bindend für den späteren Steuerbescheid des Vereins, der ein belastender Bescheid für den Verein ist. Dies führt aber nicht dazu, dass gegen den Feststellungsbescheid die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden kann. Etwas anderes könnte allerdings dann gelten, soweit es um die Beurteilung der satzungsmäßigen Voraussetzungen für einen Steuerbescheid geht, der gegenüber dem Verein zu erlassen ist.
Hinweise: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, damit es nun über den Hilfsantrag entscheiden kann; denn der Verein hatte hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist u.a. ein Anordnungsgrund erforderlich, d.h. die Sache muss eilbedürftig sein, so dass der Verein darlegen muss, warum er sofort eine vorläufige Entscheidung benötigt. Der Verein könnte z.B. darlegen, dass er auf Spenden angewiesen ist und hierfür den Feststellungsbescheid benötigt, weil die Spender ihre Spenden steuerlich absetzen wollen.
Der Beschluss des BFH betrifft allein den Rechtsschutz gegen Feststellungsbescheide zur formellen Satzungsmäßigkeit. Der BFH äußert sich nicht dazu, welche Zwecke gemeinnützig sind und ob der Antragsteller einen gemeinnützigen Zweck erfüllt.
BFH, Beschluss vom 2.12.2020 - V B 25/20, NWB
25.02.2021
Führt eine GmbH für ihren Gesellschafter ein Verrechnungskonto, das eine Forderung der GmbH ausweist, ist das Verrechnungskonto angemessen zu verzinsen. Eine unterlassene oder zu niedrige Verzinsung führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung und erhöht das Einkommen der GmbH. Angemessen ist ein Zinssatz, der sich zwischen den banküblichen Habenzinsen und den banküblichen Sollzinsen bewegt.
Hintergrund: Eine verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, wird bei einer GmbH als sog. verdeckte Gewinnausschüttung behandelt und führt zu einer Erhöhung des Einkommens in Höhe der verhinderten Vermögensmehrung. Typische Beispiele hierfür sind die Überlassung von Geschäftsräumen an den Gesellschafter gegen eine zu niedrige Miete oder gar umsonst oder die Darlehensgewährung an einen Gesellschafter zu einem zu niedrigen Zinssatz oder gar zinsfrei.
Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH, an der der A zu 60 % beteiligt war. Die Klägerin führte für A ein Verrechnungskonto, dessen Saldo sich zugunsten der Klägerin vom 31.12.2000 bis zum 31.12.2015 von ca. 7.000 € auf 252.000 € erhöhte. Eine Verzinsung erfolgte nicht. Das Finanzamt ging für die Streitjahre 2014 und 2015 von einem angemessenen Zinssatz von 4,5 % aus und setzte entsprechende verdeckte Gewinnausschüttungen an, die das Einkommen der Klägerin erhöhten.
Entscheidung: Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Eine verdeckte Gewinnausschüttung lag vor, weil die Klägerin aus Gründen, die durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen ihr und A veranlasst waren, keine Verzinsung des Verrechnungskontos vereinbart hatte. Damit handelte es sich um eine sog. verhinderte Vermögensmehrung.
Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis war zu bejahen, weil ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem fremden Dritten keinen sechsstelligen Betrag zinslos überlassen hätte.
Der Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von 4,5 % des Saldos des Verrechnungskontos zum 31.12.2014 und 31.12.2015 ist nicht zu beanstanden. Angemessen ist ein Zinssatz, der sich zwischen dem banküblichen Habenzins und dem banküblichen Sollzins bewegt. Innerhalb dieser Marge liegt der angemessene Zinssatz, der durch das Ausfallrisiko wesentlich beeinflusst wird. Im Regelfall werden sich GmbH und Gesellschafter die Marge teilen.
Im Streitfall betrug der Habenzinssatz ca. 0,2 % und der Sollzinssatz ca. 9 %. Daher war der vom Finanzamt angesetzte Zinssatz von 4,5 % angemessen. Dabei war zulasten der Klägerin zu berücksichtigen, dass die Forderung gegenüber A nicht besichert war, so dass sogar noch ein etwas höherer Zinssatz angemessen gewesen wäre.
Hinweise: Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.
Hätte die Klägerin selbst einen Kredit aufgenommen, den sie mit dem Darlehensbetrag, den sie dem A zur Verfügung gestellt hat, hätte zurückzahlen können, wäre der mit der Bank vereinbarte Sollzinssatz zugrunde zu legen gewesen. Dieser wäre vermutlich höher gewesen als 4,5 %.
Das FG wendet den sog. Margenteilungsgrundsatz an, bei dem der angemessene Zinssatz in der Mitte zwischen Haben- und Sollzinssatz liegt. Der Margenteilungsgrundsatz ist allerdings nicht unumstritten. Es gibt auch die Überlegung, bei einer Darlehensgewährung an den Gesellschafter auf den Habenzinssatz abzustellen, da die Klägerin den Geldbetrag alternativ nur bei einer Bank hätte anlegen können und dort nur eine geringe Verzinsung erhalten hätte.
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28.5.2020 - 1 K 67/17, Rev. beim BFH: Az. I R 27/20; NWB
24.02.2021
Nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts (FG) ist die Überlassung eines sog. Jobtickets zu einem verbilligten Preis nicht lohnsteuerpflichtig, wenn das Jobticket dazu dienen soll, die Parkplatznot in der Nähe des Betriebs des Arbeitgebers zu mildern.
Hintergrund: Zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehört nicht nur das monatlich gezahlte Gehalt, sondern auch geldwerte Vorteile wie Sachbezüge.
Streitfall: Die Klägerin ist Arbeitgeberin und verfügte über einen betrieblichen Parkplatz, den die Arbeitnehmer zwar kostenlos nutzen durften, der aber regelmäßig überfüllt war. Sie bot ihren Arbeitnehmern in Zusammenarbeit mit dem lokalen Verkehrsbetrieb ein sog. Jobticket an, das billiger war als eine reguläre Zeitkarte. Das Finanzamt sah in dem Preisvorteil einen geldwerten Vorteil und unterwarf ihn der Lohnsteuer.
Entscheidung: Das FG gab der Klage statt:
Die Klägerin hat das Jobticket nicht als Gegenleistung für die von den Arbeitnehmern erbrachte Arbeitsleistung erbracht. Vielmehr diente das Jobticket dazu, die angespannte Parkplatzsituation beim Betrieb zu entschärfen.
Unbeachtlich ist, dass die Überlassung des Jobtickets für den Arbeitnehmer einen Vorteil mit sich brachte, weil es sich dabei nur um einen sog. Reflex handelte.
Im Übrigen hat die Klägerin auch die betrieblichen Parkplätze kostenlos überlassen.
Hinweise: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, offen ist es zurzeit, wie es weitergeht. Gegen das Urteil spricht, dass das morgendliche Parken Aufgabe des Arbeitnehmers ist und nicht zur bezahlten Arbeitszeit gehört. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese Aufgabe erleichtert, könnte es sich daher um Arbeitslohn handeln.
Anders ist dies, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit beruflich unterwegs ist und Auswärtstermine wahrnimmt; hier liegt es im Interesse des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer möglichst wenig Zeit für die Parkplatzsuche verwendet.
Hessisches FG, Urteil vom 25.11.2020 – 12 K 2283/17, NZB beim BFH: Az. VI B 5/21; NWB
23.02.2021
Zwar kann der sich nach der sog. 1 %-Methode ergebende Entnahmewert für die Privatnutzung eines betrieblichen Kfz auf die tatsächlich entstandenen Kfz-Kosten begrenzt werden (sog. Kostendeckelung). Hat der Unternehmer aber das Kfz geleast und zu Beginn des Leasingvertrags eine Leasingsonderzahlung geleistet, ist diese Sonderzahlung auf die Dauer der Leasingzeit im Rahmen der Prüfung der Kostendeckelung rechnerisch zu verteilen; die Sonderzahlung erhöht also die tatsächlich entstandenen Kosten, so dass eine Kostendeckelung entweder nicht stattfindet oder aber niedriger ausfällt.
Hintergrund: Wird ein betriebliches Kfz auch privat genutzt, ohne dass ein Fahrtenbuch geführt wird, ist für die Privatnutzung nach der sog. 1 %-Methode eine Entnahme in Höhe von 1 % des Bruttolistenpreises pro Monat anzusetzen. Der sich danach ergebende Entnahmewert kann höher sein als die tatsächlich entstandenen Kosten, wenn das Kfz z.B. gebraucht bzw. besonders günstig erworben worden ist oder schon abgeschrieben ist. In diesem Fall lässt die Finanzverwaltung zu, dass der Entnahmewert auf die tatsächlich entstandenen Kosten gedeckelt wird.
Streitfall: Der Kläger war Unternehmer und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung, also nach Zufluss- und Abflussgesichtspunkten. Er schloss im Dezember 2011 einen dreijährigen Leasingvertrag für einen betrieblich genutzten BMW ab, dessen Bruttolistenpreis ca. 54.000 € betrug. Der Kläger leistete noch im Dezember 2011 eine Leasingsonderzahlung i.H. von ca. 22.000 €, die er im Jahr 2011 in voller Höhe als Betriebsausgaben abzog. In den Streitjahren 2012 bis 2014 betrugen seine tatsächlichen Kfz-Kosten ca. 8.000 € (2012) und ca. 10.000 € (2013 und 2014). Der Kläger ermittelte den Entnahmewert für das betriebliche Kfz nach der sog. 1 %-Methode und gelangte unter Berücksichtigung der Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb zu einem jährlichen Entnahmewert von ca. 13.000 €. Er deckelte diesen Betrag auf die tatsächlich entstandenen Kosten von 8.000 € (2012) bzw. je 10.000 € (2013 und 2014). Das Finanzamt folgte der Kostendeckelung nicht, sondern verteilte die Leasingsonderzahlung auf die Dauer des dreijährigen Leasingvertrags und erhöhte so die tatsächlich entstandenen Kosten.
Entscheidung: Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zwar lässt die Finanzverwaltung eine Kostendeckelung zu, so dass der Entnahmewert, der sich nach der 1 %-Methode ergibt, auf die tatsächlich entstandenen Kosten zu begrenzen ist. Für die Prüfung der Kostendeckelung ist die Leasingsonderzahlung aber auf die Dauer des Leasingvertrags rechnerisch zu verteilen und erhöht damit die tatsächlich entstandenen Kosten.
Anderenfalls würden der Sinn und Zweck der Kostendeckelung verfehlt. Denn die Kostendeckelung soll verhindern, dass in Fällen, in denen das Kfz bereits abgeschrieben ist oder gebraucht bzw. günstig unter dem Listenpreis gekauft worden ist, der Entnahmewert höher ist als die tatsächlich entstandenen Kosten. Bei einer Leasingsonderzahlung werden hingegen die Kosten für das Kfz nur verlagert, nämlich auf das erste Jahr des Leasingvertrags, in dem die Sonderzahlung erfolgt.
Es wäre ein Steuersparmodell, wenn der Unternehmer, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, durch eine Leasingsonderzahlung eine Kostendeckelung in den Folgejahren beanspruchen könnte; er würde damit günstiger stehen als ein bilanzierender Unternehmer, der die Leasingsonderzahlung auf die Dauer des Vertrags verteilen müsste, oder als ein Unternehmer, der seinen Gewinn zwar ebenfalls durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, aber keine Sonderzahlung leistet.
Verteilt man die Sonderzahlung von 22.000 € auf 36 Monate, ergeben sich für die Streitjahre 2012 und 2014 entsprechend höhere tatsächliche Kosten, so dass die Kostendeckelung um diesen Betrag niedriger ausfällt.
Hinweise: Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Ebenso wie das Schleswig-Holsteinische FG hatte bereits das Niedersächsische FG entschieden; die abschließende Entscheidung muss nun der BFH treffen.
Zu beachten ist, dass einkommensteuerlich die Leasingsonderzahlung in voller Höhe im Jahr 2011 abgezogen werden durfte, weil sie in diesem Jahr abgeflossen ist. Die Verteilung der Leasingsonderzahlung auf die Leasingdauer findet also nur zwecks Prüfung der Kostendeckelung statt.
Die Finanzverwaltungen einzelner Bundesländer haben im Jahr 2018 ausdrücklich geregelt, dass Leasing-Sonderzahlungen im Rahmen der Kostendeckelung auf die Dauer des Leasingvertrags zu verteilen sind.
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 26.8.2020 - 5 K 194/18, Rev. beim BFH: Az. VIII R 26/20; NWB
22.02.2021
Die obersten Finanzbehörden der Bundesländer nehmen zur Anpassung der Gewerbesteuervorauszahlungen Stellung. Unternehmer können beim Finanzamt vereinfacht Anträge auf Anpassung des Gewerbesteuermessbetrags zwecks Vorauszahlungen stellen, die zur Herabsetzung der Gewerbesteuervorauszahlungen durch die Gemeinde führen. Voraussetzung ist, dass sie von der Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffen sind und dass ihr Gewinn im Jahr 2021 voraussichtlich niedriger als bislang angesetzt ausfallen wird.
Hintergrund: Die Gewerbesteuer wird durch die Gemeinde erhoben. Grundlage hierfür ist der sog. Gewerbesteuermessbetrag, der vom Finanzamt festgesetzt wird. Bei den Vorauszahlungen setzt das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag zwecks Vorauszahlungen fest, die Gemeinde erlässt auf dieser Grundlage den Vorauszahlungsbescheid für die Gewerbesteuer.
Wesentlicher Inhalt der aktuellen Erlasse:
Nach den aktuellen Erlassen der obersten Finanzbehörden der Bundesländer können Unternehmer, die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen sind, beim Finanzamt bis zum 31.12.2021 einen Antrag auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zwecks Vorauszahlungen stellen.
An die Überprüfung der Voraussetzungen, d.h. an die Betroffenheit von der Corona-Krise und an den voraussichtlich geringeren Gewinn im Jahr 2021, sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es ist nicht erforderlich, dass der Unternehmer den Wert des infolge der Corona-Maßnahmen entstandenen Schadens im Einzelnen nachweist.
Wird der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend gemindert, ist die Gemeinde an diese Anpassung gebunden und muss die Gewerbesteuervorauszahlungen anpassen.
Hinweise: Für Stundungs- und Erlassanträge, die sich auf die Gewerbesteuer beziehen, sind grundsätzlich die Gemeinden zuständig, nicht die Finanzämter.
Bereits im Dezember hat das Bundesfinanzministerium Erleichterungen für die Anpassung von Einkommensteuer- und Körperschaftsteuervorauszahlungen gewährt und außerdem eine Stundung der Einkommen- und Körperschaftsteuer bis zum 30.6.2021 erleichtert. Ferner gewährt die Finanzverwaltung auf entsprechende Mitteilung auch grundsätzlich Vollstreckungsschutz bis zum 30.6.2021 für Steuern, die bis zum 31.3.2021 fällig werden. Die aktuellen Erlasse der Finanzbehörden ergänzen das Schreiben des Bundesfinanzministeriums nun um die Gewerbesteuer.
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25.1.2021; NWB
19.02.2021
Eine Wertguthabenvereinbarung unter Ehegatten im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses wird steuerlich nur dann anerkannt, wenn die Vereinbarung fremdüblich ist. Die Fremdüblichkeit ist zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer-Ehegatte unbegrenzt Wertguthaben ansparen kann und er auch Dauer, Zeitpunkt und Häufigkeit der Freistellungsphasen weitgehend beliebig wählen kann.
Hintergrund: Verträge zwischen nahen Angehörigen werden steuerlich nur dann anerkannt, wenn sie einem sog. Fremdvergleich standhalten, also fremdüblich sind. Bei einer Wertguthabenvereinbarung vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitslohn nicht sofort ausbezahlt wird, sondern auf ein Wertguthabenkonto eingezahlt wird, um ihn dann in einer Freistellungsphase, in der der Arbeitnehmer nicht arbeiten muss, auszubezahlen.
Sachverhalt:: Der Kläger war bilanzierender Unternehmer und beschäftigte in den Streitjahren 2010 bis 2013 seine Ehefrau halbtags als Bürofachkraft. Zum Arbeitsvertrag gehörte auch eine Ergänzungsvereinbarung mit einem Zeitwertguthabenmodell aus dem Jahr 2007. Danach hatte die Ehefrau das Recht, einen von ihr festzulegenden Teil des Gehalts als Zeitwertguthaben anzusammeln. Das Guthaben konnte sie entweder für den vorzeitigen Ruhestand, für die Reduzierung der Arbeitszeit vor dem Ruhestand oder für Freizeit verwenden oder es in eine betriebliche Altersvorsorge umwandeln. Der Ausgleich war beiderseitig abzustimmen; nur bei einer Verwendung für Freizeit hatte der Kläger das Recht, dies aus dringenden betrieblichen Gründen einmalig abzulehnen. Vom Bruttogehalt der Ehefrau in Höhe von 1.410 € sollte ein Betrag von 1.000 € zzgl. Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung in das Wertguthabenkonto eingezahlt werden. Der Kläger bot anderen Arbeitnehmern kein Zeitwertmodell an. Er bildete für das Wertguthabenkonto seiner Ehefrau eine gewinnmindernde Rückstellung, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen:
Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen sind steuerlich nur dann anzuerkennen, wenn sie klar und eindeutig sind und auch tatsächlich durchgeführt werden. Dies gilt auch für Zusatzvereinbarungen. Es kann daher sein, dass zwar der Arbeitsvertrag steuerlich anerkannt wird, nicht aber eine unübliche Zusatzleistung. Allerdings schließt nicht jede geringfügige Abweichung vom Fremdüblichen die steuerliche Anerkennung aus.
Im Streitfall bestehen Zweifel an der Fremdüblichkeit, da die Wertguthabenvereinbarung einseitig zulasten des Klägers geht. Denn seine Ehefrau kann nahezu unbegrenzt ansparen und das Guthaben nahezu unbegrenzt wieder abbauen. Es gibt lediglich ein einmaliges Ablehnungsrecht des Klägers bei dringenden betrieblichen Gründen. Immerhin muss sich der Kläger für den Zeitraum einer Freistellungsphase um Ersatz kümmern und eine andere Bürofachkraft einstellen.
Das FG muss aufklären, ob die streitige Vereinbarung üblicherweise auch zwischen Fremden verwendet wird; hierzu wird das FG ggf. bei Behörden oder Organisationen nachfragen müssen, z.B. bei der Deutsche Rentenversicherung Bund oder bei den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger. Das FG wird auch beachten müssen, dass der Kläger anderen Arbeitnehmern eine vergleichbare Zeitwertguthabenvereinbarung nicht angeboten hat. Ferner hat das FG noch nicht festgestellt, ob die streitige Vereinbarung tatsächlich durchgeführt worden ist; nach der Vereinbarung hätte z.B. das Zeitguthaben der Ehefrau durch eine Pfändungs- und Treuhandvereinbarung gesichert werden müssen.
Hinweise: Die Durchführung des Fremdvergleichs stellt sicher, dass die Aufwendungen wirklich betrieblich veranlasst sind und es sich nicht um verdeckte Unterhaltszahlungen handelt, die steuerlich nicht absetzbar wären. Angesichts der zahlreichen Bedenken des BFH wird das FG die Klage voraussichtlich abweisen.
Die Einstellungen in das Wertguthaben sind sozialversicherungsfrei und unterliegen zunächst auch nicht der Lohnsteuer, weil dem Arbeitnehmer noch kein Arbeitslohn zufließt. Erst mit der Auszahlung des Guthabens während der Freistellung kommt es zum Zufluss von Arbeitslohn und damit zur Besteuerung.
BFH, Urteil vom 28.10.2020 - X R 1/19; NWB
18.02.2021
Bund und Länder wollen eine sofortige Abschreibung bestimmter digitaler Wirtschaftsgüter rückwirkend zum 1.1.2021 ermöglichen. Allerdings besteht Uneinigkeit darüber, wie eine entsprechende Regelung umgesetzt werden soll. Damit liegt die Reform vorerst auf Eis (s. auch Aktualisierungshinweis am Ende dieser Nachricht).
Hintergrund: Nach derzeitiger Rechtslage können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten geringwertiger Wirtschaftsgüter bis zu einem Betrag von 800 Euro netto sofort abgeschrieben werden. Eine Abschreibung über die Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts über mehrere Jahre ist nicht erforderlich.
Bund Länder-Beschluss: Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie haben der Bund und die Länder am 19.1.2021 beschlossen, eine sofortige Abschreibung bestimmter digitaler Wirtschaftsgüter rückwirkend zum 1.1.2021 zu ermöglichen. Damit sollen etwa die Kosten für Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung künftig im Jahr der Anschaffung oder Herstellung steuerlich vollständig berücksichtigt werden können. Hiervon sollen auch diejenigen profitieren, die im Home-Office arbeiten.
Hinweis: Die Umsetzung soll untergesetzlich geregelt und damit schnell verfügbar gemacht werden. Genaue Details zur geplanten Regelung sind derzeit (Stand: 26.1.2021) noch nicht bekannt, über die weitere Entwicklung halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.
Nachricht aktualisiert am 18.2.2021: Dem Handelsblatt zufolge kann sich das Vorhaben noch hinziehen. Diverse Bundesländer fordern eine gesetzliche Verankerung der Regelungen. Sie haben Bedenken, dass eine untergesetzliche Regelung (durch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums) nicht ausreicht und einer gerichtlichen Überprüfung möglicherweise nicht standhält. Die Reform wird nun in einer neuen Bund-Länder-Runde auf Fachebene neu verhandelt.
18.02.2021
Der Gesetzgeber will Steuerzahler aufgrund der Corona-Krise finanziell entlasten und plant, den zeitlichen Geltungsbereich für den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % für Speisen in Gaststätten bis zum 31.12.2022 zu verlängern, den einkommensteuerlichen Verlustrücktrag zu verdoppeln und beim Kindergeld einen einmaligen Kinderbonus von 150 € pro Kind einzuführen (s. auch unsere Nachricht vom 8.2.2021). Die Umsetzung soll mit dem sog. Dritten Corona-Steuerhilfegesetz erfolgen, ein entsprechender Gesetzentwurf wurde inzwischen erarbeitet.
Hintergrund: Die Corona-Krise führt bei vielen Steuerzahlern zu erheblichen finanziellen Belastungen. Bereits zweimal hat der Gesetzgeber hierauf reagiert und sog. Corona-Hilfegesetze verabschiedet. Nun legt der Gesetzgeber einen Entwurf für das sog. Dritte Corona-Steuerhilfegesetz vor.
Die geplanten Änderungen:
Für Restaurants soll der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für Speisen bis zum 31.12.2022 verlängert werden. Bisher gilt der ermäßigte Steuersatz lediglich bis zum 30.6.2021.
Hinweis: Für Getränke bleibt es beim Steuersatz von 19 %.
Bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer soll der steuerliche Verlustrücktrag für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 von 5 Mio. € auf 10 Mio. € verdoppelt werden. Im Fall einer Zusammenveranlagung soll sich der bisher mögliche Verlustrücktrag bei der Einkommensteuer von 10 Mio. € auf 20 Mio. € verdoppeln.
Hinweis: Vor der Corona-Krise war ein Verlustrücktrag nur in Höhe von 1 Mio. € bzw. – bei Zusammenveranlagung – 2 Mio. € möglich. Der Gesetzgeber hat aber während der Corona-Krise diesen Höchstbetrag bereits auf 5 Mio. € bzw. – bei Zusammenveranlagung – auf 10 Mio. € verfünffacht. Nun soll eine weitere Verdoppelung erfolgen. Danach könnte z.B. bei Ehegatten ein Verlust in Höhe von 20 Mio. € aus dem Jahr 2020 in das Jahr 2019 zurückgetragen und dort mit einem Gewinn von 20 Mio. € verrechnet werden, so dass sich für 2019 eine Steuererstattung ergibt.
Entsprechend verdoppelt werden soll auch der Höchstbetrag für den pauschalen Verlustrücktrag zwecks Minderung der Vorauszahlungen für 2019, nämlich von 5 Mio. € auf 10 Mio. € bzw. – im Fall der Zusammenveranlagung – von 10. Mio. € auf 20 Mio. €.
Gleichermaßen sollen auch die Höchstbeträge für den vorläufigen Verlustrücktrag für 2020 verdoppelt werden. Im Rahmen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerfestsetzung für 2019 kann nach bisherigem Recht auf Antrag ein vorläufiger Verlustrücktrag aus dem Jahr 2020 in Höhe von 30 % der Einkünfte 2019, gemindert um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, vorläufig abgezogen werden und mindert die Steuer für 2019, auch wenn für den Verlust für 2020 noch kein Steuerbescheid vorliegt. Hierfür gelten bislang Höchstbeträge von 5 Mio. € bzw. – im Fall der Zusammenveranlagung – von 10 Mio. €, die nun verdoppelt werden sollen.
Hinweis: Liegt für 2019 bereits ein bestandskräftiger Steuerbescheid vor, kann der Steuerpflichtige bis einen Monat nach Verkündung des Gesetzes beantragen, dass der neue, erhöhte vorläufige Verlustrücktrag berücksichtigt wird; der Bescheid für 2019 wird dann geändert.
Zu guter Letzt soll erneut ein einmaliger Kinderbonus, diesmal in Höhe von 150 €, pro Kind gezahlt werden. Der Bonus soll mit dem Kindergeld für den Monat Mai 2021 ausgezahlt werden. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für den Kinderbonus von 300 € im Jahr 2020.
Hinweis. Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, Änderungen sind noch möglich. Über die endgültigen Regelungen werden wir an dieser Stelle informieren.
Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz), BT-Drucks. 19/26544
17.02.2021
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält daran fest, dass die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und öffentliche Meinung kein gemeinnütziger Zweck ist. Die aktuelle Entscheidung ist im II. Rechtsgang des Verfahrens des Vereins "attac" ergangen.
Hintergrund: Die selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet wird steuerlich als gemeinnützig anerkannt, wenn dabei bestimmte, vom Gesetzgeber einzeln genannte Bereiche gefördert werden. Hierzu gehören z.B. die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens oder die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe.
Streitfall: Der Kläger ist der Trägerverein von "attac", der nach seiner Satzung die Bildung, Wissenschaft und Forschung fördert, insbesondere auch die Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung. Außerdem fördert der Kläger die Völkerverständigung und den Frieden. Der Kläger nahm in den Streitjahren 2010 bis 2012 zu zahlreichen politischen Themen Stellung und organisierte Demonstrationen, besetzte symbolisch Banken und sammelte Unterschriften. Das Finanzamt erkannte die Gemeinnützigkeit des Klägers nicht an. Der BFH entschied im I. Rechtsgang zwar im Grundsatz zuungunsten von "attac", verwies die Sache aber an das Finanzgericht (FG) zurück, damit dieses klärt, ob der Kläger selbst als Trägerverein oder ob das sog. attac-Netzwerk tätig geworden ist und ob ggf. die Tätigkeiten des Netzwerks dem Kläger zuzurechnen sind.
Entscheidung: Der BFH hat nun im II. Rechtsgang die Gemeinnützigkeit von "attac" endgültig verneint:
Die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein gemeinnütziger Zweck. Ein Verein darf daher nicht zu allgemeinpolitischen Themen und Fragen Stellung nehmen und politische Forderungen wie z.B. die Abschaffung von Hartz IV, das Austrocknen von Steueroasen oder die Umverteilung von Vermögen fordern.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Einflussnahme auf die politische Willensbildung im Zusammenhang mit dem gemeinnützigen Zweck des Vereins steht, z.B. mit der Förderung des Umweltschutzes. Aber auch in diesem Fall darf die Tagespolitik nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit des Vereins stehen, sondern muss im Hintergrund gegenüber dem eigentlich gemeinnützigen Zweck bleiben.
Zwar erkennt der Gesetzgeber auch die Förderung der Volksbildung als gemeinnützig an. Hierbei geht es aber um bildungspolitische Fragen. Außerdem muss sich die politische Bildung in geistiger Offenheit vollziehen.
Die politischen Aktionen in den Streitjahren 2010 bis 2012 waren dem Kläger auch zuzurechnen. Denn "attac" als Kläger hatte sich an den Aktionen finanziell beteiligt und hatte die Aktionen auch in den Geschäftsberichten erwähnt. Der Kläger hat im Finanzgerichtsverfahren zudem ausdrücklich betont, dass er die Kampagnen und Aktionen inhaltlich zu verantworten hat.
Hinweise: Wer sich allgemeinpolitisch betätigen will, sollte eine Partei gründen. Diese ist zwar nicht gemeinnützig, aber steuerlich dennoch begünstigt, weil z.B. die Beiträge zu einer steuerlichen Ermäßigung in Höhe von 50 % führen, maximal aber bis zu 825 € bzw. bei Ehegatten bis zu 1.650 €.
Unschädlich bleibt es auch weiterhin, wenn sich ein Verein, der einen gemeinnützigen Zweck wie z.B. die Förderung des Umweltschutzes verfolgt, in diesem Rahmen auch politisch engagiert. Das politische Engagement muss allerdings im Hintergrund bleiben und politisch neutral sein. Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, können die Finanzbehörden und auch das FG die Internetseite des Vereins auswerten.
Im Streitfall hatte sich "attac" mit der Veröffentlichung seines Namens einverstanden erklärt.
BFH, Beschluss vom 10.12.2020 - V R 14/20; NWB
15.02.2021
Der Bundesrat hat am 12.2.2021 der Verlängerung der Steuererklärungsfrist für beratene Steuerpflichtige für den Veranlagungszeitraum 2019 zugestimmt. Darüber hinaus billigte die Länderkammer einer weiteren Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.4.2021. Sie gilt für solche Unternehmen, die Leistungen aus den staatlichen Hilfsprogrammen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie erwarten können. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Anträge im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 gestellt sind.
Verlängerung der Steuererklärungsfristen für den VZ 2019:
Die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung verschiebt sich für beratene Steuerpflichtige um ein halbes Jahr: Für den Veranlagungszeitraum 2019 läuft die Frist bis Ende August 2021 statt wie sonst üblich bis Ende Februar 2021. Parallel wird auch die Karenzzeit zur Verschonung von Verzugszinsen auf Steuerschulden um sechs Monate ausgeweitet.
Für beratene Land- und Forstwirte verlängert sich Erklärungsfrist um fünf Monate vom 31.7.2021 auf den 31.12.2021. Auch hier wird zinsfreie Karenzzeit für den Besteuerungszeitraum 2019 um fünf Monate auf den 1.5.2022 verschoben.
Hintergrund ist, dass Steuerberater und landwirtschaftliche Buchstellen derzeit mit der Beantragung der aktuellen Corona-Hilfsprogramme für Unternehmen stark ausgelastet sind.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Soweit von November 2020 bis Ende Februar 2021 aus rechtlichen, vor allem beihilferechtlichen oder tatsächlichen Gründen, besonders IT-technischen Gründen, noch keine Anträge gestellt werden konnten bzw. können, wird die Insolvenzantragspflicht auch für solche Unternehmen ausgesetzt, die nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Ausgenommen bleiben solche Fälle, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern könnte.
Anfechtungsschutz bei Stundungen
Ebenfalls verlängert hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates den Anfechtungsschutz für pandemiebedingte Stundungen: Die bis Ende März 2022 geleisteten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von Stundungen, die bis zum 28. Februar 2021 gewährt worden sind, gelten damit als nicht gläubigerbenachteiligend. Voraussetzung ist, dass gegenüber dem Schuldner ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung noch nicht eröffnet worden ist.
Hinweis: Das Gesetz wird nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt verkündet. Es kann dann - teilweise rückwirkend - in Kraft treten.
BundesratKOMPAKT v. 12.2.2021; NWB
12.02.2021
Stellt der Steuerpflichtige wenige Tage vor Ablauf der Festsetzungsfrist einen Antrag auf Festsetzung der betrieblichen Steuern und Verlustvorträge, ohne die entsprechenden Steuererklärungen beizufügen, hemmt dieser Antrag nicht den Ablauf der Verjährungsfrist. Für eine Ablaufhemmung, die das Ende der Festsetzungsfrist hinausschiebt, ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige eine substantiierte Schätzung der Einkünfte bzw. Umsätze vornimmt und dem Antrag beifügt.
Hintergrund: Grundsätzlich beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt aber erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung abgegeben worden ist, spätestens nach drei Jahren. In bestimmten Fällen tritt eine Ablaufhemmung ein, so dass sich die Festsetzungsfrist verlängert. Wird z.B. vor Ablauf der Festsetzungsfrist ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt, läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über diesen Antrag unanfechtbar entschieden ist.
Streitfall: Der Kläger war seit dem 1.4.2010 Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH. Für das Jahr 2008 hatte die X-GmbH keine Steuererklärungen eingereicht. Am 18.12.2015, kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist, beantragte der Kläger die Festsetzung der Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für 2008 mit jeweils 0 € und die Feststellung der Verlustvorträge zum 31.12.2008 auf jeweils 1 Mio. €. Steuererklärungen waren dem Anschreiben nicht beigefügt, sondern wurden erst im November 2016 eingereicht. Das Finanzamt lehnte die Steuerfestsetzungen und Feststellungen der Verlustvorträge mit der Begründung ab, am 31.12.2015 sei Verjährung für 2008 eingetreten.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verneint eine Ablaufhemmung aufgrund eines Antrags auf Steuerfestsetzung und hat die Klage abgewiesen:
Das Schreiben vom 18.12.2015 stellte keinen ablaufhemmenden Antrag auf Steuerfestsetzung dar. Ein ablaufhemmender Antrag liegt nur dann vor, wenn sich aus dem Schreiben zweifelsfrei ergibt, inwieweit eine Steuerfestsetzung begehrt wird.
Aus dem Antrag muss sich das vom Steuerpflichtigen verfolgte Begehren zumindest in groben Zügen ergeben. Es genügt nicht, dass sich aus dem Antrag lediglich die festzusetzende Steuer oder der festzustellende Verlustvortrag ergibt. Der Steuerpflichtige muss vielmehr auch Angaben zu den Einkünften machen. Ansonsten würde ein Steuerpflichtiger, der seine Steuererklärung nicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist abgibt, sondern lediglich einen Antrag auf Steuerfestsetzung stellt, gegenüber einem Steuerpflichtigen, der seine Erklärungspflicht erfüllt, bessergestellt werden.
Der Kläger hatte lediglich die festzusetzende Steuer und die Höhe der festzustellenden Verlustvorträge angegeben, aber keine Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen, insbesondere den Einkünften, gemacht. Der Kläger hätte insoweit eine eigene substantiierte Schätzung vornehmen müssen, indem er auf die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen zurückgreift.
Hinweise: Auch eine weitere Ablaufhemmung, die bei Insolvenzverfahren zu beachten ist, griff im Streitfall nicht.
Allein die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung stellt keinen ablaufhemmenden Antrag dar, weil der Steuerpflichtige mit der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung nur seiner Mitwirkungs- und Erklärungspflicht nachkommt. Der Steuerpflichtige muss zusätzlich also noch einen ausdrücklichen Antrag auf Steuerfestsetzung stellen, und zwar vor Ablauf der Festsetzungsfrist.
Das Urteil macht deutlich, dass kurz vor Eintritt der Festsetzungsverjährung Handlungsbedarf besteht, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Steuererklärung bislang nicht abgegeben worden ist und eine Steuererstattung erwartet wird: Entweder wird die Steuererklärung noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingereicht und zusätzlich ein ausdrücklicher Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt. Oder es wird nur ein ausdrücklicher Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt, in dem die Besteuerungsgrundlagen, d.h. Einkünfte, substantiiert dargelegt werden, z.B. anhand der bereits fertiggestellten Bilanz; hier besteht allerdings das Risiko, dass die Substantiierung zu „oberflächlich“ ausfällt und daher nicht konkret genug ist.
BFH, Urteil vom 23.9.2020 - XI R 1/19; NWB
10.02.2021
Der Bundesfinanzhof (BFH) will klären, wie die Übertragung einer Rücklage, die in einem Einzelunternehmen für einen Gewinn aus der Veräußerung einer Immobilie gebildet worden ist, auf eine unternehmerisch tätige Personengesellschaft verfahrensrechtlich umgesetzt wird. Hierzu hat es das Bundesfinanzministerium (BMF) zu einem sog. Beitritt aufgefordert, damit das BMF seine Einschätzung abgeben kann. Insbesondere geht es um die Frage, in welchem Bescheid über die Berechtigung zur Bildung der Rücklage entschieden wird und in welchem Bescheid über den Abzug der Rücklage von den Anschaffungskosten des neuen Wirtschaftsguts entschieden wird.
Hintergrund: Unternehmer können Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter, wie z.B. Immobilien, durch eine Rücklage neutralisieren. Erwirbt der Unternehmer innerhalb des vierjährigen Investitionszeitraums ein bestimmtes Wirtschaftsgut wie z.B. ein Grundstück, kann er die Rücklage auf das neue Wirtschaftsgut übertragen. Hierdurch mindert sich bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung; jedoch muss der Veräußerungsgewinn nicht versteuert werden. Die Übertragung der Rücklage ist seit 2002 auch auf eine unternehmerisch tätige Personengesellschaft (sog. Mitunternehmerschaft) möglich, soweit der Unternehmer an der Personengesellschaft beteiligt ist.
Sachverhalt: Der Kläger ist Landwirt und hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr zum 30.6. eines Jahres. Er verkaufte im Jahr 2001 ein Grundstück, wobei sich die Übertragung des Grundstücks bis zum Jahr 2003 hinzog. Der Kläger erzielte aus dem Verkauf einen Gewinn und bildete in Höhe des Gewinns zum 30.6.2002 in seinem Betrieb eine Rücklage in Höhe von ca. 480.000 €. Im Mai 2006 erwarb er eine Beteiligung an der S-KG. Bei der S-KG wurde die Rücklage im Jahr 2006 in Höhe von 400.000 € auf anteilige Anschaffungskosten des Klägers übertragen und führte dort zu einer Minderung der Abschreibung des Klägers. Das für die S-KG zuständige Finanzamt hielt die Übertragung der Rücklage für nicht zulässig, weil der Veräußerungsgewinn im Jahr 2001 erzielt worden sei und nach der Rechtslage im Jahr 2001 eine Übertragung der Rücklage auf Mitunternehmerschaften nicht möglich gewesen sei.
Entscheidung: Der BFH hat im Revisionsverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid der S-KG das BMF zum Beitritt aufgefordert:
Für den BFH ist nicht klar, in welchem Bescheid darüber verbindlich entschieden wird, ob der Kläger zum 30.6.2002 eine Rücklage bilden durfte und in welchem Bescheid darüber verbindlich entschieden wird, ob und in welcher Höhe der Kläger diese Rücklage auf die S-KG übertragen durfte. Das Gesetz regelt diese Frage nicht ausdrücklich.
Der BFH hält es für denkbar, dass die entsprechenden Entscheidungen im Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr der Rücklagenbildung sowie im Einkommensteuerbescheid des Klägers im Jahr der Übertragung der Rücklage getroffen werden. Der jeweilige Einkommensteuerbescheid wäre dann also ein sog. Grundlagenbescheid für den Gewinnfeststellungsbescheid der S-KG und damit für den Gewinnfeststellungsbescheid bindend.
Denkbar ist es dem BFH zufolge aber auch, dass die Fragen der Berechtigung zur Rücklagenbildung und zur Übertragung der Rücklage in den Gewinnfeststellungsbescheiden der S-KG entschieden werden.
Schließlich kann es auch sein, dass sowohl im jeweiligen Einkommensteuerbescheid des Klägers als auch im jeweiligen Gewinnfeststellungsbescheid der S-KG eigenständig über die Fragen der Rücklagenbildung und Übertragung der Rücklage entscheiden wird; es wären dann widersprechende Entscheidungen möglich.
Hinweise: Das BMF soll nun erläutern, wie es sich die verfahrensrechtliche Umsetzung vorstellt. Mit diesen Erläuterungen wird sich dann der BFH bei seiner abschließenden Entscheidung auseinandersetzen.
Eine Tendenz hat der BFH bisher nicht erkennen lassen. Vorsichtshalber sollten daher alle Bescheide durch Einspruch offengehalten werden, wenn eine Rücklage von einem Einzelunternehmen auf eine Personengesellschaft übertragen werden soll.
BFH, Beschluss vom 2.7.2020 - IV R 7/19; NWB
09.02.2021
Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge kann sich ein Sportverein bei Leistungen, die er außerhalb von Vereinsbeiträgen gegen gesondertes Entgelt erbringt, nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit nach europäischem Recht berufen. Nach deutschem Umsatzsteuerrecht steuerfrei sind aber weiterhin Teilnehmergebühren für sportliche Veranstaltungen, die von einem gemeinnützigen Sportverein durchgeführt werden.
Hintergrund: Nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht sind Entgelte für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen, die von gemeinnützigen Vereinen durchgeführt werden, umsatzsteuerfrei. Nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht sind hingegen Entgelte für bestimmte Dienstleistungen, die in einem engen Zusammenhang mit dem Sport stehen, umsatzsteuerfrei, wenn der Sport von einer Einrichtung angeboten wird, die kein Gewinnstreben hat.
Streitfall: Der Kläger ist der nicht gemeinnützige Golfverein Schloss Igling e.V., dessen Mitglieder einen Jahresbeitrag von ca. 1.000 € sowie eine Aufnahmegebühr von einmalig ca. 200 € zahlen. Der Verein erwarb im Jahr 2011 alle Anteile an einer Golfplatz-Betriebs-GmbH zum Preis von 380.000 €. Darüber hinaus erzielte der Verein Einnahmen im Jahr 2011 aus der Gebühr für die Platznutzung (sog. Greenfee), Startgelder für die Teilnahme an Turnieren, Gebühren für die Nutzung von Ballautomaten und Caddys sowie aus dem Verkauf eines Golfschlägers, insgesamt ca. 78.000 €. Diese Einnahmen behandelte das Finanzamt als umsatzsteuerpflichtig und verlangte von dem Verein Umsatzsteuer. Der Fall kam zum Bundesfinanzhof (BFH), der den EuGH anrief.
Entscheidung: Der EuGH verneint eine Umsatzsteuerfreiheit:
Nach Auffassung des EuGH kann sich ein Sportverein nicht unmittelbar auf die Umsatzsteuerfreiheit nach europäischem Recht berufen. Denn danach sind nur „bestimmte“ Leistungen im Sportbereich steuerfrei. Dies bedeutet, dass die endgültige Entscheidung darüber, welche Leistungen umsatzsteuerfrei sind, vom jeweiligen nationalen Gesetzgeber, z.B. vom deutschen Gesetzgeber, getroffen werden müssen; dies verhindert, dass sich ein Verein unmittelbar auf die europäische Umsatzsteuerbefreiung berufen kann.
Außerdem hat sich der EuGH zu der Frage geäußert, was unter einer „Einrichtung“ zu verstehen ist, die kein Gewinnstreben hat; die europäische Umsatzsteuerbefreiung gilt nämlich nur für derartige Einrichtungen. Nach dem EuGH darf der Verein nicht das Ziel haben, für seine Mitglieder Gewinne zu erwirtschaften. Auch bei der Auflösung darf für die Mitglieder des Vereins kein Gewinn anfallen, so dass das Vereinsvermögen, soweit es die Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigt, nicht an die Mitglieder verteilt werden darf.
Hinweise: Der Kläger kann sich auf die europäische Umsatzsteuerfreiheit nicht unmittelbar berufen. Der deutsche Gesetzgeber hat eine Umsatzsteuerfreiheit nur für die Startgelder gewährt, die für die Teilnahme an einer sportlichen Veranstaltung gezahlt werden; allerdings setzt dies voraus, dass der Verein gemeinnützig ist, so dass dies dem – nicht gemeinnützigen – Kläger nichts nützt. Für die übrigen streitigen Leistungen wie die Platznutzungsgebühr oder die Miete für die Nutzung des Ballautomaten oder der Caddys gibt es ohnehin keine deutsche Regelung über eine Umsatzsteuerfreiheit.
Der Fall muss nun abschließend vom BFH entschieden werden. Bislang ist der BFH zugunsten der Vereine immer von einer unmittelbaren Wirkung der europäischen Umsatzsteuerfreiheit ausgegangen. Aufgrund des aktuellen Urteils des EuGH ist dies nun nicht mehr möglich.
Gemeinnützige Vereine können sich hinsichtlich der Startgelder hingegen unmittelbar auf die Umsatzsteuerfreiheit nach deutschem Recht berufen.
Die Ausführungen des EuGH zur Einrichtung ohne Gewinnstreben bedeutet insbesondere, dass hierunter gemeinnützige Vereine fallen, da diese keine Gewinne für ihre Mitglieder erwirtschaften, sondern selbstlos tätig sind.
Die Mitgliedsbeiträge wurden vom Finanzamt im Streitfall als nicht umsatzsteuerbar angesehen und sind daher nicht streitig. Der BFH hatte im Beschluss über das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH insoweit aber anklingen lassen, dass er eine Umsatzsteuerbarkeit für möglich hält. Daher bleibt abzuwarten, ob sich der BFH auch hierzu noch äußert.
EuGH, Urteil vom 10.12.2020 - Rs. C-488/18 "Golfclub Igling"; NWB
08.02.2021
Am 3.2.2021 haben sich die Koalitionsfraktionen auf weitere Unterstützungsleistungen in der Corona-Pandemie geeinigt. Anbei ein Überblick über die wichtigsten geplanten Maßnahmen.
Steuerlicher Verlustrücktrag
Der geltende steuerliche Verlustrücktrag soll für die Jahre 2020 und 2021 auf maximal 10 Mio. Euro bzw. 20 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagung) angehoben werden.
Mehrwertsteuersenkung Gastronomie
Die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie soll über den 30.6.2020 hinaus befristet bis zum 31.12.2022 auf den ermäßigten Steuersatz von 7% gesenkt werden.
Kinderbonus
Pro Kind soll ein einmaliger Kinderbonus von 150 Euro gezahlt werden. Eine Anrechnung auf die Grundsicherung ist nicht vorgesehen.
Erleichterter Zugang zur Grundsicherung
Der erleichterte Zugang in die Grundsicherungssysteme soll bis zum 31.12.2021 verlängert werden (analog zur pandemiebedingten Erhöhung des Kurzarbeitergeldes).
Coronazuschuss
Erwachsene Grundsicherungsempfänger sollen eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 150 Euro erhalten.
Unterstützung der Kulturschaffenden in der Corona-Krise
Für den Kulturbereich soll ein Anschlussprogramm für das Rettungs- und Zukunftsprogramm "Neustart Kultur" in Höhe von einer weiteren Milliarde Euro aufgelegt werden.
Hinweis: Die vollständigen Ergebnisse des Koalitionsausschusses v. 3.2.2021 finden Sie hier. Mit welchem Gesetz die Maßnahmen umgesetzt werden sollen, ist zurzeit nicht bekannt.
SPD Fraktion online; NWB
04.02.2021
Das Finanzministerium Schleswig-Holstein hat zur Umsatzsteuer auf Mitgliedsbeiträge an ein Fitnessstudio, das wegen der Corona-Krise geschlossen ist, Stellung genommen. Danach unterliegen die Beiträge der Umsatzsteuer, wenn der Betreiber des Fitnessstudios eine Zeitgutschrift gewährt oder einen Gutschein erteilt.
Hintergrund: Umsatzsteuer entsteht, wenn ein Unternehmer Leistungen gegen Entgelt erbringt. Aufgrund der Corona-Krise können viele Unternehmer derzeit ihre Leistungen nicht erbringen; dennoch erhält mancher Unternehmer Geld von seinen Kunden, weil diese einen Zeitvertrag oder Abonnement abgeschlossen haben. Es stellt sich dann die Frage nach der Umsatzsteuer.
Wesentlicher Inhalt des Schreibens des Finanzministeriums Schleswig-Holstein: Dem Finanzministerium zufolge entsteht grundsätzlich Umsatzsteuer, wenn das Mitglied weiterhin seine Beiträge entrichtet und der Betreiber ihm hierfür eine Kompensation gewährt:
Erteilt der Studiobetreiber dem Mitglied eine sog. taggenaue Zeitgutschrift in der Weise, dass sich der Vertrag um die Dauer der Schließung des Studios ohne weitere Beitragspflicht verlängert, unterliegt der Beitrag der Umsatzsteuer. Es handelt sich dann um eine Anzahlung auf die künftige Leistung (Studionutzung).
Erteilt der Studiobetreiber dem Mitglied einen Gutschein für den Zeitraum der Schließung, unterliegt der Beitrag ebenfalls der Umsatzsteuer. Denn der Beitrag ist eine Anzahlung für einen sog. Einzweck-Gutschein, für den die Umsatzsteuer mit der Aushändigung des Gutscheins entsteht.
Hinweise: Zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer zugunsten des Betreibers des Fitnessstudios kommt es nur, soweit der Betreiber den Beitrag an das Mitglied zurückzahlt.
Es sind auch Fälle denkbar, in denen die Mitglieder das Fitnessstudio (oder z.B. eine Tanzschule) unterstützen und ihren Beitrag weiterzahlen, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten. In diesem Fall entsteht keine Umsatzsteuer, weil der Betreiber des Fitnessstudios keine Leistung erbringt.
Finanzministerium Schleswig-Holstein vom 3.12.2020 - VI 3510 - S 7100 - 759; NWB
02.02.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Januar 2021 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2021 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF-Schreiben vom 1.2.2021 - III C 3 - S 7329/19/10001 :003 (2021/0110018); NWB
01.02.2021
Der Gesetzgeber plant, die Abgabefrist für die Steuererklärungen 2019 vom 28.2.2021 auf den 31.8.2021 zu verschieben. Dies betrifft steuerlich vertretene Steuerpflichtige, die also z.B. einen Steuerberater oder Rechtsanwalt mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragt haben. Außerdem soll der Beginn des Verzinsungszeitraums für 2019 vom 1.4.2021 auf den 1.10.2021 verschoben werden.
Hintergrund: An sich müssen Steuerpflichtige, die ihre Steuererklärung durch einen Steuerberater oder anderen Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellen lassen, ihre Steuererklärung 2019 bis zum 28.2.2021 abgeben. Kommt es für 2019 zu einer Nachzahlung oder Erstattung, wird der Nachzahlungs- bzw. Erstattungsbetrag ab dem 1.4.2021 verzinst.
Gesetzentwurf: Die Koalitionsparteien der Bundesregierung, CDU/CSU und SPD, schlagen in einem Gesetzentwurf die Verlängerung der Steuererklärungsfrist für 2019 vor. Im Einzelnen soll Folgendes gelten:
Der bisherige Abgabetermin für steuerlich vertretene Steuerpflichtige soll vom 28.2.2021 auf den 31.8.2021 verschoben werden. Grund hierfür ist die Überlastung der Steuerberater aufgrund der Mitwirkung bei den Anträgen auf Bewilligung von Corona-Hilfen.
Außerdem soll der Verzinsungszeitraum für Nachzahlungen und Erstattungen für 2019, der an sich am 1.4.2021 beginnt, ebenfalls um ein halbes Jahr auf den 1.10.2021 verschoben werden.
Hinweise: Die Verschiebung des Verzinsungszeitraums ist für Steuerpflichtige, die eine Erstattung erwarten, nachteilig, aber für Steuerpflichtige, die nachzahlen müssen, vorteilhaft.
Bereits vor wenigen Wochen hatte das Bundesfinanzministerium eine Fristverlängerung bis zum 31.3.2021 ausgesprochen. Da die Abgabefrist gesetzlich geregelt ist, muss jedoch der Gesetzgeber tätig werden und nicht die Verwaltung. Außerdem war die Fristverlängerung von nur einem Monat zu kurz. Zudem war die Verschiebung des Beginns des Verzinsungszeitraums nicht geregelt.
Nachricht aktualisiert am :
Inzwischen hat das Gesetz den Bundestag passiert. Ergänzt wurde das Vorhaben um die Verlängerung der Steuererklärungsfristen für beratene Land- und Forstwirte, um landwirtschaftliche Buchstellen zu entlasten. Hier ist eine Verlängerung der Erklärungsfrist um fünf Monate vom 31.7.2021 auf den 31.12.2021 vorgesehen. Auf Grund der fünfmonatigen Verlängerung der Erklärungsfrist soll auch die 23-monatige zinsfreie Karenzzeit für den Besteuerungszeitraum 2019 um fünf Monate auf den 1.5.2022 verschoben werden. Dies soll gleichermaßen Erstattungs- wie Nachzahlungszinsen betreffen.
Neu ist auch der Plan, die Insolvenzantragspflicht bis zum 30.4.2021 für solche Unternehmen auszusetzen, die staatliche Hilfeleistungen aus den zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie aufgelegten Hilfsprogrammen erwarten können. Voraussetzung soll grundsätzlich sein, dass die Anträge in der Zeit vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 gestellt worden sind.
Soweit in diesem Zeitraum aus rechtlichen, vor allem beihilferechtlichen oder tatsächlichen Gründen, besonders IT-technische Gründe, noch keine Anträge gestellt werden konnten, soll die Insolvenzantragspflicht auch für Unternehmen ausgesetzt werden, welche nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Ausgenommen sollen solche Fälle bleiben, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern könnte.
Zudem ist geplant, den Anfechtungsschutz für pandemiebedingte Stundungen zu verlängern.
Hinweis: Das Gesetz soll nun zügig vom Bundesrat verabschiedet werden. Der nächstmögliche Termin hierfür ist der 12.2.2021. Über die endgültigen Regelungen werden wir an dieser Stelle berichten.
BT-Drucks. 19/26245 (Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung – Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019“ in der vom Finanzausschuss des Bundestages beschlossenen Fassung), NWB
01.02.2021
Die Schenkung eines Grundstücks ist grundsätzlich grunderwerbsteuerfrei. Erfolgt die Schenkung allerdings unter der Auflage, dass das Grundstück später weiterzuübertragen ist, ist die Weiterübertragung des Grundstücks nicht grunderwerbsteuerfrei. In diesem Fall wird eine Auflage vollzogen, so dass der Erfüller der Auflage kein Schenker ist.
Hintergrund: Verträge, in denen sich ein Grundstückseigentümer zur Übertragung seines Grundstücks verpflichtet, sind grunderwerbsteuerbar. Nach dem Gesetz gibt es aber verschiedene Steuerbefreiungen, z.B. für Grundstücksschenkungen oder für Übertragungen unter Verwandten in gerader Linie.
Sachverhalt: An der A-KG waren die Eheleute B und C mit jeweils 50 % beteiligt, die 13 Grundstücke besaß. Komplementärin der A-KG war die A-GmbH, die aber nicht am Vermögen der A-KG beteiligt war. Am 18.11.2008 schenkten B und C ihre Anteile an der A-KG sowie an der A-GmbH ihren Söhnen D und E, wobei D eine Beteiligung von 283.000 € (56,6 %) und E eine Beteiligung von 217.000 € (43,4 %) erhielt. D und E verpflichteten sich, fünf Grundstücke in eine F-KG einzubringen, deren alleiniger Kommanditist D sein sollte; die verbleibenden acht Grundstücke sollten in eine G-KG eingebracht werden, deren alleiniger Kommanditist E sein sollte. Ihrer Mutter C bestellten sie unentgeltlich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an den geschenkten Kommanditanteilen der A-KG und verpflichteten sich gegenüber B zur Zahlung lebenslanger Leibrenten. Am 9.12.2008, also drei Wochen später, verstarb C; Erben wurden B sowie seine Söhne D und E.
Im Jahr 2009 wurde die A-KG in F-KG unbenannt. Am 3.7.2012 setzten sich D und E auseinander: D übertrug seinen Kommanditanteil an der F-KG (vormals: A-KG) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die 2011 gegründete D-KG, deren alleiniger Kommanditist er war. E übertrug seinen Kommanditanteil an der F-KG (vormals: A-KG) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die 2011 gegründete Klägerin, deren alleiniger Kommanditist er war. Damit waren an der F-KG nun die D-KG (mit D als Kommanditisten) mit 56,6 % und die Klägerin (mit E als Kommanditisten) mit 43,4 % beteiligt. Anschließend vereinbarten die D-KG und die Klägerin die Auseinandersetzung und die Abwicklung im Wege der sog. Realteilung: Die Grundstücke, die sich im Vermögen der F-KG befanden, wurden entsprechend den Beteiligungsquoten auf die D-KG (56,6 %) und auf die Klägerin (43,4 %) übertragen, so dass die Klägerin die acht Grundstücke erhielt, die im Vertrag vom 18.11.2008 genannt worden waren. Das Finanzamt setzte für die Übertragung der acht Grundstücke auf die Klägerin Grunderwerbsteuer fest, berücksichtigte dabei aber eine Steuerbefreiung in Höhe von 43,4 %.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Übertragung der acht Grundstücke von der F-KG auf die Klägerin war grunderwerbsteuerbar, weil sich die F-KG zur Übertragung der Grundstücke verpflichtet hatte.
Die Übertragung war nicht in vollem Umfang grunderwerbsteuerfrei:
Eine Grunderwerbsteuerfreiheit wegen einer Schenkung scheidet aus, weil eine Schenkung nur durch die Eltern B und C erfolgt ist, die aber nicht an der Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin im Jahr 2012 beteiligt waren. Es handelte sich um eine Schenkung mit Auflage, bei der die Eltern B und C ihren Kindern D und E Kommanditbeteiligungen geschenkt und die Auflage erteilt hatten, dass die Grundstücke in Kommanditgesellschaften eingebracht werden. Die Vollziehung der Schenkungsauflage ist keine grunderwerbsteuerfreie Schenkung.
Zwar sind auch Grundstücksübertragungen zwischen Personen, die in gerader Linie verwandt sind, grunderwerbsteuerfrei. Hier erfolgte die Übertragung aber zwischen Personengesellschaften, an denen Brüder beteiligt waren, die nur in Seitenlinie miteinander verwandt sind, nicht in gerader Linie.
Eine Steuerbefreiung kam nur insoweit in Betracht, als E an der F-KG beteiligt gewesen war. Seine Beteiligungsquote betrug 43,4 %, so dass in diesem Umfang eine Befreiung galt.
Hinweise: Zwar kommt mitunter auch eine sog. Gesamtschau mehrerer Befreiungsvorschriften in Betracht, bei der die einzelnen Steuerbefreiungen quasi kombiniert werden. Eine solche Gesamtschau lehnte der BFH im Streitfall ab, weil eine Gesamtschau nur bei einem sog. abgekürzten Leistungsweg angenommen werden kann, der hier nicht vorlag.
Es spricht viel dafür, dass eine direkte Übertragung der Grundstücke von der elterlichen A-KG auf die Kinder grunderwerbsteuerlich vorteilhafter gewesen wäre, weil dann die vollständige Steuerbefreiung für Grundstücksübertragungen unter Verwandten in gerader Linie anwendbar gewesen wäre. Möglicherweise gab es aber andere Gründe, z. B. einkommensteuerliche Erwägungen, keine direkte Übertragung vorzunehmen.
BFH, Urteil vom 25.8.2020 - II R 30/18; NWB
01.02.2021
Zwar bleibt beim Tod eines Ehegatten die Erbschaft des überlebenden Ehegatten in Höhe einer fiktiven Zugewinnausgleichsforderung erbschaftsteuerfrei, wenn die Ehegatten in Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs wird das Anfangsvermögen des verstorbenen Ehegatten aber um einen Pflichtteilsanspruch erhöht, den der nunmehr verstorbene Ehegatte während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft aufgrund des Todes eines Elternteils erworben hatte. Dieser Pflichtteilsanspruch erhöht nicht das Endvermögen, wenn er im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten verjährt ist und bis dahin nicht geltend gemacht worden ist; dies führt zu einer Minderung der Höhe der steuerfreien Zugewinnausgleichsforderung.
Hintergrund: Stirbt ein Ehegatte und hatten die Ehegatten die Zugewinngemeinschaft vereinbart, bleibt der fiktive Zugewinnausgleich, der dem überlebenden Ehegatten zustehen würde, steuerfrei. Für die Ermittlung des Zugewinnausgleichs wird das jeweilige Anfangs- und Endvermögen, das jeweils zu Beginn und am Ende der Zugewinngemeinschaft bestand, gegenübergestellt. Soweit sich bei einem der beiden Ehegatten danach ein höherer Zugewinn ergibt, muss er diesen Mehrbetrag zur Hälfte ausgleichen.
Sachverhalt: Der Kläger war mit der am 30.4.2009 verstorbenen Erblasserin E verheiratet. Er erbte 3/4 des Nachlasses, während die beiden Neffen der E jeweils 1/8 erbten. Das Finanzamt zog vom Wert des an den Kläger vererbten Nachlasses zwar eine Zugewinnausgleichsforderung des Klägers gegenüber der E ab; dabei wurde als Anfangsvermögen der E aber auch ein Pflichtteilsanspruch gegen ihre am 21.1.2005 verstorbene Mutter M in Höhe von ca. 307.000 € berücksichtigt, so dass die Zugewinnausgleichsforderung des Klägers entsprechend niedriger ausfiel. Diesen Pflichtteilsanspruch hatte die E nicht geltend gemacht, und er war im Todeszeitpunkt der E am 30.4.2009 bereits verjährt.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der fiktive Zugewinnausgleich bleibt im Fall des Todes eines der Ehegatten für den überlebenden Ehegatten steuerfrei. Die Höhe dieser fiktiven Ausgleichsforderung wird nach denselben zivilrechtlichen Grundsätzen berechnet wie eine tatsächlich geltend gemachte Zugewinnausgleichsforderung.
Zivilrechtlich gehört zum Anfangsvermögen nicht nur dasjenige Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt in die Zugewinngemeinschaft gehört, sondern auch das Vermögen, das er anschließend, d.h. nach Beginn der Zugewinngemeinschaft, durch Schenkung oder durch einen Erbfall erwirbt. Das Anfangsvermögen erhöht sich also durch Schenkungen und Erbschaften während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft, so dass der Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten entsprechend geringer ausfällt.
Zu den Ansprüchen, die durch einen Erbfall erworben werden, gehört auch ein Pflichtteilsanspruch. Für die Berechnung des Anfangsvermögens ist unbeachtlich, dass ein Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerlich erst dann versteuert werden muss, wenn er geltend gemacht wird; denn hier geht es um die Berechnung des Anfangsvermögens nach rein zivilrechtlichen Grundsätzen.
Das Anfangsvermögen der E war daher um den Pflichtteilsanspruch zu erhöhen. Hierdurch fiel der Zugewinn der E niedriger aus, so dass auch die – erbschaftsteuerfreie – Zugewinnausgleichsforderung des Klägers geringer war.
Hinweise: Zwar erhöht ein Pflichtteilsanspruch auch das Endvermögen; dies gilt aber nur dann, wenn der Pflichtteilsanspruch bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft noch besteht und noch nicht verjährt ist. Im Streitfall war aber Verjährung bereits eingetreten, so dass das Endvermögen der E nicht zu erhöhen war.
Der Fall kann anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden: Der Ehemann EM hat einen Zugewinn von 800.000 € erzielt, der sich aus einem Endvermögen von 1 Mio. € und einem Anfangsvermögen von 200.000 € ergibt. Die verstorbene Ehefrau EF hat – ohne Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs – einen Zugewinn von 1,2 Mio. € erzielt, der sich aus einem Endvermögen von 2 Mio. € und einem Anfangsvermögen von 800.000 € ergibt. Damit bestünde an sich eine steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung des EM in Höhe von 200.000 € (1,2 Mio. € Zugewinn der EF abzüglich 800.000 € Zugewinn des EM = 400.000 €, hiervon die Hälfte). Erhöht sich nun aber das Anfangsvermögen der EF noch um einen bislang nicht berücksichtigten Pflichtteilsanspruch von 300.000 €, beläuft sich der Zugewinn der EF nur auf 900.000 €. Damit ergibt sich eine Zugewinnausgleichsforderung des EM nur in Höhe von 50.000 € (Zugewinn der EF 900.00 € abzüglich Zugewinn des EM 800.000 € = 100.000 €, hiervon die Hälfte).
BFH, Urteil vom 22.7.2020 - II R 42/18; NWB
28.01.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) verlängert die Reinvestitionsfrist für die Rücklage für Ersatzbeschaffung um ein Jahr, falls die Frist an einem nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 liegenden Bilanzstichtag wie z.B. am 31.12.2020 ablaufen würde. Unternehmer haben damit ein Jahr mehr Zeit, die Ersatzbeschaffung durchzuführen. Die Verlängerung erfolgt wegen der Corona-Krise.
Hintergrund: Scheidet ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt wie z.B. aufgrund eines Brands aus dem Betriebsvermögen aus, ersetzt häufig die Versicherung den Schaden. Ist der Versicherungsersatz höher als der Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts, erhöht dieser Mehrbetrag, den man stille Reserven nennt, den Gewinn. Die Finanzverwaltung räumt den Unternehmern in diesem Fall die Möglichkeit ein, den Gewinn durch eine sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung zu neutralisieren. Die Rücklage kann dann auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden und mindert dessen Anschaffungskosten und damit auch die Abschreibungen für das Ersatzwirtschaftsgut. Die Ersatzbeschaffung muss aber grundsätzlich bis zum Ablauf des Folgejahres durchgeführt werden (s. auch Hinweise unten).
Inhalt des BMF-Schreibens: Das BMF verlängert nun die Frist für die Ersatzbeschaffung um ein Jahr, wenn die Frist ansonsten an einem nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 liegenden Bilanzstichtag enden würde, etwa am 31.12.2020.
Hinweise: Die Rücklage kann gebildet werden, wenn die Ersatzbeschaffung nicht im selben Jahr, in dem das Wirtschaftsgut ausscheidet, erfolgt. Für die Ersatzbeschaffung hat der Unternehmer grundsätzlich bis zum Ende des Folgejahres Zeit. Bei bestimmten Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wie Immobilien oder Binnenschiffen hat der Unternehmer vier Jahre Zeit. Geht es um die Neuherstellung eines Gebäudes, hat der Unternehmer sogar sechs Jahre Zeit.
Verlängert worden ist auch die Reinvestitionsfrist für die Rücklage, die u.a. für einen Gewinn aus der Veräußerung von betrieblichen Immobilien des Anlagevermögens gebildet werden darf. Auch hier erfolgt die Verlängerung um ein Jahr, wenn anderenfalls die Reinvestitionsfrist am 31.12.2020 abgelaufen wäre. Die Verlängerung ist aber durch Gesetz erfolgt, weil diese Rücklage – im Gegensatz zur Rücklage für Ersatzbeschaffung – gesetzlich geregelt ist.
BMF-Schreiben vom 13.1.2021 – IV C 6 – S 2138/19/10002 :003; NWB
15.01.2021
Ein Stipendium, das eine libysche Gastärztin vom libyschen Staat für ihre Facharztweiterbildung in Deutschland erhält, kann zu den sonstigen Einkünften gehören und damit der Einkommensteuer unterliegen. Dies ist der Fall, wenn die Weiterbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, das Stipendium dafür gezahlt wird, dass die Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis erfüllt werden, und das Stipendium die fehlende Entlohnung aus dem Dienstverhältnis ausgleichen soll.
Hintergrund: Zu den steuerbaren sonstigen Einkünften gehören auch wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu einer der übrigen Einkunftsarten wie z.B. zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb gehören. Ausgenommen sind aber wiederkehrende Bezüge, die freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder aber einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person bezahlt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin ist Libyerin und absolvierte 2014 in Deutschland als sog. Gastärztin eine Facharztweiterbildung, für die sie von dem Krankenhaus, an dem sie tätig war, keine Vergütung erhielt. Die Klägerin erhielt allerdings von der Libyschen Botschaft ein monatliches Stipendium; außerdem übernahm die Botschaft ihre Krankenversicherung. Das Finanzamt sah in den Stipendiumsleistungen steuerbare sonstige Einkünfte in Gestalt wiederkehrender Bezüge.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück:
Zwar dürfte es sich bei dem Stipendium nicht um Arbeitslohn gehandelt haben, der auch von dritter Seite gezahlt werden kann. Arbeitslohn von dritter Seite liegt nämlich nicht vor, wenn der Dritte nicht im Interesse des Arbeitgebers zahlt, also die Klinik nicht entlasten will, sondern eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt. Zu diesen Interessen könnte hier die Stärkung des libyschen Gesundheitssystems gehört haben; denn die Klägerin sollte nach ihrer Weiterbildung in Deutschland wieder zurück nach Libyen gehen.
Es ist aber denkbar, dass das Stipendium zu steuerbaren wiederkehrenden Bezügen und damit zu sonstigen Einkünften geführt hat. Wiederkehrende Bezüge liegen vor, wenn Zahlungen aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder Rechtsgrunds wiederholend erbracht werden; die Höhe der Zahlungen muss aber nicht identisch sein. Außerdem muss durch die Zahlungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gestärkt werden; daher gehören solche regelmäßigen Zahlungen nicht zu den steuerbaren wiederkehrenden Bezügen, die lediglich einen Mehrbedarf des Steuerpflichtigen (z.B. einen eingetretenen Schaden) ausgleichen sollen.
Zwar sind wiederkehrende Bezüge nicht steuerbar, wenn sie freiwillig erbracht werden und der Empfänger keine Gegenleistung erbringt. Im Streitfall ist aber nicht erkennbar, ob die Klägerin eine Gegenleistung erbracht hat. Allein eine etwaige Rückkehrpflicht nach Libyen, eine Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin oder die Pflicht zum Wissenstransfer nach Rückkehr in die Heimat wären zwar nicht als Gegenleistung anzusehen. In Deutschland erfolgt aber die ärztliche Weiterbildung zum Facharzt im Rahmen einer angemessen vergüteten ärztlichen Berufstätigkeit. Daher sind Zahlungen aus einem Stipendium steuerbare wiederkehrende Bezüge, wenn die Weiterbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, die Leistungen aus dem Stipendium daran anknüpfen, dass die Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis erfüllt werden, und die Leistungen aus dem Stipendium die fehlende Entlohnung aus dem Dienstverhältnis ausgleichen sollen.
Hinweise: Das FG muss nun ermitteln, ob die Klägerin für das Stipendium eine Gegenleistung erbracht hat. Hierzu muss es prüfen, ob die Klägerin gegenüber dem Krankenhaus zur Tätigkeit (Gegenleistung) verpflichtet war oder ob es Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Krankenhaus und Libyen gab, in denen dienstliche Pflichten des Gastarztes festgeschrieben waren. Falls eine Gegenleistung der Klägerin zu bejahen sein sollte, wären auch diejenigen Stipendiumsleistungen steuerbar, die bereits vor Aufnahme der Tätigkeit als Gastarzt im Hinblick auf die demnächst erfolgende Tätigkeit im Krankenhaus bezahlt worden sind.
Unter bestimmten Voraussetzungen können Stipendien steuerfrei sein. Eine dieser Steuerbefreiungen hat der BFH ausgeschlossen, weil sie nur Stipendien zu Ausbildungszwecken steuerfrei stellt; die Klägerin war aber bereits ausgebildet und wollte sich jetzt nur noch fortbilden. Eine andere Steuerbefreiung, die Stipendien aus öffentlichen Mitteln freistellt, könnte hingegen in Betracht kommen; allerdings greift die Steuerfreiheit nicht, wenn der Stipendiat zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist. Die Steuerfreiheit wäre daher nicht zu gewähren, wenn die Klägerin in einem Dienstverhältnis zum Krankenhaus stand und deshalb weisungsgebunden zur Ausübung ärztlicher Betätigung verpflichtet war; dies muss das FG nun ermitteln.
BFH, Urteil vom 8.7.2020 - X R 6/19; NWB
14.01.2021
Die Kosten für die Beseitigung eines durch Biber verursachten Schadens an der Terrasse des selbstgenutzten Einfamilienhauses stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar. Denn Wildtierschäden sind nicht unüblich und daher nicht außergewöhnlich.
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, und zwar in einem größeren Umfang als der überwiegenden Anzahl der Steuerpflichtigen. Ein typisches Beispiel sind Krankheitskosten oder Schäden infolge einer Naturkatastrophe.
Sachverhalt: Die Kläger bewohnten ein Einfamilienhaus in Nordrhein-Westfalen, das am Rand eines Landschaftsschutzgebiets lag. Im Jahr 2014 beschädigten Biber die Terrasse des Hauses und verursachten einen Schaden in Höhe von ca. 4.000 €, den die Kläger beseitigen ließen. Sie machten die Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Belastungen sind dann außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe nach, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach unüblich sind.
Wildtierschäden sind nicht unüblich, sondern kommen mit einer gewissen Regelmäßigkeit vor und verursachen Kosten für Schäden oder für den Schutz des Eigentums, z.B. für Zäune. Wildtierschäden sind daher nicht mit Schäden aufgrund von Brand oder Hochwasser vergleichbar. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden am eigengenutzten Haus entsteht und damit den existenznotwendigen Bereich berührt.
Hinweis: Der BFH verneint im Streitfall außergewöhnliche Belastungen auch für den Fall, dass die Kläger aufgrund naturschutzrechtlicher Regelungen am Schutz ihres Eigentums gehindert gewesen sein sollten. In diesem Fall sei es nicht Aufgabe des Steuerrechts, für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Dies sei Aufgabe des Naturschutzrechts, z.B. durch die Errichtung eines entsprechenden Fonds für einen Schadensausgleich zu sorgen.
BFH, Urteil vom 1.10.2020 - VI R 42/18; NWB
13.01.2021
Zwar kann der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert eines Grundstücks durch ein Gutachten nachweisen. Der Gutachter muss aber die zutreffende Verordnung für die Ermittlung des Werts anwenden; dies ist diejenige Verordnung, die am Bewertungsstichtag gültig war. Es kommt also nicht auf die Verordnung an, die bei Erstellung des Gutachtens gültig ist.
Hintergrund: Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer muss der Wert eines vererbten oder verschenkten Grundstücks ermittelt werden. Den vom Finanzamt nach den steuerlichen Bewertungsvorschriften ermittelten Wert muss der Steuerpflichtige nicht akzeptieren, sondern kann einen niedrigeren gemeinen Wert eines Grundstücks durch ein Sachverständigengutachten nachweisen. Der Gutachter orientiert sich dann am Baugesetzbuch und an den Verordnungen zur Ermittlung des Werts.
Sachverhalt: Der Kläger erbte am 1.6.2009 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Das Finanzamt ermittelte einen Grundbesitzwert von ca. 4,8 Mio. € und legte dabei einen Bodenrichtwert von 5.500 €/m² sowie einen Liegenschaftszinssatz von 5,5 % zugrunde. Der Kläger ließ nacheinander zwei Gutachten erstellen, zuletzt im Jahr 2017 während des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG). Dieser zweite Gutachter gelangte zu einem Verkehrswert von 1,9 Mio. € und stützte sich auf die Immobilienwertermittlungsverordnung, die seit dem 1.7.2010 galt. Das FG wies die Klage ab; hiergegen legte der Kläger Revision ein.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück:
Soll der niedrigere gemeine Wert durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen werden, muss das Gutachten ordnungsgemäß erstellt werden. Hierzu gehört u.a., dass der Gutachter die zutreffende Verordnung zur Ermittlung des Werts zugrunde liegt.
Im Streitfall hat der Gutachter zu Unrecht die Immobilienwertermittlungsverordnung zugrunde gelegt; denn diese galt erst seit dem 1.7.2010. Zwar ist das Gutachten im Jahr 2017 erstellt worden, in dem die Immobilienwertermittlungsverordnung bereits galt. Es kommt aber auf den Zeitpunkt der Bewertung an; dies war der 1.6.2009, als der Kläger erbte. Zu diesem Zeitpunkt galt noch die – ähnlich klingende - Wertermittlungsverordnung. Der Gutachter hätte daher die Wertermittlungsverordnung anwenden müssen.
Das FG muss nun dem Kläger Gelegenheit geben, das Gutachten nachbessern zu lassen, indem der Gutachter die Wertermittlungsverordnung anwendet.
Hinweise: Im Streitfall geht es zudem auch noch um den richtigen Bodenrichtwert und um den Liegenschaftszinssatz. Der Bodenrichtwert für den an der Straße liegenden Teil des Grundstücks betrug zwar 5.500 €/m² (sog. Straßenwert); der dahinterliegende Teil des Grundstücks hatte aber einen deutlich niedrigeren Bodenrichtwert von nur 500 €/m² (sog. Platzwert). Hier muss nun das FG entscheiden, in welchem Umfang das Grundstück jeweils dem Straßen- oder Platzwert zuzuordnen ist.
Der Liegenschaftszinssatz ist mit 5,5 % anzusetzen. Geeignete Liegenschaftszinssätze zum Bewertungszeitpunkt, d.h. zum 1.6.2009, sind vom Gutachterausschuss in Berlin, wo das Grundstück lag, nicht veröffentlicht worden. Daher gilt der gesetzliche Liegenschaftszinssatz, der sich bei einem Grundstück, dessen gewerblicher Anteil bis zu 50 % beträgt, auf 5,5 % beläuft. Die Liegenschaftszinssätze 2012 können nicht auf den 1.6.2009 angewendet werden.
BFH, Urteil vom 16.9.2019 - II R 1/18; NWB
12.01.2021
Übernimmt der Arbeitgeber die Kosten von Covid-19-Tests (PCR- und Antikörper-Tests), ist es aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, von einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers auszugehen. Die Kostenübernahme ist kein Arbeitslohn.
BMF, FAQ "Corona" Steuern; NWB
12.01.2021
Erhält ein Nachbar, der sich jahrelang um seine über 80-jährige Nachbarin gekümmert hat, von dieser Nachbarin nach acht Jahren einen Geldbetrag, unterliegt die Zahlung nicht der Einkommensteuer, weil der Nachbar aus privaten Motiven tätig geworden ist. Allerdings kann es sich um eine Schenkung handeln, die Schenkungsteuer auslöst, falls sie über dem Freibetrag liegt.
Hintergrund: Der Einkommensteuer unterliegen sieben Einkunftsarten, z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder sonstige Einkünfte. Nicht jeder Vermögenszuwachs ist einkommensteuerbar, sondern nur dann, wenn die Tätigkeit unter eine der sieben Einkunftsarten fällt.
Sachverhalt: Der Kläger kümmerte sich seit 2006 um seine damals 81 Jahre alte Nachbarin S, indem er ihre schriftlichen Angelegenheiten erledigte, sie besuchte und gelegentlich auch Haushaltsgegenstände wie z.B. einen Fernseher einkaufte. S erteilte dem Kläger 2006 eine Vorsorgevollmacht und bestimmte den Kläger für den Fall, dass eine rechtliche Betreuung erforderlich werden sollte, zum Betreuer. Im Jahr 2014 traf S mit dem Kläger eine sog. Vergütungsvereinbarung, nach der beide im Jahr 2006 Verträge abgeschlossen hätten und nunmehr eine rückwirkende Vergütung ab 2006 in Höhe von 50 € monatlich und ab 2016 in Höhe von 60 € monatlich für den Kläger vereinbart und gezahlt werde. Der Kläger erhielt daraufhin 5.000 €, die das Finanzamt als selbständige Einkünfte besteuerte, weil der Kläger als Betreuer tätig geworden sei.
Entscheidung: Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der Klage statt:
Die Tätigkeit des Klägers für seine Nachbarin S fiel unter keine der sieben Einkunftsarten. Der Kläger erzielte keine selbständigen Einkünfte, da er nicht als Berufsbetreuer tätig war. Steuerlich erfasst werden nämlich nur die vom Betreuungsgericht bestellten Betreuer.
Der Kläger hat auch keine sonstigen Einkünfte erzielt. Hierzu zählt jede Tätigkeit, die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und zu einer Gegenleistung führt; es muss sich aber um ein erwerbswirtschaftliches Verhalten handeln.
Nicht zu den sonstigen Einkünften führen Tätigkeiten, die nicht erwerbswirtschaftlich, sondern aus privaten Motiven ausgeübt werden, z.B. im Rahmen einer Lebensgemeinschaft oder zur Unterstützung pflegebedürftiger Angehöriger. Dies war im Streitfall gegeben: Der Kläger und seine Ehefrau kannten die S bereits seit 1972 und waren mit ihr persönlich verbunden. Die Bemühungen des Klägers gingen nicht über das hinaus, was üblicherweise im Rahmen einer guten Nachbarschaft unentgeltlich erledigt wird.
Unschädlich ist, dass es im Streitjahr 2014 zu einer nachträglichen Bezahlung kam. Denn es sind keine konkreten Leistungen erkennbar, für die der Kläger bezahlt worden sein soll. Insbesondere die Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung stellen keine zivilrechtlichen Verträge dar, und konkrete Betreuungsleistungen im rechtlichen Sinne sind nicht angefallen.
Hinweise: Das FG hält es für denkbar, dass die Zahlung der 5.000 € eine Schenkung darstellte. Eine Schenkung in dieser Höhe wäre aber steuerfrei, weil sie unter dem Freibetrag von 20.000 € liegt.
Im Übrigen zeigt das Urteil, dass nachbarschaftliche Hilfe ebenso wie freundschaftliche oder familiäre Hilfe nicht zwingend steuerbar ist, auch wenn sich die unterstützte Person später erkenntlich zeigt. Allerdings sollte von "Vergütungsvereinbarungen" Abstand genommen werden, da dies eine – unnötige – Steilvorlage für das Finanzamt ist, weil der Begriff der Vergütungsvereinbarung auf eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit hindeutet.
BFH, Urteil vom 26.6.2019 - 9 K 101/18; NWB
11.01.2021
Ab Januar 2021 fällt für rund 90 % der Lohn- und Einkommensteuerzahler, die bisher den Soli gezahlt haben, der Zuschlag komplett weg. Für weitere 6,5 % entfällt er zumindest in Teilen. Zur Berechnung der Steuerersparnis stellt das Bundesministerium für Finanzen ein Berechnungsprogramm zur Verfügung.
Mit dem "Soli-Rechner" des Bundesministerium für Finanzen kann ermittelt werden, ob sich durch die stufenweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages eine Steuerersparnis ergibt und wie hoch diese ist.
Berücksichtigt wird dabei:
die Veranlagungsart (Einzelveranlagung oder für Ehegatten die Zusammenveranlagung)
das zu versteuernde Jahreseinkommen nach Abzug von Kinderfreibeträgen. Zur Berechnung des zu versteuernden Jahreseinkommen stellt das Bundesministerium für Finanzen den Lohn- und Einkommensteuerrechner zur Verfügung.
Hinweise: Zum Soli-Rechner gelangen Sie hier. Zum Lohn- und Einkommensteuerrechner gelangen Sie hier.
BMF online; NWB
11.01.2021
Ermöglicht der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern einen verbilligten Zugang zu Fitness-Studios, führt dies zwar grundsätzlich zu einem steuerpflichtigen Sachbezug. Dieser Sachbezug kann aber steuerfrei sein, wenn er unter der monatlichen Freigrenze für Sachbezüge in Höhe von 44 € liegt. Dies setzt jedoch voraus, dass der Sachbezug monatlich gewährt wird, indem der Arbeitgeber fortlaufend die Nutzungsmöglichkeit sicherstellt.
Hintergrund: Zum Arbeitslohn gehört nicht nur das Gehalt, sondern auch ein Sachbezug. Der Gesetzgeber gewährt bei Sachbezügen eine monatliche Freigrenze in Höhe von 44 €. Der Sachbezug bleibt also steuerfrei, wenn diese Grenze nicht überschritten wird. Wird die Grenze aber auch nur um einen Cent überschritten, ist der gesamte Sachbezug in diesem Monat steuerpflichtig. Dies unterscheidet eine Freigrenze von einem Freibetrag, der stets abgezogen werden würde.
Sachverhalt: Die Klägerin war Arbeitgeberin und beschäftigte 20 Arbeitnehmer. Sie schloss am 2010 mit einem Fitnessstudio-Betreiber einen Vertrag, der den Arbeitnehmern der Klägerin die Möglichkeit bot, die Fitnessstudios zu nutzen. Hierfür zahlte die Klägerin pro Arbeitnehmer, der an dem Programm teilnehmen wollte, ca. 50 € im Monat. Der jeweilige Arbeitnehmer musste sich mit einem Eigenanteil von 16 € bzw. ab Februar 2014 in Höhe von 20 € beteiligen und diesen an die Klägerin zahlen. Die Klägerin ging davon aus, dass die monatliche Freigrenze für Sachbezüge in Höhe von 44 € nicht überschritten sei und führte keine Lohnsteuer ab. Das Finanzamt sah dies anders und erließ gegenüber der Klägerin einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid für den Zeitraum 2011 bis 2014.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar stellte die vergünstigt zugewandte Trainingsberechtigung Arbeitslohn dar. Dieser Arbeitslohn lag aber unter der monatlichen Freigrenze für Sachbezüge in Höhe von 44 € und war daher steuerfrei.
Die Klägerin hat die Trainingsberechtigung monatlich gewährt, indem sie die Beiträge an die Fitnessstudio-Kette entrichtet und dadurch fortlaufend sichergestellt hat, dass ihre Arbeitnehmer Zugang zu den Studios erhalten. Die Klägerin hat die Trainingsberechtigung nicht mit einem Mal gewährt; denn die Arbeitnehmer erhielten lediglich einen monatlichen Anspruch gegen ihre Arbeitgeberin, ihr den Zugang zu den Fitnessstudios zur Verfügung zu stellen.
Zwar bekamen die Arbeitnehmer einen Mitgliedsausweis für die Fitnessstudios. Dieser Mitgliedsausweis begründete aber keinen verbrieften Anspruch gegenüber den Fitnessstudios auf Zugang für ein Jahr. Die Zugangsberechtigung ergab sich nur aus der monatlichen Beitragszahlung der Klägerin.
Die Bewertung der Trainingsberechtigung erfolgte in Höhe der Kosten der Klägerin, d.h. in Höhe von 50 € pro Monat und Arbeitnehmer. Zwar ist an sich der übliche Endpreis am Abgabeort als Wert anzusetzen. Dies scheiterte im Streitfall aber daran, dass der Betreiber der Fitnessstudios die Leistung regulären Kunden nicht anbot, sondern nur Unternehmern, die ein bestimmtes Kontingent an Lizenzen erwarben. Daher konnte geschätzt werden und die Kosten der Klägerin zugrunde gelegt werden. Von dem Wert in Höhe von 50 € war der Eigenanteil des jeweiligen Arbeitnehmers in Höhe von 16 € bzw. 20 € abzuziehen, so dass der Wert des Sachbezugs lediglich 34 € bzw. 30 € betrug und die monatliche Freigrenze von 44 € nicht überschritten wurde.
Hinweise: Wäre der BFH zu einem sofortigen Zufluss gelangt, hätte jeder Arbeitnehmer einen Sachbezug im Wert von mehreren Hundert Euro erhalten, so dass die monatliche Freigrenze von 44 € nicht anwendbar gewesen wäre. Zu einem sofortigen Zufluss ist der BFH in einem früheren Fall gelangt, in dem der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern ein Jobticket zur Verfügung gestellt hat, so dass die Arbeitnehmer einen unmittelbaren Anspruch gegenüber dem Verkehrsunternehmen auf Beförderung erlangt haben. Im aktuellen Streitfall haben die Arbeitnehmer jedoch keinen Anspruch gegen den Betreiber der Fitnessstudios erhalten.
Dem BFH zufolge kam es für die Frage des Zuflusses nicht darauf an, ob die Vereinbarung über die Teilnahme am Firmenfitness-Programm befristet oder unbefristet erfolgt ist und ob die Arbeitnehmer nur zum Ende eines Jahres kündigen konnten.
Die Freigrenze für Sachbezüge wird ab 1.1.2022 von 44 € auf 50 € monatlich erhöht werden.
BFH, Urteil vom 7.7.2020 - VI R 14/18; NWB
08.01.2021
Verzichtet ein Unternehmer auf die Kleinunternehmerregelung und führt er Umsatzsteuer ab, ist er an den Verzicht für fünf Jahre gebunden; der Verzicht gilt bis zu einem etwaigen Widerruf. Ein Überschreiten der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer stellt keinen Widerruf dar, so dass bei einem anschließenden Unterschreiten der Umsatzgrenze keine erneute fünfjährige Bindung ausgelöst wird.
Hintergrund: Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer abführen, sind aber auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer liegt bei 22.000 € im Vorjahr (bis einschließlich 2018: 17.500 €) und bei 50.000 € im laufenden Jahr. Der Unternehmer kann aber auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, so dass er Umsatzsteuer abführen muss und vorsteuerabzugsberechtigt ist; er ist dann aber für fünf Jahre an den Verzicht gebunden.
Sachverhalt: Der Kläger eröffnete 2006 ein Unternehmen und verzichtete auf die Kleinunternehmerregelung, so dass er seit 2006 bis einschließlich 2016 Umsatzsteuererklärungen abgab, in denen er Umsatzsteuer erklärte und Vorsteuer geltend machte. In den Jahren 2011 und 2012 überschritt er mit seinen Umsätzen die damalige Umsatzgrenze für Kleinunternehmer von 17.500 €; in den anderen Jahren lagen seine Umsätze aber unter 17.500 €. Im Streitjahr 2017 erklärte der Kläger, nunmehr die Kleinunternehmerregelung anzuwenden und weder Umsatzsteuer abzurechnen noch Vorsteuer geltend zu machen. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Kläger im Jahr 2017 kein Kleinunternehmer sein könne, weil die fünfjährige Bindungsfrist im Jahr 2014 neu begonnen habe und daher 2017 noch nicht abgelaufen sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Der Kläger konnte im Veranlagungszeitraum seinen Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung widerrufen und sich nunmehr als Kleinunternehmer besteuern lassen. Er unterlag nicht der fünfjährigen Bindung, die eintritt, wenn man auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet.
Die fünfjährige Bindung an den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung begann im Jahr 2006 und endete mit Ablauf des Jahres 2010. Danach bestand keine Bindung mehr.
Eine erneute Bindung trat nicht dadurch ein, dass der Kläger in den Jahren 2011 und 2012 die Umsatzgrenze von 17.500 € überschritt und daher ohnehin zur Umsatzbesteuerung in den jeweiligen Folgejahren 2012 und 2013 verpflichtet war. Dieser Übergang zur Umsatzbesteuerung stellt keinen sinngemäßen Widerruf des Verzichts dar. Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung blieb somit wirksam, auch wenn er sich in den Jahren 2013 und 2014 nicht auswirkte.
Als der Kläger im Jahr 2014 wieder unter der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer lag, hatte der weiterhin wirksame Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung zur Folge, dass der Kläger seine Umsätze versteuern und Vorsteuern abziehen konnte. Die Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2014 stellte also keinen erneuten Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung dar und hatte daher nicht zur Folge, dass eine erneute fünfjährige Bindungsfrist eintrat. Gleiches galt für die Jahre 2015 und 2016.
Hinweis: Hätte der Kläger in den Jahren 2011 und 2012 nicht die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer überschritten, hätte es keinen Streit mit dem Finanzamt gegeben. Das BFH-Urteil ist daher in den Fällen positiv, in denen es während der Dauer eines Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung zu einem Überschreiten der Umsatzgrenze kommt. Denn nach der aktuellen Entscheidung führt das anschließende Unterschreiten der Umsatzgrenze nicht zu einem erneuten Verzicht und daher auch nicht zu einer erneuten fünfjährigen Bindung.
Die fünfjährige Bindungsfrist aufgrund des Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung soll Missbräuche verhindern, indem der Kleinunternehmer seine Eingangsumsätze gezielt in ein bestimmtes Jahr verlagert, für dieses Jahr auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet, um die Vorsteuer geltend zu machen, und abschließend wieder zur Kleinunternehmerregelung zurückkehrt. Diese sofortige Rückkehr wird durch die fünfjährige Bindung verhindert.
BFH, Urteil vom 23.9.2020 – XI R 34/19; NWB
07.01.2021
Ende des Jahres wurde das sog. Jahressteuergesetz 2020 verkündet. Anbei die wesentlichen Regelungen im Überblick:
Einführung einer Home-Office-Pauschale
Mit der Home-Office-Pauschale als Teil des Arbeitnehmer-Pauschbetrags wird für die Jahre 2020 und 2021 eine steuerliche Berücksichtigung der Heimarbeit ermöglicht. Die Neuregelung sieht einen pauschalen Abzug von 5 €/Tag, maximal 600 € im Jahr - das entspricht 120 Heimarbeitstagen - als Betriebsausgaben oder Werbungskosten vor. Die Pauschale wird nur für die Tage gewährt, an denen ausschließlich zu Hause gearbeitet wurde. Fahrtkosten (z.B. Entfernungspauschale) sind für diese Tage grundsätzlich nicht abziehbar; Aufwendungen für eine Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel, wenn diese in Erwartung der Benutzung für den Weg zur Arbeit erworben wurde, sind davon unabhängig abziehbar. Hinweis: Die Home-Office-Pauschale wird auf den Werbungskostenpauschbetrag (1.000 €) angerechnet, also nicht zusätzlich gewährt.
Verlängerung der befristete Steuerbefreiung von Arbeitgeberzuschüssen zum Kurzarbeitergeld
Die durch das Corona-Steuerhilfegesetz eingeführte begrenzte und befristete Steuerbefreiung der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld wird um ein Jahr verlängert. Die Steuerfreiheit gilt damit für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29.2.2020 beginnen und vor dem 1.1.2022 enden.
Aufhebung der befristeten Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende
Mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wurde der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende für die Jahre 2020 und 2021 mit der Anhebung auf 4.008 € mehr als verdoppelt. Die Befristung für die Jahre 2020 und 2021 wird aufgehoben, sodass die Erhöhung dauerhaft auch ab dem Jahr 2022 gilt.
Verlängerung der Frist zur Auszahlung des Corona-Bonus an Arbeitnehmer
Die Möglichkeit zur steuerfreien Auszahlung eines Corona-Bonus - zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn - wird bis zum 30.6.2021 verlängert. Weil die steuerfreie Auszahlung zunächst vom 1.3. bis zum 31.12.2020 befristet war, wäre beispielsweise ein erst im ersten Halbjahr 2021 ausgezahlter Pflegebonus nicht mehr steuerbegünstigt gewesen. Hinweis: Die Ausdehnung des Zeitraums führt nicht dazu, dass im ersten Halbjahr 2021 nochmals 1.500 € steuerfrei - zusätzlich zu bereits im Jahr 2020 steuerfreien 1.500 € - ausgezahlt werden dürften. Vielmehr können Arbeitgeber aber motiviert sein, ihren Mitarbeitern nach dem Jahreswechsel erstmals einen Corona-Bonus zukommen zu lassen.
Steuerfreie "Outplacement"- bzw. "Newplacement"-Beratung
Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll oder die ausscheiden werden, können von ihren Arbeitgebern beraten werden, um sich beruflich neu zu orientieren und so eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Diese Beratungsleistungen, auch wenn sie von Dritten erbracht werden, sind zukünftig steuerfrei.
Günstig vermieteter Wohnraum
Bei einer verbilligten Überlassung einer Wohnung zu weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Miete können Vermieter die auf diesen - entgeltlichen - Anteil entfallenden Werbungskosten von den Mieteinnahmen abziehen. Zum 1.1.2021 wird die Grenze für die generelle Aufteilung der Wohnraumüberlassung in einen entgeltlich und in einen unentgeltlich vermieteten Teil auf 50 Prozent der ortsüblichen Miete herabgesetzt. Damit reagiert die Bundesregierung auf die vielerorts steigenden Mieten und das hohe Mietniveau. Vor allem Vermieter, die im Interesse des Fortbestands ihrer oft langjährigen Mietverhältnisse davon Abstand nehmen, regelmäßig (zulässige) Mieterhöhungen vorzunehmen, können auch bei verbilligter Wohnraumüberlassung mit Einkünfteerzielungsabsicht von ihren Mieteinnahmen vollumfänglich ihre Werbungskosten abziehen, wenn das Entgelt mindestens 50 Prozent der ortsüblichen Miete beträgt. Hinweis: Für den Grenzbereich zwischen 50 und 66 Prozent der ortsüblichen Miete gibt es gesonderte Regelungen, welche die Prüfung einer Totalüberschussprognose betreffen.
Anhebung der Freigrenze für Sachbezüge ab dem Jahr 2022
Zudem wird die Freigrenze für Sachbezüge ab dem 1.1.2022 von 44 € auf 50 € angehoben.
Neue einheitliche Gewinngrenze und weitere Verbesserungen für Investitionsabzugsbeträge (§ 7g EStG) ab dem Veranlagungszeitraum 2020
Mit Investitionsabzugsbeträgen können unter bestimmten Voraussetzungen Abschreibungen für künftige Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in ein vor dem Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt liegendes Wirtschaftsjahr vorgezogen werden. So wird in dem betreffenden Jahr die Steuerbelastung gemindert. In der Gesamtschau ergibt sich ein Liquiditätsvorteil. Die bislang maßgebenden unterschiedlichen Betriebsgrößengrenzen als Voraussetzung für die Inanspruchnahme vom Investitionsabzugsbeträgen werden durch eine für alle Einkunftsarten geltende Gewinngrenze von 200.000 € ersetzt. Dadurch profitieren neben Existenzgründern auch viele weitere kleine und mittelständische Unternehmen von der Steuervergünstigung. Die neue einheitliche Gewinngrenze gilt auch für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 7g EStG. Darüber hinaus werden die begünstigten Investitionskosten von 40 auf 50 Prozent erhöht und vermietete Wirtschaftsgüter können künftig uneingeschränkt berücksichtigt werden.
Stärkung von Vereinen und des Ehrenamts
Das Gemeinnützigkeitsrecht wird ab 2021 entbürokratisiert und digitalisierbarer ausgestaltet. Konkret werden
der Übungsleiterfreibetrag von 2.400 € auf 3.000 € und
die Ehrenamtspauschale von 720 € auf 840 € erhöht,
der vereinfachte Spendennachweis bis zum Betrag von 300 € ermöglicht (bisher 200 €),
die Einnahmegrenze zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb für gemeinnützige Organisationen auf 45.000 € erhöht,
die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für kleine Körperschaften abgeschafft und die Mittelweitergabe unter gemeinnützigen Organisationen rechtssicher ausgestaltet sowie
die Zwecke "Klimaschutz", "Freifunk" und "Ortsverschönerung" als gemeinnützig eingestuft.
Das zentrale Zuwendungsempfängerregister beim Bundeszentralamt für Steuern schafft künftig Transparenz in der Gemeinnützigkeit. Öffentlich zugänglich werden damit Informationen darüber, wer sich wo für welche Zwecke einsetzt. Damit können sich sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen gezielt, strukturiert und verlässlich informieren, bevor sie spenden. Gleichzeitig ist das zentrale Register ein Kernelement für die Digitalisierung der Spendenquittung.
Sog. Mehrwertsteuer-Digitalpaket
Zum 1.7.2021 wird die zweite Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets umgesetzt. Dieses beinhaltet insbesondere Folgendes:
Änderungen beim Versandhandel an Privatpersonen: Bei Warenlieferungen aus Ländern außerhalb der EU über einen elektronischen Marktplatz wird der Marktplatzbetreiber unter bestimmten Voraussetzungen Steuerschuldner für die im Inland für diese Lieferung anfallende Umsatzsteuer. Aufgrund dessen werden die geltenden Regelungen zur Haftung von Betreibern elektronischer Marktplätze angepasst und die Papierbescheinigung über die steuerliche Erfassung der auf elektronischen Marktplätzen tätigen Händler wird durch die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer abgelöst.
die Erweiterung des bestehenden (besonderen) Besteuerungsverfahrens für in der EU ansässige Unternehmer, die bestimmte Dienstleistungen erbringen, auf innergemeinschaftliche Fernverkäufe und alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Privatpersonen in der EU (sog. One-Stop-Shop, OSS).
die Ausdehnung des bestehenden (besonderen) Besteuerungsverfahrens für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die bestimmte Dienstleistungen erbringen (sog. ECOM-Verfahren), auf alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Privatpersonen in der EU.
die Einführung eines neuen Import-One-Stop-Shops (IOSS) für Fernverkäufe von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 € aus Staaten außerhalb der EU an Privatpersonen in der EU.
die Schaffung einer (optionalen) Sonderregelung (Special Arrangement) ebenfalls für Sendungen mit einem Sachwert bis 150 €, bei denen der IOSS nicht genutzt wird: Die Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhren eines Monats kann dabei durch die Beförderer (Post- bzw. Expresskurierdienstleister) von den Sendungsempfängern erhoben und im Folgemonat gesammelt an die Zollverwaltung entrichtet werden.
die Abschaffung der 22 € Freigrenze bei der Einfuhrumsatzsteuer.
Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Telekommunikationsdienstleistungen
Ab dem 1.1.2021 wird der Empfänger von Telekommunikationsdienstleistungen Steuerschuldner der Umsatzsteuer, wenn er ein sog. Wiederverkäufer ist, d.h. wenn er derartige Leistungen üblicherweise einkauft, um sie weiter zu veräußern.
Umsatzsteuerliche Durchschnittssätze in der Landwirtschaft
Europarechtlich besteht die Möglichkeit, auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen insbesondere die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anzuwenden. Die Europäische Kommission hat Zweifel an der bislang in Deutschland geltenden Umsetzung dieser Möglichkeit. Um Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen zu schaffen und für eine EU-konforme Ausgestaltung wird eine Umsatzgrenze in Höhe von 600.000 € eingefügt, bis zu der von der Pauschalregelung Gebrauch gemacht werden darf.
Internationaler Online-Handel
Weitere Neuregelungen betreffen die Modernisierung des Mehrwertsteuersystems und die Betrugsbekämpfung im grenzüberschreitenden Online-Handel, Anpassungen an aktuelle Steuerrechtsprechung und die Umsetzung von EU-Vorgaben.
JStG 2020, BGBl I 2020 S. 3096, Bundesfinanzministerium online, Meldung v. 28.12.2020; NWB
06.01.2021
Das BMF verlängert die Anwendbarkeit seiner aufgrund der Corona-Krise getroffenen Billigkeitsregelungen im Bereich des Spenden- und Gemeinnützigkeitsbereichs auf den 31.12.2021, d.h. um ein Jahr.
Hintergrund: Im April und Mai 2020 hatte das BMF den Spendenabzug erleichtert, wenn Steuerpflichtige zugunsten Betroffener der Corona-Krise gespendet haben; außerdem hatte es das BMF bei gemeinnützigen Vereinen nicht beanstandet, wenn sie Mittel für Betroffene der Corona-Krise verwendet haben. Diese Maßnahmen waren bis zum 31.12.2020 befristet.
Wesentliche Aussagen im neuen BMF-Schreiben: Das BMF verlängert die zeitliche Anwendung seiner bisherigen Billigkeitsmaßnahmen um ein Jahr auf den 31.12.2021, nimmt zugleich aber auch einige Änderungen vor. Das bedeutet im Einzelnen:
Neu sind die Ausführungen zur Umsatzsteuerfreiheit: Bislang hatte das BMF die Überlassung von Personal, Räumen, Sachmitteln durch gemeinnützige Vereine an Krankenhäuser, Alten- oder Pflegeheime als umsatzsteuerfrei angesehen, wenn die überlassenen Leistungen der Betreuung und Versorgung von Betroffenen der Corona-Krise dienen. Nach dem aktuellen Schreiben gilt die Umsatzsteuerfreiheit nur noch dann, wenn sowohl der leistende Verein als auch Leistungsempfänger Umsätze erbringen, die unter dieselbe Umsatzsteuerbefreiung fallen.
Ebenfalls neu ist die Anerkennung des Vorsteuerabzugs in dem Fall, in dem ein Unternehmer bereits bei Bezug der Eingangsleistungen beabsichtigt, diese Leistungen ausschließlich und unmittelbar Einrichtungen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, die sich intensiv der Bekämpfung der Corona-Krise widmen, wie z.B. Krankenhäuser, Arztpraxen, Polizei, Feuerwehr, Pflegedienste, Rettungsdienste etc. Es entsteht dann auch keine Umsatzsteuer, weil eine sog. unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme) verneint wird.
Auch im Jahr 2021 genügt für den Spendenabzug als Nachweis der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts (z.B. der Kontoauszug, Lastschrifteinzugsbeleg oder der PC-Ausdruck bei Online-Banking), wenn es sich um Spenden auf ein Sonderkonto eines im Bereich der Wohlfahrtspflege tätigen Vereins oder einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts handelt und auf dem Sonderkonto Spenden für Betroffene der Corona-Krise gesammelt werden.
Das BMF beanstandet es auch im Jahr 2021 nicht, wenn gemeinnützige Vereine, deren Zweck nicht die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, des Wohlfahrtswesens oder mildtätiger Zwecke ist, sondern die andere Zwecke verfolgen (z.B. Sport, Kultur), Spenden für Betroffene der Corona-Krise sammeln und für die Betroffenen verwenden. In diesem Fall muss der Verein allerdings die Bedürftigkeit der unterstützten Person oder Einrichtung grundsätzlich selbst prüfen und dokumentieren. Alternativ kann der Verein die gesammelten Spenden auch an mildtätige Vereine weiterleiten, die dann die Spenden verwenden. Statt der Spenden darf ein gemeinnütziger Verein auch vorhandene Mittel wie Geld, Personal oder Räume zugunsten Betroffener der Corona-Krise einsetzen. Auch Einkaufsdienste oder vergleichbare Dienste für Betroffene der Corona-Krise sind steuerlich unschädlich.
Grundsätzlich steuerlich absetzbar sind auch weiterhin Aufwendungen eines Unternehmers für Betroffene der Corona-Krise, während der Verzicht eines Arbeitnehmers auf einen Teil seines Arbeitslohns zur Steuerfreiheit des entsprechenden Anteils des Arbeitslohns führt, wenn der Arbeitgeber diesen Anteil auf ein Spendenkonto einzahlt, das für Betroffene der Corona-Krise eingesetzt wird.
Hinweis: Die zeitliche Verlängerung hilft insbesondere Spendern und Vereinen, die sich bei der Bekämpfung der Corona-Krise engagieren.
Das BMF-Schreiben enthält keine zeitliche Verlängerung für den Vollstreckungsschutz für alle Steuerpflichtigen, den das BMF bis zum 31.12.2020 gewährt hat. Hier ist derzeit nicht absehbar, ob der bis zum 31.12.2020 gewährte Vollstreckungsschutz noch einmal verlängert wird.
BMF-Schreiben vom 18.12.2020 – IV C A – S 2223/19/10003 :006; NWB
05.01.2021
Die Abschlagszahlungen für die außerordentliche Wirtschaftshilfe für den Monat Dezember sind gestartet. Wie bei der außerordentlichen Wirtschaftshilfe für den Monat November können auch bei der außerordentlichen Wirtschaftshilfe für den Monat Dezember Abschlagszahlungen bis zu einer Höhe von maximal 50.000 € gewährt werden; Soloselbständige können im eigenen Namen Anträge bis maximal 5.000 € stellen.
Hintergrund: Mit der außerordentlichen Wirtschaftshilfe für den Monat Dezember können diejenigen Unternehmerinnen und Unternehmer, die nach den November-Schließungen auch im Dezember weiterhin von Schließungen direkt oder indirekt betroffen sind, auch im Dezember Zuschüsse in Höhe von bis zu 75 % des Vergleichsumsatzes im Jahr 2019 als Beitrag zum Ausgleich der erlittenen Schäden erhalten.
Die außerordentliche Wirtschaftshilfe für den Monat Dezember im Überblick:
Antragsberechtigt sind direkt und indirekt von den temporären Schließungen betroffene Unternehmen entsprechend den Regelungen der Novemberhilfe.
Mit der Dezemberhilfe werden im Grundsatz erneut Zuschüsse von bis zu 75 % des Umsatzes aus Dezember 2019 anteilig für die Anzahl an Tagen der Schließung im Dezember 2020 gewährt. Das europäische Beihilferecht erlaubt eine Förderung von derzeit insgesamt bis zu einer Million Euro ohne konkrete Nachweise eines Schadens. Soweit es der beihilferechtliche Spielraum der betroffenen Unternehmen angesichts schon bislang gewährter Beihilfen zulässt, wird für die allermeisten Unternehmen der Zuschuss in Höhe von bis zu 75 % des Umsatzes des Vorjahresmonats auf dieser Grundlage gezahlt werden können. Zuschüsse zwischen einer und vier Millionen Euro nach der Bundesregelung Fixkostenhilfe wurden von Brüssel genehmigt. Die Bundesregierung setzt sich zudem bei der Europäischen Kommission dafür ein, dass die Höchstbeträge für Kleinbeihilfen und Fixkosten des Temporary Framework deutlich erhöht werden. Für Zuschüsse von über 4 Millionen Euro laufen weitere Abstimmungen mit der Europäischen Kommission, um eine gesonderte Genehmigung auf Basis des Schadensausgleichs des EU-Beihilferechts zu erreichen.
Die Antragstellung erfolgt über die bundesweit einheitliche IT-Plattform der Überbrückungshilfe (www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de). Der Antrag wird wie bei der Novemberhilfe über Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder andere Dritte erfolgen. Soloselbstständige, die nicht mehr als 5.000 € Förderung beantragen, können die Anträge mit ihrem ELSTER-Zertifikat direkt stellen.
BMWi Pressemitteilung v. 5.1.2020; NWB
04.01.2021
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Dezember 2020 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2020 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF-Schreiben vom 4.1.2021 – III C 3 – S 7329/19/10001 :002 (2020/1352411); NWB
23.12.2020
Das Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz gibt einen Überblick über wichtige Änderungen im Steuerrecht, die im Jahr 2021 in Kraft treten.
Familien
Der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes werden um jeweils 288 Euro erhöht. Eltern können dann 8.388 Euro pro Kind steuerlich geltend machen. Das zugehörige Kindergeld steigt ab dem 1. Januar 2021 um 15 Euro im Monat pro Kind. Für die ersten beiden Kinder beträgt es hiernach monatlich je 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro. Ab dem vierten Kind erhalten Eltern jeweils 250 Euro. Außerdem können Alleinerziehende einen Entlastungsbetrag von 4.008 Euro geltend machen, der sich für jedes weitere Kind um 240 Euro erhöht.
Grundfreibetrag
Der Grundfreibetrag steigt um 336 Euro auf 9.744 Euro. So werden bei einem Ledigen erst ab einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 9.744 Euro im Jahr Steuern fällig. Bei Ehepaaren oder eingetragenen Lebenspartnern verdoppelt sich der Betrag auf 19.488 Euro.
Rückführung Solidaritätszuschlag
In einem ersten Schritt werden Steuerzahler mit einem Bruttojahreseinkommen von unter 73.000 Euro vom Solidaritätszuschlag vollständig entlastet. Für höhere Einkommen entfällt der Zuschlag zumindest in Teilen. Erst ab einem Einkommen von rund 109.000 Euro muss der Solidaritätszuschlag in voller Höhe weitergezahlt werden.
Kalte Progression
Die Eckwerte des Einkommensteuertarifs werden verschoben. Dadurch soll die sogenannte „kalte Progression“ ausgeglichen werden. Kalte Progression tritt dann ein, wenn Lohn- und Gehaltssteigerungen lediglich die Inflation ausgleichen, es aber trotzdem wegen der mit höheren Einkommen steigenden Steuersätze zu einer Steuermehrbelastung kommt. Durch die Verschiebung der Tarifeckwerte wird ein Inflationsausgleich in den Einkommensteuertarif eingebaut.
Pauschbeträge für Behinderte
Die Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung werden verdoppelt. Ab einem Behinderungsgrad von 20 können Betroffene einen der Höhe nach vom Grad der Behinderung abhängigen Pauschbetrag geltend machen und müssen die behinderungsbedingten Mehrkosten nicht einzeln nachweisen. Zudem wird eine Fahrkostenpauschale für behinderungsbedingte Fahrten eingeführt.
Homeoffice-Pauschale
In Folge der durch Corona ausgeweiteten Arbeit von zu Hause kann für jeden vollen Arbeitstag im Homeoffice ein pauschaler Betrag von 5 Euro, max. 600 Euro im Jahr, geltend gemacht werden. Das Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers ist für die Berücksichtigung der Pauschale nicht erforderlich. Die Homeoffice-Pauschale wird auf den Werbungskostenpauschbetrag von 1.000 Euro angerechnet.
Pendlerpauschale
Für den einfachen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte können ab dem 21. Entfernungskilometer 35 Cent geltend gemacht werden. Für die ersten 20. Kilometer werden unverändert 30 Cent berücksichtigt. Arbeitnehmer, die keine Einkommensteuer zahlen, können für Fahrtwege ab dem 21. Entfernungskilometer beim Finanzamt eine Mobilitätsprämie beantragen.
Altersvorsorgeaufwendungen
Steuerpflichtige können Vorsorgeaufwendungen für das Alter steuerlich besser absetzen, wie zum Beispiel Beiträge zur gesetzlichen Rentenkasse oder zu Versorgungswerken. Bis zu einem Höchstbetrag von 25.787 Euro sind diese als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Maximal können 92 Prozent abgesetzt werden. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, wird von den Vorsorgeaufwendungen der steuerfreie Arbeitgeberanteil abgezogen.
Pflege-Pauschbetrag
Bereits ab Pflegegrad 2 beim zu Pflegenden kann für die häusliche Pflege ein Pflege-Pauschbetrag geltend gemacht werden. Ist die zu pflegende Person hilflos bzw. hat sie Pflegegrad 4 oder 5, wird der Pflege-Pauschbetrag auf 1.800 Euro erhöht.
Unterhalt
Für das Jahr 2020 erhöhen sich die Unterhaltskosten, die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können, um 336 Euro auf maximal 9.744 Euro.
Verbesserung im Bereich des Ehrenamts
Die Übungsleiterpauschale wird auf 3.000 Euro und die Ehrenamtspauschale auf 840 Euro angehoben. Damit verbunden ist auch eine entsprechende Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen. Ein vereinfachter Spendennachweis ist bis 300 Euro möglich. Für gemeinnützige Körperschaften wurden ebenfalls Verbesserungen beschlossen: Die Grenze, bis zu der diese Gesellschaften Einnahmen aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit steuerfrei erzielen können, wird von 35.000 Euro auf 45.000 Euro erhöht. Für kleine Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45.000 Euro wird zudem die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung abgeschafft. Erleichterungen ergeben sich auch bei der Mittelweitergabe an andere Körperschaften für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke. Der Katalog der gemeinnützigen Zwecke wird um die Bereiche Klimaschutz, Ortsverschönerung, Hilfe für Menschen, die auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung diskriminiert werden, und Freifunk erweitert.
Umsatzsteuer
Zur Stützung des privaten Konsums wurden die Umsatzsteuersätze ab dem 1.7.2020 von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 % abgesenkt. Diese befristete Steuersatzsenkung läuft zum 31.12.2020 planmäßig aus, so dass ab 1.1.2021 wieder die Steuersätze von 19 % bzw. 7 % gelten.
FinMin Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung v. 21.12.2020; NWB
23.12.2020
Stellt das Finanzamt durch Bescheid einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang auf einen bestimmten Zeitpunkt fest, darf es den Bescheid nicht dahingehend ändern, dass es einen neuen Zeitpunkt feststellt. Hält es den Zeitpunkt für falsch, muss es vielmehr den Bescheid aufheben und einen neuen Bescheid erlassen; der Zeitpunkt ist nämlich wichtig für die Wertermittlung des Grundstücks.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer entsteht bei der Übertragung von Grundstücken oder bei der Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften. Liegt ein betroffenes Grundstück außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamts, stellt dieses Finanzamt zunächst gesondert fest, dass ein bestimmter Vorgang Grunderwerbsteuer ausgelöst hat, wer als Steuerschuldner in Betracht kommt, um welche Grundstücke es geht und zu welchem Zeitpunkt der Erwerbsvorgang geschehen ist. Anschließend ermittelt das sog. Lagefinanzamt den Wert des Grundstücks.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, an der die B-GmbH zu 1 % und die C-GmbH zu 99 % als Kommanditisten beteiligt waren. Die Komplementär-GmbH war nicht am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt. An der C-GmbH war D bis zum 9.12.2003 zu 16 % beteiligt, anschließend mit 40 %. Im November 2000 erwarb die Klägerin von der C-GmbH ein Grundstück. Im Jahr 2007 fand eine Umstrukturierung statt, bei der zunächst die C-GmbH einen Kommanditanteil an der Klägerin in Höhe von 6 % auf D, ihren Kommanditisten, übertrug. Anschließend wurde die C-GmbH auf die F-GmbH verschmolzen und die Verschmelzung am 20.4.2007 in das Handelsregister eingetragen. Am 23.12.2008 wurde dann bei der KG u.a. der Eintritt des D als Kommanditist in die Klägerin und das Ausscheiden der C-GmbH bei der Klägerin eingetragen.
Das Finanzamt ging davon aus, dass am 23.12.2008 durch die Verschmelzung der C-GmbH auf die F-GmbH und durch den Eintritt des D insgesamt 99 % der Anteile der Klägerin auf neue Gesellschafter übergegangen seien, und stellte mit Bescheid vom 14.8.2009 einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang fest. Im folgenden Klageverfahren änderte das Finanzamt diesen Bescheid am 12.12.2016 und ging nunmehr davon aus, dass am 20.4.2007 die Grunderwerbsteuer ausgelöst worden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Zwar könnte durch die am 20.4.2007 mit der Eintragung im Handelsregister wirksam gewordene Verschmelzung Grunderwerbsteuer entstanden sein. Es ist aber nicht klar, ob sich der Gesellschafterbestand der Klägerin innerhalb von fünf Jahren zu mindestens 95 % geändert hat.
Der Feststellungsbescheid ist aber in jedem Fall falsch, so dass eine Zurückverweisung an das Finanzgericht nicht erforderlich ist. Denn im ursprünglichen Bescheid vom 14.8.2009 ging das Finanzamt zu Unrecht davon aus, dass die Verschmelzung der C-GmbH am 23.12.2008 erfolgt sei; tatsächlich ist sie aber bereits am 20.4.2007 mit der Eintragung im Handelsregister wirksam geworden. Am 23.12.2008 sind lediglich die Auswirkungen bei der Klägerin im Handelsregister eingetragen worden.
Das Finanzamt durfte diesen Bescheid nicht hinsichtlich des Zeitpunkts ändern, indem es nunmehr den 20.4.2007 als Erwerbszeitpunkt ansetzt. Denn wenn der festgestellte Zeitpunkt nicht richtig ist, muss das Finanzamt den Bescheid aufheben und kann anschließend allenfalls einen neuen Bescheid erlassen. Der Zeitpunkt hat nämlich Bedeutung für den Wert des Grundbesitzes.
Hinweise: Im Streitfall ging es um einen Feststellungsbescheid, mit dem das Finanzamt zunächst nur die Steuerbarkeit eines bestimmten Erwerbsvorgangs feststellt, damit anschließend das sog. Lagefinanzamt, in dessen Zuständigkeitsbezirk sich das betroffene Grundstück befindet, die Wertermittlung durchführen kann. Aber auch bei einem klassischen Grunderwerbsteuerbescheid darf das Finanzamt, wenn es einen anderen Erwerbsvorgang als den im Steuerbescheid genannten Erwerbsvorgang besteuern will, nicht einfach den anderen Erwerbsvorgang zugrunde legen und den Bescheid ändern, sondern es muss den Grunderwerbsteuerbescheid ändern und kann ggf. einen neuen Bescheid erlassen.
Für den Steuerpflichtigen hat dies zum einen den Vorteil, dass er das Verfahren gegen den ursprünglichen Bescheid gewonnen hat und ihm auch etwaige Kosten erstattet werden können; zum anderen kann das Finanzamt einen neuen Bescheid nur erlassen, wenn die Verjährung noch nicht eingetreten ist. Schließlich kann der Wert des Grundstücks bei dem nun geänderten Zeitpunkt niedriger ausfallen.
BFH, Urteil vom 17.6.2020 - II R 18/17; NWB
22.12.2020
Zwar setzt die Grunderwerbsteuerbefreiung, die für den Übergang eines Grundstücks von einer Personengesellschaft auf den Gesellschafter im Umfang seiner Beteiligungsquote gewährt wird, voraus, dass der Gesellschafter in den letzten fünf Jahren beteiligt war. Diese Voraussetzung ist aber nicht zu erfüllen, wenn bereits der Betritt des Gesellschafters zur Personengesellschaft grunderwerbsteuerbar war. Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Finanzamt anlässlich des Beitritts des Gesellschafters tatsächlich Grunderwerbsteuer festgesetzt hat und ob diese bezahlt worden ist.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer entsteht u.a., wenn die Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren zu mindestens 95 % auf neue Gesellschafter übertragen werden.
Wird ein Grundstück von einer Personengesellschaft auf den Gesellschafter übertragen, ist diese Übertragung grunderwerbsteuerfrei, soweit der Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt war. Voraussetzung für die Grunderwerbsteuerfreiheit ist aber, dass der Gesellschafter seit mindestens fünf Jahren beteiligt war.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die durch einen Insolvenzverwalter vertreten wurde. Die Klägerin erwarb durch Vertrag vom 22.2.2010 sämtliche Kommanditanteile an der grundbesitzenden A-GmbH & Co. KG sowie alle Gesellschaftsanteile an deren Komplementärin, der A-GmbH. Der vollständige Anteilserwerb durch die Klägerin war daher grunderwerbsteuerbar, weil mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der A-GmbH & Co. KG, nämlich sogar 100 %, ausgetauscht wurden. Am 30.9.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH & Co. KG eröffnet. Dies hatte nach dem Gesellschaftsvertrag zur Folge, dass die A-GmbH ausschied, so dass das Vermögen der A-GmbH & Co. KG und damit auch der Grundbesitz auf die Klägerin anwuchs.
Das Finanzamt setzte nun zunächst am 24.9.2012 gegenüber der A-GmbH & Co. KG Grunderwerbsteuer aufgrund des Anteilserwerbs der Klägerin vom 22.2.2010 fest. Die A-GmbH & Co. KG zahlte die Grunderwerbsteuer aber nicht, weil die Grunderwerbsteuer nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden war. Am 13.9.2013 setzte das Finanzamt Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin aufgrund der Anwachsung vom 30.9.2010 fest. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Zwar war die Anwachsung des Vermögens der A-GmbH & Co. KG auf die Klägerin am 30.9.2010 grunderwerbsteuerbar, weil durch die Anwachsung das Eigentum am Grundstück vom Vermögen der A-GmbH & Co. KG auf die Klägerin übergangen ist.
Dieser Eigentumsübergang war aber grunderwerbsteuerfrei, weil die Klägerin zu 100 % am Vermögen der A-GmbH & Co. KG beteiligt war. Nach dem Gesetz bleibt die Übertragung eines Grundstücks von der Personengesellschaft auf den Gesellschafter im Umfang der Beteiligungsquote steuerfrei; dies gilt nach dem Gesetz auch im Fall der Auflösung der Personengesellschaft, wenn hierdurch das Grundstück in das Alleineigentum eines Gesellschafters übergeht.
Zwar setzt die Steuerbefreiung an sich voraus, dass die Beteiligung des Gesellschafters nicht erst in den letzten fünf Jahren begründet worden ist; die Klägerin ist erst am 22.2.2010 und damit ein gutes halbes Jahr vorher Gesellschafterin geworden. Allerdings handelt es sich bei dieser Voraussetzung um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift, die daher nicht anzuwenden ist, wenn bereits der Beteiligungserwerb durch die Klägerin grunderwerbsteuerbar war. Dies war beim Anteilserwerb am 22.2.2010 der Fall, weil die Anteilsgrenze von 95 % erreicht und sogar überschritten worden ist. Damit gab es keinen Grund, die Steuerbefreiung für den Grundstücksübergang auf die Klägerin am 30.9.2010 zu versagen. Unerheblich ist, ob die Grunderwerbsteuer für den Anteilserwerb am 22.2.2010 festgesetzt und bezahlt worden ist.
Hinweise: Der BFH engt die Ausnahme von der Steuerbefreiung nach ihrem Sinn und Zweck ein, d.h. zugunsten der Steuerbefreiung. Der BFH stellt darauf ab, ob gestaltet wurde, d.h. ob die Beteiligung des Gesellschafters innerhalb der letzten fünf Jahre steuerfrei begründet wurde (also unterhalb der 95 %-Grenze), um nunmehr das Grundstück im Umfang der Beteiligung steuerfrei zu erhalten. Im Streitfall war dies nicht zu bejahen, da der Anteilserwerb der Klägerin am 22.2.2010 grunderwerbsteuerbar war. Für die Steuerbefreiung des streitigen, zweiten Erwerbs vom 30.9.2010 ist also auf die Grunderwerbsteuerbarkeit des ersten Erwerbs vom 30.9.2010 abzustellen. Unbeachtlich ist, dass die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den ersten Erwerb aus Sicht des Finanzamts nicht erfolgreich war.
Wäre der Anteilserwerb vom 22.2.2010 nicht steuerbar gewesen, weil die Klägerin weniger als 95 % der Anteile erworben hätte, hätte die Klage keinen Erfolg gehabt.
BFH, Urteil vom 25.8.2020 - II R 23/18; NWB
21.12.2020
Wird der Kaufpreis aufgrund einer vertraglichen Kaufpreisanpassung nach Ablauf von zwei Jahren herabgesetzt, führt dies nicht zu einer Minderung der Grunderwerbsteuer, da die gesetzliche Zwei-Jahres-Frist bereits abgelaufen ist. Die vertragliche Kaufpreisanpassung stellt auch keine zivilrechtliche Minderung dar, die auch nach Ablauf von mehr als zwei Jahren zu einer Minderung der Grunderwerbsteuer führen würde.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach dem Kaufpreis. Wird der Kaufpreis nachträglich aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung herabgesetzt, führt dies auf Antrag auch zu einer entsprechenden Minderung der Grunderwerbsteuer, wenn die Herabsetzung des Kaufpreises innerhalb von zwei Jahren seit dem Kaufvertrag erfolgt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die mit Kaufvertrag vom 28.10.2008 Ackerland zum Preis von ca. 1 Mio. € erwarb; dieser Vertrag wurde am 1.12.2008 von der Gemeinde genehmigt. Für die erworbene Fläche galten besondere öffentlich-rechtliche Bewertungs- und Kaufpreisanpassungsregeln. Die Klägerin vereinbarte daher mit der Verkäuferin, dass eine gerichtliche Überprüfung des vereinbarten Kaufpreises aufgrund dieser öffentlich-rechtlichen Regelungen erfolgen könne. In der Folgezeit kam es zu einer gerichtlichen Überprüfung des vereinbarten Kaufpreises, und am 15.4.2015 entschied das Landgericht (LG), dass der angemessene Kaufpreis 870.000 € beträgt. Die Verkäuferin zahlte ca. 130.000 € an die Klägerin zurück, die daraufhin die Minderung der Grunderwerbsteuer beantragte. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Grunderwerbsteuer ist aufgrund der Bemessungsgrundlage in Höhe des vereinbarten Kaufpreises von 1 Mio. € zutreffend festgesetzt worden.
Zwar wird die Grunderwerbsteuer auf Antrag herabgesetzt, wenn der Kaufpreis nachträglich durch vertragliche Vereinbarung gemindert wird. Dies setzt aber eine vertragliche Minderung innerhalb von zwei Jahren voraus. Die Grunderwerbsteuer war spätestens aufgrund der Genehmigung des Kaufvertrags am 1.12.2008 entstanden; die Minderung des Kaufpreises erfolgte aber erst durch das LG-Urteil am 15.4.2015, also nach mehr als zwei Jahren.
Die Zwei-Jahres-Frist gilt nicht, wenn der Kaufpreis infolge einer Minderung wegen Mangels herabgesetzt wird. Dies setzt einen Mangel des verkauften Grundstücks voraus. Einen solchen Mangel des Grundstücks gab es im Streitfall aber nicht; vielmehr ist die Herabsetzung des Kaufpreises aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Anpassungsverpflichtung erfolgt.
Der Bescheid war auch nicht wegen neuer Tatsachen zu ändern. Denn selbst wenn man in dem Urteil des LG eine neue Tatsache sehen würde, war im Jahr 2015 die vierjährige Verjährungsfrist für Steuerfestsetzungen bereits abgelaufen.
Hinweise: Der BFH lehnt eine analoge Anwendung der Vorschrift, die bei einer zivilrechtlichen Minderung des Kaufpreises wegen Mangels eine Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auch noch nach Ablauf von zwei Jahren ermöglicht, ab. Die Käuferin hatte einen im Kaufvertrag vereinbarten, einseitig durchsetzbaren Anspruch auf Herabsetzung des Kaufpreises; dieser Anspruch ist mit einer Minderung, die wegen eines Mangels geltend gemacht wird, nicht vergleichbar.
Der BFH sieht in der Entscheidung des LG auch kein rückwirkendes Ereignis, das eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids ermöglichen würde. Die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses hätte den Vorteil für die Klägerin gehabt, dass damit eine vierjährige Festsetzungsfrist begonnen hätte. Der BFH hat allerdings bereits vor Kurzem entschieden, dass diese Änderungsvorschrift durch die speziellen grunderwerbsteuerlichen Herabsetzungsvorschriften verdrängt wird.
BFH, Urteil vom 22.7.2020 - II R 32/18; NWB
18.12.2020
Zwei Tage nach dem Bundestag hat am 18.12.2020 auch der Bundesrat zahlreichen neuen Regeln im Steuerrecht zugestimmt. Das Gesetz kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet werden.
Hierzu führt der Bundesrat weiter aus:
Der Bundestag hat während seiner Beratungen zahlreiche Forderungen des Bundesrates aus dessen Stellungnahme vom 9.10.2020 aufgegriffen. Dies begrüßen die Länder ausdrücklich.
Pauschale für Homeoffice
So beschloss der Bundestag Erleichterungen für das Arbeiten im Homeoffice: Steuerpflichtige können für jeden Kalendertag der Jahre 2020 und 2021, an dem sie ausschließlich zuhause arbeiten, einen Betrag von fünf Euro geltend machen - maximal 600 Euro. Dies gilt, auch wenn die üblichen Voraussetzungen für den Abzug von Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer nicht vorliegen.
Stärkung für das Ehrenamt
Vereine und Ehrenamtliche werden gestärkt - auch dies eine langjährige Forderung des Bundesrates: Die sogenannte Übungsleiterpauschale steigt ab 2021 von 2.400 auf 3.000 Euro, die Ehrenamtspauschale von 720 auf 840 Euro. Bis zu einem Betrag von 300 Euro ist ein vereinfachter Spendennachweis möglich.
Freifunk künftig gemeinnützig
Der Zweckkatalog der Abgabenordnung für gemeinnützige Organisationen wird um die Zwecke Klimaschutz, Freifunk und Ortsverschönerung erweitert - ebenfalls eine Anregung der Länder.
Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld weiter steuerfrei
Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld bleiben bis Ende 2021 steuerfrei. Verbesserungen gibt es zudem für weitere Beihilfen und Unterstützungen, die Beschäftigte aufgrund der Corona-Krise erhalten, z.B. den Pflegebonus: Die bis zum Jahresende befristete Steuerbefreiung für Zahlungen bis 1500 Euro wird bis Juni 2021 verlängert. Damit haben Arbeitgeber mehr Zeit für eine steuerbegünstigte Abwicklung der Corona-Beihilfen.
Entlastung für Alleinerziehende
Ebenfalls verlängert wird die Entlastung für Alleinerziehende in Höhe von 4.008 Euro, die im Zweiten Corona-Steuerhilfe Gesetz befristet eingeführt worden war. Die Befristung wird aufgehoben, so dass die Erhöhung auch ab dem Jahr 2022 fort gilt.
Höhere Sachbezugsgrenze
Auch die steuerfreie Sachbezugsgrenze für alle Beschäftigten erhöht sich ab 2022 von 44 auf 50 Euro. Für sogenannte Sachbezugskarten folgt eine Klarstellung durch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums.
Mieterschutz
Bei der Besteuerung von Mieteinnahmen verbessert sich die Regelung für besonders günstig vermieteten Wohnraum: Bisher können Werbungskosten vom Vermieter in diesen Fällen nur dann geltend gemacht werden, wenn die Miete mindestens 60 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt. Diese Grenze sinkt auf 50 Prozent. Damit soll verhindert werden, dass Vermieter aus rein steuerlichen Gründen die Miete erhöhen.
Verlustverrechnung aus Termingeschäften
Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, können künftig bis 20.000 Euro im laufenden Kalenderjahr mit Gewinnen und so genannten Stillhalterprämien verrechnet werden - bisher waren es maximal 10.000 Euro. Nicht verrechnete Verluste könnten auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen verrechnet werden.
Verluste aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter oder der so genannten Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung können mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 20.000 Euro im Jahr ausgeglichen werden. Auch hier ist die Übertragung und Verrechnung nicht verrechneter Verluste auf die Folgejahre möglich.
Längere Verjährung für Steuerstraftaten
Bei besonders schwerer Steuerhinterziehung wird die Verjährungsfrist von zehn Jahren auf 15 Jahre verlängert, um den Behörden mehr Zeit für die Aufklärung und Verfolgung komplexen Taten zu geben, zum Beispiel auch die so genannten Cum-Ex-Taten.
Internationaler Online-Handel
Weitere Neuregelungen betreffen die Modernisierung des Mehrwertsteuersystems und die Betrugsbekämpfung im grenzüberschreitenden Online-Handel, Anpassungen an aktuelle Steuerrechtsprechung und die Umsetzung von EU-Vorgaben.
Entlastung für Dach-Solaranlagen gefordert
In einer begleitenden Entschließung bedauert der Bundesrat, dass weitergehende Vorschläge zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Finanzbehörden nicht umgesetzt worden sind, ebenso wenig seine Forderung, kleinere Photovoltaik-Anlagen steuerlich zu unterstützen. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, zeitnah die Steuerbefreiung für neue Solaranlagen auf Dachflächen oder an Gebäuden mit einer Leistung von bis zu 10 kWp einzuführen.
Hinweise:
Nach Unterzeichnung des Bundespräsidenten kann das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet werden und überwiegend am Tag darauf in Kraft treten. Die Entschließung wurde der Bundesregierung zur Entscheidung zugeleitet.
PlenumKOMPAKT, Meldung v. 18.12.2020; NWB
18.12.2020
Eine Verbindlichkeit ist nicht gewinnerhöhend aufzulösen, wenn eine Rangrücktrittsvereinbarung geschlossen worden ist, die eine Tilgung aus freiem Vermögen vorsieht. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner sein operatives Geschäft eingestellt hat und nur noch sein Betriebsgrundstück vermietet und zudem überschuldet ist.
Hintergrund: Mit einem Rangrücktritt tritt ein Gläubiger gegenüber den anderen Gläubigern im Rang zurück. Ein Rangrücktritt führt grundsätzlich dazu, dass die Verbindlichkeit nicht in einer Überschuldungsbilanz ausgewiesen werden muss, so dass durch einen Rangrücktritt ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vermieden werden kann.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, deren Alleingesellschafter der B war. Die Klägerin stellte ihren operativen Geschäftsbetrieb im Jahr 2006 ein und vermietete nunmehr nur noch ihr Betriebsgelände. Im Jahr 2007 war die Klägerin überschuldet und vereinbarte mit B einen Rangrücktritt, nach dem B im Rang hinter die anderen Gläubiger zurücktreten sollte und eine Tilgung nur aus künftigen Jahresüberschüssen, aus einem Liquidationsüberschuss und aus freiem Vermögen verlangen konnte. Jeweils in den Jahren 2007 und 2008 verzichtete B noch auf einen Teilbetrag der Forderung, nicht aber auf die gesamte Forderung. Im Jahr 2017 nahm die Klägerin ihren operativen Betrieb wieder auf. Das Finanzamt löste die Verbindlichkeit zum 31.12.2008 gewinnerhöhend auf und begründete dies damit, dass die wirtschaftliche Belastung weggefallen sei, weil die Klägerin aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage die Verbindlichkeit nicht mehr erfüllen werde.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Verbindlichkeit war in der Handelsbilanz nicht aufzulösen, so dass die Verbindlichkeit aufgrund des sog. Maßgeblichkeitsgrundsatzes in die Steuerbilanz zu übernehmen war; die Handelsbilanz ist nämlich grundsätzlich maßgeblich für die Steuerbilanz.
In der Handelsbilanz blieb die Verbindlichkeit deshalb stehen, weil die wirtschaftliche Belastung, die mit einer Verbindlichkeit einhergeht, trotz der Überschuldung der Klägerin und der Einstellung ihres operativen Geschäftes bestehen blieb. Handelsrechtlich genügt es für eine Ausbuchung der Verbindlichkeit nicht, dass der Schuldner überschuldet ist.
Auch der Rangrücktritt führte handelsrechtlich nicht zu einer Ausbuchung der Verbindlichkeit. Denn durch den Rangrücktritt hat sich für den B nur die Rangfolge geändert; der Rangrücktritt stellt aber keinen Forderungsverzicht dar. Der B hätte daher – im Rang nach den anderen Gläubigern – eine Tilgung von der Klägerin aus deren freien Vermögen verlangen können, d.h. aus dem Vermögen, das nach Abzug der Schulden verbleibt.
Damit war die Verbindlichkeit sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zu passivieren. Steuerlich gibt es zwar noch die Besonderheit, dass eine Verbindlichkeit nicht passiviert werden darf, wenn sie nur aus künftigen Gewinnen oder Einnahmen zu bedienen ist. Bei Rangrücktritten greift diese Regelung aber nur, wenn eine Tilgung aus freiem Vermögen ausgeschlossen ist und die Tilgung nur aus künftigen Gewinnen und aus einem künftigen Liquidationsüberschuss zu erfolgen hat. Im Streitfall war die Tilgung aus freiem Vermögen jedoch nicht ausgeschlossen. Unbeachtlich ist, dass die Entstehung freien Vermögens eher unwahrscheinlich war.
Hinweise: Das Urteil ist für die Praxis enorm wichtig, weil der BFH deutlich macht, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung in der Handelsbilanz nicht zur Auflösung der Verbindlichkeit führt; dies gilt über den Maßgeblichkeitsgrundsatz auch für die Steuerbilanz, so dass eine gewinnerhöhende Auflösung und damit eine Steuererhöhung vermieden werden kann. Diese Klarstellung des BFH war geboten, weil es handelsbilanziell in den letzten Jahren aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs umstritten war, ob Rangrücktrittsverbindlichkeiten gewinnerhöhend aufzulösen sind.
Gerade für wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen ist es zudem wichtig, dass der BFH allein die Überschuldung und wirtschaftlich schlechte Lage des Schuldners nicht für ausreichend hält, eine Verbindlichkeit gewinnerhöhend aufzulösen.
BFH, Urteil vom 13.9.2018 - XI R 32/18; NWB
16.12.2020
Studierende können Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen eines Auslandsemesters als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich entschieden.
Sachverhalt: Die Klägerin nahm nach einer abgeschlossenen Ausbildung ein Studium an einer inländischen Hochschule auf. Die Studienordnung der Hochschule schreibt für den Studiengang vor, dass die Studierenden das Studium für zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität zu absolvieren haben. Während des Auslandsstudiums bleiben die Studierenden an der inländischen Hochschule eingeschrieben. Die Klägerin beantragte für die Zeit des Auslandsstudiums die Anerkennung der dadurch bedingten zusätzlichen Unterkunftskosten sowie der Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten.
Das Finanzamt lehnte dies ab, da die Auslandsuniversität die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin sei und daher die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung – vergleichbar einem Arbeitnehmer – nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten angesetzt werden könnten. Eine solche liege aber unstreitig nicht vor.
Entscheidung: Der BFH gab der Klage der Studentin statt:
Sieht die Studienordnung, wie im Fall der Klägerin vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer ausländischen Hochschule absolvieren können bzw. müssen, bleibt die inländische Hochschule, jedenfalls soweit die Studierende dieser auch für die Zeiten des Auslandsstudiums zugeordnet bleibt, die erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG.
Kosten für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwand im Ausland sind deshalb als vorweggenommene Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen, auch wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliegt. Entsprechendes gilt bei Praxissemestern.
Hinweis: Von dieser Rechtsprechung profitieren allerdings nur Studierende, die bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder eine Bachelorstudiengang) abgeschlossen haben. Aufwendungen für die erste Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium) sind hingegen vom Werbungskostenabzug ausgenommen. Der Aufwand wird nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt und wirkt sich steuerlich nur aus, wenn die Studierenden im Jahr der Aufwandsentstehung über steuerpflichtige Einkünfte verfügen.
BFH, Pressemitteilung v. 3.12.2020 zum Urteil v. 14.5.2020 - VI R 3/18; NWB
15.12.2020
Bei dem Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem eigenen Haus spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Verluste sind daher steuerlich anzuerkennen. Dies gilt auch dann, wenn der erzeugte Strom zu mehr als 50 % für den eigenen Haushalt verwendet wird.
Hintergrund: Verluste werden nur berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige eine sog. Gewinnerzielungsabsicht bzw. Einkünfteerzielungsabsicht hat, also über die voraussichtliche Dauer seiner Tätigkeit einen sog. Totalgewinn erzielen will. Nimmt der Steuerpflichtige die Verluste hingegen aus privaten Gründen hin, spricht man von Liebhaberei; die Verluste werden dann steuerlich nicht anerkannt.
Sachverhalt: Die Kläger, ein Ehepaar, kauften im Jahr 2013 eine Photovoltaikanlage für ihr Einfamilienhaus. Der Preis für die Anlage inklusive Stromspeicher belief sich auf ca. 20.000 €. Der Hersteller gewährte eine Leistungsgarantie von 25 Jahren. In den Jahren 2014 bis 2017 nutzten die Kläger ca. 54 % des erzeugten Stroms für ihren eigenen Haushalt, während sie ca. 46 % gegen Entgelt in das Stromnetz einspeisten. Sie erzielten seit 2013 Verluste, mit Ausnahme des Jahres 2014, in dem der Gewinn aus einer Erstattung der Vorsteuer resultierte. Im Streitjahr 2016 belief sich ihr Verlust auf 261 €, den das Finanzamt wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht anerkannte.
Entscheidung: Das Thüringer Finanzgericht (FG) nahm eine Gewinnerzielungsabsicht an und gab der Klage statt:
Beim Betrieb einer Photovoltaikanlage spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Gewinnerzielungsabsicht. Denn die Verkäufer der Anlagen werben mit Gewinnen, so dass die Kläger hierauf vertraut haben dürften.
Von den Klägern kann nicht verlangt werden, dass sie zunächst ein betriebswirtschaftliches Konzept erstellen, aus dem sich der Totalgewinn ergibt. Es wäre auch übersteigert, von den Klägern die Erstellung eines teuren Sachverständigengutachtens zu verlangen, in dem die Entstehung eines Totalgewinns erläutert wird.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass im Jahr 2013, als die Kläger die Anlage erworben haben, der Strompreis gerade um ca. 9 % gestiegen war. Außerdem haben die Kläger eine höherwertige Anlage erworben, für die eine Garantie von 25 Jahre galt. Daher konnten sie davon ausgehen, dass die Anlage nach dem Ende der steuerlichen Nutzungsdauer noch einen Restwert haben wird.
Private Gründe für den Betrieb der Anlage sind nicht ersichtlich: Die Kläger wollten nicht etwa steuerliche Verluste erzielen, um so eine Steuerersparnis erlangen zu können. Auch war ihr Einkommen (zusammen ca. 90.000 €) nicht so hoch, als dass sie durch die Verluste steuerlich in nennenswertem Umfang entlastet wurden. Zwar wollten die Kläger den Strom für ihren eigenen Haushalt nutzen; dieses Motiv ist im Hinblick auf die erwartete Gewinnerzielung aber unschädlich.
Hinweis: Die Thüringer Richter halten es für übertrieben, dass ein Steuerpflichtiger, der eine kleine Photovoltaikanlage betreibt, aufwendig darlegen muss, weshalb er von einem Totalgewinn ausgeht. Die künftige Strompreisentwicklung ist zudem so unsicher, dass zuverlässige Prognosen über einen Totalgewinn ohnehin nicht möglich sind.
Das FG hatte zwar die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen; das Finanzamt hat die Revision jedoch zurückgenommen, nachdem es die Revision eingelegt hatte. In einem vergleichbaren Fall in Baden-Württemberg hatte das dortige Finanzamt ebenfalls nicht von der Revisionszulassung Gebrauch gemacht. Eine Entscheidung des BFH zur Frage der Gewinnerzielungsabsicht beim Betrieb einer Photovoltaikanlage ist daher bis auf Weiteres nicht zu erwarten.
Thüringer FG, Urteil vom 11.09.2019 - 3 K 59/18; NWB
14.12.2020
Ein ausländischer Unternehmer, der in Deutschland eine Vorsteuervergütung beantragt, muss nicht die eingescannten Originalrechnungen übermitteln, sondern kann auch eingescannte Rechnungskopien übermitteln. Soweit der deutsche Gesetzgeber die Übermittlung eingescannter Originalrechnungen verlangt, verstößt dies gegen das europäische Umsatzsteuerrecht.
Hintergrund: Ein Unternehmer, der im Ausland ansässig ist, kann die Erstattung (Vergütung) der von ihm in Deutschland bezahlten Vorsteuern beantragen. Hierzu muss er nach dem Gesetz bis zum 30.9. des Folgejahres einen elektronischen Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern stellen und die Rechnungen, aus denen sich der Vorsteuerabzug ergibt, als eingescannte Originale beifügen.
Sachverhalt: Der Kläger war ein belgischer Binnenschiffer, der in Deutschland im Jahr 2015 getankt hatte und aus den Tankrechnungen Vorsteuern im sog. Vorsteuervergütungsverfahren geltend machte. Er stellte den elektronischen Antrag am 27.9.2016, also drei Tage vor Fristablauf, und fügte seinem Antrag die Tankrechnungen in eingescannter Form mit der Aufschrift „Kopie“ bei. Das Bundeszentralamt für Steuern lehnte den Antrag ab, weil der Kläger nicht die Originalrechnungen in eingescannter Form beigefügt hatte. Erst Anfang 2017 übermittelte der Kläger die eingescannten Originalrechnungen.
Entscheidung: Das Finanzgericht Köln (FG) gab der Klage statt:
Zwar ist nach dem deutschen Gesetz erforderlich, dass die Originalrechnungen in eingescannter Form bis zum 30.9. des Folgejahres elektronisch übermittelt werden. Dieses Erfordernis erfüllten die eingescannten Rechnungskopien nicht.
Jedoch verstößt der deutsche Gesetzgeber mit seinem Erfordernis, dass die Originalrechnungen eingescannt werden müssen, gegen europäisches Umsatzsteuerrecht. Danach darf der Gesetzgeber des jeweiligen EU-Staates nur verlangen, dass eine Rechnungskopie elektronisch übermittelt wird.
Das deutsche Gesetz ist daher einschränkend auszulegen, so dass die Übermittlung einer eingescannten Rechnungskopie genügt. Diese Voraussetzung hat der Kläger erfüllt.
Hinweise: Dem FG zufolge kommt es nicht darauf an, ob es sich um Rechnungskopien handelt, die der Kläger selbst gefertigt hat oder ob der Kläger vom Rechnungsaussteller eine Kopie – zusätzlich zur Originalrechnung – erhalten hat.
Der Kläger hatte geltend gemacht, dass er die Originalrechnungen nicht einscannen konnte, weil er als Binnenschiffer nach belgischem Recht verpflichtet gewesen sei, die Originalrechnungen bis zum Ende der Fahrt auf seinem Schiff aufzubewahren. Hierauf kam es nun aber nach der Urteilsbegründung nicht an.
Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, die jedoch nicht eingelegt wurde. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.
FG Köln, Urteil vom 16.06.2020 - 2 K 2298/17
11.12.2020
Hält ein Steuerpflichtiger bereits mindestens 95 % der Anteile am Vermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer Anteilserwerb nach der bis zum 6.6.2013 geltenden Rechtslage nicht mehr grunderwerbsteuerbar. Ob eine grunderwerbsteuerbare Anteilsvereinigung vorliegt, richtet sich in dem Fall, in dem eine Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft gehalten wird, nach dem Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht nach der sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft.
Hintergrund: Der Grunderwerbsteuer unterliegt nicht nur die Übertragung von Grundstücken selbst, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch die Übertragung von Anteilen und Beteiligungen an Gesellschaften, die ihrerseits Grundbesitz halten. Die Übertragung der Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft unterliegt als sog. Anteilsvereinigung der Grunderwerbsteuer, wenn der Erwerber dadurch mindestens 95 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder – über eine zwischengeschaltete Gesellschaft – mittelbar hält.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die 100 % an der B-GmbH hielt. Die B-GmbH war als Kommanditistin mit 95 % an der grundbesitzenden Kommanditgesellschaft (KG) beteiligt. Außerdem waren an der KG die G-GmbH als weitere Kommanditistin mit 5 % sowie – als Komplementärin – die A-GmbH beteiligt. Die Klägerin war somit am Vermögen der KG über die B-GmbH mittelbar mit 95 % beteiligt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 30.8.2011 erwarb die B-GmbH von der G-GmbH die Kommanditbeteiligung von 5 % und war somit alleinige Kommanditistin der KG, d. h. zu 100 % am Vermögen der KG beteiligt. Im selben Vertrag kaufte die Klägerin die Anteile an der A-GmbH (Komplementär-GmbH). Im Ergebnis war damit die Klägerin die Alleingesellschafterin der einzigen Kommanditistin (B-GmbH) sowie Alleingesellschafterin der Komplementärin der KG (A-GmbH) und hielt damit mittelbar 100 % des Kapitals der KG statt wie bisher 95 %. Das Finanzamt sah darin eine mittelbare Anteilsvereinigung und setzte Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest.
Entscheidung: Der BFH gab der Klage statt, da der Kaufvertrag vom 30.8.2011 keine Grunderwerbsteuer ausgelöst hat.
Eine grunderwerbsteuerbare Anteilsvereinigung setzt voraus, dass der Erwerber der Anteile aufgrund des Anteilskaufs nunmehr mindestens 95 % der Anteile unmittelbar oder mittelbar der grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft hält.
Bei einem mittelbaren Erwerb kommt es darauf an, ob der Erwerber über die zwischengeschaltete Gesellschaft rechtlich begründete Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft hat. Das ist dann der Fall, wenn der Erwerber mindestens 95 % der Anteile an der Zwischengesellschaft hält und diese ihrerseits zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist.
Bei einer mittelbaren Beteiligung kommt es für die Bestimmung der 95 % auf die Beteiligung am Vermögen an und nicht auf die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Grundbesitz von einer Kapitalgesellschaft gehalten wird und eine Personengesellschaft zwischengeschaltet ist, sondern auch dann, wenn – wie im Streitfall – die grundbesitzende Gesellschaft eine Personengesellschaft ist und eine Kapitalgesellschaft zwischengeschaltet wird. Der Erwerber muss also mittelbar zu 95 % am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sein und hierzu mindestens 95 % der Anteile an der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft erlangen. Ob dann noch ein Dritter mit bis zu 4,9 % beteiligt ist, ist unerheblich, weil die sachenrechtliche Betrachtung nicht gilt.
Im Streitfall war die Klägerin bereits vor Abschluss des Kaufvertrags vom 30.8.2011 mittelbar zu 95 % an der grundbesitzenden KG beteiligt, da sie 100 % an der zwischengeschalteten B-GmbH hielt, die ihrerseits zu 95 % an der KG beteiligt war. Damit löste der Kaufvertrag vom 30.8.2011 keine Grunderwerbsteuer mehr aus.
Hinweis: Der BFH hat in der Vergangenheit im Rahmen der Anteilsvereinigung die sog. sachenrechtliche Betrachtungsweise vertreten, die für den Steuerpflichtigen günstig war; denn eine Beteiligung eines Dritten in Höhe von 0 % konnte eine grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung verhindern. Nachdem der BFH diese Betrachtungsweise zunächst nur für zwischengeschaltete Personengesellschaften aufgegeben hatte, gibt er die sachenrechtliche Betrachtungsweise nun auch für den Fall einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft, die an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, auf.
Das Finanzamt hätte im Streitfall die früheren Anteilskäufe der Klägerin vor dem 30.8.2011 besteuern müssen. Dies hat es aber unterlassen, weil nach der damaligen Rechtsprechung keine Grunderwerbsteuer entstanden wäre. Die Klägerin profitierte im Streitfall also von einer Änderung der Rechtsprechung, die an sich nachteilig für die Steuerpflichtigen war.
Der BFH lässt zwar weiterhin offen, ob die sachenrechtliche Betrachtungsweise auch beim unmittelbaren Erwerb an einer grundbesitzenden Personengesellschaft im Rahmen einer Anteilsvereinigung gilt. Tatsächlich dürfte dies nach der Begründung im aktuellen Urteil zu bejahen sein.
Zu beachten ist, dass das Urteil die Rechtslage bis zum 6.6.2013 betrifft. Am 6.6.2013 wurde der Tatbestand der sog. wirtschaftlichen Anteilsvereinigung eingeführt. Danach kann auch ein weiterer Anteilserwerb grunderwerbsteuerbar sein; allerdings wird dann die bisherige Bemessungsgrundlage angerechnet, so dass "nur" die Wertsteigerung besteuert wird.
BFH, Urteil vom 27.05.2020 - II R 45/17; NWB
10.12.2020
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die sog. Excel-Arbeitshilfe der Finanzverwaltung, die für die Aufteilung eines Kaufpreises auf den Grund und Boden einerseits und auf das Gebäude andererseits verwendet wird, für nicht geeignet. Die Excel-Arbeitshilfe der Finanzverwaltung darf somit nicht herangezogen werden, wenn einer vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises deshalb nicht gefolgt werden kann, weil der sich danach ergebende Wert für den Grund und Boden wesentlich niedriger ist als der Bodenrichtwert. In diesem Fall ist ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken heranzuziehen.
Hintergrund: Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein Grundstück, das er betrieblich nutzt oder vermietet, muss er den Kaufpreis auf den Grund und Boden einerseits sowie auf das Gebäude andererseits aufteilen. Nur das Gebäude kann abgeschrieben werden, so dass ein hoher Gebäudeanteil steuerlich vorteilhaft ist. Die Finanzverwaltung hat für die Kaufpreisaufteilung eine sog. Excel-Arbeitshilfe veröffentlicht, die von Steuerpflichtigen für die Aufteilung herangezogen werden kann und die regelmäßig von der Finanzverwaltung verwendet wird. Diese Arbeitshilfe führt aber häufig zu einem hohen Anteil des Grund und Bodens, so dass die Abschreibung auf das Gebäude niedrig ausfällt.
Sachverhalte: Der Kläger erwarb 2017 eine ca. 39 qm große Eigentumswohnung in Berlin, die er vermieten wollte. Der Kaufpreis betrug 110.000 €; dem Vertrag zufolge sollten hiervon 20.000 € auf den Grund und Boden entfallen und 90.000 € auf das Gebäude. Das Finanzamt folgte der vertraglichen Aufteilung nicht, sondern ermittelte anhand der Excel-Arbeitshilfe der Finanzverwaltung einen Gebäudewert von ca. 36.000 € (statt 90.000 €); der Berechnung lag ein Bodenrichtwert von 1.700 €/qm zugrunde. Hiergegen wehrte sich der Kläger.
Entscheidung: Der BFH verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück, das im ersten Rechtsgang in der Excel-Arbeitshilfe eine geeignete Schätzungshilfe gesehen hatte:
Zwar ist eine vertragliche Aufteilung des Kaufpreises grundsätzlich zu akzeptieren. Dies gilt aber nicht, wenn Zweifel an der Richtigkeit des Aufteilungsmaßstabs bestehen. Im Streitfall bestanden derartige Zweifel, weil der sich nach der vertraglichen Aufteilung ergebende Wert für den Grund und Boden wesentlich niedriger war als der Wert, der sich bei der Anwendung des Bodenrichtwertes ergab, und weil der Kläger diese Wertabweichung nicht mit der besonderen Werthaltigkeit des Gebäudes erklären konnte.
Für die Aufteilung des Kaufpreises kann die Exel-Arbeitshilfe der Finanzverwaltung nicht herangezogen werden. Denn zum einen beruht sie nur auf dem vereinfachten Sachwertverfahren und lässt ein Ertragswertverfahren nicht zu, ohne dies zu begründen. Zum anderen enthält die Arbeitshilfe keinen Orts- oder Regionalisierungsfaktor, so dass Besonderheiten wie besonders hohe Bodenpreise in einem Ballungsgebiet unberücksichtigt bleiben. Gerade bei hochwertigen Objekten und sanierten Altbauten in einer Großstadt könnte es daher zu einem zu hohen Bodenwert kommen.
Die Aufteilung muss durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erfolgen, wenn die vertragliche Aufteilung wirtschaftlich nicht haltbar ist und wenn das Gericht selbst nicht über die nötige Sachkunde verfügt.
Hinweise: Das Urteil hat für die Praxis erhebliche Bedeutung, weil sich die Finanzverwaltung künftig nicht mehr auf die Excel-Arbeitshilfe in der jetzigen Form berufen darf und die Excel-Arbeitshilfe oft nachteilig für die Steuerpflichtigen war.
Offen bleibt aber, wie es weitergeht. Das Finanzamt kann eine neue Arbeitshilfe entwickeln: Dann müssen aber auch regionale Faktoren berücksichtigt werden, und es darf das Ertragswertverfahren nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Das Finanzamt kann sich künftig auch weiterhin eines eigenen Bausachverständigen bedienen. Allerdings hat dessen Gutachten nur die Bedeutung eines sog. Privatgutachtens.
Zu beachten bleibt, dass auch nach dem aktuellen Urteil eine vertragliche Kaufpreisaufteilung grundsätzlich zu beachten ist. Eine wesentliche Abweichung vom Bodenrichtwert kann zwar ein Indiz dafür sein, dass die vertragliche Aufteilung die tatsächlichen Werte nicht angemessen wiedergibt; dieses Indiz kann aber dadurch entkräftet werden, dass der besondere Wert des Gebäudes nachgewiesen wird, z.B. aufgrund der Ausstattungsmerkmale, der Baukosten oder des besonderen Wohnwertes (kein Straßenlärm, soziale Einrichtungen in der Nähe). Allerdings kann das Finanzamt auch darlegen, dass der Grund und Boden besonders wertvoll ist, z.B. wegen einer gepflegten Gartenanlage.
BFH, Urteil v. 21.7.2020 - IX R 26/19; NWB
09.12.2020
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, wenn es sich bei der am Tätigkeitsort angemieteten Wohnung um die erste eigene Wohnung des noch jungen Arbeitnehmers handelt und als Erstwohnsitz die elterliche Wohnung angegeben wird. Denn dann verfügt der Arbeitnehmer am Wohnsitz der Eltern nur über sein Kinderzimmer und nicht über einen eigenen Hausstand. Daran ändert auch eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers nichts.
Hintergrund: Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seines Lebensmittelpunktes arbeitet und am Beschäftigungsort eine Zweitwohnung anmietet. Seit 2014 verlangt der Gesetzgeber, dass der Arbeitnehmer an seinem Lebensmittelpunkt eine Wohnung innehat und sich an den Kosten der Lebensführung finanziell beteiligt.
Sachverhalt: Die Klägerin schloss im Jahr 2015 ihre Berufsausbildung ab und wurde im Streitjahr 2016 24 Jahre alt. Sie hatte während der Ausbildung bei ihren Eltern in U-Stadt gewohnt. Ende 2015 begann sie für drei Jahre eine Tätigkeit für den Arbeitgeber X in K-Stadt. Sie mietete ab 1.1.2016 in K-Stadt eine 54 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung. Nach eigenen Angaben befand sich ihr Lebensmittelpunkt aber weiter bei ihren Eltern in U-Stadt, an die sie monatlich 200 € zahlte. Die Klägerin machte ca. 10.000 € als Kosten für eine doppelte Haushaltsführung im Jahr 2016 geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) verneinte ebenfalls eine doppelte Haushaltsführung und wies die Klage ab:
Eine doppelte Haushaltsführung setzt u.a. einen eigenen Hausstand am Lebensmittelpunkt voraus. Ist der Arbeitnehmer nicht verheiratet und bewohnt er im Haushalt seiner Eltern ein Zimmer, wird vermutet, dass der Arbeitnehmer keinen eigenen Hausstand unterhält, sondern in den Hausstand der Eltern eingegliedert ist.
Dies gilt auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer finanziell beteiligt. Zwar verlangt der Gesetzgeber seit 2014 für das Vorliegen eines eigenen Hausstands eine finanzielle Beteiligung; daraus folgt aber nicht, dass bereits aufgrund der finanziellen Beteiligung ein eigener Hausstand vorliegt. Der Gesetzgeber wollte lediglich erreichen, dass eine doppelte Haushaltsführung auch ohne Kostenbeteiligung anerkannt wird. Im Streitfall war zudem zu berücksichtigen, dass die Eltern der Klägerin einen Pkw gekauft hatten.
Die Klägerin konnte im Haus ihrer Eltern nur ihr bisheriges Kinderzimmer nutzen. Hingegen stand ihr in K-Stadt eine Zwei-Zimmer-Wohnung zur Verfügung. Unbeachtlich ist, dass ihr Arbeitsvertrag bei X in K-Stadt auf drei Jahre befristet war. Immerhin blieb die Klägerin auch nach Ablauf der drei Jahre in K-Stadt wohnen und zog dort 2019 mit ihrem Freund zusammen.
Hinweis: Das Urteil betrifft die geänderte Rechtslage seit 2014. Das FG macht deutlich, dass die vom Gesetzgeber nunmehr geforderte Kostenbeteiligung allein nicht ausreicht, um einen eigenen Hausstand am Wohnort der Eltern anzunehmen. Die Kostenbeteiligung ist zwar ein gewichtiges Indiz für einen eigenen Hausstand, aber sie allein genügt nicht. Hinzu kam der Verdacht, dass die von der Klägerin gezahlten Kosten von monatlich 200 € von den Eltern dazu verwendet wurden, der Klägerin ein Auto zu kaufen.
Aus dem Urteil darf aber nicht gefolgert werden, dass Kinder generell keinen eigenen Hausstand im Haus ihrer Eltern unterhalten können. Ein eigener Hausstand des Kindes im Haus der Eltern wird insbesondere bei älteren Kindern anerkannt, die wirtschaftlich bereits selbständig sind und wieder zurück zu ihren Eltern ziehen und am Beschäftigungsort eine Zweitwohnung unterhalten; sie müssen sich dann aber auch an den Kosten der Lebensführung beteiligen.
FG Münster, Urteil vom 7.10.2020 - 13 K 1756/18 E; NWB
08.12.2020
Das Entgelt für ein zum Mitnehmen verkauftes Sparmenü in einem Fast-Food-Restaurant, das aus Speisen und Getränken besteht und damit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen unterliegt, kann nicht anhand des Verhältnisses der Einzelverkaufspreise der Bestandteile des Menüs aufgeteilt werden, wenn die einzelnen Bestandteile des Menüs nicht einzeln verkauft werden, sondern nur in veränderter Zubereitung abgegeben werden, z.B. mit anderen Saucen.
Hintergrund: Beim Verkauf von Speisen außer Haus gilt ein ermäßigter Steuersatz von 7 % bzw. 5 %, wenn es sich um einfache Speisen handelt. Für Getränke gilt hingegen der reguläre Steuersatz von 19 % bzw. 16 %. Gibt es einen Gesamtpreis für eine Speise und ein Getränk, muss der Gesamtpreis aufgeteilt werden, um die unterschiedlichen Steuersätze anwenden zu können.
Sachverhalt: Die Antragstellerin betrieb mehrere Fast-Food-Restaurants, in denen Hamburger verkauft wurden. Sie bot im Januar 2020 sog. Sparmenüs an, die aus einem Hamburger, aus einer Beilage (Pommes Frites oder Salat) und einem Getränk bestanden. Bei einem Außer-Haus-Verkauf teilte sie den Menüpreis anhand der Wareneinkäufe für Speisen und für die Getränke auf und unterwarf den auf die Speisen (Hamburger und Pommes Frites bzw. Salat) entfallenden Anteil einer ermäßigten Umsatzsteuer von 7 %. Das Finanzamt teilte den Menüpreis hingegen anhand des Verhältnisses der Einzelverkaufspreise auf und gelangte zu einer höheren Umsatzsteuer. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlung für Januar 2020.
Entscheidung: Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab dem Antrag statt und gewährte die Aussetzung der Vollziehung:
Soweit die Sparmenüs für einen Verzehr außer Haus verkauft wurden, galt ein ermäßigter Steuersatz von 7 % für die verkauften Speisen. Denn es handelte sich um einfache Speisen wie Hamburger, Pommes Frites oder Salat, und es wurden keine Zusatzleistungen wie ein Tisch oder die Bereitstellung von Sanitäreinrichtungen erbracht. Die Getränke wurden aber auch bei einem Verkauf außer Haus mit 19 % besteuert.
Daher musste der Preis für das Sparmenü bei einem Außer-Haus-Verkauf aufgeteilt werden, und zwar auf die Speisen und auf die Getränke. Die vom Finanzamt angewandte Einzelverkaufspreismethode ist nicht geeignet, wenn die Komponenten des Sparmenüs nicht einzeln verkauft werden. Zwar konnte man die Hamburger, die im Sparmenü enthalten waren, auch einzeln kaufen; die einzeln verkauften Hamburger waren aber anders zubereitet und enthielten eine andere Sauce. Damit waren sie mit den im Sparmenü enthaltenen Hamburgern nicht vergleichbar.
Im Rahmen des Verfahrens der Aussetzung der Vollziehung war die von der Antragstellerin verwendete Methode der Aufteilung nach den verwendeten Wareneinsätzen nicht zu beanstanden.
Hinweis: Ob diese Aufteilungsmethode (Aufteilung nach den verwendeten Wareneinsätzen) auch in einem späteren Klageverfahren zu akzeptieren ist, ließ das FG allerdings offen.
Die Unterschiede zwischen den Hamburgern, die im Spar-Menü enthalten waren, und den einzeln verkauften Hamburgern waren wohl gering, da sich die Hamburger vornehmlich nur bezüglich der Sauce unterschieden. Das FG hält die Sauce aber für ein gewichtiges Unterscheidungsmerkmal und führt als Beispiel ein Schnitzel an, das sich je nach Art der verwendeten Sauce von einem Schnitzel natur zu einem Jägerschnitzel oder Zigeunerschnitzel wandelt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Aufteilung eines Gesamtpreises nach der einfachstmöglichen Methode vorzunehmen. Soweit es mehrere sachgerechte und gleich einfache Aufteilungsmethoden gibt, hat der Unternehmer ein Wahlrecht.
Niedersächsisches FG, Beschluss vom 5.10.2020 - 11 V 112/20; NWB
07.12.2020
Der Verschonungsabschlag, mit dem Betriebsvermögen zu 85 % von der Erbschaftsteuer befreit wird, entfällt für einen vererbten Anteil an einer KG nicht bereits dann, wenn über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Verschonungsabschlag entfällt erst dann, wenn wesentliche Teile des Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter veräußert werden, der gesamte Betrieb veräußert wird oder der Betrieb aufgegeben wird.
Hintergrund: Betriebsvermögen ist erbschaftsteuerlich begünstigt, weil der Erbe einen Verschonungsabschlag (d.h. Steuerbefreiung) von 85 % erhält. Allerdings verlangt der Gesetzgeber u.a., dass das vererbte Betriebsvermögen innerhalb von fünf Jahren (sog. Behaltensfrist) nicht veräußert oder aufgegeben wird. Auch die Veräußerung oder Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb von fünf Jahren ist schädlich; bei Kapitalgesellschaften ist die Auflösung der Kapitalgesellschaft innerhalb der Behaltensfrist schädlich. Soweit die Behaltensfrist nicht eingehalten wird, fällt der Verschonungsabschlag anteilig weg; bei einer Veräußerung im 4. Jahr wird der Verschonungsabschlag also nur zu 3/5 gewährt.
Sachverhalt: Der Kläger erbte im Juni 2010 von seinem Vater eine Beteiligung an einer GmbH & Co. KG, die zum steuerlich begünstigten Betriebsvermögen gehörte und einen Wert von ca. 4,8 Mio. € hatte. Das Finanzamt gewährte den Verschonungsabschlag von 85 %, so dass nur 15 % steuerpflichtig waren. Am 1.6.2014 wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Januar 2015 veräußerte der Insolvenzverwalter wesentliche Teile des Betriebsvermögens. Das Finanzamt machte den Verschonungsabschlag nun im Umfang von 2/5 rückgängig, weil es in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im 4. Jahr eine schädliche Auflösung des Betriebs sah, so dass die KG ihren Betrieb nur volle drei Jahre fortgeführt hatte. Der Kläger ging hingegen davon aus, dass erst im 5. Jahr durch Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter ein schädlicher Vorgang erfolgt sei, so dass der Verschonungsabschlag zu 4/5 zu gewähren sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und gewährte den Verschonungsabschlag zu 4/5:
Zwar führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Auflösung einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Die Auflösung einer Kapitalgesellschaft führt auch ausdrücklich zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags.
Für eine Personengesellschaft gibt es aber keine ausdrückliche Regelung, dass bei ihrer Auflösung der Verschonungsabschlag anteilig wegfällt. Der Gesetzgeber sieht zwar die Aufgabe des Betriebs durch die Personengesellschaft als schädlich an. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt aber noch nicht zur Betriebsaufgabe, weil der Betrieb noch fortgeführt werden kann und zunächst lediglich unwesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden.
Erst wenn der Insolvenzverwalter innerhalb der Behaltensfrist den Betrieb der Personengesellschaft endgültig einstellt oder wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert, fällt der Verschonungsabschlag anteilig weg. Dies folgt auch aus dem Zweck der Begünstigung, die Arbeitsplätze sichern will und deshalb die Fortführung des Betriebs für mindestens fünf Jahre verlangt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt aber nicht zwingend zur Einstellung des Betriebs und damit zum Verlust der Arbeitsplätze. Denn ein Insolvenzverfahren kann auch dazu dienen, das Unternehmen zu retten.
Zwar geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis vom bisherigen Unternehmensinhaber bzw. Geschäftsführer auf den Insolvenzverwalter über. Die Steuerbegünstigung setzt aber nicht voraus, dass der Erbe verfügungsbefugt ist. Dies wird gerade bei geerbten Anteilen an Personengesellschaften deutlich; denn die steuerliche Begünstigung wird nach dem Gesetz auch dann gewährt, wenn der Erbe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung haben muss.
Im Streitfall hat der Kläger am 2.6.2010 geerbt. Erst im Januar 2015 wurden wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert. Zu diesem Zeitpunkt war die fünfjährige Behaltensfrist noch nicht abgelaufen, sondern die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgte im 5. Jahr nach dem Todesfall, so dass der Verschonungsabschlag zu 4/5 gewährt wird und in Höhe eines Fünftels wegfällt.
Hinweis: Das Urteil betrifft zwar die Rechtslage aufgrund der Erbschaftsteuerreform 2009, gilt aber ebenso für die Rechtslage nach der Erbschaftsteuerreform 2016.
Eine Betriebsaufgabe oder Veräußerung ist erbschaftsteuerlich schädlich, wenn sie innerhalb von fünf Jahren erfolgt. Auf die Gründe für die Betriebsaufgabe oder Veräußerung kommt es nicht an, so dass auch eine Betriebsveräußerung aufgrund gesetzlicher Anordnung oder eine insolvenzbedingte Veräußerung oder Schließung zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags führt. Dies würde auch gelten, wenn ein Betrieb innerhalb der Behaltensfrist wegen der Corona-Krise geschlossen werden muss.
BFH, Urteile vom 1.7.2020 - II R 19/18 und II R 20/18; NWB
04.12.2020
Eine im freiberuflichen Bereich tätige Sozietät, an der noch weitere Personengesellschaften als sog. Obergesellschaften beteiligt sind, erzielt nur dann freiberufliche Einkünfte, wenn die mittelbar beteiligten Gesellschafter ebenfalls Freiberufler sind und in der Sozietät zumindest in geringfügigem Umfang leitend und eigenverantwortlich als Freiberufler mitarbeiten. Es genügt nicht, dass sie nur kaufmännisch, kontrollierend oder geschäftsleitend Einfluss nehmen. Sind die Voraussetzungen für freiberufliche Einkünfte nicht erfüllt, erzielt die Sozietät gewerbliche Einkünfte und unterliegt damit der Gewerbesteuer.
Hintergrund: Der Gesetzgeber unterscheidet bei Unternehmern u.a. zwischen gewerblichen und freiberuflichen Einkünften. Einkommensteuerlich werden beide Einkünfte gleich besteuert, aber gewerbliche Einkünfte unterliegen der Gewerbesteuer.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine KG und in der Steuerberatung tätig, also einem freiberuflichen Bereich. An der Klägerin war die C-KG beteiligt, an der wiederum die E-OHG mit 51 %, die G+H KG mit 49 % und weitere Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte mit jeweils 0 % beteiligt waren. Diese Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie die E-OHG waren die Komplementäre der C-KG. Die E-OHG und die G+H KG waren ebenfalls in der Steuerberatung tätig und gehörten zur Konzernspitze des S-Konzerns. Die an der E-OHG und G+H KG beteiligten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte waren bei der Klägerin nicht aktiv in die Mandatsbetreuung eingebunden, jedoch an wesentlichen Entscheidungen bezüglich der Finanzierung, der Personalstruktur und der Fortbildung im S-Konzern beteiligt. Das Finanzamt stellte die Einkünfte der Klägerin als gewerblich fest.
Entscheidung: Der BFH hielt die Einkünfte der Klägerin ebenfalls für gewerblich und wies die Klage ab:
Eine Personengesellschaft erzielt nur dann freiberufliche Einkünfte, wenn alle Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, also z.B. Steuerberater, Architekt oder Arzt sind, und in dieser Eigenschaft für die Personengesellschaft auch leitend und eigenverantwortlich tätig sind. Es genügt nicht, dass der Gesellschafter lediglich Kapital zur Verfügung stellt oder nur Aufträge beschafft, ohne sich selbst freiberuflich zu betätigen.
Diese Grundsätze sind auch dann zu beachten, wenn der Gesellschafter eine Personengesellschaft ist, d.h. wenn eine Obergesellschaft an einer Untergesellschaft beteiligt ist. In diesem Fall müssen die Gesellschafter der Obergesellschaft, die mittelbar an der Untergesellschaft beteiligt sind, die Merkmale eines freien Berufs erfüllen und nicht nur in der Obergesellschaft, sondern auch in der Untergesellschaft zumindest in geringfügigem Umfang leitend und eigenverantwortlich als Freiberufler mitarbeiten.
Im Streitfall waren die über die C-KG sowie E-OHG und G+H KG mittelbar an der Klägerin beteiligten Gesellschafter zwar selbst Freiberufler; sie waren bei der Klägerin aber nicht freiberuflich tätig, sondern beschränkten sich auf kaufmännische Tätigkeiten wie die Finanzierung, Personalstruktur und Fortbildung. Damit erzielte die Klägerin gewerbliche Einkünfte.
Hinweis: Der BFH ließ offen, ob die mittelbar beteiligten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte überhaupt Mitunternehmer der E-OHG und G+H KG waren; denn sie waren an deren Vermögen nicht beteiligt. Ohne Mitunternehmerschaft wären freiberufliche Einkünfte der Klägerin ohnehin zu verneinen gewesen.
Unbeachtlich war, dass die mittelbar beteiligten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte bei anderen Gesellschaften des S-Konzerns freiberuflich tätig geworden sind.
Das Urteil macht deutlich, dass bei sog. doppelstöckigen bzw. mehrstöckigen Personengesellschaften ein doppeltes Tätigkeitserfordernis des mittelbar beteiligten Gesellschafters bestehen muss, da er nicht nur in der Gesellschaft, an der er unmittelbar beteiligt ist, sondern auch in der Untergesellschaft freiberuflich tätig werden muss, zumindest in geringfügigem Umfang.
BFH, Urteil vom 4.8.2020 - VIII R 24/17; NWB
03.12.2020
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat November 2020 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2020 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF-Schreiben vom 1.12.2020 – III C 3 – S 7329/19/10001 :002 (2020/1249543); NWB
02.12.2020
Die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen wird nicht für die Reinigung der Fahrbahn der öffentlichen Straße vor dem Haus gewährt. Außerdem wird die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im eigenen Haushalt nicht gewährt, wenn die Reparatur nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in der Werkstatt des Handwerkers durchführt wird.
Hintergrund: Für haushaltsnahe Dienstleistungen und für Handwerkerleistungen im eigenen Haushalt wird eine Steuerermäßigung von 20 % der Arbeitskosten (keine Materialkosten) gewährt. Diese Ermäßigung wird also direkt von der Steuer abgezogen. Der maximale Ermäßigungsbetrag beläuft sich auf 4.000 € bei haushaltsnahen Dienstleistungen und auf 1.200 € bei Handwerkerleistungen.
Sachverhalt: Der Kläger zahlte im Streitjahr ca. 100 € für die öffentliche Straßenreinigung. Außerdem ließ er sein Hoftor durch einen Handwerker reparieren, der die Reparatur in seiner Werkstatt durchführte und danach das Hoftor wieder auf dem Grundstück des Klägers einbaute; die Lohnkosten betrugen ca. 980 €. Der Kläger machte für jeweils 20 % von 100 € und von 980 € die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen im eigenen Haushalt geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des Finanzgerichts (FG), das der Klage stattgegeben hatte, auf und verwies die Sache zur weiteren Prüfung an das FG zurück:
Die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen setzt voraus, dass die Dienstleistung im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht wird. Hierzu können auch Dienstleistungen gehören, die außerhalb der Grundstücksgrenze erbracht werden, sofern ein räumlicher Zusammenhang zum Haushalt besteht und die Tätigkeit üblicherweise von einem Mitglied des Haushalts erbracht wird, z.B. die Reinigung des Gehwegs vor dem Grundstück des Steuerpflichtigen.
Die Reinigung der Fahrbahn der Straße vor dem Grundstück wird üblicherweise aber nicht von Mitgliedern des Haushalts erbracht. Zudem fehlt es bei der Fahrbahn am räumlich-funktionalen Zusammenhang zum Haushalt; denn dieser Zusammenhang endet an der Bordsteinkante des öffentlichen Gehwegs vor dem selbstgenutzten Haus des Steuerpflichtigen.
Das FG muss nun ermitteln, ob in dem Betrag von 100 € auch ein Anteil für die Reinigung des öffentlichen Gehwegs enthalten ist; dieser Anteil wäre nämlich – anders als der Anteil für die Reinigung der Fahrbahn – steuerbegünstigt.
Die Reparatur des Hoftores ist grundsätzlich nicht steuerbegünstigt, da die Reparatur nicht im Haushalt des Klägers durchgeführt worden ist, sondern in der Werkstatt des Handwerkers. Es fehlt damit an dem räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt, so dass lediglich ein funktionaler Zusammenhang besteht. Es genügt nicht, dass die Leistung teilweise im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht wird oder dass sie für den Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht wird. Ferner kommt es nicht darauf an, ob der Leistungserfolg im Haushalt des Steuerpflichtigen eintritt oder ob die Handwerkerleistung auch im Haushalt hätte durchgeführt werden können.
Soweit die Handwerkerleistung auf dem Grundstück des Steuerpflichtigen erbracht worden sein sollte, z.B. der Einbau und Ausbau des Tores, kommt eine anteilige Steuerermäßigung in Betracht. Das FG muss nun den entsprechenden Anteil ermitteln.
Hinweis: Bei Handwerkerleistungen ist nicht der gesamte Rechnungsbetrag begünstigt, sondern nur der auf die Arbeitskosten entfallende Anteil. Die Steuerermäßigung wird also nicht für Ersatzteile oder Material gewährt.
Ob ein räumlicher Zusammenhang mit dem Haushalt des Steuerpflichtigen besteht, ist durchaus eine Wertungsfrage. So hat der BFH z.B. die Steuerermäßigung für die Kosten eines Altenheimbewohners für ein Notrufsystem gewährt, weil dieses System zu einer Hilfeleistung im Haushalt führen sollte. Unschädlich war, dass der Sanitätsdienst, der im Notfall tätig werden sollte, außerhalb des Altenheims und damit außerhalb des Haushalts des Altenheimbewohners saß.
BFH, Urteil vom 13.5.2020 - VI R 4/18; NWB
01.12.2020
Besitzer von Solaranlagen müssen diese bis spätestens Ende Januar 2021 im sog. Markstammdatenregister eintragen und registrieren. Das gilt sowohl für neue Anlagen als auch für Installationen, die schon viele Jahre betrieben werden.
Hintergrund: Die Registrierung ist bei allen Strom- und Gas-Erzeugungsanlagen verpflichtend, die unmittelbar oder mittelbar an ein Strom- bzw. Gasnetz angeschlossen sind oder werden sollen. Eine Mindestgröße ist nicht vorgesehen. (§ 111e EnWG "Marktstammdatenregister").
Jede Anlage ist einzeln einzutragen, z.B. eine Photovoltaikanlage und ein Batteriespeicher.
Neue Anlagen müssen immer innerhalb eines Monats angemeldet werden.
Wer die Fristen versäumt, erhält keine Einspeisevergütung und muss mit einem Bußgeld rechnen.
Die Registrierung erfolgt in 3 Schritten und dauert ca. 15-20 Minuten, wenn man alle Informationen wie z.B. Kundennummer beim Energieanbieter, Anlagennummer und Leistungsdaten der Anlagen zur Hand hat.
Zum Markstammdatenregister gelangen Sie hier. Es wurde zum Thema ein FAQ veröffentlicht.
Hinweise: Aufgrund der am 31.1.2021 ablaufenden Übergangsfrist zur erstmaligen Registrierung kommt es aktuell zu einer erhöhten Nachfrage. Daher kann es zu einer verzögerten Bearbeitung Ihres Anliegens kommen.
Solaranlagen mit Batteriespeichern: Damit die Förderung der Solaranlage ohne Einschränkungen geleistet werden kann, muss der Batteriespeicher ebenfalls fristgerecht bis zum 31.1.2021 im Marktstammdatenregister registriert sein.
Marktstammdatenregister online; NWB
01.12.2020
Ein Unternehmer ist auf Antrag von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Steuererklärungen zu befreien, wenn er keinen Internetanschluss hat und der finanzielle Aufwand für den Internetanschluss in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu seinen unternehmerischen Einkünften steht. Die elektronische Übermittlung ist dann für ihn wirtschaftlich unzumutbar.
Hintergrund: Unternehmer müssen ihre Steuererklärungen elektronisch an das Finanzamt übermitteln. Allerdings sieht das Gesetz eine Befreiung von dieser Pflicht vor, wenn die elektronische Übermittlung wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Der Unternehmer kann dann die Steuererklärungen in Papierform übersenden.
Sachverhalte: Dem Bundesfinanzhof lagen zwei Fälle vor: In dem einen Fall ging es um einen Physiotherapeuten, der im Streitjahr 2017 einen Gewinn von ca. 14.500 € erzielte und keinen Internetanschluss hatte. Er beantragte für die Abgabe seiner Einkommensteuererklärung 2017 eine Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung.
Im zweiten Fall ging es um einen Steuerberater, der seine Tätigkeit von seiner Privatwohnung aus und ohne Mitarbeiter und Internetanschluss ausübte und nebenher noch als Zeitungszusteller tätig war. Er hatte bis 2014 nur Verluste aus seiner Steuerberatertätigkeit erzielt. Er beantragte für die Abgabe seiner Einkommensteuererklärung 2015 eine Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung; die Höhe seiner freiberuflichen Einkünfte im Jahr 2015 war dem BFH nicht bekannt.
In beiden Fällen lehnte das Finanzamt die Befreiung ab.
Entscheidung: Der BFH gab der Klage des Physiotherapeuten statt und verwies das Verfahren des Steuerberaters an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:
Die elektronische Übermittlung der Steuererklärung ist wirtschaftlich unzumutbar, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung des Internetanschlusses in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu seinen unternehmerischen Einkünften (aus Gewerbebetrieb, aus freiberuflicher Tätigkeit oder aus Land- und Forstwirtschaft) steht. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um einen Kleinstbetrieb handelt.
Auf die nichtunternehmerischen Einkünfte wie z.B. Arbeitslohn, Vermietungs- oder Kapitaleinkünfte kommt es nicht an. Denn die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Steuererklärung knüpft an die Erzielung unternehmerischer Einkünfte an.
Im Fall des Physiotherapeuten war die wirtschaftliche Unzumutbarkeit zu bejahen. Denn er hatte im Streitjahr 2017, für das er eine Befreiung von der elektronischen Übermittlung anstrebte, nur einen Gewinn von ca. 14.500 € erzielt.
• Im Fall des Steuerberaters muss das FG nun aber die freiberuflichen sowie gewerblichen Einkünfte (als Steuerberater und als Zeitungszusteller) des Jahres 2015 feststellen, um anhand deren Höhe die wirtschaftliche Zumutbarkeit prüfen zu können. Dass der Steuerberater bis einschließlich 2014 nur Verluste aus seiner Steuerberatertätigkeit erzielt hat, war für 2015 ohne Bedeutung.
Hinweis: Eine Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung wird nur für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gewährt, nicht aber für die Folgejahre. Für das jeweilige Folgejahr muss also ein neuer Antrag gestellt werden, und es ist dann anhand der unternehmerischen Einkünfte des Folgejahres zu prüfen, ob eine elektronische Übermittlung wirtschaftlich unzumutbar wäre.
Eine klare Einkünftegrenze, bis zu der von einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit auszugehen ist, hat der BFH leider nicht aufgestellt. Aus den beiden Entscheidungen ergibt sich auch nicht, wie hoch die Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung des Internetanschlusses gewesen wären.
BFH, Urteile vom 16.6.2020 - VIII R 29/17 (Steuerberater) und VIII R 29/19 (Physiotherapeut); NWB
30.11.2020
Seit Mittwoch, dem 25.11.2020, kann die außerordentliche Wirtschaftshilfe („Novemberhilfe“) beantragt werden. Diese Hilfe wird nun aufgrund der Verlängerung der Schließungen bis zum 20.12.2020 im Rahmen der Vorgaben des EU-Beihilferechts verlängert. Damit sollen auch für die Zeit der Maßnahmen im Dezember von diesen Schließungen betroffenen Unternehmen Zuschüsse in Höhe von bis zu 75 % des Vergleichsumsatzes im Jahr 2019 als Hilfen zur Verfügung stehen. Die Überbrückungshilfe wird erweitert.
Die Dezemberhilfe im Überblick:
Antragsberechtigt sind direkt von den temporären Schließungen betroffene Unternehmen, indirekt betroffene und mittelbar indirekt betroffene Unternehmen entsprechend den Regelungen der Novemberhilfe.
Mit der Dezemberhilfe werden im Grundsatz erneut Zuschüsse von bis zu 75 % des Umsatzes aus Dezember 2019 anteilig für die Anzahl an Tagen der Schließung im Dezember 2020 gewährt.
Das europäische Beihilferecht erlaubt eine Förderung von derzeit insgesamt bis zu einer Million Euro ohne konkrete Nachweise eines Schadens. Soweit es der beihilferechtliche Spielraum der betroffenen Unternehmen angesichts schon bislang gewährter Beihilfen zulässt, wird für die allermeisten Unternehmen der Zuschuss in Höhe von bis zu 75 % des Umsatzes des Vorjahresmonats auf dieser Grundlage gezahlt werden können. Zuschüsse zwischen einer und vier Millionen Euro nach der Bundesregelung Fixkostenhilfe wurden von Brüssel genehmigt. Die Bundesregierung wird sich zudem im Gespräch mit der Europäischen Kommission dafür einsetzen, dass die Höchstbeträge für Kleinbeihilfen und Fixkosten des Temporary Framework deutlich erhöht werden. Für Zuschüsse von über vier Millionen Euro sind weitere Abstimmungen mit der Europäischen Kommission nötig, um eine gesonderte Genehmigung auf Basis des Schadensausgleichs des EU-Beihilferechts zu erreichen.
Die Antragstellung wird aktuell vorbereitet. Eine genauere zeitliche Aussage ist derzeit noch nicht möglich. Die Antragstellung wird aber wieder über die IT-Plattform der Überbrückungshilfe (www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de) erfolgen können. Der Antrag wird wie bei der Novemberhilfe über Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder andere Dritte erfolgen. Soloselbstständige, die nicht mehr als 5.000 € Förderung beantragen, können die Anträge mit ihrem ELSTER-Zertifikat direkt stellen.
Die Überbrückungshilfe III im Überblick:
„November- und Dezember-Fenster“ in der Überbrückungshilfe: Erweiterung des Zugangs zu den Überbrückungshilfen für die Monate November bzw. Dezember 2020 auch für Unternehmen, die im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat einen Umsatzeinbruch von mindestens 40 % erlitten haben und keinen Zugang zur Novemberhilfe und/oder Dezemberhilfe hatten. Im Übrigen bleibt es bei der Zugangsschwelle von 50 % Umsatzrückgang für zwei aufeinanderfolgende Monate bzw. 30 % seit April 2020.
Erhöhung des Förderhöchstbetrags pro Monat von bisher 50.000 € auf 200.000 € und Ausweitung der Antragsberechtigung durch den Wegfall der Beschränkung auf kleine und mittlere Unternehmen. Nunmehr sind alle Unternehmen bis maximal 500 Mio. € Jahresumsatz in Deutschland antragsberechtigt.
Soloselbstständige können alternativ zum Einzelnachweis der Fixkosten künftig eine einmalige Betriebskostenpauschale in Höhe von 25 % des Vergleichsumsatzes in Ansatz bringen – die „Neustarthilfe“. So erhalten sie einen einmaligen Betrag von bis zu 5.000 € als Zuschuss.
Der Katalog erstattungsfähiger Kosten wird erweitert um bauliche Modernisierungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen für Hygienemaßnahmen bis zu 20.000 €. Marketing- und Werbekosten sind maximal in Höhe der entsprechenden Ausgaben im Jahre 2019 förderfähig.
Abschreibungen von Wirtschaftsgütern werden bis zu 50 % als förderfähige Kosten anerkannt. So kann z. B. ein Schausteller, der ein Karussell gekauft hat und per Kredit oder aus dem Eigenkapital finanziert hat, die Hälfte der monatlichen Abschreibung als Kosten in Ansatz bringen.
Die branchenspezifische Fixkostenregelung für die Reisebranche wird erweitert. Das Ausbleiben oder die Rückzahlung von Provisionen von Reisebüros bzw. vergleichbaren Margen von Reiseveranstaltern wegen Corona-bedingter Stornierungen und Absagen bleiben förderfähig. Die vorherige Begrenzung auf Pauschalreisen wird aufgehoben. Auch kurzfristige Buchungen werden berücksichtigt. Außerdem sind für die Reisewirtschaft zusätzlich zu der Förderung von Provisionen oder Margen im ersten Halbjahr 2021 auch externe sowie durch eine erhöhte Personalkostenpauschale abgebildete interne Ausfallkosten für den Zeitraum März bis Dezember 2020 förderfähig.
Unternehmen der Veranstaltungs- und Kulturbranche können für den Zeitraum März bis Dezember 2020 Ausfallkosten geltend machen. Dabei sind sowohl interne als auch externe Ausfallkosten förderfähig.
Soloselbständige sind künftig bis zu einem Betrag von 5.000 € unter besonderen Identifizierungspflichten direkt antragsberechtigt (also auch ohne Einschaltung eines Beraters).
BMF; NWB
30.11.2020
Die Grunderwerbsteuer ist nicht zu mindern, wenn der Kaufpreis zwar vertraglich herabgesetzt wird, der Antrag auf Minderung der Grunderwerbsteuer jedoch erst nach Eintritt der vierjährigen Festsetzungsverjährung gestellt wird. Die Herabsetzung des Kaufpreises stellt auch kein sog. rückwirkendes Ereignis dar, bei dem eine neue Festsetzungsfrist beginnen würde.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer richtet sich nach dem Kaufpreis. Wird der Kaufpreis nachträglich im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung herabgesetzt, wird auf Antrag die Grunderwerbsteuer entsprechend gemindert; die Herabsetzung muss aber innerhalb von zwei Jahren seit dem Kaufvertrag erfolgen.
Nach dem allgemeinen Verfahrensrecht kann ein Steuerbescheid auch wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert werden. Liegt ein rückwirkendes Ereignis vor, beginnt erneut eine vierjährige Festsetzungsfrist.
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb am 7.8.2007 Grundvermögen zum Preis von ca. 49,5 Mio. €. Mit Vertrag vom 24.2.2009 verpflichtete sich der Verkäufer zu einer Kaufpreisrückzahlung in Höhe von ca. 2,1 Mio. €. Am 13.9.2012 beantragte die Klägerin die Minderung der Grunderwerbsteuer und begründete dies damit, dass die Herabsetzung des Kaufpreises ein sog. rückwirkendes Ereignis gewesen sei. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Zwar lässt das Gesetz eine Minderung der Grunderwerbsteuer auf Antrag zu, wenn innerhalb von zwei Jahren der Kaufpreis vertraglich herabgesetzt wird. Diese Minderung ist aber nur innerhalb der Festsetzungsverjährung möglich. Da der Kaufvertrag im Jahr 2007 abgeschlossen worden war, begann die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.2007 und endete am 31.12.2011. Der Antrag auf Minderung wurde aber erst im Jahr 2012 gestellt.
Zwar führt die Herabsetzung des Kaufpreises nach dem Gesetz dazu, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Kaufpreisherabsetzung eintritt; dies nützte der Klägerin aber nichts, weil die Kaufpreisherabsetzung am 24.2.2009 erfolgte und die Festsetzungsfrist ohnehin erst am 31.12.2011 endete.
Die Herabsetzung des Kaufpreises stellt auch kein rückwirkendes Ereignis dar, das eine erneute vierjährige Festsetzungsfrist auslöst. Ansonsten wäre nämlich die einjährige Hemmung der Festsetzungsfrist überflüssig.
Hinweis: Die Klägerin hat im Streitfall den Antrag auf Minderung der Grunderwerbsteuer schlichtweg zu spät gestellt. Sie hätte den Antrag spätestens bis zum 31.12.2011 stellen müssen; die Festsetzungsverjährung wäre dann aufgrund des Antrags gehemmt worden.
Wäre die Kaufpreisherabsetzung im Dezember 2011 erfolgt, hätte die Festsetzungsfrist erst ein Jahr später im Dezember 2012 geendet und wäre bei Stellung des Antrags auf Minderung der Grunderwerbsteuer (im September 2012) noch nicht abgelaufen gewesen.
Zu beachten ist, dass eine Einigung über die Herabsetzung des Kaufpreises nicht genügt, damit die Grunderwerbsteuer gemindert werden kann; vielmehr muss der Kaufpreis noch zurückgezahlt werden.
BFH, Urteil vom 22.7.2020 - II R 15/18; NWB
27.11.2020
Gewerbesteuer: Betreibt Unternehmer in einem Gebäude, aber in getrennten Räumen, sowohl ein Eiscafé als auch einen Imbiss, hängt es vom wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang beider Tätigkeiten ab, ob es sich um einen einheitlichen Gewerbebetrieb, um zwei Teilbetriebe eines einheitlichen Gewerbebetriebs oder um zwei selbständige Gewerbebetriebe handelt. Je verschiedenartiger die beiden Betätigungen (Imbiss und Eiscafé) sind, desto intensiver muss der wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Zusammenhang zwischen beiden Betätigungen sein, um zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zu gelangen.
Hintergrund: Ein Unternehmer kann mehrere selbständige Gewerbebetriebe unterhalten. Es ergeht dann für jeden Gewerbebetrieb ein Gewerbesteuermessbescheid. Zu prüfen ist aber, ob die unterschiedlichen Betätigungen nicht einen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden. Zu den steuerlichen Folgen s. den Abschnitt „Hinweise“ unten.
Sachverhalt: Der Kläger betrieb unter seinem Namen in einem Gebäude in getrennten Räumlichkeiten sowohl einen Imbiss als auch ein Eiscafé. Beide Geschäfte teilten sich das Inventar für den Außenbereich, dieselbe Telefonnummer und eine Kundentoilette. Mehrere Mitarbeiter waren für beide Geschäfte tätig. Zwar unterhielt der Kläger für jedes Geschäft ein eigenes Bankkonto; beide Konten wurden aber bei derselben Bank geführt und es galt für beide Konten eine einheitliche Kreditlinie. Im Jahr 2014 übertrug der Kläger das Eiscafé auf seinen Sohn und im Jahr 2015 den Imbiss auf seine Schwiegertochter. Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2010 und 2011 mit dem Imbiss Gewinne von ca. 60.000 €, mit dem Eiscafé jedoch Verluste von ca. 25.000 €. Das Finanzamt nahm eine Verrechnung des Gewinns mit dem Verlust nicht vor, weil es von zwei getrennten Gewerbebetrieben ausging.
Entscheidung: Der BFH verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück:
Ob es sich um einen einheitlichen Gewerbebetrieb oder aber um selbständige Gewerbebetriebe handelt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der Prüfung gelten die folgenden Grundsätze:
Je gleichartiger die Betätigungen sind, desto eher liegt ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor. Diese Vermutung wird aber widerlegt, wenn es keinen oder nur einen geringen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang zwischen beiden Betätigungen gibt.
Umgekehrt ist es, wenn die Betätigungen unterschiedlich sind. Hier spricht eine Vermutung für selbständige Gewerbebetriebe. Diese Vermutung wird aber widerlegt, wenn es einen intensiven wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang zwischen beiden Betätigungen gibt.
Der Streitfall lässt sich keiner der beiden Fallgruppen klar zuordnen. Denn die beiden Tätigkeiten „Imbiss“ und „Gastronomie“ waren zwar einerseits nicht gleichartig, aber andererseits auch nicht völlig unterschiedlich, da sich beide der Gastronomie zuordnen lassen und daher auch vom Statistischen Bundesamt derselben Gewerbeklasse zugerechnet werden.
Das FG muss nun berücksichtigen, dass es sich nicht um eindeutig verschiedene Betätigungen handelt und darf daher nicht so strenge Anforderungen an den wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang stellen.
Sollte es sich um zwei selbständige Betriebe gehandelt haben, hätten getrennte Gewerbesteuermessbescheide ergehen müssen, die jeweils einen Hinweis auf den Betrieb enthalten. Anderenfalls könnten die Bescheide nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam sein; die Angabe lediglich unterschiedlicher Steuernummern würde nicht genügen.
Hinweis: Der BFH bezeichnet den Fall als „Grenzfall“, weil er sich keiner Fallgruppe klar zuordnen lässt. Der BFH hält es aber denkbar, dass es sich auch um zwei Teilbetriebe eines einheitlichen Gewerbebetriebs gehandelt haben könnte. Dafür spräche, dass der Kläger das Eiscafé im Jahr 2014 auf seinen Sohn übergeben hat.
Sollte es sich um zwei getrennte Gewerbebetriebe handeln, könnte der Gewinn aus dem Imbiss nicht mit dem Verlust aus dem Eiscafé verrechnet werden. Allerdings würde für jeden Betrieb ein gewerbesteuerlicher Freibetrag von 24.500 € gewährt werden; dieser Freibetrag würde bei dem verlustreichen Eiscafé aber ins Leere gehen.
Beim wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang geht es darum, ob sich die beiden Betätigungen gegenseitig stützen und ergänzen (wirtschaftlicher Zusammenhang), ob dieselben Geschäftsräume genutzt werden, dieselben Mitarbeiter beschäftigt werden und der Wareneinkauf gemeinsam erfolgt (organisatorischer Zusammenhang) und ob gemeinsame Kassen und Bankkonten geführt werden und die Gewinnermittlung einheitlich erfolgt (finanzieller Zusammenhang).
BFH, Urteil vom 17.6.2020 - X R 15/18; NWB
26.11.2020
Von angeordneten Schließungen betroffene Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen werden durch eine „außerordentliche Wirtschaftshilfe“ unterstützt, der sogenannten Novemberhilfe. Die Betroffenen erhalten Hilfe in Form von Zuschüssen von 75 % ihres entsprechenden durchschnittlichen Umsatzes im November 2019, tageweise anteilig für die Dauer des Corona-bedingten Lockdowns. Anträge können ab sofort gestellt werden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie führt hierzu aus:
Die Anträge können seit dem 25.11.2020 auf der Seite für Überbrückungshilfe gestellt werden (www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de).
Anträge auf Novemberhilfe können bis zum 31.1.2021 gestellt werden.
Am 25.11.2020 wurde beschlossen, den am 28.10.2020 beschlossenen „Lockdown light“ über den 30.11.2020 hinaus mit weiteren Modifikationen bis zum 20.12.2020 bundesweit zu verlängern. Der Beschluss sieht vor, die Novemberhilfe im Rahmen der Vorgaben des EU-Beihilferechts bis zum 20.12.2020 durch den Bund fortzuführen; in die Novemberhilfe (wie Überbrückungshilfe II) sollen ausdrücklich auch Schausteller und Marktkaufleute einbezogen werden.
Hinweis: Soloselbständige, die bislang keinen Antrag auf Überbrückungshilfe gestellt haben, können mit dem Direktantrag im eigenen Namen (ohne Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rechtsanwalt) bis 5000,- € beantragen. Zwingend erforderlich für die Authentifizierung im Direktantrag ist ein ELSTER-Zertifikat.
Zum FAQ Corona-Novemberhilfe gelangen Sie hier.
BMWi; NWB
26.11.2020
Mietaufwendungen eines Bauunternehmers für die Anmietung von Zubehör von Baustelleneinrichtungen werden gewerbesteuerlich nicht als Mietaufwand hinzugerechnet, wenn der Bauunternehmer die Mietaufwendungen als Herstellungskosten der gebauten Häuser aktiviert hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Häuser zum Anlage- oder Umlaufvermögen gehören und ob die Häuser am Bilanzstichtag noch dem Bauunternehmer gehören oder schon verkauft sind.
Hintergrund: Der gewerbesteuerliche Gewinn wird um sog. Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert, d.h. erhöht und gemindert. So werden u.a. 5 % der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens dem Gewerbeertrag hinzugerechnet. Allerdings wird pro Betrieb noch ein Freibetrag von 100.000 € berücksichtigt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Baugesellschaft, die Häuser errichtete. Für ihre Baustellen mietete sie Zubehör an und zahlte hierfür im Jahr 2008 eine Miete von insgesamt 925.000 €. Ein Teil von 864.000 € stellte sog. Baustelleneinzelkosten dar, die zu den Herstellungskosten der Häuser gehörten. Die Klägerin aktivierte diesen Betrag als Herstellungskosten der zum Umlaufvermögen gehörenden Häuser. Am 31.12.2008 hatte sie einen Teil der Häuser bereits verkauft; in die Herstellungskosten der verkauften Häuser waren 546.000 € Mietaufwendungen eingegangen. Der verbleibende Teil der aktivierten Mietaufwendungen betrug 318.000 € (864.000 € minus 546.000 €) und war in den Herstellungskosten der am 31.12.2008 noch nicht verkauften Häuser enthalten. Das Finanzamt rechnete 5 % der Mietaufwendungen in Höhe von 546.000 € dem Gewerbeertrag hinzu; dies war der aktivierte Betrag der Mieten, der auf die bereits verkauften Häuser entfiel.
Entscheidung: Der BFH lehnte eine Hinzurechnung ab und gab der Klage statt:
Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung ist bei Mietaufwendungen vorzunehmen. Werden Mietaufwendungen aber wie im Streitfall als Herstellungskosten aktiviert, weil die gemieteten Gegenstände (Baustellenzubehör) im Herstellungsprozess eingesetzt werden, handelt es sich nicht mehr um Mietaufwand, sondern um Herstellungskosten.
Es kommt nicht darauf an, ob die aktivierten Häuser zum Anlagevermögen gehören, weil sie dem Betrieb dauerhaft dienen sollen, oder – wie hier – zum Umlaufvermögen zugeordnet werden, weil sie verkauft werden sollen.
Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob sich die aktivierten Häuser am 31.12.2008 noch im Betriebsvermögen befanden oder bereits verkauft waren. Zwar ist im Fall des Verkaufs der Häuser bis zum 31.12.2008 der Gewinn des Jahres 2008 gemindert worden, weil die Herstellungskosten der verkauften Häuser aufgrund der Aktivierung der Mieten höher waren, so dass der jeweilige Verkaufsgewinn niedriger ausfiel. Diese Gewinnminderung ist aber nicht durch Mietaufwendungen verursacht worden.
Hinweis: Der BFH widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, die eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung nur insoweit unterlässt, als das aktivierte Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen ist.
Das aktuelle Urteil lässt sich auch auf Bauzeitzinsen übertragen, d.h. auf Zinsen für einen Kredit, der für die Herstellung eines Wirtschaftsguts eingesetzt wird. Bei Bauzeitzinsen besteht ein Wahlrecht auf Aktivierung. Wird hiervon Gebrauch gemacht, liegt kein Zinsaufwand mehr vor, so dass eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Zinsen ebenso unterbleiben muss wie eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Mieten.
BFH, Urteil vom 30.7.2020 - III R 24/18; NWB
25.11.2020
Prozesskosten sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn es in dem Prozess um die Existenzgrundlage geht. Darunter ist die materielle Lebensgrundlage zu verstehen, so dass Prozesskosten für einen Umgangsrechtsstreit oder wegen Schmerzensgelds nicht absetzbar sind. Dies gilt auch für Verfahren wegen Schadensersatz oder wegen Kindesunterhalts, wenn die materielle Existenzgrundlage nicht bedroht ist.
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, und zwar in einem größeren Umfang als der überwiegenden Anzahl der Steuerpflichtigen. Ein typisches Beispiel sind Krankheitskosten. Der Gesetzgeber hat den Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen ausdrücklich ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Sachverhalte: Der Bundesfinanzhof (BFH) musste über zwei Verfahren entscheiden. In dem einen Verfahren machte der Kläger ca. 20.000 € Prozesskosten für einen Umgangsrechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen geltend, nachdem seine frühere Ehefrau die gemeinsame Tochter nach Südamerika mitgenommen und nicht nach Deutschland zurückgebracht hatte. In dem anderen Verfahren machte die Klägerin Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers gerichtlich geltend und klagte wegen des Umgangsrechts und Kindesunterhalts; ihre Prozesskosten beliefen sich auf ca. 10.000 €. In beiden Fällen erkannte das Finanzamt die Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen an.
Entscheidung: Der BFH wies beide Klagen ab:
Die geltend gemachten Gerichts- und Anwaltskosten sind Prozesskosten, die nach dem Gesetz nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind, wenn der Steuerpflichtige ohne den Prozess Gefahr laufen würde, seine Existenzgrundlage zu verlieren.
Der Gesetzgeber meint die materielle Existenzgrundlage. Es geht nicht um die immateriellen Werte des Steuerpflichtigen wie etwa die Summe seiner Überzeugungen und Wertvorstellungen.
Der Umgangsrechtsstreit beider Kläger betraf nicht die materielle Existenzgrundlage, weil es nicht um finanzielle Ansprüche, sondern um das Umgangsrecht mit dem Kind geht. Auch der Rechtsstreit der Klägerin bezüglich des Kindesunterhalts betraf nicht die materielle Existenzgrundlage, da die Klägerin lediglich einen höheren Unterhalt begehrte, angesichts ihrer Einkommensverhältnisse aber nicht Gefahr lief, ihre Existenzgrundlage zu verlieren. Gleiches gilt für den Schadensersatzprozess gegen den behandelnden Arzt. Bei der Klage wegen Schmerzensgeld geht es ohnehin nicht um einen existenziell wichtigen Bereich, sondern um den Ersatz eines immateriellen Schadens (Schmerz).
Hinweis: Der BFH sieht in der Abzugsbeschränkung für Prozesskosten keinen Verfassungsverstoß. Denn Prozesskosten gehören grundsätzlich nicht zu dem einkommensteuerlich zu verschonenden Existenzminimum. Soweit Prozesskosten zur Existenzsicherung notwendig sein sollten, lässt der Gesetzgeber den Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausdrücklich zu.
Die Abzugsbeschränkung auf Prozesskosten, die die materielle Existenzgrundlage betreffen, wurde 2013 eingeführt. Vor der Gesetzesänderung waren auch Scheidungskosten sowie Prozesskosten, die den Kernbereich menschlichen Lebens betreffen (z.B. einen Familienrechtsstreit), absetzbar. Beides ist nun nicht mehr absetzbar.
BFH, Urteile vom 13.8.2020 - VI R 15/18 (Umgangsrechtsstreit) und VI R 27/18 (Arzthaftung, Umgangsrecht und Kindesunterhalt); NWB
24.11.2020
Derzeit kursieren E-Mails mit einem falschen Antragsformular für Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen und einen "Corona-Weihnachtsbonus" für Soloselbständige, die angeblich vom Europäischen Rat und vom Bund gemeinsam angeboten werden. Hierauf macht die EU-Kommission aufmerksam.
Hierzu führt die EU-Kommission u.a. weiter aus:
Die betrügerischen E-Mails mit dem Absender deutschland@ec.europa.eu stammen nicht von der Europäischen Kommission. Es wurden keine E-Mail-Konten der Europäischen Kommission gehackt. Es handelt sich um einen Phishing-Versuch unter Vortäuschung der Identität der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Die Polizei ist informiert.
Die neuerliche Betrugsmail wird unter missbräuchlicher Verwendung des Namens des Sprechers der Europäischen Kommission in Deutschland, Reinhard Hönighaus, versendet. Die in den Kontaktdaten der Betrugsmail angegebene Faxnummer führt nach Bischofswerda/Sachsen.
Bereits im Juli und Oktober wurden ähnliche E-Mails von der betrügerischen Domain eu-coronahilfe.de verschickt. Dies wurde ebenfalls umgehend bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Die Domain ist inzwischen gesperrt.
Reagieren Sie nicht auf solche Phishing-E-Mails. Öffnen Sie den Anhang nicht.
Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland in der Corona-Pandemie werden von Bund und Ländern gewährt, nicht direkt von der Europäischen Union. Vertrauenswürdige Informationen darüber finden Sie unter der von der Bundesregierung eingerichteten Webadresse ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de.
EU-Kommission, Pressemitteilung v. 23.11.2020; NWB
24.11.2020
Schenkt der Gesellschafter einer Personengesellschaft sein Sonderbetriebsvermögen an sein Kind, gilt hierfür nur dann die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, wenn er gleichzeitig auch seinen Anteil an der Personengesellschaft seinem Kind schenkt. Die Steuerbefreiung ist bereits dann zu versagen, wenn zwischen den Übertragungen ein Tag liegt.
Hintergrund: Der Gesetzgeber gewährt bei der Schenkung und Vererbung von Betriebsvermögen grundsätzlich eine Steuerbefreiung von 85 % oder – unter weiteren Voraussetzungen – von 100 %. Zum begünstigten Betriebsvermögen gehört auch der Anteil an einer unternehmerisch tätigen Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft). Als Sonderbetriebsvermögen bezeichnet man Wirtschaftsgüter, die der Gesellschafter der Personengesellschaft zur Nutzung überlässt, z.B. ein Grundstück, das er an die Personengesellschaft vermietet; es wird einkommensteuerlich wie der Anteil an der Personengesellschaft dem gewerblichen oder freiberuflichen Bereich zugeordnet.
Sachverhalt: Der Vater des Klägers war alleiniger Kommanditist einer KG und vermietete an die KG ein Grundstück, so dass das Grundstück einkommensteuerlich zu seinem Sonderbetriebsvermögen gehörte. Der Vater übertrug durch Vertrag vom 30.12.2013 seinen Anteil an der KG auf seinen Sohn, den Kläger. Die Übertragung sollte mit dinglicher Wirkung zum 1.1.2014 erfolgen, aber aus Haftungsgründen erst mit der Eintragung des Klägers im Handelsregister wirksam werden. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 14.1.2014. Ebenfalls am 30.12.2013 schenkte der Vater des Klägers dem Kläger das im Sonderbetriebsvermögen befindliche Grundstück. Der Nutzen- und Lastenwechsel sollte am 1.1.2014 erfolgen; noch am 30.12.2013 wurde die Auflassung erklärt und die Eintragung im Grundbuch beantragt. Das Finanzamt hielt die Schenkung des Grundstücks – im Gegenteil zur Schenkung des Anteils – nicht für steuerfrei, sondern setzte Erbschaftsteuer gegen den Kläger in Höhe von 22.000 € fest (Wert des Grundstücks 600.000 €).
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab, weil das Grundstück nicht zugleich mit dem Anteil übertragen worden war:
Die Schenkung des Grundstücks wurde bereits am 30.12.2013 ausgeführt. Denn schenkungsteuerlich kommt es nicht auf die Eintragung des Klägers im Grundbuch an, sondern auf die Auflassung und die Bewilligung der Eintragung im Grundbuch; dies war bereits am 30.12.2013 erfolgt.
Die Schenkung des Grundstücks war nicht als Schenkung von Betriebsvermögen steuerfrei. Denn Sonderbetriebsvermögen ist nur dann schenkungsteuerfrei, wenn es zeitgleich mit dem Anteil an der Personengesellschaft übertragen wird. Anderenfalls ist der Beschenkte kein Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft und kann keine Mitunternehmerinitiative ausüben. Ohne Mitunternehmerinitiative ist die Steuerbefreiung aber nicht gerechtfertigt.
Der Anteil an der KG ist nicht bereits am 30.12.2013 übertragen worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Anteil erst am 14.1.2014 auf den Kläger übertragen worden ist, weil der Vertrag eine Bedingung enthielt, nach der es auf die Eintragung des Klägers im Handelsregister ankommen sollte. Die dingliche Wirkung sollte jedenfalls frühestens am 1.1.2014 eintreten, so dass der Kläger erst am 1.1.2014 die Gesellschaftsrechte ausüben konnte. Am 1.1.2014 war die Grundstücksschenkung aber bereits vollzogen worden, nämlich schon am 30.12.2013.
Hinweis: Das Urteil wirkt sehr formalistisch, weil zwischen beiden Schenkungen nur ein voller Tag lag, nämlich der 31.12.2013. Der BFH nimmt den Begriff „zugleich“ aber ernst, so dass in der Praxis darauf geachtet werden sollte, dass die Übertragung von Sonderbetriebsvermögen und Personengesellschaftsanteil am selben Tag erfolgt. Dabei ist zu beachten, dass die Schenkung einer Immobilie bereits mit der Auflassung und Eintragungsbewilligung erfolgt, sofern der Beschenkte nach den getroffenen Vereinbarungen von der Eintragungsbewilligung Gebrauch machen darf.
BFH, Urteil vom 17.6.2020 – II R 38/17; NWB
23.11.2020
Kann ein Arbeitnehmer aufgrund einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit oder doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach Verpflegungspauschalen geltend machen, sind die Verpflegungspauschalen zu kürzen, wenn ihm der Arbeitgeber Mahlzeiten zur Verfügung stellt. Die Kürzung der Verpflegungspauschalen erfolgt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellten Mahlzeiten nicht einnimmt, ohne dass es auf die Gründe hierfür ankommt.
Hintergrund: Arbeitnehmer können unter bestimmten Voraussetzungen Mehraufwendungen für Verpflegung absetzen, z.B. bei einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit. Der Gesetzgeber gewährt dem Arbeitnehmer hierfür Verpflegungspauschalen, deren Höhe von der Abwesenheitsdauer abhängig ist. Der Gesetzgeber ordnet aber eine Kürzung der Verpflegungspauschalen an, wenn der Arbeitgeber oder ein von ihm beauftragter Dritter dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung stellt; die Kürzung erfolgt dann in Höhe von jeweils 40 % für das Mittagessen bzw. Abendessen und in Höhe von 20 % für das Frühstück.
Sachverhalt: Der Kläger war Berufssoldat und führte einen doppelten Haushalt. Die Bundeswehr stellte dem Kläger in der Kaserne Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung; hierfür musste der Kläger eine Zuzahlung von insgesamt 7,63 € pro Tag leisten (jeweils 3 € für Mittag- und Abendessen sowie 1,63 € für das Frühstück). Der Kläger nahm lediglich das Mittagessen ein, nicht aber das Frühstück und das Abendessen. Der Kläger machte im Streitjahr 2015 für die Tage der doppelten Haushaltsführung 24 € bzw. 12 € pro Tag geltend und zog pro Tag 3 € für das Mittagessen ab. Das Finanzamt erkannte dies nicht an, zog aber die Zuzahlungen des Klägers als Werbungskosten ab.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Nach dem Gesetz sind die Verpflegungspauschalen zu kürzen, wenn der Arbeitgeber oder ein von ihm beauftragter Dritter dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung stellt. Im Streitfall hat die Bundeswehr dem Kläger sowohl Frühstück als auch Mittag- und Abendessen zur Verfügung gestellt. Damit erfolgt eine Kürzung um insgesamt 100 %, nämlich um jeweils 40 % für das Mittag- und Abendessen sowie um 20 % für das Frühstück. Die Verpflegungspauschalen betragen somit 0 €.
Die Kürzung erfolgt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die ihm vom Arbeitgeber angebotenen Mahlzeiten nicht einnimmt. Es kommt nicht darauf an, weshalb der Arbeitnehmer die ihm zur Verfügung gestellte Verpflegung nicht einnimmt.
Der Gesetzgeber wollte mit der Kürzung der Verpflegungspauschalen das Veranlagungsverfahren vereinfachen. Es soll daher nicht geprüft werden müssen, ob der Arbeitnehmer die Mahlzeiten tatsächlich eingenommen hat und aus welchen Gründen er ggf. die Mahlzeiten nicht eingenommen hat. Es kommt schließlich auch nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer dazu verpflichtet war, die ihm zur Verfügung gestellten Mahlzeiten einzunehmen.
Hinweis: Der BFH schließt sich der Auffassung der Finanzverwaltung an, die die Verpflegungspauschalen kürzt, sobald die Mahlzeiten vom Arbeitgeber gestellt werden, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie auch einnimmt.
Der Kläger konnte zwar keine Verpflegungspauschalen als Werbungskosten gelten machen, wohl aber seine Zuzahlungen.
BFH, Urteil vom 7.7.2020 - VI R 16/18; NWB
20.11.2020
Ändert ein gemeinnütziger Verein seine Satzung, wird die Satzungsänderung erst mit der Eintragung im Vereinsregister wirksam. Daher darf erst auf den Zeitpunkt der Eintragung im Vereinsregister der bisherige Feststellungsbescheid, mit dem die Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen festgestellt worden ist, aufgehoben werden. Eine Aufhebung bereits auf den Zeitpunkt des Beschlusses über die Satzungsänderung ist rechtswidrig.
Hintergrund: Bei gemeinnützigen Körperschaften wird die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen durch einen Bescheid gesondert festgestellt. Hierdurch erhält die Körperschaft, z.B. ein Verein, Klarheit über ihren Gemeinnützigkeitsstatus. Tritt bei den für die Feststellung erheblichen Verhältnissen eine Änderung ein, ist der Feststellungsbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.
Sachverhalt: Der Kläger ist ein eingetragener und im Jahr 1996 gegründeter Verein, der zunächst im Bereich der Kinder- und Jugendpflege tätig war. Das Finanzamt stellte mit Bescheid vom 18.11.2014 fest, dass die Satzung des Klägers die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllt. Bereits am 2.9.2014 hatten die Vereinsmitglieder eine Satzungsänderung beschlossen, nach der der Verein nunmehr noch in weiteren Bereichen tätig werden sollte, z.B. auf dem Gebiet der deutsch-polnischen Zusammenarbeit oder der Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Die Satzungsänderung wurde am 26.1.2015 im Vereinsregister eingetragen. Mit Bescheid vom 11.1.2016 hob das Finanzamt den Feststellungsbescheid vom 18.11.2014 mit Wirkung ab 2.9.2014 (Tag des Beschlusses der Satzungsänderung) auf. Der Kläger wandte sich gegen den Aufhebungsbescheid.
Entscheidung: Der BFH gab der Klage statt:
Die Aufhebung eines Feststellungsbescheids, in dem die Erfüllung der Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit festgestellt wird, setzt eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse, die für die Feststellung erheblich sind, voraus.
Eine Änderung der Verhältnisse aufgrund einer Satzungsänderung tritt erst dann ein, wenn die Satzungsänderung zivilrechtlich wirksam wird.
Für die zivilrechtliche Wirksamkeit ist die Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister erforderlich. Dies erfolgte erst am 26.1.2015 und nicht bereits am 2.9.2014. Damit erfolgte die Aufhebung des Feststellungsbescheids zu früh, da das Finanzamt den Feststellungsbescheid bereits mit Wirkung ab dem 2.9.2014 aufgehoben hat.
Hinweis: Zwar hat der Verein das Verfahren gewonnen. Das Finanzamt wird aber möglicherweise noch prüfen, ob es den Feststellungsbescheid zum 26.1.2015 aufheben kann.
Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit ist wichtig für die Spender und Mitglieder des Vereins, die Spenden und Mitgliedsbeiträge leisten und anhand des Feststellungsbescheids erkennen können, dass der Verein nach seiner Satzung gemeinnützig ist. Der Feststellungsbescheid betrifft aber nur die sog. formelle Satzungsmäßigkeit, also die Vereinbarkeit der Satzung mit dem steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht. Der Feststellungsbescheid enthält keine Aussage zu der Frage, ob die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins mit der Satzung vereinbar ist.
BFH, Urteil v. 23.7.2020 - V R 40/18; NWB
19.11.2020
Sponsoringaufwendungen einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis sind Betriebsausgaben, wenn durch das Sponsoring das unternehmerische Ansehen der Arztpraxis gesichert oder erhöht wird, indem der Empfänger des Sponsorings öffentlichkeitswirksam auf das Sponsoring oder auf die unternehmerischen Leistungen der Gemeinschaftspraxis hinweist. Dabei ist es unschädlich, wenn der Sponsorempfänger vor allem auf die Tätigkeit und Qualifikation der einzelnen Ärzte der Gemeinschaftspraxis hinweist.
Hintergrund: Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die betrieblich veranlasst sind.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine ärztliche Gemeinschaftspraxis, die in der Sportmedizin tätig war und an der die Ärzte K und H beteiligt waren. Die Gemeinschaftspraxis erzielte im Jahr Einnahmen in Höhe von ca. 946.000 €. Sie sponsorte im Jahr 2009 zwei Sportler mit insgesamt ca. 100.000 €. Hierfür mussten die Sportler u.a. auf ihrer Sportkleidung Logos der Internetadresse der Arztpraxis („Arztpraxis XY.de“) tragen; auf der Internetseite wurden vor allem die beiden Ärzte K und H vorgestellt. Die Gemeinschaftspraxis machte die Sponsoringaufwendungen als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt ging von einer privaten Mitveranlassung des Sponsorings aus und beanstandete zudem, dass auf der beworbenen Internetseite nicht die Gemeinschaftspraxis, sondern die beiden Ärzte K und H präsentiert worden seien.
Entscheidung: Der BFH gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Sponsoringaufwendungen waren betrieblich veranlasst. Denn durch das Sponsoring wurde das unternehmerische Ansehen der Arztpraxis gesichert bzw. erhöht, weil die beiden Sportler öffentlichkeitswirksam auf das Sponsoring und auf die Dienstleistungen der Gemeinschaftspraxis hingewiesen haben.
Unbeachtlich war, dass auf der Internetseite, auf die die beiden Sportler hingewiesen haben, vorrangig die Tätigkeit der beiden Ärzte K und H dargestellt wurde und nicht die Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis. Bei einer freiberuflichen Tätigkeit kommt es nämlich vorrangig auf den einzelnen Berufsträger an und nicht auf die Personengesellschaft.
Für eine private Mitveranlassung fehlten Anhaltspunkte. Aus einer Sportbegeisterung der beiden Ärzte ergibt sich jedenfalls noch keine private Veranlassung für das Sponsoring.
Die Höhe der Sponsoringaufwendungen von ca. 100.000 € jährlich war nicht zu beanstanden. Denn immerhin hat die Gemeinschaftspraxis jährliche Einnahmen von ca. 946.000 € erzielt.
Hinweis: Im Streitfall war das Abzugsverbot für unangemessene Betriebsausgaben nicht anwendbar. Das Abzugsverbot greift nämlich nur dann, wenn die Betriebsausgaben unangemessen hoch sind und die Lebensführung des Unternehmers berühren. Ein Bezug zur privaten Lebensführung war bei dem vorliegenden Sponsoring nicht erkennbar. Dies kann anders sein, wenn der Sponsor einen Verein durch Sponsoring unterstützt, in dem er selbst spielt, oder wenn er einen Angehörigen durch Sponsoring unterstützt.
BFH, Urteil v. 14.7.2020 - VIII R 28/17; NWB
18.11.2020
Zahlt der Arbeitgeber Verwarnungsgelder, die gegen ihn als Fahrzeughalter festgesetzt werden, weil seine Fahrer falsch geparkt haben, führt die Zahlung zwar nicht zu Arbeitslohn, weil der Arbeitgeber eine eigene Schuld tilgt. Allerdings kann der anschließende Verzicht auf einen Rückgriff gegen die Arbeitnehmer zu Arbeitslohn bei den Fahrern führen.
Hintergrund: Zum Arbeitslohn gehört nicht nur das laufende Gehalt, sondern auch weitere Vorteile, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern als Gegenleistung für deren Arbeitsleistung gewährt.
Sachverhalt: Die Klägerin betreibt einen Paketdienst und beschäftigt Fahrer. Soweit die Klägerin keine Ausnahmegenehmigungen zum Parken in Halteverbotszonen erhalten hatte, nahm sie es in Kauf, dass ihre Fahrer im Halteverbot parken, um die Pakete auszuliefern. Die Fahrer waren nach Angaben der Klägerin angewiesen, sich grundsätzlich an die Verkehrsregeln zu halten. Wurden bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung Verwarnungsgelder gegen die Klägerin als Fahrzeughalterin festgesetzt, zahlte sie diese. Das Finanzamt sah hierin lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn und nahm die Klägerin für die Lohnsteuer in Anspruch.
Entscheidung: Auf die hiergegen gerichtete Klage verwies der BFH die Sache zur weiteren Prüfung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die Zahlung der Verwarnungsgelder selbst führt nicht zu Arbeitslohn. Denn die Verwarnungsgelder wurden gegen die Klägerin als Fahrzeughalterin festgesetzt, so dass die Klägerin eine eigene Schuld beglich, nicht aber eine Schuld ihrer Fahrer.
Zu Arbeitslohn könnte es aber dadurch gekommen sein, dass die Klägerin eine realisierbare Forderung in Gestalt eines Rückgriffs- oder Schadensersatzanspruchs gegen ihre Fahrer hatte und diese Forderung erlassen hat. Immerhin hat die Klägerin behauptet, dass sie ihre Fahrer angewiesen habe, sich an die Verkehrsregeln zu halten.
Das FG muss nun aufklären, ob es einen derartigen vertraglichen Regressanspruch oder einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch der Klägerin gab und ob sie auf diesen verzichtet hat. Der Arbeitslohn wäre dann in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem die Klägerin zu erkennen gegeben hat, dass sie keinen Rückgriff nehmen wird.
Hinweise: Bei einem Verzicht auf einen realisierbaren Rückgriffs- bzw. Schadensersatzanspruch wäre steuerpflichtiger Arbeitslohn auch dann anzunehmen, wenn es im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin gelegen hätte, dass die Halteverbotszonen missachtet werden, um die Pakete schnellstmöglich ausliefern zu können. Ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers würde lohnsteuerlich nicht anerkannt werden, weil anderenfalls das rechtswidrige Tun der Arbeitnehmer steuerlich gebilligt werden würde.
Wären die Verwarnungsgelder gegen die Fahrer festgesetzt worden und hätte die Klägerin die Verwarnungsgelder bezahlt, hätte dies zu Arbeitslohn geführt, weil die Klägerin dann eine Schuld der Arbeitnehmer beglichen hätte.
BFH, Urteil v. 13.8.2020 - VI R 1/17; NWB
17.11.2020
Der Bundestag hat Ende Oktober 2020 dem Entwurf der Bundesregierung für ein "Zweites Familienentlastungsgesetz" in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung in 2./3. Lesung zugestimmt. Darüber hinaus wurde das "Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen“ in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung ebenfalls in 2./3. Lesung angenommen.
Zweites Familienentlastungsgesetz
Mit dem zweiten Familienentlastungsgesetz steigt das Kindergeld ab 2021 um 15 € im Monat. Es beträgt damit für das erste und zweite Kind jeweils 219 €, für das dritte Kind 225 € und für das vierte und für jedes weitere Kind jeweils 250 € pro Monat. Der steuerliche Kinderfreibetrag steigt von 5.172 € um 288 € auf 5.460 €.
Der Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes wird um ebenfalls 288 € auf 2.928 € erhöht, so dass sich daraus eine Anhebung der zur steuerlichen Freistellung des Kinderexistenzminimums dienenden Freibeträge von derzeit insgesamt 7.812 € um 576 € auf einen Betrag von insgesamt 8.388 € ergibt.
Grundfreibetrag erhöht
Der steuerliche Grundfreibetrag von derzeit 9.408 € sollte ursprünglich auf 9.696 € angehoben werden. Aufgrund des inzwischen vorliegenden Existenzminimumberichts hob der Bundestag den Betrag für 2021 um 48 € auf 9.744 € an. 2022 steigt der Grundfreibetrag weiter auf 9.984 €.
Änderungen gibt es bei der Rechtsverschiebung des Einkommensteuertarifs zum Ausgleich der sog. kalten Progression. Diese Rechtsverschiebung beträgt im kommenden Jahr 1,52 %, damit inflationsbedingte Einkommenssteigerungen nicht zu einer höheren individuellen Besteuerung führen. Sie sollte im Jahr 2022 1,52 % betragen. Aufgrund der Daten des neuen vierten Steuerprogressionsberichts der Bundesregierung wurde die Rechtsverschiebung im Jahr 2022 auf 1,17 % reduziert.
Behinderten-Pauschbeträge verdoppelt
Die seit 1975 nicht mehr geänderten steuerlichen Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung werden mit dem zweiten verabschiedeten Gesetz (BT-Drucks. 19/21985) ab dem Veranlagungszeitraum 2021 verdoppelt. Auch der Pflegepauschbetrag wird erhöht. Bei einem Grad der Behinderung von 50 % steigt der Pflegepauschbetrag auf 1.140 €, bei 100 % auf 2.840 €.
Die Erhöhung vermeide in vielen Fällen den aufwendigen Einzelnachweis von Aufwendungen, schrieb die Bundesregierung zur Begründung. Damit könnten die Pauschbeträge ihre Vereinfachungsfunktion auch zukünftig erfüllen. Zudem wird ein behinderungsbedingter Fahrtkosten-Pauschbetrag eingeführt. Bei einem Grad der Behinderung kleiner als 50 soll künftig auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet werden. Der Finanzausschuss hatte Änderungen unter anderem bei der Fahrtkostenpauschale vorgenommen. Auch werden Taubblinde in die Regelung einbezogen.
Erhöht wird überdies der Pflege-Pauschbetrag bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5. Für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 wird der Pflege-Pauschbetrag neu eingeführt. Laut Bundesregierung kann der Pflege-Pauschbetrag künftig unabhängig vom Vorliegen des Kriteriums der Hilflosigkeit der zu pflegenden Person geltend gemacht werden.
Hinweis: Beide Gesetze müssen nun noch vom Bundesrat verabschiedet werden. Änderungen sind hier jedoch nicht zu erwarten.
Bundestag online, Meldung v. 29.10.2020; NWB
17.11.2020
Gibt das Finanzgericht (FG) einer Klage des Steuerpflichtigen gegen einen Schenkungsteuerbescheid durch Urteil statt und führt es im Urteil aus, dass die vom Finanzamt berücksichtigte Schenkung weder für den im Bescheid genannten Zeitpunkt noch für einen späteren Zeitpunkt feststellbar ist, darf das Finanzamt die Schenkungsteuer nicht noch einmal festsetzen, selbst wenn der Schenker und der Beschenkte nach Verkündung des Urteils die Schenkung nachträglich schriftlich fixieren. Einem erneuten Schenkungsteuerbescheid steht nämlich die Bindungswirkung des vorausgegangenen Urteils entgegen.
Hintergrund: Ein rechtskräftiges Urteil bindet den Steuerpflichtigen und das Finanzamt, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine am 13.8.2008 von der A errichtete Stiftung. Als Anfangsvermögen sicherte die A der Klägerin ein Anfangsvermögen in Gestalt einer bestimmten Anzahl von Aktien der TU AG zu. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der TU AG stimmten der Abtretung der Aktien auf die Klägerin am 5.11.2008 zu. Das Finanzamt setzte im Jahr 2011 Schenkungsteuer auf den 13.8.2008 fest; dies war der Tag der Errichtung der Klägerin. Hiergegen klagte die Klägerin. Das FG gab der Klage mit Urteil vom 11.11.2014 mit der Begründung statt, weder sei eine Abtretung für den 13.8.2008 noch für einen anderen Zeitpunkt feststellbar. Abtretungserklärungen seien nicht feststellbar; es genüge nicht, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, dass eine Abtretung formlos möglich sei. Der Schenkungsteuerbescheid wurde daraufhin aufgehoben. Die Klägerin und die A kamen anschließend überein, dass die mündliche Abtretung nachträglich fixiert wurde. Sie hielten am 5.2.2015 schriftlich fest, dass die Abtretung der Aktien mündlich am 1.11.2008 erfolgt sei, und erklärten schriftlich, dass die A auf der Grundlage der Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrates der TU AG vom 5.11.2008 und in Vollziehung des Stiftungsgeschäfts vom 13.8.2008 Aktien an der TU AG an die Klägerin abtrete. Das Finanzamt setzte daraufhin im Jahr 2015 Schenkungsteuer zum Stichtag 5.8.2008 fest. Hiergegen klagte die Klägerin und wandte sich gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Freibeträge.
Entscheidung: Der BFH gab der Klage statt und hob den Bescheid aus dem Jahr 2015 auf:
Das Finanzamt war aufgrund der Bindungswirkung des FG-Urteils vom 11.11.2014 an einer erneuten Festsetzung der Schenkungsteuer gehindert. Mit diesem Urteil ist nämlich die Schenkungsteuerpflicht bezüglich der Abtretung der Aktien verneint worden.
Das FG hatte im Urteil vom 11.11.2014 entschieden, dass eine wirksame Abtretung nicht festgestellt werden konnte, und zwar weder für den 13.8.2008 noch für einen anderen Zeitpunkt. Dies bezieht sich auf den gesamten Zeitraum bis zum 11.11.2014, dem Tag des Urteils. Nach Ansicht des FG hat es also bis zum 11.11.2014 überhaupt kein wirksames Abtretungsgeschäft gegeben.
Zwar gilt die Bindungswirkung nicht, soweit nachträglich Tatsachen neu bekannt werden und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Die schriftliche Fixierung der Abtretung am 5.2.2015 ist aber kein nachträglich bekannt gewordenes Beweismittel, da sie erst im Jahr 2015 und damit nach der Verkündung des Urteils des FG vorgenommen wurde.
Hinweis: An sich hatte die Klägerin nur die Berücksichtigung höherer Freibeträge begehrt. Der BFH hat aber den gesamten Bescheid aufgehoben und ist damit über den Klageantrag der Klägerin hinausgegangen. Dieses Hinausgehen über den Klageantrag ist möglich, wenn der BFH zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bescheid insgesamt rechtswidrig ist.
Aus Sicht des Finanzamts war die Entscheidung des FG unglücklich, weil es ohne Not ausgeführt hatte, dass eine Abtretung auch für keinen anderen Zeitpunkt als den 13.8.2008 feststellbar ist. Dies hinderte das Finanzamt an einer erneuten Festsetzung von Schenkungsteuer für eine bis zum 11.11.2014 ausgeführte Schenkung. Für eine Schenkung, die nach dem 11.11.2014 ausgeführt worden wäre, hätte das Finanzamt aber Schenkungsteuer festsetzen können, ohne dass die Bindungswirkung des FG-Urteils dem entgegenstünde.
BFH, Urteil vom 19.2.2020 - II R 32/17, NWB
16.11.2020
Die Überbrückungshilfe II läuft derzeit noch bis zum 31.12.2020. Sie soll nun als Überbrückungshilfe III bis Ende Juni 2021 verlängert und erweitert werden. Dazu gehört auch die sogenannte „Neustarthilfe für Soloselbständige“.
Einzelheiten zur Überbrückungshilfe III:
Die Überbrückungshilfe III hat eine Laufzeit von Januar 2021 bis Juni 2021.
Es soll weitere Verbesserungen geben, bspw. bei der Ansetzbarkeit von Ausgaben für Instandhaltung, Modernisierungsmaßnahmen oder auch Kosten für Abschreibungen.
Bei der Höhe sind anstelle von bislang max. 50.000 € pro Monat künftig bis zu max. 200.000 € pro Monat Betriebskostenerstattung möglich.
Einzelheiten zur Neustarthilfe:
Betroffene, z. B. aus dem Kunst- und Kulturbereich, sollen künftig eine einmalige Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) i. H. von 25 % des Umsatzes (maximal 5.000 €) für den Zeitraum bis Ende Juni 2021 als steuerbaren Zuschuss erhalten können.
Antragsberechtigt sind Soloselbständige, die im Rahmen der Überbrückungshilfen III keine Fixkosten geltend machen können und die ihr Einkommen im Referenzzeitraum (im Normalfall das Jahr 2019) zu mindestens 51 % aus selbständiger Tätigkeit erzielt haben.
Die sog. Betriebskostenpauschale wird gewährt, wenn der Umsatz des Soloselbständigen während der siebenmonatigen Laufzeit Dezember 2020 bis Juni 2021 im Vergleich zu einem siebenmonatigen Referenzumsatz 2019 um mehr als 50 % zurückgegangen ist.
Um den Referenzumsatz 2019 zu bestimmen, wird der durchschnittliche monatliche Umsatz des Jahres 2019 zugrunde gelegt (Referenzmonatsumsatz). Der Referenzumsatz ist das Siebenfache dieses Referenzmonatsumsatzes. Betroffene, die ihre selbständige Tätigkeit nach dem 1.10.2019 begonnen haben und daher keine Jahresumsätze für 2019 vorweisen können, können als Referenzmonatsumsatz entweder den durchschnittlichen Monatsumsatz der beiden Vorkrisenmonate Januar und Februar 2020 oder den durchschnittlichen Monatsumsatz des 3. Quartals 2020 (1.7. bis 30.9.2020) wählen.
Die Neustarthilfe ist aufgrund ihrer Zweckbindung nicht auf Leistungen der Grundsicherung u.ä. anzurechnen.
Es handelt sich um einen Zuschuss, der – wenn die Antragsvoraussetzungen vorliegen – nicht zurückzuzahlen ist.
Die Neustarthilfe soll als Vorschuss ausgezahlt werden, auch wenn die konkreten Umsatzeinbußen während der Laufzeit Dezember 2020 bis Juni 2021 bei Antragstellung noch nicht feststehen.
Sollte der Umsatz während der Laufzeit anders als zunächst erwartet bei über 50 % des siebenmonatigen Referenzumsatzes liegen, sind die Vorschusszahlungen anteilig zurückzuzahlen. Bei einem Umsatz von 50 bis 70 % ist ein Viertel der Neustarthilfe zurückzuzahlen, bei einem Umsatz zwischen 70 und 80 % die Hälfte und bei einem Umsatz zwischen 80 und 90 % drei Viertel. Liegt der erzielte Umsatz oberhalb von 90 %, so ist die Neustarthilfe vollständig zurückzuzahlen. Wenn die so errechnete Rückzahlung unterhalb eines Bagatellbetrags von 500 € liegt, ist keine Rückzahlung erforderlich.
Hinweis: Die Überbrückungshilfe III, die die Neustarthilfe enthalten wird, soll ab dem 1.1.2021 gelten. Aufgrund der nötigen technischen Programmierungen und der Abstimmungen mit den Ländern und der EU-Kommission können die Anträge einige Wochen nach Programmstart im neuen Jahr gestellt werden.
BMF online; NWB
16.11.2020
Zinsen aus einem Darlehen an eine GmbH, deren Alleingesellschafterin die Ehefrau des Darlehensgebers ist, unterliegen grundsätzlich der Abgeltungsteuer von 25 %. Die Abgeltungsteuer ist aber ausgeschlossen, wenn zwischen den Eheleuten ein Beherrschungs- oder wirtschaftliches oder persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht. Besteht kein derartiges Beherrschungs- oder Abhängigkeitsverhältnis, kann die Abgeltungsteuer nicht unter Hinweis auf ein Näheverhältnis zwischen Darlehensgeber (Ehemann) und GmbH ausgeschlossen werden.
Hintergrund: Grundsätzlich werden Zinsen aus einem Darlehen mit der Abgeltungsteuer von 25 % besteuert. In bestimmten Fällen ist die Abgeltungsteuer aber ausgeschlossen: So gilt die Abgeltungsteuer nicht, wenn Darlehensgeber ein mit mindestens 10 % beteiligter GmbH-Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person und Darlehensnehmerin die GmbH ist. Die Abgeltungsteuer gilt auch nicht, wenn Darlehensgeber und Darlehensnehmer einander nahestehen und der Darlehensnehmer die Zinsen steuerlich absetzen kann.
Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer der S-GmbH, deren Alleingesellschafterin die Ehefrau des Klägers war. Der Kläger gewährte der S-GmbH mehrere verzinsliche und besicherte Darlehen. Hierfür erhielt er im Jahr 2014 Zinsen in Höhe von ca. 3.000 €, die er mit 25 % Abgeltungsteuer versteuern wollte. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Abgeltungsteuer ausgeschlossen ist, weil der Kläger seiner Ehefrau F nahestand.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Abgeltungsteuer war anwendbar, weil es sich um Zinsen aus einem Darlehen handelte. Zwar war der Kläger auch Geschäftsführer der S-GmbH, so dass die Zinsen auch Arbeitslohn hätten sein können. Der Kläger wollte aber vorrangig Zinsen erzielten und hatte die Darlehen auch besichern lassen; damit ist er wie eine Bank aufgetreten.
Die Zinsen waren auch nicht als verdeckte Gewinnausschüttung und damit wie eine Dividende zu behandeln. Denn die vereinbarte Verzinsung war etwas günstiger als ein Kontokorrentkredit, so dass auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer die Darlehensverträge mit dem Kläger abgeschlossen hätte.
Die Abgeltungsteuer war nicht ausgeschlossen. Zwar gilt die Abgeltungsteuer nicht bei Darlehenszinsen, wenn der Darlehensgeber einem mit mindestens 10 % beteiligten GmbH-Gesellschafter nahesteht und das Darlehen der GmbH gewährt wird. Über das Näheverhältnis hinaus, das hier zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bestand, verlangt die Rechtsprechung aber noch ein Beherrschungs- oder Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Darlehensgeber (Kläger) und dem Gesellschafter (Ehefrau). Dies war im Streitfall zu verneinen, weil weder der Kläger auf seine Ehefrau noch die Ehefrau auf den Kläger derart einwirken konnte, dass kein eigener Entscheidungsspielraum mehr für den Abschluss des Darlehens verblieb.
Auch der weitere Ausschluss der Abgeltungsteuer griff nicht. Dieser Ausschluss ist zwar anwendbar, wenn Darlehensgeber und Darlehensnehmer einander nahestehen und der Darlehensnehmer die Zinsen steuerlich absetzen kann. Allerdings ist dieser Ausschluss kein Auffangtatbestand. Der Ausschluss kann daher nicht greifen, wenn der oben genannte Ausschlusstatbestand für Vergütungen, die von einer GmbH an einen GmbH-Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person gezahlt werden, nicht einschlägig ist.
Hinweis: Damit muss der Kläger die Zinsen nur mit 25 % versteuern. Hätte er die Klage verloren, wäre sein individueller Steuersatz anzuwenden gewesen.
Allerdings kann der Ausschluss der Abgeltungsteuer auch Vorteile haben. Bei der Abgeltungsteuer ist nämlich der Werbungskostenabzug ausgeschlossen, und Darlehensverluste sind nur eingeschränkt abziehbar. Ist die Abgeltungsteuer nicht anwendbar, können diese Nachteile entfallen.
BFH, Urteil v. 16.6.2020 - VIII R 5/17; NWB
13.11.2020
Das Verfahren der Abschlagszahlungen i. H. von 5.000 € und 10.000 € für die Corona-Novemberhilfe steht. Eine Antragstellung soll ab dem 25.11.2020 über das Portal der Überbrückungshilfe möglich sein.
Hintergrund: Die Novemberhilfe mit einem Umfang von mehr als 10 Mrd. € bietet eine zentrale Unterstützung für Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen, die von den aktuellen Corona-Einschränkungen besonders betroffen sind. Antragsberechtigt sind alle Unternehmen (auch öffentliche), Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen, die auf Grundlage der erlassenen Schließungsverordnungen der Länder in Folge des Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 28.10.2020 den Geschäftsbetrieb einstellen mussten (direkt betroffene Unternehmen). Darüber hinaus sind indirekt betroffene Unternehmen antragsberechtigt (weitere Informationen lesen Sie hier).
Das Verfahren der Abschlagszahlungen umfasst folgende Punkte:
Soloselbstständige erhalten eine Abschlagszahlung von bis zu 5.000 €; andere Unternehmen erhalten bis zu 10.000 €.
Die Antragstellung startet in der letzten November-Woche 2020 (voraussichtlich 25.11.2020). Die Antragstellung und Auszahlung erfolgt voll elektronisch über die Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de.
Grundsätzlich erfolgt die elektronische Antragstellung über einen prüfenden Dritten (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer oder steuerberatende Rechtsanwälte). Ausgenommen sind Solo-Selbständige, die nicht mehr als 5.000 € Förderung beantragen. Sie können den Antrag selbst stellen – ohne einen prüfenden Dritten. Zwingend erforderlich für die Authentifizierung im Direktantrag ist ein ELSTER-Zertifikat. Dieses kann über das ELSTER-Portal beantragt werden.
Erste Auszahlungen der Abschlagszahlungen erfolgen ab Ende November 2020.
Das Verfahren der regulären Auszahlung der Novemberhilfen wird parallel vorbereitet und finalisiert, damit es unmittelbar im Anschluss an die Abschlagszahlungen gestartet werden kann.
BMF und BMWi online; NWB
13.11.2020
Ein Antrag auf Günstigerprüfung kann erstmals im Einspruchsverfahren gegen einen geänderten Einkommensteuerbescheid, der zu einer niedrigeren Steuer führt, gestellt werden, wenn erstmals der geänderte Bescheid Anlass für den Antrag auf Günstigerprüfung gibt. Die Festsetzung der niedrigeren Steuer in dem geänderten Bescheid ist ein rückwirkendes Ereignis, das dazu führt, dass es keine Beschränkung der Anfechtungsbefugnis gibt.
Hintergrund: Kapitaleinkünfte unterliegen grundsätzlich der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 %. Der Steuerpflichtige kann aber einen sog. Antrag auf Günstigerprüfung stellen. Die Kapitaleinkünfte werden dann der individuellen (tariflichen) Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt. Dies ist sinnvoll, wenn der Steuerpflichtige nur geringe Einkünfte erzielt und daher der Steuersatz niedriger ist als die Abgeltungsteuer von 25 %.
Sachverhalt: Die Kläger sind Eheleute. Der Ehemann erzielte im Streitjahr 2010 gewerbliche Einkünfte aus einer KG in Höhe von ca. 305.000 €. Außerdem erzielten beide Kläger Kapitaleinkünfte in Höhe von ca. 31.000 €. In ihrer Einkommensteuererklärung beantragten sie keine Günstigerprüfung, da hierzu angesichts der hohen gewerblichen Einkünfte kein Anlass bestand. Die Kapitaleinkünfte unterlagen daher der Abgeltungsteuer von 25 %. Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid, der bestandskräftig wurde. Im Jahr 2014 wurde der Gewinnanteil des Klägers aus der KG für 2010 mit 0 € festgestellt. Daraufhin änderte das Finanzamt am 4.4.2014 den Einkommensteuerbescheid für 2010 und setzte nunmehr gewerbliche Einkünfte in Höhe von 0 € an, während die Kapitaleinkünfte unverändert blieben; die Einkommensteuer wurde dadurch auf ca. 7.700 € herabgesetzt. Die Kläger legten Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid ein und beantragten eine Günstigerprüfung für die Kapitaleinkünfte. Das Finanzamt kam diesem Antrag nicht nach.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Das Recht, einen Antrag auf Günstigerprüfung zu stellen, ist ein unbefristetes Wahlrecht und konnte daher an sich noch im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid vom 4.4.2014 ausgeübt werden.
Allerdings darf der Bescheid nicht bereits bestandskräftig sein, wenn der Antrag gestellt wird. Die Bestandskraft tritt bei einem Einspruch zwar nicht ein. Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich um einen Einspruch gegen einen Änderungsbescheid handelt und der Änderungsbescheid – wie im Streitfall – zu einer Minderung der bereits bestandskräftigen Steuer führt. Hier besteht wegen der Bestandskraft des Erstbescheids grundsätzlich keine Anfechtungsbefugnis (sog. Beschränkung der Anfechtungsbefugnis).
Nach dem Gesetz ist die Anfechtungsbefugnis aber nicht beschränkt, wenn eine Korrekturvorschrift die Änderung des Bescheids ermöglicht. Eine solche Korrekturmöglichkeit bestand im Streitfall, weil der Erlass des geänderten Steuerbescheids als sog. rückwirkendes Ereignis anzusehen und bei einem rückwirkenden Ereignis eine Korrektur möglich ist. Der geänderte Bescheid ermöglichte den Klägern nämlich erstmals eine erfolgreiche Antragstellung, weil infolge der auf Null herabgesetzten gewerblichen Einkünfte ein Antrag auf Günstigerprüfung sinnvoll wurde. Die Günstigerprüfung führte nämlich zu einer niedrigen Einkommensteuer als die Abgeltungsteuer.
Hinweis: Das Urteil ist für Steuerpflichtige ausgesprochen positiv. Denn es ermöglicht die Stellung eines Antrags auf Günstigerprüfung nach Erlass eines Änderungsbescheids, wenn sich erstmals aus dem Änderungsbescheid derart niedrige Einkünfte ergeben, dass ein Antrag auf Günstigerprüfung sinnvoll wird. Zu beachten ist aber, dass der Antrag innerhalb der Einspruchsfrist des Änderungsbescheids gestellt werden muss.
Führt der Änderungsbescheid zu einer höheren Steuer, gelten die Grundsätze des Urteils nicht. Denn dann besteht zum einen ohnehin keine Beschränkung der Anfechtungsbefugnis; zum anderen ergibt sich aus einer höheren Steuer auch kein Anlass für die erstmalige Stellung eines Antrags auf Günstigerprüfung.
BFH, Urteil vom 14.7.2020 - VIII R 6/17; NWB
13.11.2020
Die Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ) geht virtuell auf Tour. In den kommenden Wochen und Monaten präsentiert die BSFZ in mehreren kostenlosen Online-Seminaren gemeinsam mit dem BMF alles Wichtige rund um die Steuerliche Forschungsförderung.
Hintergrund: Da es sich bei dieser steuerlichen Fördermaßnahme um ein Gesetz mit Rechtsanspruch handelt, erhält jeder Anspruchsberechtigte, der die Voraussetzungen erfüllt, die Forschungszulage. Eine Begrenzung der Förderung aufgrund begrenzter Haushaltsmittel ist nicht vorgesehen. Die Wirkung des Gesetzes soll spätestens nach fünf Jahren evaluiert werden. Die Förderung ist aber nicht befristet. Die mit dem Gesetz verbundenen Steuermindereinnahmen werden voraussichtlich ca. 1,4 Mrd. € pro Jahr betragen, die von Bund, Ländern und Gemeinden getragen werden.
Die Forschungszulage beträgt 25 % der förderfähigen Aufwendungen. Dies sind insbesondere dem Lohnsteuerabzug unterliegende Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer, die in begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mitwirken. Bei der Auftragsforschung werden 60 % des Entgeltes, das der Auftraggeber an den Auftragnehmer leistet, als förderfähiger Aufwand angesehen. Die förderfähige Bemessungsgrundlage wird jedoch pro Unternehmen/Konzern auf eine Obergrenze von 2 Mio. € pro Wirtschaftsjahr begrenzt. Das führt zu einer höchstmöglichen Forschungszulage pro Wirtschaftsjahr von 500.000 €. Die Forschungszulage wird auf die Ertragssteuerschuld des Anspruchsberechtigten angerechnet. Ist die Forschungszulage höher als die im Rahmen der nächsten Veranlagung festgesetzte Steuer, wird dieser Betrag als Steuererstattung ausgezahlt. Damit können auch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von Unternehmen gefördert werden, die sich in einer Verlustphase befinden.
Für nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2026 entstandene förderfähige Aufwendungen beträgt die Bemessungsgrundlage maximal 4 Mio. € (das entspricht einer höchstmöglichen Forschungszulage pro Wirtschaftsjahr von 1 Mio. €).
Die virtuelle Tour beinhaltet u.a.:
Einführung Steuerliche Forschungsförderung und Forschungszulagengesetz: Anspruchsberechtigung, begünstigungsfähige FuE-Vorhaben und das zweistufige Antragsverfahren
Das Antragsverfahren bei der BSFZ: Antragsformular, Prüfkriterien und Beispiele für FuE-Tätigkeiten
Der Antrag auf Forschungszulage: Förderfähige Aufwendungen, Bemessungsgrundlage, Fördersatz und das Verfahren beim Finanzamt
Die Bescheinigungsstelle Forschungszulage wird bis Ende des Jahres alle Bundesländer virtuell "besuchen".
Hinweise: Die Teilnahme ist kostenlos. Zur Anmeldung und Terminübersicht gelangen Sie hier.
BMF online, BSFZ online; NWB
12.11.2020
Das Finanzamt darf die Erbschaftsteuer im Wege der Schätzung gegen unbekannte Erben festsetzen, wenn die Erben noch nicht bekannt sind und ein Nachlasspfleger bestellt worden ist. Die Schätzung ist aber erst dann zulässig, wenn der Nachlasspfleger ausreichend Zeit hatte, die Erben zu ermitteln. In der Regel ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall angemessen, so dass nach Ablauf des Jahres die Erbschaftsteuer geschätzt und gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden kann.
Hintergrund: Die Erbschaftsteuer wird gegenüber den Erben festgesetzt. Gibt es einen Nachlasspfleger, ist der Erbschaftsteuerbescheid ihm gegenüber bekannt zu geben. Ein Nachlasspfleger wird bestellt, wenn der Erbe noch nicht bekannt ist oder wenn nicht sicher ist, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat.
Sachverhalt: Der Erblasser verstarb am 27.2.2014. Die Erben waren zunächst nicht ermittelbar. Am 5.6.2014 wurde ein Nachlasspfleger bestellt, der eine Erbschaftsteuererklärung abgab. Das Finanzamt setzte am 27.4.2015 Erbschaftsteuer in Höhe von ca. 330.000 € gegen die „unbekannten Erben“ fest. Dabei erging der Bescheid hinsichtlich der Anzahl der Erben, der Erbanteile und der persönlichen Freibeträge vorläufig. Das Finanzamt schätzte im Bescheid, dass es 20 Erben gab, die jeweils 5 % geerbt haben und mit dem Erblasser nicht verwandt waren. Nachdem der Nachlasspfleger Einspruch eingelegt hatte, setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer auf ca. 265.000 € herab und ging nunmehr von 30 Erben aus. Erst im Klageverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) wurden die Erben festgestellt und die Nachlasspflegschaft aufgehoben; die Erben wurden nun Kläger.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Sind die Erben nicht bekannt und besteht eine Nachlasspflegschaft, kann die Erbschaftsteuer gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Der Bescheid ist gegenüber dem Nachlasspfleger bekannt zu geben.
Die Erbschaftsteuer ist zu schätzen, da die einzelnen Umstände noch nicht bekannt sind. Zu schätzen sind somit die Anzahl der Erben, die Größe der Erbteile, d.h. die jeweilige Erbquote, sowie das Verwandtschaftsverhältnis, das für die Steuerklasse und den Freibetrag maßgeblich ist.
Allerdings darf das Finanzamt erst dann schätzen, wenn der Nachlasspfleger ausreichend Zeit hatte, die Erben zu ermitteln. Dieser Zeitraum hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Regel ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Tod des Erblassers angemessen, wenn die Ermittlung der Erben keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Dieser Zeitraum kann sich allerdings verlängern, wenn es zu Verzögerungen bei der Bestellung des Nachlasspflegers kommt, wenn genealogische Recherchen im Ausland erforderlich werden oder wenn fehlende Urkunden in den Fällen der Auswanderung, des Krieges oder der Vertreibung zu berücksichtigen sind.
Die Schätzungsbefugnis steht zwar zunächst dem Finanzamt zu. Sie geht aber auf das Finanzgericht über, wenn es zu einem Klageverfahren kommt. Werden die Erben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht nicht ermittelt, darf das Finanzgericht die Schätzung des Finanzamts überprüfen und ggf. selbst schätzen. Hingegen fällt die Schätzungsbefugnis des Finanzgerichts weg, wenn die Erben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ermittelt werden. Die Verhandlung vor dem Finanzgericht fand ca. drei Jahre und fünf Monate nach dem Tod des Erblassers statt, so dass es in jedem Fall angemessen war, die Erbschaftsteuer im Wege der Schätzung und ohne Kenntnis der Erben festzusetzen.
Hinweis: Im Streitfall war die Schätzung inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Nachlasspfleger ging von 30 Erben aus. Angesichts der Höhe des Nachlasses war nicht anzunehmen, dass einer der Erben die Erbschaft ausschlagen würde. Auch die Einstufung in die ungünstige Steuerklasse III war nicht zu beanstanden. Im Übrigen wirkte sich die hohe Anzahl der Erben positiv aus, weil der Freibetrag von jeweils 20.000 € für jeden der 30 Erben berücksichtigt wurde.
Für die noch unbekannten Erben kann die Schätzung zwar nachteilig sein. Jedoch wird das Finanzamt einen Vorläufigkeitsvermerk festsetzen, wie dies auch im Streitfall geschehen ist. Aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks kann dann die Festsetzung der Erbschaftsteuer geändert werden, wenn die Erben ermittelt werden.
BFH, Urteil vom 17.6.2020 - II R 40/17; NWB
11.11.2020
Aufgrund des gesetzlichen Abzugsverbots von Betriebsausgaben dürfen Kosten für ein Erststudium auch dann nicht abgezogen werden, wenn der Student bereits unternehmerisch tätig ist und das Studium diese Tätigkeit fördern soll. Bei einem Erststudium besteht nämlich immer auch ein Zusammenhang zur privaten Lebensführung.
Hintergrund: Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder für ein Erststudium waren nach früherer Rechtsprechung grundsätzlich nur als Sonderausgaben abziehbar. Im Jahr 2011 änderte der Bundesfinanzhof (BFH) aber seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerpflichtigen und erkannte die Aufwendungen nunmehr als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben an. Daraufhin führte der Gesetzgeber noch im Jahr 2011 ein Abzugsverbot für Kosten einer Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums ein, das rückwirkend seit dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten sollte.
Sachverhalt: Die Klägerin besuchte zunächst in Weißrussland eine Kunstschule und studierte auch in Weißrussland, schloss aber weder die Kunstschule noch das Studium ab. Sie zog 2004 nach Deutschland und begann hier ein Studium der Slawistik und Kunstpädagogik, das sie 2010 abschloss. Schon in Weißrussland hatte die Klägerin als selbständige Künstlerin und Buchillustratorin gearbeitet und setzte diese Tätigkeit in Deutschland fort. Im Veranlagungszeitraum 2004 machte sie die Kosten für ihr Studium in Deutschland i.H. von ca. 9.000 € als Betriebsausgaben im Rahmen ihrer künstlerischen Tätigkeit geltend. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich 4.000 € als Sonderausgaben. Hiergegen klagte die Klägerin und ging schließlich zum BFH. Während des Revisionsverfahrens im Jahr 2011 trat das gesetzliche Abzugsverbot für Studienkosten als Betriebsausgaben rückwirkend ab 2004 in Kraft.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Der Betriebsausgabenabzug ist wegen des 2011 verabschiedeten gesetzlichen Abzugsverbots für Kosten eines Erststudiums nicht möglich. Bei dem im Jahr 2004 in Deutschland begonnenen Studium der Slawistik und Kunstpädagogik handelte es sich um ein Erststudium und nicht um ein Zweitstudium. Denn die Klägerin hatte ihr vorheriges Studium in Weißrussland nicht beendet.
Das gesetzliche Abzugsverbot für die Kosten eines Erststudiums gilt auch dann, wenn das Studium eine bereits ausgeübte Tätigkeit fördern soll. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass ein Erststudium auch der Persönlichkeitsentwicklung dient und damit stets auch privat veranlasst ist.
Zwar ist das gesetzliche Abzugsverbot erst im Jahr 2011 verabschiedet worden; es sollte aber rückwirkend ab 2004 gelten und ist damit im Streitjahr 2004 anwendbar. Diese Rückwirkung ist verfassungsgemäß, weil die Steuerpflichtigen im Jahr 2004 und in den Folgejahren kein schutzwürdiges Vertrauen haben konnten, dass Aufwendungen für ein Erststudium als Betriebsausgaben abziehbar sein könnten. Dieses Vertrauen hätte allenfalls im Jahr 2011 entstehen können, als der BFH seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerpflichtigen änderte; hierauf hat der Gesetzgeber mit dem Abzugsverbot aber sogleich reagiert.
Hinweis: Der BFH durfte das gesetzliche Abzugsverbot anwenden, obwohl es erst im Revisionsverfahren in Kraft getreten ist.
Abziehbar bleiben die Kosten für ein Zweitstudium. Dies wäre hinsichtlich des Studiums in Deutschland der Fall gewesen, wenn die Klägerin ihr Studium in Weißrussland mit einer Abschlussprüfung beendet hätte.
Der Abzug als Sonderausgaben hat den Nachteil, dass Sonderausgaben nur in dem Jahr abgezogen werden können, in dem sie bezahlt worden sind. Ein Verlustvortrag oder -rücktrag ist also nicht möglich.
BFH, Urteil v. 16.6.2020 - VIII R 4/20 (VIII R 49/11); NWB
10.11.2020
Insbesondere Grenzpendler, die normalerweise täglich von ihrem Wohnsitz aus in einen anderen Staat zur Arbeit pendeln, sind von den aktuellen Ausgangsbeschränkungen betroffen. Wenn sie nun vermehrt ihrer Tätigkeit im Homeoffice nachgehen, kann dies auch steuerliche Folgen auslösen, etwa dann, wenn nach den zugrunde liegenden Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) der beiden betroffenen Staaten das Überschreiten einer bestimmten Anzahl an Tagen, an denen der eigentliche Tätigkeitsstaat nicht aufgesucht wird, zu einem teilweisen Wechsel des Besteuerungsrechts führt.
Hintergrund: In Deutschland wohnhafte Arbeitnehmer dürfen in Österreich besteuert werden, wenn diese sich länger als 183 Tage im Kalenderjahr in Österreich aufhalten, die Vergütungen von einem österreichischen Arbeitgeber gezahlt werden oder die Vergütungen von einer österreichischen Betriebsstätte getragen werden.
Grenzgänger ist eine Person, die in Grenznähe wohnt und im anderen Staat in Grenznähe arbeitet und täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Für Grenzgänger bleibt das Besteuerungsrecht indessen beim Wohnsitzstaat. Ein erhöhtes Maß an Homeoffice-Tagen kann zu einer Änderung der Aufteilung der Besteuerungsrechte und damit zu einer Änderung der steuerlichen Situation der betroffenen Beschäftigten führen.
Im Hinblick auf die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns von Grenzpendlern wurde mit Österreich am 15.4.2020 eine sog. Konsultationsvereinbarung unterzeichnet (verlängert am 28.10.2020):
Diese sieht vor, dass die Arbeitstage, an denen die Grenzpendler aufgrund der Corona-Pandemie von ihrer Wohnung aus im Homeoffice in Deutschland arbeiten, als Arbeitstage in Österreich gelten . Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, diese Tatsachenfiktion in Deutschland und in Österreich einheitlich anzuwenden und entsprechende Aufzeichnungen zu führen. Die Regelung gilt nicht für Arbeitnehmer, die generell – ohne die Corona-Pandemie – aus dem Homeoffice arbeiten.
Die Konsultationsvereinbarung findet auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11.3.2020 bis zum 31.12.2020 Anwendung. Sie verlängert sich nach dem 31.12.2020 automatisch vom Ende eines Kalendermonats zum Ende des nächsten Kalendermonats, sofern sie nicht von der zuständigen Behörde eines der Vertragsstaaten mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats durch schriftliche Erklärung an die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats gekündigt wird.
Ähnliche Regelungen gelten für folgende Länder:
Niederlande (Vereinbarung v. 6.4.2020, verlängert am 20./22.10.2020)
Luxemburg (Vereinbarung v. 3.4.2020, aktualisiert am 7.10.2020)
Belgien (Vereinbarung v. 6.5.2020, verlängert am 22.6.2020)
Frankreich (Vereinbarung v. 13.5.2020, verlängert am 30.9.2020)
Schweiz (Vereinbarung v. 12.6.2020)
Die Schreiben sind auf der Homepage des Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht.
BMF online; NWB
10.11.2020
Die Bundesregierung verlängert das KfW-Sonderprogramm, einschließlich des KfW-Schnellkredits, bis zum 30.6.2021. Ab dem 9.11.2020, steht der KfW-Schnellkredit zudem auch für Soloselbständige und Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten zur Verfügung. Verbessert wurden auch die Regelungen zur Tilgung der KfW-Schnellkredite. Möglich ist ab dem 16.11.2020 auch die vorzeitige anteilige Tilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung.
Hintergrund: Über die Hausbanken können die Unternehmen diese KfW-Kredite beantragen, abhängig von dem im Jahre 2019 erzielten Umsatz. Der Bund übernimmt dafür das vollständige Risiko und stellt die Hausbanken von der Haftung frei. Insgesamt sind mittlerweile mehr als 95.000 Anträge auf KfW-Corona-Hilfen bei der KfW eingegangen. 99 % der Anträge davon sind bereits abschließend bearbeitet worden. Die Zusagen haben insgesamt ein Volumen von knapp 46 Mrd. EUR erreicht.
Der KfW-Schnellkredit steht ab dem 9.11.2020 mit folgenden Eckpunkten zur Verfügung:
Der KfW-Schnellkredit steht kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Soloselbständigen zur Verfügung, die mindestens seit dem 1.1.2019 am Markt aktiv gewesen sind.
Des Weiteren muss das Unternehmen in der Summe der Jahre 2017-2019 oder im Jahr 2019 einen Gewinn erzielt haben. Sofern das Unternehmen bislang nur für einen kürzeren Zeitraum am Markt ist, wird dieser Zeitraum herangezogen.
Das Kreditvolumen pro Unternehmensgruppe beträgt bis zu 25 % des Jahresumsatzes 2019, maximal 800.000 € für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl über 50 Mitarbeitern, maximal 500.000 € für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von bis zu 50 und maximal 300.000 € für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von bis zu 10.
Das Unternehmen darf zum 31.12.2019 nicht in Schwierigkeiten gewesen sein und muss zu diesem Zeitpunkt geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufweisen.
Der Zinssatz beträgt aktuell 3% mit einer Laufzeit von 10 Jahren.
Die Bank erhält eine Haftungsfreistellung in Höhe von 100% durch die KfW, abgesichert durch eine Garantie des Bundes.
Die Kreditbewilligung erfolgt ohne weitere Kreditrisikoprüfung durch die Bank oder die KfW. Es sind keine Sicherheiten zu stellen.
Hinweis: Sobald die Europäische Kommission die Verlängerung der bisherigen beihilferechtlichen Grundlagen genehmigt hat, können die entsprechenden Hilfen auch im Jahr 2021 gewährt werden.
BMF Pressemitteilung v. 6.11.2020; NWB
09.11.2020
Die Frist für das Baukindergeld soll um drei Monate bis zum 31.03.2021 verlängert werden. Bisher war dies nur bis zum 31.12.2020 möglich.
Hintergrund: Mit dem Baukindergeld wird seit September 2018 der Bau oder Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum für Familien mit Kindern in Deutschland gefördert. Familien können zehn Jahre lang jährlich 1.200 € Baukindergeld je Kind erhalten. Bislang wurden rund 260.500 Familien in Deutschland mit dem Baukindergeld gefördert, zwei Drittel von ihnen haben Kinder unter sechs Jahren. Das durchschnittliche zu versteuernde Haushaltseinkommen liegt bei 60 % der Antragsteller unter 40.000 € pro Jahr. Das beantragte Fördervolumen liegt bei 5,5 Mrd. €. Für die gesamte Laufzeit stehen 9,9 Mrd. € für das Baukindergeld zur Verfügung.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) führt aus:
Das Baukindergeld kann unverändert nach Einzug in die neue Immobilie unter Wahrung der 6-monatigen Antragsfrist bis zum 31.12.2023 beantragt werden.
Wer zwischen dem 1.1.2018 und künftig dem 31.3.2021 einen Kaufvertrag unterzeichnet, eine Baugenehmigung erhalten oder der frühestmögliche Baubeginn seines – nach dem jeweiligen Landesbaurecht – nicht genehmigungspflichtigen Vorhabens in diesen Zeitraum fällt, kann einen Antrag auf Baukindergeld stellen.
Die Verlängerung des Förderzeitraums wird erst mit dem Inkrafttreten des Bundeshaushalts 2021 wirksam.
KfW online, BMI Pressemitteilung; NWB
06.11.2020
Der Bundesrat hat keine Einwände gegen die Pläne der Bundesregierung, die Corona-bedingten Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld zu verlängern. Dies ergibt sich aus seiner Stellungnahme vom 6.11.2020 zum Regierungsentwurf eines "Gesetzes zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie" (Beschäftigungssicherungsgesetz - BeschSiG, BR-Drucks. 558/20).
Hintergrund: Die im März eingeführten Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld laufen Ende 2020 aus, sollen nun aber verlängert werden, weil die Entwicklung in Wirtschaft und Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten angesichts der COVID-19-Pandemie unsicher sind.
Die geplanten Regelungen:
Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 70 bzw.77 Prozent (für die Leistungssätze 3 bzw. 4) ab dem vierten Monat und auf 80 bzw.87 Prozent ab dem siebten Monat für alle Beschäftigten, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis März 2021 entstanden ist, soll bis Ende des Jahres 2021 verlängert werden.
Die bestehenden befristeten Hinzuverdienstregelungen sollen durch das geplante Gesetz insoweit verlängert werden, als Entgelt aus einer geringfügig entlohnten Beschäftigung, die während der Kurzarbeit aufgenommen wurde, anrechnungsfrei bleibt.
Die hälftige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für berufliche Weiterbildung in Zeiten des Arbeitsausfalls soll nicht mehr daran geknüpft, dass die Qualifizierung mindestens 50 Prozent der Zeit des Arbeitsausfalls betragen muss.
Hinweise:
Das Gesetz muss nun noch vom Bundestag in 2./3. Lesung verabschiedet werden. Danach kommt es noch einmal abschließend in den Bundesrat.
Im Verordnungsweg beschlossen wurden bereits die folgenden Maßnahmen:
Verlängerung der Zugangserleichterungen zum Kurzarbeitergeld (Mindesterfordernisse, negative Arbeitszeitsalden) bis zum 31.12.2021 für Betriebe, die bis zum 31.3.2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben.
Verlängerung der Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmer bis zum 31.12.2021 für Verleihbetriebe, die bis zum 31.3.2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben.
Verlängerung der vollständigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit bis zum 30.6.2021. Vom 1.7.2021 bis 31.12.2021 werden die Sozialversicherungsbeiträge zu 50 % erstattet, wenn mit der Kurzarbeit bis 30.6.2021 begonnen wurde.
Verlängerung der Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld für Betriebe, die mit der Kurzarbeit bis zum 31.12.2020 begonnen haben, auf bis zu 24 Monate, längstens bis zum 31.12.2021.
Bundesrat kompakt v. 6.11.2020, "Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung", BGBl. I S. 2259 sowie "Zweite Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld", BGBl. I S. 2165; NWB
06.11.2020
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Oktober 2020 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2020 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
BMF-Schreiben vom 2.11.2020 - III C 3 - S 7329/19/10001 :002; NWB
06.11.2020
Das Bundesfinanzministerium hat Informationen zu den sog. Novemberhilfen veröffentlicht. Eine Antragstellung ist derzeit noch nicht möglich (Stand 6.11.2020), die hierfür nötige Programmierung ist in Arbeit.
Hintergrund: Um Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen, die vom teilweisen Lockdown betroffen sind, zu unterstützen, hat die Bundesregierung die sog. Novemberhilfen aufgelegt (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 05.11.2020). Das BMF informiert nun über Detail zu dieser Maßnahme.
1. Gesamtvolumen: Die außerordentliche Wirtschaftshilfe wird ein Finanzvolumen von voraussichtlich ca. 10 Milliarden Euro haben.
2. Antragsberechtigung: Antragsberechtigt sind direkt von den temporären Schließungen betroffene Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen und indirekt betroffene Unternehmen nach folgender Maßgabe:
Direkt betroffene Unternehmen: Alle Unternehmen (auch öffentliche), Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen, die auf der Grundlage des Beschlusses des Bundes und der Länder vom 28. Oktober 2020 erlassenen Schließungsverordnungen der Länder den Geschäftsbetrieb einstellen mussten. Hotels zählen als direkt betroffene Unternehmen.
Indirekt Betroffene Unternehmen: Alle Unternehmen, die nachweislich und regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungsmaßnahmen betroffenen Unternehmen erzielen.
Verbundene Unternehmen – also Unternehmen mit mehreren Tochterunternehmen oder Betriebstätten – sind dann antragsberechtigt, wenn mehr als 80 Prozent des verbundweiten Gesamtumsatzes auf direkt oder indirekt betroffene Verbundunternehmen entfällt. Erstattet werden bis zu 75 Prozent des Umsatzes der betroffenen Verbundunternehmen. Dies betrifft etwa eine Holdinggesellschaft, die sowohl Restaurants (geschlossen) und Einzelhandelsunternehmen (weiter geöffnet) hält – hier wird die Nothilfe gezahlt, wenn die Restaurants zu mehr als 80 Prozent des Umsatzes der Holdinggesellschaft beitragen.
3. Art der Förderung: Mit der Novemberhilfe werden Zuschüsse pro Woche der Schließungen in Höhe von 75 Prozent des durchschnittlichen wöchentlichen Umsatzes im November 2019 gewährt bis zu einer Obergrenze von 1 Mio. Euro, soweit der bestehende beihilferechtliche Spielraum des Unternehmens das zulässt (Kleinbeihilfenregelung der EU
Zuschüsse über 1 Millionen Euro bedürfen für die Novemberhilfe noch der Notifizierung und Genehmigung der EU-Kommission. Die Bundesregierung ist derzeit in intensiven Gesprächen mit der Europäischen Kommission, um eine solche Genehmigung für höhere Zuschüsse zu erreichen.
Soloselbstständige können als Vergleichsumsatz alternativ zum wöchentlichen Umsatz im November 2019 den durchschnittlichen Wochenumsatz im Jahre 2019 zugrunde legen. Bei Antragsberechtigten, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, kann als Vergleichsumsatz der durchschnittliche Wochenumsatz im Oktober 2020 oder der durchschnittliche Wochenumsatz seit Gründung gewählt werden.
4. Anrechnung erhaltener Leistungen: Andere staatliche Leistungen, die für den Förderzeitraum November 2020 gezahlt werden, werden angerechnet. Das gilt vor allem für Leistungen wie Überbrückungshilfe oder Kurzarbeitergeld.
5. Anrechnung von erzielten Umsätzen im Monat November: Wenn im November trotz der grundsätzlichen Schließung Umsätze erzielt werden, so werden diese bis zu einer Höhe von 25 Prozent des Vergleichsumsatzes nicht angerechnet. Um eine Überförderung von mehr als 100 Prozent des Vergleichs-Umsatzes zu vermeiden, erfolgt bei darüber hinausgehenden Umsätzen eine entsprechende Anrechnung.
Für Restaurants gilt eine Sonderregelung, wenn sie Speisen im Außerhausverkauf anbieten. Hier wird die Umsatzerstattung auf 75 Prozent der Umsätze im Vergleichszeitraum 2019 auf diejenigen Umsätze begrenzt, die dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen, also die im Restaurant verzehrten Speisen. Damit werden die Umsätze des Außerhausverkaufs – für die der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt – herausgerechnet. Im Gegenzug werden diese Umsätze des Außerhausverkaufs während der Schließungen von der Umsatzanrechnung ausgenommen, um eine Ausweitung dieses Geschäfts zu begünstigen. Beispiel: Eine Pizzeria hatte im November 2019 8.000 Euro Umsatz durch Verzehr im Restaurant und 2.000 Euro durch Außerhausverkauf. Sie erhält daher 6.000 Euro Novemberhilfe (75 Prozent von 8.000 Euro), d. h. zunächst etwas weniger als andere Branchen (75 Prozent des Vergleichsumsatzes). Dafür kann die Pizzeria im November 2020 deutlich mehr als die allgemein zulässigen 2.500 Euro (25 Prozent von 10.000 Euro) an Umsatz mit Lieferdiensten erzielen, ohne dass eine Kürzung der Förderung erfolgt.
6. Antragstellung: Die Anträge können in den nächsten Wochen über die bundeseinheitliche IT-Plattform der Überbrückungshilfe gestellt werden (www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de). Die elektronische Antragstellung muss hierbei durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer oder Rechtsanwalt erfolgen. Die Auszahlung soll über die Überbrückungshilfe-Plattform durch die Länder erfolgen. Derzeit erfolgt die nötige Programmierung des Antragsformulars durch den IT-Dienstleister des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Für Soloselbständige, die nicht mehr als 5.000 € Förderung beantragen, entfällt die Pflicht zur Antragstellung über einen prüfenden Dritten. Sie werden unter besonderen Identifizierungspflichten direkt antragsberechtigt sein, also ohne die Einschaltung von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern oder Rechtsanwälten.
Hinweis:
Das BMF hat einen Fragen-Antworten-Katalog zu den Novemberhilfen veröffentlicht. Zu der Seite gelangen Sie hier.
BMF, Pressemitteilung v. 5.11.2020; NWB
06.11.2020
Aufwendungen eines Unternehmers für eine Veranstaltungsagentur, die Sportveranstaltungen für Arbeitnehmer und Geschäftsfreunde organisiert, erhöhen zwar die Bemessungsgrundlage für die sog. Pauschalsteuer, soweit der Unternehmer die Versteuerung für seine Geschäftsfreunde übernimmt. Die Aufwendungen erhöhen aber nicht den geldwerten Vorteil, soweit die Arbeitnehmer an den Veranstaltungen teilnehmen und die Teilnahme der Lohnsteuerpauschalierung unterworfen wird.
Hintergrund: Der Arbeitgeber kann sonstige Bezüge, die er seinen Arbeitnehmern in einer größeren Zahl von Fällen gewährt oder für die er in einer größeren Zahl von Fällen keine Lohnsteuer einbehalten hat, mit einem Pauschalsteuersatz versteuern.
Sofern der Unternehmer seinen Geschäftsfreunden Zuwendungen gewährt, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung erbracht werden, kann er beantragen, dass er die Versteuerung für seine Geschäftsfreunde übernimmt, und eine sog. Pauschalsteuer von 30 % an das Finanzamt abführen. Bemessungsgrundlage sind nach dem Gesetz die Aufwendungen des Unternehmers einschließlich Umsatzsteuer.
Sachverhalt: Die Klägerin war Sponsorin eines Profi-Sportvereins. Sie ließ in den Jahren 2008 bis 2010 durch eine Veranstaltungsagentur sog. Business-Veranstaltungen organisieren, zu denen ihre Arbeitnehmer und Geschäftsfreunde eingeladen wurden und den Spielen des Vereins von einer Loge aus zuschauen konnten. Außerdem ließ sie durch eine andere Agentur einen sog. Fanclub gründen, in dem die Arbeitnehmer an Sportaktivitäten teilnehmen konnten. Das Finanzamt behandelte die Aufwendungen für die beiden Agenturen als steuerpflichtig: Soweit Arbeitnehmer an den Veranstaltungen teilgenommen hatten, ging das Finanzamt von einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuerpauschalierung um die Kosten für die Agenturen aus. Soweit Geschäftsfreunde eingeladen worden waren, erhöhte das Finanzamt die Bemessungsgrundlage um die anteiligen Agenturkosten für die Pauschalsteuer von 30 %.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klägerin hinsichtlich der Lohnsteuerpauschalierung Recht:
Eine Lohnsteuerpauschalierung kommt nur bei sonstigen Bezügen in Betracht. Dem Arbeitnehmer muss also ein geldwerter Vorteil zufließen.
Zwar führte die Teilnahme an den Spielen des Profi-Vereins ebenso zu einem geldwerten Vorteil wie die Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. In diese Bemessungsgrundlage für den geldwerten Vorteil gehen aber die Kosten für die Veranstaltungsagenturen nicht ein. Denn diese Aufwendungen kommen dem einzelnen Arbeitnehmer nicht zugute. Der Vorteil des Arbeitnehmers steigt nicht dadurch, dass die Teilnahme durch eine Agentur organisiert wird und die Veranstaltung dadurch möglicherweise professioneller organsiert wird.
Hätte die Klägerin Eintrittskarten für die Sportveranstaltungen gekauft, wären im Kartenpreis zwar auch die Kosten für die Organisation der Veranstaltung enthalten gewesen. Dies spielte im Streitfall aber keine Rolle, weil sich das Finanzamt bei der Bewertung des geldwerten Vorteils ausschließlich auf die Kosten der Klägerin gestützt hat. Das Finanz-amt hätte alternativ nachweisen können, dass der anhand der Kosten der Klägerin ermittelte geldwerte Vorteil unter dem Preis für vergleichbare Sportveranstaltungen lag, und den Eintrittskartenpreis als geldwerten Vorteil ansetzen können.
Anders ist dies bei der Bemessungsgrundlage der Pauschalsteuer für die Zuwendungen an die Geschäftsfreunde. Hier regelt das Gesetz ausdrücklich, dass sich der Wert der Zuwendung nach den Aufwendungen des Unternehmers richtet; zu den Aufwendungen gehören auch die Kosten für die Veranstaltungsagentur.
Hinweis: Es mag überraschen, dass die Kosten für die Agenturen einmal die Bemessungsgrundlage erhöhen (Pauschalsteuer für Geschäftsfreunde) und einmal nicht (Lohnsteuerpauschalierung für die Arbeitnehmer). Der Grund hierfür ist, dass bei der Pauschalsteuer für Geschäftsfreunde eine ausdrückliche Regelung besteht, nach der alle Aufwendungen des einladenden Unternehmers zu berücksichtigen sind. Hätte die Klägerin die Pauschalsteuer auch auf ihre Arbeitnehmer angewendet und sich gegen eine Lohnsteuerpauschalierung entschieden, wären die Kosten für die Veranstaltungsagentur ebenfalls in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden.
Seit dem Veranlagungszeitraum 2015 hat der Gesetzgeber für den geldwerten Vorteil eines Arbeitnehmers aus der Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung ausdrücklich geregelt, dass in die Bemessungsgrundlage für den geldwerten Vorteil auch die Kosten für die Organisation der Veranstaltung durch eine Agentur eingehen. Da der Streitfall die Jahre 2008 bis 2010 betraf, brauchte der BFH auf diese Neuregelung nicht einzugehen und musste nicht entscheiden, ob es sich um Betriebsveranstaltungen handelte.
BFH, Urteil vom 13.5.2020 - VI R 13/18; NWB
05.11.2020
Für eine Schenkung an einen Urenkel wird ein Freibetrag von 100.000 € gewährt, nicht aber der Freibetrag für Schenkungen an Enkel in Höhe von 200.000 €. Bei einer Schenkung an einen Urenkel wird der Freibetrag von 200.000 € nur dann gewährt, wenn die Eltern und Großeltern des Urenkels bereits verstorben sind.
Hintergrund: Für Erbschaften und Schenkungen gelten bestimmte Freibeträge, die u.a. vom Verwandtschaftsverhältnis abhängig sind: Für Schenkungen an Kinder werden 400.000 € gewährt, für Schenkungen an die Kinder der Kinder 200.000 €. Für Schenkungen an die übrigen Verwandten, für die die günstige Steuerklasse I gewährt wird, beträgt der Freibetrag 100.000 €, es sei denn, die dazwischenliegenden Generationen sind nicht mehr am Leben – dann verdoppelt sich der Freibetrag auf 200.000 €.
Sachverhalt: Eine Urgroßmutter übertrug ihren beiden Urenkeln jeweils einen Miteigentumsanteil an einem Mietwohngrundstück. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest, berücksichtigte aber bei jedem Ururenkel jeweils nur einen Freibetrag von 100.000 €. Die beiden Urenkel beantragten die Aussetzung der Vollziehung der beiden Schenkungsteuerbescheide, die jedoch sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht abgelehnt wurde. Die Urenkel legten Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Entscheidung: Der BFH lehnte ebenfalls eine Aussetzung der Vollziehung ab und wies die Beschwerde der Urenkel als unbegründet ab:
Der Freibetrag in Höhe von 200.000 € wird für eine Schenkung an die „Kinder der Kinder“ gewährt. Mit dem Begriff des Kindes ist die nachfolgende Generation gemeint, so dass es sich bei den Kindern der Kinder um die Enkel handelt, nicht aber um die Urenkel.
Hätte der Gesetzgeber sämtliche nachfolgende Generationen in direkter Linie gemeint, hätte er von „Abkömmlingen“ sprechen müssen, nicht aber von „Kindern“ oder „Kinder der Kinder“.
Den beiden Urenkeln steht daher nur jeweils ein Freibetrag von 100.000 € zu. Der Freibetrag in Höhe von 200.000 € würde entweder nur bei einer Schenkung an die Enkel gelten oder bei einer Schenkung an die Urenkel, wenn die dazwischenliegenden Generationen, d.h. die Eltern und Großeltern der Urenkel, bereits verstorben sind.
Hinweis: Der Gesetzgeber geht bei den Freibeträgen von der Annahme aus, dass jede Generation jeweils zwei Kinder hat, so dass sich der Freibetrag pro Generation halbiert. Während das eigene Kind einen Freibetrag von 400.000 € erhält, steht den – beiden – Enkeln ein Freibetrag von 200.000 € und den – vier – Urenkeln ein Freibetrag von jeweils 100.000 € zu. In der Summe ergibt sich also jeweils ein Freibetrag von 400.000 €. Bei diesen Beträgen bleibt es aber auch dann, wenn es tatsächlich mehr Kinder bzw. Enkel oder aber mehr Kinder bzw. Enkel gibt.
BFH, Beschluss vom 27.7.2020 - II B 39/20; NWB
04.11.2020
Erhält ein Unternehmer, der einen Turnier- und Ausbildungsstall für Pferde betreibt und mit den ihm überlassenen Pferden an Pferderennen teilnimmt, eine Beteiligung am Preisgeld, ist dieses Preisgeld nicht umsatzsteuerbar. Denn der Unternehmer erbringt insoweit keine Leistung. Die Aufwendungen des Unternehmers, die anderen Miteigentümern der Pferde zugutekommen, werden weder als Entnahme besteuert noch unterliegen sie der sog. Mindestbemessungsgrundlage; denn diese Aufwendungen dienen einem unternehmerischen Zweck, nämlich der Steigerung des Rufs des Unternehmens durch erfolgreiche Teilnahme an Pferderennen.
Hintergrund: Der Unternehmer muss nur dann Umsatzsteuer abführen, wenn er Leistungen erbringt.
Sachverhalt: Der Kläger betrieb einen Turnier- und Ausbildungsstall für Pferde. Dabei nahm er sowohl mit fremden Pferden als auch mit Pferden, die in seinem hälftigen Miteigentum standen, an Reitturnieren teil. Im Fall einer erfolgreichen Turnierteilnahme eines fremden Pferdes erhielt der Kläger vom Veranstalter das Preisgeld und leitete die Hälfte des Preisgeldes an den Eigentümer weiter. Im Fall eines Siegs eines Pferdes, das dem Kläger zur Hälfte gehörte, erhielt der Kläger einen Anteil am Preisgeld von 50 %. Streitig war nun, ob die Anteile an den Preisgeldern der Umsatzsteuer unterliegen und ob die nur teilweise erfolgte Weiterberechnung der Aufwendungen des Klägers umsatzsteuerliche Konsequenzen hat.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Kläger Recht:
Die Preisgelder unterliegen nicht der Umsatzsteuer, da sie kein Entgelt für eine Leistung des Klägers sind. Das Preisgeld wird für die Erzielung einer bestimmten Platzierung gezahlt und nicht für die Teilnahme an dem Rennen. Daher ist zwar ein Antrittsgeld umsatzsteuerbar, nicht aber ein Preisgeld.
Dies gilt auch, wenn der Kläger am Preisgeld lediglich beteiligt wird, weil er ein fremdes Pferd reitet. Auch hier erhält der Kläger seinen Anteil nur für das erzielte Rennergebnis, nicht aber für das Reiten des Pferdes, die Turniervorbereitung oder die Unterbringung des Pferdes im Stall.
Soweit der Kläger dem anderen Miteigentümer nur teilweise die Aufwendungen für die Eingangsleistungen (z.B. Futter, Material) weiterberechnet hat, handelte es sich nicht um eine Entnahme (sog. unentgeltliche Wertabgabe) zugunsten aller Miteigentümer – entweder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Bruchteilsgemeinschaft. Voraussetzung für eine Entnahme wäre gewesen, dass die Eingangsleistungen nicht für unternehmerische Zwecke verwendet worden sind. Tatsächlich aber ermöglichten die Eingangsleistungen die Teilnahme an den Turnieren, und die Turnierteilnahme mehrte den Ruf des Klägers und seines Unternehmens, weil sie ihm eine stärkere Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit verschafften.
Aus diesem Grund war auch die sog. Mindestbemessungsgrundlage nicht anzuwenden, die verhindern soll, dass Leistungen ohne angemessenes Entgelt erbracht werden. Die Mindestbemessungsgrundlage greift nämlich nicht, wenn selbst im Fall der unentgeltlichen Erbringung eine Entnahme ausgeschlossen ist. Eine Entnahme war hier jedoch ausgeschlossen, weil die Turnierteilnahme unternehmerischen Zwecken diente.
Hinweis: Die fehlende Umsatzsteuerbarkeit eines Preisgeldes ist vom Europäischen Gerichtshof bereits entschieden worden und vom BFH auf andere Preisgelder übertragen worden, z.B. auf das Preisgeld eines Pokerspielers. Würde man ein Preisgeld für umsatzsteuerbar halten, würde die Umsatzsteuer vom Ergebnis des Pferderennens abhängen. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass der Kläger die Preisgelder mit fremden Pferden erzielt hat.
Ein Antrittsgeld ist hingegen umsatzsteuerbar. Auch erfolgsabhängige Vergütungen wie z.B. ein als erfolgsabhängig ausgestaltetes Honorar eines Rechtsanwalts ist umsatzsteuerbar, weil der Anwalt eine Rechtsberatungsleistung erbringt.
BFH, Urteil vom 10.6.2020 - XI R 25/18; NWB
03.11.2020
Will der Unternehmer ein Bilanzierungswahlrecht in einer Überleitungsrechnung, in der die Handelsbilanz an das Steuerbilanzrecht angepasst wird, ändern, ist dies eine Bilanzänderung, weil die Überleitungsrechnung zur Bilanz gehört. Eine Bilanzänderung ist aber nur im Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung zulässig, soweit aufgrund der Bilanzberichtigung der steuerliche Bilanzgewinn innerhalb der Bilanz berichtigt worden ist.
Hintergrund: Der Unternehmer darf eine fehlerhafte Bilanz grundsätzlich berichtigen (sog. Bilanzberichtigung). Soweit es zu einer Bilanzberichtigung kommt, darf er in diesem Zusammenhang auch die Bilanz ändern und z.B. bilanzielle Wahlrechte anders ausüben. Die Bilanzänderung ist aber nur zulässig, soweit sich aufgrund der Bilanzberichtigung der Gewinn ändert.
Sachverhalt: Die Klägerin bildete für 2011 einen Investitionsabzugsbetrag i.H. von 200.000 € für eine zukünftige Investition. Sie führte die Investition im Folgejahr 2012 durch. Im Dezember 2013 gab sie für 2012 eine Handelsbilanz sowie eine Überleitungsrechnung ab; in der Überleitungsrechnung passte sie die Handelsbilanz an das Steuerrecht an. Die Klägerin rechnete den Investitionsabzugsbetrag in voller Höhe gewinnerhöhend außerhalb der Bilanz hinzu, wie dies gesetzlich vorgesehen ist. Die mögliche Abschreibung des angeschafften Wirtschaftsguts in Höhe des hinzugerechneten Investitionsabzugsbetrags nahm sie nicht vor. Im April 2014, also vier Monate später, reichte die Klägerin eine korrigierte Überleitungsrechnung ein und minderte nunmehr den Gewinn durch eine Abschreibung des Wirtschaftsguts in Höhe von 200.000 €. Dies lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Bei der korrigierten Überleitungsrechnung handelte es sich um eine geänderte Bilanz und damit um eine Bilanzänderung. Eine Bilanzänderung darf aber nur im Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung, mit der ein Bilanzierungsfehler korrigiert wird, erfolgen und lediglich die Gewinnauswirkung aus der Bilanzberichtigung kompensieren. An einer Bilanzberichtigung fehlte es, weil die eingereichte Bilanz nicht fehlerhaft war.
Die Entscheidung, nach der Durchführung der Investition, für die ein Investitionsabzugsbetrag gebildet worden war, eine Abschreibung in Höhe des – zunächst gebildeten und aufgrund der Investition wieder hinzugerechneten – Investitionsabzugsbetrags gewinnmindernd vorzunehmen, ist ein Bilanzierungswahlrecht. Dieses Wahlrecht wird in der Bilanz ausgeübt, da die Anschaffungskosten des angeschafften Wirtschaftsguts gemindert werden und dementsprechend die Abschreibungsbemessungsgrundlage gemindert wird.
Gibt die Klägerin eine Steuerbilanz ein, wird das Wahlrecht in der Steuerbilanz ausgeübt. Gibt sie stattdessen eine Handelsbilanz mit einer Überleitungsrechnung ab, stellt die Überleitungsrechnung ebenfalls eine Bilanz dar, weil hierdurch die Steuerbilanz ersetzt wird. Die Klägerin hätte daher in der Überleitungsrechnung die Anschaffungskosten des neuen Wirtschaftsguts um 200.000 € mindern müssen; dies hat sie in der im Dezember 2013 abgegebenen Überleitungsrechnung aber nicht gemacht und damit ihr Bilanzierungswahlrecht zulasten einer Abschreibung in Höhe von 200.000 € ausgeübt. Die im April 2014 korrigierte Überleitungsrechnung war somit eine geänderte Bilanz, die aber nur zulässig gewesen wäre, wenn und soweit die Bilanz wegen eines Fehlers berichtigt worden wäre.
Hinweis: Die Klägerin hätte sich bis zur Abgabe der erstmaligen Bilanz im Dezember 2013 überlegen müssen, ob sie die Anschaffungskosten des neuen Wirtschaftsguts um 200.000 € mindern will oder nicht.
Die Bildung des Investitionsabzugsbetrags und seine Hinzurechnung im Fall der Durchführung der Investition erfolgen außerbilanziell. Anders ist dies bei der streitigen Abschreibung von 200.000 €; diese Abschreibung erfolgt in der Bilanz, weil die Anschaffungskosten gemindert werden und das Wirtschaftsgut nun mit einem geringeren Wert aktiviert wird.
Ein Steuerpflichtiger kann seine Bilanz wie folgt beim Finanzamt abgeben: Er reicht entweder eine Handelsbilanz mit einer Überleitungsrechnung, in der die Handelsbilanz an das Steuerrecht angepasst wird, ein. Oder er gibt eine eigenständige Steuerbilanz ab und hat zusätzlich eine Handelsbilanz aufgestellt. Oder er gibt eine sog. Einheitsbilanz ab, die sowohl die handelsrechtlichen als auch steuerrechtlichen Vorgaben erfüllt.
BFH, Urteil vom 27.5.2020 - XI R 12/18; NWB
02.11.2020
Gibt ein Unternehmer seine Tätigkeit auf und gehörte zu seinem Betriebsvermögen ein häusliches Arbeitszimmer, für das die gesetzliche Abzugsbeschränkung galt, ist bei der Ermittlung des Aufgabegewinns lediglich der Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers abzuziehen. Der Buchwert ist nicht um die Abschreibungen zu erhöhen, die wegen der gesetzlichen Abzugsbeschränkung für das häusliche Arbeitszimmer nicht abgezogen werden konnten.
Hintergrund: Gibt ein Unternehmer seinen Betrieb oder seine selbständige Tätigkeit auf, ist ein Aufgabegewinn zu ermitteln. Für die entnommenen Wirtschaftsgüter wird der gemeine Wert als Erlös angesetzt und hiervon der Buchwert abgezogen.
Sachverhalt: Der Kläger war beratender Ingenieur und gab seine Tätigkeit am 31.12.2001 auf. Zu seinem Betriebsvermögen gehörte seit 1997 ein häusliches Arbeitszimmer. Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer konnte der Kläger jährlich nur in Höhe von 2.400 DM als Betriebsausgaben abziehen, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildete; daher wirkte sich die Abschreibung auf das Arbeitszimmer steuerlich nicht aus. Das Finanzamt zog bei der Ermittlung des Aufgabegewinns den Buchwert des Grund und Bodens sowie des Gebäudes ab. Der Kläger begehrte hingegen, dass der Buchwert des Gebäudes um die (nicht abziehbaren) Abschreibungen des Arbeitszimmers in Höhe von ca. 65.000 DM erhöht wird, die im Zeitraum 1997 bis 2001 wegen der Abzugsbeschränkung nicht abgezogen werden konnten, und auf diese Weise der Aufgabegewinn gemindert wird.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Bei der Ermittlung eines Aufgabegewinns wird nur der Buchwert der bei der Aufgabe entnommenen Wirtschaftsgüter abgezogen. Der Buchwert ist nicht um die nicht abziehbaren Abschreibungen zu erhöhen.
Auch wenn die Abschreibungen nicht abziehbar waren, haben sie doch den Buchwert gemindert und wurden lediglich außerbilanziell dem Gewinn wieder hinzugerechnet.
Es gibt auch keine Korrekturmöglichkeit bezüglich des Buchwerts. Denn anderenfalls würde die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer bei der Ermittlung des Aufgabegewinns wieder rückgängig gemacht werden.
Hinweis: Der BFH hält es verfassungsrechtlich nicht für geboten, die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer im Rahmen der Ermittlung des Aufgabegewinns rückgängig zu machen.
In der Praxis sollte daran gedacht werden, dass sich ein häusliches Arbeitszimmer in einer eigenen Immobilie für einen Unternehmer zwar zunächst steuerlich vorteilhaft auswirkt, bei einer Aufgabe oder Veräußerung des Unternehmens den Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn erhöht, wenn der Wert der Immobilie, in der sich das häusliche Arbeitszimmer befindet, gestiegen ist. Es müssen dann nämlich die sog. stillen Reserven versteuert werden.
BFH, Urteil v. 16.6.2020 - VIII R 15/17; NWB
30.10.2020
Der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung wird im Jahr 2021 voraussichtlich 4,4 Prozent betragen. Dies teilt das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aktuell mit. Der bisherige Abgabesatz liegt bei 4,2 Prozent.
Über die Künstlersozialversicherung werden derzeit mehr als 190.000 selbständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Die selbständigen Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 Prozent) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen (30 Prozent), die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten, finanziert. Die Künstlersozialabgabe wird als Umlage erhoben.
Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr festgelegt. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.
Nach Angabe des BMAS konnte durch den Einsatz zusätzlicher Bundesmittel in Form eines Entlastungszuschusses in Höhe von 23 Mio. € ein Anstieg des Abgabesatzes auf 4,7 % im Jahr 2021 vermieden werden.
Hinweis: Bei der Künstlersozialabgabe-Verordnung handelt es sich um eine Ministerverordnung ohne Kabinettbeschluss. Die Verordnung muss bis spätestens Ende des Jahres 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet werden.
BMAS, Pressemitteilung v. 20.10.2020 zur Einleitung der Ressort- und Verbändebeteiligung zum Entwurf der Künstlersozialabgabe-Verordnung 2021
30.10.2020
Die Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung sind bis Ende 2021 verlängert worden.
Die ursprüngliche Regelung war bis zum Jahresende 2020 befristet. Mit der Verlängerung über das Jahr 2020 hinaus können die betroffenen Rechtsformen, also etwa Aktiengesellschaften, GmbHs, Genossenschaften und Vereine auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten Beschlüsse fassen. Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften, die ausschließlich virtuell durchgeführt werden, wurden mit dieser Regelung erstmals ermöglicht.
Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, BGBl. I 2020 S. 2258, NWB
30.10.2020
Hat der Unternehmer einen Pkw, den er lediglich zu 25 % betrieblich nutzt, seinem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet, kann er die laufenden Aufwendungen im Ergebnis nur zu 25 % absetzen; bei einer Veräußerung ist dagegen der vollständige Gewinn aus dem Verkauf steuerpflichtig. Eine Kürzung des Gewinns um 75 %, dem Anteil der privaten Nutzung, ist nicht zulässig.
Hintergrund: Wirtschaftsgüter, die sowohl betrieblich als auch privat genutzt werden, können dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet werden. Voraussetzung ist, dass die betriebliche Nutzung mindestens 10 % beträgt.
Sachverhalt: Der Kläger war als Schriftsteller und Gutachter freiberuflich tätig und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Er erwarb im Jahr 2008 einen Pkw, den er zu 75 % privat und zu 25 % betrieblich nutzte und seinem gewillkürten Betriebsvermögen zuordnete. Die Privatnutzung versteuerte er mit den anteiligen Aufwendungen, so dass er im Ergebnis nur 25 % der Aufwendungen steuerlich absetzen konnte. Im Jahr 2013 war der Pkw bereits vollständig abgeschrieben. Der Kläger verkaufte ihn nun für 28.000 €. Das Finanzamt behandelte diesen Betrag als steuerpflichtig, während der Kläger der Auffassung war, dass der Gewinn nur im Umfang der bisherigen betrieblichen Nutzung in Höhe von 25 % (= 7.000 €) anzusetzen war.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Der Gewinn betrug 28.000 €, da der Pkw bereits vollständig abgeschrieben war. Dieser Gewinn ist in voller Höhe steuerpflichtig. Denn der Pkw gehörte zum gewillkürten Betriebsvermögen, so dass die stillen Reserven, d.h. die Differenz zwischen dem Verkaufswert und dem Buchwert, in vollem Umfang zum Betriebsvermögen gehörten.
Unbeachtlich ist, dass sich die Abschreibung des Pkw im Zeitraum 2008 bis 2013 nur in Höhe von 25 % auf den Gewinn ausgewirkt hatte, weil die Abschreibungen im Umfang von 75 % als Entnahme angesetzt wurden. Zwischen der Privatnutzung einerseits und der Veräußerung andererseits ist nämlich zu unterscheiden. Daher besteht kein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Privatnutzung und der späteren Veräußerung.
In der Trennung zwischen Privatnutzung und Veräußerung liegt auch kein Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und gegen das objektive Nettoprinzip vor.
Hinweise: Das Urteil gilt sowohl im Fall der Bilanzierung als auch im Fall der Einnahmen-Überschussrechnung. Der Gewinn wäre auch dann in vollem Umfang steuerpflichtig, wenn der Kläger die Privatnutzung nach der sog. 1 %-Methode versteuert hätte. Dem Kläger war dieser Weg allerdings versperrt, weil die 1 %-Methode eine mehr als 50 %ige betriebliche Nutzung voraussetzt.
Die aktuelle Entscheidung verdeutlicht, dass die Zuordnung eines überwiegend privat genutzten Pkw zum Betriebsvermögen sorgfältig geprüft werden sollte. Die laufenden Aufwendungen wirken sich nur im Umfang der betrieblichen Nutzung aus, während der spätere Gewinn bei einer Veräußerung oder Entnahme in vollem Umfang steuerpflichtig ist.
BFH, Urteil v. 16.6.2020 - VIII R 9/18; NWB
29.10.2020
Das Bundesministerium für Finanzen hat sich in einem Schreiben zur Steuerbefreiung des sog. "Corona-Zuschusses" erneut geäußert. Das BMF-Schreiben v. 26.10.2020 ersetzt das BMF-Schreiben v. 9.4.2020.
Hintergrund: Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern in der Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 aufgrund der Corona-Krise Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 € steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren (§ 3 Nummer 11a EStG).
Das BMF-Schreiben v. 9.4.2020 hatte auf Voraussetzungen der Lohnsteuerrichtlinie (R 3.11 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 3 LStR) verzichtet. Diese Voraussetzungen müssen nunmehr nach dem Schreiben v. 26.10.2020 vorliegen, d.h. dass die Unterstützungen aus einer mit eigenen Mitteln des Arbeitgebers geschaffenen, aber von ihm unabhängigen und mit ausreichender Selbständigkeit ausgestatteten Einrichtung gewährt werden müssen.
Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) führt aktuell zum "Corona-Bonus" aus:
Voraussetzung ist, dass die Beihilfen und Unterstützungen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden.
Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen.
Andere Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalbesteuerungsmöglichkeiten (wie z. B. der 44 €-Sachbezug, der Freibetrag für Sachbezüge i. H. von 1.080 €, der Betreuungskostenzuschuss) bleiben hiervon unberührt und können neben der hier aufgeführten Steuerfreiheit für den "Corona-Zuschuss/Bonus" in Anspruch genommen werden.
Arbeitgeberseitig geleistete Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld fallen grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung des "Corona-Zuschusses". Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld sind durch das Corona-Steuerhilfegesetzes vom 19.6.2020 unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze (in der Rentenversicherung - West oder Ost) begünstigt.
Hinweis: Eine Verlängerung des Begünstigungszeitraumes bis zum 31.1.2021 ist im Gespräch.
BMF, Schreiben v. 26.10.2020 - IV C 5 - S 2342/20/10012 :003; NWB
28.10.2020
Eine Bilanzänderung, mit der steuerliche Bilanzierungswahlrechte geändert werden, ist nur im Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung zulässig, soweit aufgrund der Bilanzberichtigung der steuerliche Bilanzgewinn innerhalb der Bilanz berichtigt worden ist. Eine außerbilanzielle Korrektur der Steuerbilanz ermöglicht keine Bilanzänderung.
Außerdem hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Anspruch auf Investitionszulage zum 31.12. des Jahres, in dem die Investition getätigt worden ist, zu aktivieren ist, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Investitionszulage erfüllt sind und die Antragstellung im Folgejahr beabsichtigt ist.
Hintergrund: Der Unternehmer darf eine fehlerhafte Bilanz grundsätzlich berichtigen (sog. Bilanzberichtigung). Soweit es zu einer Bilanzberichtigung kommt, darf er in diesem Zusammenhang auch die Bilanz ändern und z.B. bilanzielle Wahlrechte anders ausüben. Die Bilanzänderung ist aber nur zulässig, soweit sich aufgrund der Bilanzberichtigung der Gewinn ändert.
Sachverhalt: Die Klägerin hatte in ihren Bilanzen für 1995 und 1996 Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen vorgenommen, die das Finanzamt nicht anerkannte. Außerdem berücksichtigte das Finanzamt zugunsten der Klägerin zwar eine Rückstellung für eine Rückzahlungsverpflichtung von Investitionszulage, rechnete aber den Rückstellungsbetrag außerbilanziell dem Gewinn wieder hinzu, weil die Investitionszulage den Gewinn nicht beeinflussen darf. Die Klägerin verständigte sich mit dem Finanzamt auf eine teilweise Anerkennung der Teilwertabschreibungen. Um die verbleibende Gewinndifferenz auszugleichen, änderte die Klägerin nun ihr Wahlrecht auf Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen. Das Finanzamt sah in der geänderten Wahlrechtsausübung jedoch eine Bilanzänderung, für die aus Sicht des Finanzamts eine Bilanzberichtigung mit einer entsprechenden Gewinnauswirkung fehlte. Außerdem war streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Investitionszulage aktivieren muss.
Entscheidung: Der BFH gab dem Finanzamt im Grundsatz Recht, verwies die Sache aber an das FG zurück:
Zwar lagen die Voraussetzungen für die begehrten Sonderabschreibungen inhaltlich vor. Die Klägerin hatte die Sonderabschreibungen aber nicht in ihrer ursprünglichen Bilanz in Anspruch genommen, sondern wollte die Sonderabschreibungen in einer geänderten Bilanz in Anspruch nehmen, nachdem die Teilwertabschreibungen nur teilweise zu berücksichtigen waren und die Bilanz insoweit berichtigt wurde. Damit handelte es sich bei der Geltendmachung der Sonderabschreibung um eine Bilanzänderung, die nur im Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung zulässig ist, und zwar in dem Umfang, in dem sich der steuerliche Gewinn aufgrund der Bilanzberichtigung geändert hat.
Zwar lag eine Bilanzberichtigung vor, weil die Teilwertabschreibungen teilweise rückgängig gemacht wurden. Der sich hieraus ergebende Rahmen für eine Bilanzänderung war aber bereits durch die gewinnmindernde Rückstellung für die Rückzahlungsverpflichtung der Investitionszulage weitgehend kompensiert worden, so dass kein Rahmen mehr für eine Bilanzänderung bestand.
Unbeachtlich war, dass die Rückstellung für die Rückzahlungsverpflichtung außerbilanziell wieder kompensiert worden war. Denn der Änderungsrahmen für eine Bilanzänderung richtet sich nach den Auswirkungen in der Steuerbilanz, ohne dass außerbilanzielle Korrekturen berücksichtigt werden. Außerbilanzielle Gewinnerhöhungen, die im Rahmen einer Bilanzberichtigung vorgenommen werden, können also nicht durch eine Bilanzänderung kompensiert werden.
Die außerdem streitige Aktivierung des Anspruchs auf Investitionszulage ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Investitionszulage erfüllt sind und die Antragstellung im Folgejahr beabsichtigt ist. Die Absicht kann bejaht werden, wenn die Klägerin am Tag der Bilanzaufstellung die Investitionszulage beantragt hat oder diese sogar bereits gewährt worden ist. Dies muss das FG nun noch feststellen. In jedem Fall wäre eine etwaige Gewinnerhöhung aufgrund der Aktivierung nicht durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu kompensieren.
Hinweis: Die Ermittlung eines Änderungsrahmens für eine Bilanzänderung ist kompliziert. Der BFH macht deutlich, dass außerbilanzielle Gewinnkorrekturen unberücksichtigt bleiben. Es kommt also darauf an, in welchem Umfang sich der steuerliche Gewinn in der Bilanz selbst aufgrund der Bilanzberichtigung geändert hat; nur insoweit darf die Bilanz noch geändert werden.
BFH, Urteil v. 27.5.2020 - XI R 8/18; NWB
27.10.2020
Die Bundesregierung hat am 14.10.2020 die Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2021 beschlossen. Die darin enthaltenen Werte sind noch nicht endgültig, der Bundesrat muss der Verordnung noch zustimmen.
Mit der Verordnung werden die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung im vergangenen Jahr (2019) turnusgemäß angepasst. Die Werte werden – wie jedes Jahr – auf Grundlage klarer gesetzlicher Bestimmungen mittels Verordnung festgelegt.
Die den Sozialversicherungsrechengrößen 2021 zugrundeliegende Lohnentwicklung im Jahr 2019 (Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigung für Mehraufwendungen) betrug im Bundesgebiet 2,94 Prozent und in den alten Bundesländern 2,85 Prozent.
Die wichtigsten Rechengrößen für das Jahr 2019 im Überblick:
Die Bezugsgröße, die für viele Werte in der Sozialversicherung Bedeutung hat (unter anderem für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung), erhöht sich auf 3.290 Euro/Monat (2020: 3.185 Euro/Monat). Die Bezugsgröße (Ost) steigt auf 3.115 Euro/Monat (2020: 3.010 Euro/Monat).
Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steigt auf 7.100 Euro/Monat (2020: 6.900 Euro/Monat) und die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) auf 6.700 Euro/Monat (2020: 6.450 Euro/Monat).
Die bundesweit einheitliche Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Jahresarbeitsentgeltgrenze) steigt auf 64.350 Euro (2020: 62.550 Euro). Die ebenfalls bundesweit einheitliche Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2021 in der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt 58.050 Euro jährlich (2020: 56.250 Euro) bzw. 4.837,50 Euro monatlich (2020: 4.687,50 Euro).
Rechengrößen der Sozialversicherung 2021 (auf Basis des Referentenentwurfs):
West | Ost | |||
Monat | Jahr | Monat | Jahr | |
Beitragsbemessungsgrenze: allgemeine Rentenversicherung | 7.100 € | 85.200 € | 6.700 € | 80.400 € |
Beitragsbemessungsgrenze: knappschaftliche Rentenversicherung | 8.700 € | 104.400 € | 8.250 € | 99.000 € |
Beitragsbemessungsgrenze: Arbeitslosenversicherung | 7.100 € | 85.200 € | 6.700 € | 80.400 € |
Versicherungspflichtgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung | 5.362,50 € | 64.350 € | 5.362,50 € | 64.350 € |
Beitragsbemessungsgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung | 4.837,50 € | 58.050 € | 4.837,50 € | 58.050 € |
Bezugsgröße in der Sozialversicherung | 3.290 €* | 39.480 €* | 3.115 € | 37.380 € |
vorläufiges Durchschnittsentgelt/Jahr in der Rentenversicherung | 41.541 € | |||
* In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt dieser Wert bundeseinheitlich. |
Hinweis: Der Bundesrat muss der Verordnung noch zustimmen, Änderungen sind voraussichtlich nicht zu erwarten. Der Entwurf der SozialversicherungsRechengrößenverordnung ist auf der Homepage des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) veröffentlicht.
BMAS online, NWB
26.10.2020
Die Teilnahme an einer mehrmonatigen beruflichen Bildungsmaßnahme in Vollzeit außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses begründet eine sog. erste Tätigkeitsstätte. Damit kann nur die Entfernungspauschale steuerlich geltend gemacht werden, nicht aber Unterkunftskosten oder Verpflegungsmehraufwendungen.
Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt seit 2014 eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zweck eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, als erste Tätigkeitsstätte.
Sachverhalt: Der Kläger besuchte vom 8.9.2014 bis 18.12.2014 einen Schweißtechnikerlehrgang bei der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt in A. Während dieses Zeitraums war er arbeitslos. Er machte Unterkunfts- und Verpflegungskosten für drei Monate als (vorweggenommene) Werbungskosten geltend. Im anschließenden Klageverfahren machte er auch Umzugskosten geltend, die das Finanzgericht (FG) anerkannte. Die Unterkunfts- und Verpflegungskosten wurden jedoch nicht berücksichtigt.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Bei der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt handelte es sich um die erste Tätigkeitsstätte des Klägers. Denn er hat sie außerhalb eines Dienstverhältnisses in Vollzeit zwecks beruflicher Bildung aufgesucht.
Unbeachtlich war, dass die Bildungsmaßnahme nur gut drei Monate dauerte. Denn das Gesetz verlangt keine Mindestdauer. Der Gesetzgeber wollte nämlich Steuerpflichtige in Vollzeitausbildung mit Arbeitnehmern, bei denen auch bei einem kurzzeitigen Arbeitsverhältnis eine erste Tätigkeitsstätte vorliegen kann, gleichstellen.
Abziehbar ist damit nur die Entfernungspauschale, also die Fahrtkosten in Höhe von 0,30 € pro Entfernungskilometer (= einfache Strecke). Die Übernachtungskosten und Verpflegungsmehraufwendungen werden nicht als Werbungskosten berücksichtigt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger eine doppelte Haushaltsführung begründet hätte. Der Kläger unterhielt aber keinen eigenen Hausstand außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte.
Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass eine zeitliche Mindestdauer für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nicht erforderlich ist.
Zu beachten ist, dass der Kläger außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses stand, als er die Bildungseinrichtung in A besuchte. Die Urteilsbegründung lässt sich daher nicht auf Fälle übertragen, in denen ein Arbeitnehmer während seines Beschäftigungsverhältnisses an einer beruflichen Fortbildung teilnimmt. In einem solchen Fall liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor, so dass Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendung sowie die Fahrtkosten für Hin- und Rückfahrt grundsätzlich abgezogen werden können.
BFH, Urteil v. 14.5.2020 - VI R 24/18; NWB
23.10.2020
VW haftet auch für die von Audi entwickelten und hergestellten manipulierten Motoren. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) aktuell entschieden.
Hintergrund: Fälle im Rahmen der sog. Abgasaffäre beschäftigen die Gerichte weiterhin in erheblichem Maße. Der Bundesgerichtshof hat die Haftung von VW bereits in mehreren Fällen bestätigt und den klagenden Autofahrern Schadensersatz zugesprochen. Es gibt aber immer noch Fälle, in denen die Haftung bislang ungeklärt ist. Vorliegend ging es um die Haftung für einen Motor eines VW Touareg V6 mit der Schadstoffklasse Euro 6 W. Hierbei handelt es sich nicht um den bekannten und von VW hergestellten Motor EA 189, welcher den Abgasskandal ins Rollen gebracht hat. Vielmehr ist in dem Fahrzeug ein von Audi hergestellter Dieselmotor (EA 897) verbaut.
Sachverhalt: Im konkreten Fall hatte ein Pkw-Eigentümer geklagt, der den VW Touareg mit dem Motor des Typs EA 897 vor Bekanntwerden der mutmaßlichen Dieselmanipulationen im Herbst 2015 erworben hatte. 2019 reichte er dann Schadensersatzklage gegen VW ein und forderte den Kaufpreis zurück. Der Vertrieb der Fahrzeuge stelle, so der Kläger, ähnlich wie beim bekannten Motor EA 189, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW dar. Sein Fahrzeug sei von einem amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes betroffen. Ausschlaggebend für die Haftung von VW sei, dass die Entscheidung für den Einsatz des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Motors vom VW-Konzern ausgegangen sei.
In dem Verfahren verteidigte VW sich gegen den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung mit dem Hinweis, nicht Hersteller und Entwickler des Motors zu sein. Hersteller sei die Firma Audi. Im VW Touareg sei gerade nicht der bekannte Motor EA 189 verbaut. Die Motorsoftware sei dementsprechend nicht vergleichbar.
Das OLG hob das klageabweisende Urteil des Landgerichts teilweise auf und entschied, dass VW auf Schadensersatz haftet:
Es liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Das Inverkehrbringen der hiermit versehenden Fahrzeuge stellt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar.
Zwar ist die Programmierung der Motorsteuerung des Motors EA 897 nicht identisch mit der im Falle des Motors EA 189. Sie ist jedoch so ähnlich, dass sie rechtlich genauso zu behandeln ist.
Auch haftet VW selbst, obwohl Audi den Dieselmotor samt Software entwickelt und hergestellt hat. Denn VW hat in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung des Motors EA 897 und dessen Software die grundlegenden strategischen Entscheidungen mitgetroffen und die entsprechenden Entscheidungen der Tochtergesellschaften Audi abgesegnet.
Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Pressemitteilung des OLG Oldenburg v. 16.10.2020 zum Urteil v. 16.10.2020 - 11 U 2/20; NWB
22.10.2020
Unternehmer aus EU-Mitgliedstaaten und Drittländern hätten die Vergütung der Vorsteuerbeträge für das Kalenderjahr 2019 grundsätzlich bis zum 30.9.2020 (Unternehmer aus EU-Mitgliedstaaten) und bis zum 30.6.2020 (Unternehmer aus Drittländern) über das Portal ihres Ansässigkeitsstaates beantragen müssen. Da die COVID-19-Pandemie weltweit zu Einschränkungen und Beeinträchtigungen des allgemeinen Lebens geführt hat, gelten für die diesjährige Antragsfrist Erleichterungen bis zum 31.12.2020.
Hintergrund: Das Vorsteuervergütungsverfahren kommt nur für Unternehmer in Betracht, die im Ausland ansässig sind und im Vergütungszeitraum im Inland keine oder nur bestimmte Umsätze i. S. des § 59 UStDV ausgeführt haben.
Unternehmer, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig sind, hätten die Vergütung der Vorsteuerbeträge für das Kalenderjahr 2019 grundsätzlich bis zum 30.9.2020 über das Portal ihres Ansässigkeitsstaates beantragen müssen. Diese Frist gilt für den elektronisch einzureichenden Antrag auf Vorsteuervergütung und die dem Antrag in elektronischer Form beizufügenden Rechnungen und Einfuhrdokumente.
Im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer hatten grundsätzlich die Vergütung der Vorsteuerbeträge für das Kalenderjahr 2019 bis zum 30.6.2020 beim BZSt zu beantragen. Innerhalb dieser Frist mussten beim BZSt der elektronisch einzureichende Antrag auf Vorsteuervergütung (über BZSt-Online-Portal) und die im Original vorzulegenden Rechnungen und Einfuhrdokumente.eingegangen sein.
Um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie abzumildern, gilt in den Fällen, in denen Unternehmer oder ihre Bevollmächtigten ihre Anträge für 2019 nicht fristgerecht einreichen konnten, Folgendes:
Der Antrag auf Vorsteuervergütung und die im Original vorzulegenden Dokumente sind so schnell wie möglich einzureichen.
Eine Begründung, warum die Antragsfrist nicht einhalten werden konnte, soll dem Antrag beigefügt werden.
Sollte der Vergütungsantrag nicht bis zum 31.12.2020 beim BZSt eingehen, soll der Antrag so schnell wie möglich ein, spätestens jedoch innerhalb eines Monats nach Wegfall des Umstandes, der an der Antragstellung gehindert hat, gestellt werden und ebenfalls innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses eine aussagekräftige Begründung, warum die Antragsfrist nicht einhalten werden konnte, eingereicht werden.
Hinweis: Sollten Sie erstmals einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern beim BZSt stellen (oder haben Sie Ihren letzten Antrag vor dem 1.7.2017 gestellt), beachten Sie bitte zusätzlich: Der Antrag auf Vorsteuervergütung ist elektronisch über das BZStOnline-Portal des BZSt einzureichen. Bevor Sie das Portal nutzen können, müssen Sie sich einmalig beim BZSt für die Nutzung des Portals anmelden. Danach müssen Sie sich mit den erhaltenen Zugangsdaten im Portal registrieren. Einzelheiten zum Ablauf der Anmeldung und zur Registrierung finden Sie auf der Homepage des BZSt unter der Rubrik "Vorsteuervergütung – Elektronische Datenübermittlung".
Die Anmeldung zum Portal kann auf Grund längerer Postlaufzeiten bei der Versendung von Zugangsdaten ins Ausland einige Wochen bis Monate in Anspruch nehmen.
Bundeszentralamt für Steuern; NWB
21.10.2020
Die Bundesregierung plant Anschlussregelungen für das Kurzarbeitergeld ab Januar 2021. Der dazu vorgelegte Gesetzenzwurf "zur Beschäftigungssicherung infolge der Covid-19-Pandemie" (Beschäftigungssicherungsgesetz) wird am 28.10.2020 im Bundestag behandelt.
Konkret sieht der Entwurf vor, die Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes (auf 70/77 Prozent ab dem vierten Monat und auf 80/87 Prozent ab dem siebten Monat) bis zum 31.12.2021 für alle Beschäftigten zu verlängern, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2021 entstanden ist.
Die bestehenden befristeten Hinzuverdienstregelungen sollen insoweit bis 31.12.2021 verlängert werden,, "als Entgelt aus einer geringfügig entlohnten Beschäftigung, die während der Kurzarbeit aufgenommen wurde, anrechnungsfrei bleibt".
Zudem soll der Anreiz, Zeiten des Arbeitsausfalls für berufliche Weiterbildung zu nutzen, dadurch weiter gestärkt werden, "dass die für diese Fälle geregelte hälftige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr daran geknüpft wird, dass die Qualifizierung mindestens 50 Prozent der Zeit des Arbeitsausfalls betragen muss", heißt es in dem Entwurf.
Hinweis: Das Gesetz muss noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Es soll zum 1.1.2021 in Kraft treten.
Bundestag online; NWB
21.10.2020
Dem BFH zufolge müssen auch Ausgaben für den Verpflegungsmehraufwand und die Unterkunftskosten eines Auslandssemesters bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden. Darauf macht der Bund der Steuerzahler aufmerksam, der eine entsprechende Musterklage begleitet hat.
Sachverhalt: Die Klägerin nahm nach einer abgeschlossenen Ausbildung ein Studium auf, in dessen Verlauf sie zwei Auslandssemester absolvierte. Die Beteiligten stritten sich über die Aufwendungen für die dortige Unterkunft und für Verpflegungsmehraufwand im Rahmen der doppelten Haushaltsführung.
Der Bund der Steuerzahler führt in seiner Pressemitteilung aus:
Nach Ansicht des BFH (Beschluss v. 14.5.2020 - VI R 3/18) bleibt in diesen Fällen die inländische Hochschule die erste Tätigkeitsstätte, sodass Kosten für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwand im Ausland als vorweggenommene Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen sind.
Das Verfahren wird an das FG Münster zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück verwiesen: Es muss noch die konkrete Höhe der Kosten geklärt werden.
Hinweise: Es profitieren Studierende, die das Auslandssemester ins weiterführende Studium (sog. Zweitstudium) legen. Steuerlich gesehen ist bereits das Masterstudium ein Zweitstudium. Auch das Bachelorstudium im Anschluss an eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein anderes abgeschlossenes Bachelorstudium zählen zur Kategorie Zweitstudium.
Der Beschluss ist noch nicht auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
Pressemitteilung Bund der Steuerzahler; NWB
20.10.2020
Bei der Abspaltung eines Teilbetriebs von einer übertragenden Kapitalgesellschaft, deren Anteile sich im Sonderbetriebsvermögen bei einer Personengesellschaft befinden, auf eine übernehmende Kapitalgesellschaft, gehören die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft ebenfalls zum Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft, bis sie entnommen werden. Der bei der Abspaltung stattfindende Anteilstausch sowie eine spätere Entnahme können aber zu einem Gewinn führen.
Hintergrund: Wird ein Teilbetrieb von einer Kapitalgesellschaft abgespalten und auf eine andere Kapitalgesellschaft übertragen, erhält der Aktionär der übertragenden Kapitalgesellschaft Anteile an der übernehmenden Gesellschaft. Ist der Aktionär auch Gesellschafter einer Personengesellschaft, können die Aktien bzw. Anteile des abgebenden Rechtsträgers zu seinem Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft gehören, wenn die übertragende oder übernehmende Kapitalgesellschaft die Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft stärkt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, an der die Eheleute A und B mit je 50 % als Kommanditisten beteiligt waren. Die Eheleute waren zudem mit jeweils 50 % an der Y-AG beteiligt, deren Anteile sich im Sonderbetriebsvermögen der Eheleute bei der GmbH & Co. KG befanden; denn die Beteiligung an der Y-AG stärkte die Beteiligung der Eheleute an der GmbH & Co. KG. Mit Spaltungsvertrag vom 30.6.2010 übertrug die Y-AG einen Teilbetrieb auf die Z-GmbH. Alleingesellschafterin der Z-GmbH war die Ehefrau A mit einer Beteiligung von 25.000 €. Aufgrund der Abspaltung wurde eine Kapitalerhöhung bei der Z-GmbH in Höhe von 200 € durchgeführt, an der sich A und B je zur Hälfte mit 100 € beteiligt haben, so dass die Ehefrau A nunmehr mit 99,6 % und der Ehemann B mit 0,4 % beteiligt war. Das Finanzamt ging von einer Wertverschiebung von B auf A und damit von einer Entnahme aus dem Sonderbetriebsvermögen des B aus. Es setzte insoweit einen Entnahmegewinn an, den es dem Teileinkünfteverfahren unterwarf, so dass er zu 40 % steuerfrei blieb.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:
Ein Entnahmegewinn bei B wäre nicht anzusetzen, wenn seine Anteile an der Z-GmbH ebenfalls zum Sonderbetriebsvermögen der Eheleute bei der GmbH & Co. KG (Klägerin) gehören würden. Dies könnte der Fall sein, wenn zwischen der GmbH & Co. KG (Klägerin) und der Z-GmbH eine Betriebsaufspaltung bestanden haben sollte, weil die Klägerin der Z-GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen verpachtet hat. Sollte eine derartige Verpachtung erfolgt sein, wäre angesichts der personellen Verflechtung – an beiden Gesellschaften waren die Eheleute A und B zu 100 % beteiligt – von einer Betriebsaufspaltung auszugehen. Bei einer Betriebsaufspaltung würden die Anteile weiterhin im Sonderbetriebsvermögen verbleiben und wären damit nicht entnommen worden.
Unbeachtlich wäre, dass sich die Werte zwischen A und B verschoben hätten; denn A und B haben sich jeweils hälftig an der Kapitalerhöhung beteiligt. Zudem können Wirtschaftsgüter vom Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters in das Sonderbetriebsvermögen eines anderen Gesellschafters übertragen werden, ohne dass stille Reserven aufgedeckt werden müssen.
Denkbar ist aber auch, dass es zu einem Gewinn infolge eines Anteilstauschs gekommen ist, falls keine Betriebsaufspaltung zwischen der GmbH & Co. KG (Klägerin) und der Z-GmbH bestanden haben sollte. Zwar bleiben die Anteile an der übernehmenden Z-GmbH zunächst für mindestens eine logische Sekunde im Sonderbetriebsvermögen, bis sie entnommen werden; denn die Anteile an der Z-GmbH treten an die Stelle der Anteile an der übertragenden Y-AG. Zwar ist nach dem Gesetz bei einer Abspaltung von einer Veräußerung der Anteile an der Y-AG grundsätzlich zum gemeinen Wert auszugehen; jedoch kann unter bestimmten Voraussetzungen der Buchwert angesetzt werden, so dass keine stillen Reserven aufgedeckt werden. Die Voraussetzungen für den Buchwertansatz sind vom FG zu prüfen.
Hinweise: Sollte das FG weder aufgrund einer Betriebsaufspaltung noch aufgrund eines Anteilstauschs zum gemeinen Wert zu einer Gewinnerhöhung kommen, könnte es dadurch zu einer Entnahme gekommen sein, dass die Anteile an der Z-GmbH nach Ablauf einer logischen Sekunde in das Privatvermögen gelangt sind, weil sie nicht mehr dem Sonderbetriebsvermögen zuzuordnen waren. Das FG muss in diesem Fall prüfen, ob die Anteile an der Z-GmbH nur vom Ehemann oder auch von der Ehefrau entnommen worden sind. Allerdings dürfte bei der Ehefrau A aus verfahrensrechtlichen Gründen kein Entnahmegewinn mehr angesetzt werden, weil nur der Entnahmegewinn des Ehemanns in dessen Sonderbetriebsbereich streitig war.
BFH, Urteil vom 28.5.2020 - IV R 17/17; NWB
19.10.2020
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zur Steuerbefreiung für die vom Arbeitgeber gewährte Möglichkeit des elektrischen Aufladens von Elektro- und Hybridautos sowie für die zeitweise Überlassung einer Ladevorrichtung an den Arbeitnehmer zur privaten Nutzung Stellung genommen.
Hintergrund: Der Gesetzgeber hat seit dem 1.1.2017 den vom Arbeitgeber gewährten Vorteil für das elektrische Aufladen eines Elektro- oder Hybridfahrzeugs im Betrieb des Arbeitgebers ebenso steuerfrei gestellt wie die zeitweise Überlassung einer betrieblichen Ladevorrichtung für die private Nutzung des Arbeitnehmers. Diese Steuerbefreiung gilt bis zum 31.12.2030.
Inhalt des BMF-Schreibens: Das BMF erläutert die einzelnen Voraussetzungen der Steuerbefreiung, wie z.B. den Begriff des Elektro- bzw. Hybridfahrzeugs, des Aufladeorts oder der Ladevorrichtung. Zudem äußert sich das Ministerium zu den vom Arbeitnehmer selbst getragenen Stromkosten und geht auf die Übereignung der Ladevorrichtung auf den Arbeitnehmer ein. Die folgenden Punkte sind hervorzuheben:
Zu den Elektrofahrzeugen gehören auch Elektrofahrräder, die verkehrsrechtlich als Kfz einzustufen sind. Dies ist der Fall, wenn sie eine Geschwindigkeit von mehr als 25 km/h erreichen.
Das Aufladen muss im Betrieb des Arbeitgebers erfolgen oder aber in einem mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen i.S. des Aktiengesetzes, nicht aber bei einem fremden Dritten.
Erstattet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die vom Arbeitnehmer selbst getragenen Stromkosten für ein privates Elektro- oder Hybridfahrzeug, handelt es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Erstattet der Arbeitgeber jedoch die vom Arbeitnehmer getragenen Stromkosten für einen Dienstwagen, ist die Erstattung als Auslagenersatz steuerfrei. Zur vereinfachten Berechnung des Auslagenersatzes können Pauschalen angesetzt werden, die – je nach Zeitraum und nach Lademöglichkeit – zwischen 10 € und 70 € monatlich betragen. Durch den Auslagenersatz sind sämtliche Kosten des Arbeitnehmers für den Ladestrom abgegolten.
Steuerfrei ist auch die zeitweise Überlassung (unentgeltlich als Leihe oder verbilligt als Miete) einer betrieblichen Ladevorrichtung für Elektro- oder Hybridfahrzeuge zur privaten Nutzung. Hierzu gehört nicht die Übereignung einer derartigen Ladevorrichtung. Zur privaten Nutzung gehört auch die Verwendung der Ladevorrichtung für andere Einkunftsarten, wenn z.B. der Arbeitnehmer mit seinem aufgeladenen Elektrofahrzeug zu seiner vermieteten Immobilie fährt.
Übereignet der Arbeitgeber die Ladevorrichtung dem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt, gilt die Steuerbefreiung zwar nicht; jedoch kann dieser Vorteil mit 25 % pauschal versteuert werden.
Hinweise: Die Steuerbefreiung gilt nicht für Geschäftsfreunde und Kunden des Arbeitgebers, die betriebliche Ladevorrichtungen für ihre Elektro- oder Hybridfahrzeuge nutzen dürfen.
Aus Billigkeitsgründen wendet die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit für das elektrische Aufladen auch auf Elektrofahrräder an, die nicht als Kfz einzustufen sind.
Zu beachten ist, dass der Vorteil aus dem Aufladen bzw. der zeitweisen Überlassung der Ladevorrichtung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden muss. Eine Entgeltumwandlung ist also nicht begünstigt.
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die steuerfreien Vorteile im Lohnkonto aufzuzeichnen. Die mit 25 % pauschal versteuerten Beträge müssen allerdings durch Belege nachgewiesen und diese Unterlagen als Belege zum Lohnkonto aufbewahrt werden.
BMF-Schreiben vom 29.9.2020 - IV C 5 - S 2334/19/10009 :004; NWB
16.10.2020
Der Bundesrat hat am 9.10.2020 das sog. Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz - WEMoG beschlossen, das der Bundestag Anfang September verabschiedet hatte. Damit gab die Länderkammer u.a. grünes Licht für den erleichterten Einbau privater Ladesäulen für Elektroautos.
Anspruch auf Einbau von privaten E-Ladesäulen
Wohnungseigentümer und auch Mieter haben künftig einen Anspruch darauf, in der Tiefgarage oder auf dem Grundstück des Hauses eine Ladesäule (auf eigene Kosten) zu installieren. Bisher scheiterte der Einbau häufig an der fehlenden Zustimmung der Miteigentümer oder Vermieter.
Grundlegende Reform des WEG
Das Wohnungseigentumsgesetz wird darüber hinaus grundlegend reformiert und den Anforderungen der heutigen Zeit angepasst. Dazu gehört der leichtere barrierefreie Aus- und Umbau von Wohnungen sowie Maßnahmen zum Einbruchsschutz und zum Glasfaseranschluss - sofern sie auf eigene Kosten erfolgen.
Energetische Sanierung
Die Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft über bauliche Veränderungen der Wohnanlage wird vereinfacht, vor allem für Maßnahmen, die zu nachhaltigen Kosteneinsparungen und energetischer Sanierung führen oder die Wohnanlage in einen zeitgemäßen Zustand versetzen.
Online-Teilnahme an Versammlungen
Wohnungseigentümer können künftig beschließen, dass eine Online-Teilnahme an den Versammlungen möglich ist. Gerade in der Corona-Krise hatte sich die Notwendigkeit gezeigt, auf eine verpflichtende Präsenz verzichten zu können.
Einsicht in Verwaltungsunterlagen
Wohnungseigentümer erhalten mehr Rechte, unter anderem auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen und auf einen jährlichen Vermögensbericht des Verwalters. Dieser soll über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft Auskunft geben. Weitere Schwerpunkte der Reform betreffen die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums - bislang häufig Grund für zivilrechtliche Auseinandersetzungen vor Gericht.
Zertifizierter Verwalter
Der Bundestag hat im Laufe seiner Beratungen einige Ergänzungen des ursprünglichen Regierungsentwurfs vorgenommen - diese betreffen unter anderem Vorgaben für den Sachkundenachweis eines zertifizierten Verwalters und Regeln zur Bestellung und Abberufung des Verwalters.
Hinweis:
Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten kann das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es tritt überwiegend zum übernächsten Monatsbeginn in Kraft.
BundesratKOMPAKT, Meldung 9.10.2020; NWB
16.10.2020
Die Deutsche Rentenversicherung Bund darf ein Verspätungsgeld gegenüber übermittlungspflichtigen Versorgungswerken nur bei nicht fristgerechter oder unterlassener Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen festsetzen. Das Verspätungsgeld darf nicht verhängt werden, wenn die Rentenbezugsmitteilung fristgerecht, aber lediglich fehlerhaft übermittelt wird.
Hintergrund: Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Versorgungswerke müssen bis Ende Februar des Folgejahres der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA), die zur „Deutsche Rentenversicherung Bund“ gehört, Rentenbezugsmitteilungen elektronisch übermitteln. Aus den Rentenbezugsmitteilungen ergibt sich insbesondere die Höhe der jeweils ausgezahlten Renten. Die ZfA leitet die Mitteilungen an die Finanzbehörden weiter. Im Fall der verschuldeten Fristversäumnis muss die ZfA ein Verspätungsgeld von 10 € für jede verspätet übermittelte Rentenbezugsmitteilung und für jeden versäumten Monat festsetzen, maximal 50.000 €. Außerdem kann auch noch eine Geldbuße festgesetzt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin ist ein berufsständisches Versorgungswerk. Sie beauftragte für die Übermittlung der Rentenbezugsmitteilungen die X, die wiederum eine von der A-GmbH speziell entwickelte Software einsetzte. X übermittelte die Rentenbezugsmitteilungen für 2014 an die ZfA, die zwar alle erforderlichen Informationen enthielten. Jedoch verwendete X dafür nicht die Kundennummer der Klägerin, sondern ihre eigene Kundennummer, d.h. die Nummer der X. Dieser Fehler beruhte auf einem von der A-GmbH fehlerhaft aufgespielten Update; jedoch hatte X der A-GmbH eine veraltete Programmversion für das Update zur Verfügung gestellt. Die ZfA setzte gegenüber der Klägerin ein Verspätungsgeld von 50.000 € fest, gegen das die ZfA klagte.
Entscheidung: Der BFH verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die Festsetzung eines Verspätungsgelds setzt voraus, dass die Rentenbezugsmitteilung verspätet oder überhaupt nicht übermittelt wird. Die fristgerechte Übermittlung einer Rentenbezugsmitteilung, die lediglich fehlerhaft ist, darf hingegen nicht durch ein Verspätungsgeld sanktioniert werden.
Ist die übermittelte Rentenbezugsmitteilung aber derart fehlerhaft oder lückenhaft, dass die ZfA diese nicht an die Finanzbehörde weiterleiten kann, kann man nicht von einer fristgerecht übermittelten und lediglich fehlerhaften Rentenbezugsmitteilung ausgehen. Vielmehr gilt die Rentenbezugsmitteilung dann als nicht übermittelt, so dass ein Verspätungsgeld festzusetzen ist.
Das FG muss nun aufklären, ob die Rentenbezugsmitteilungen angesichts der unzutreffenden Kundennummer derart fehlerhaft waren, dass sie nicht mehr weitergeleitet werden konnten, oder ob sie verarbeitungsfähig waren. Gegebenenfalls muss es hierzu eine Erklärung der ZfA zum technischen Verarbeitungsablauf einholen.
Hinweise: Das Verspätungsgeld setzt weiterhin voraus, dass die verspätete Übermittlung bzw. unterlassene Übermittlung vom Versorgungswerk zu vertreten ist. Hierbei ist dem Versorgungswerk ein Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen zuzurechnen. Nach dem aktuellen Urteil des BFH gilt das vom Versorgungswerk beauftragte Softwareunternehmen als sog. Erfüllungsgehilfe, wenn es die Software für das Versorgungswerk speziell entwickelt hat und nicht lediglich Standardsoftware verkauft hat.
Ein Verschulden der X könnte sich daraus ergeben, dass X der A-GmbH eine veraltete Programmversion für das Update zur Verfügung gestellt hat. Sollte nur ein Verschulden der A-GmbH zu bejahen sein, könnte es sich bei der A-GmbH um einen mittelbaren Erfüllungsgehilfen der Klägerin handeln, dessen Verschulden ebenfalls der Klägerin zuzurechnen sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Klägerin mit der Beauftragung der A-GmbH durch X einverstanden war.
BFH, Urteil v. 6.5.2020 - X R 8/19; NWB
15.10.2020
Zwar kann die Zurverfügungstellung einer Kasernenunterkunft für einen Zeitsoldaten zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen. Zugleich kann der Zeitsoldat aber in gleicher Höhe Werbungskosten absetzen.
Hintergrund: Zum Arbeitslohn gehört nicht nur der Überweisungsbetrag, sondern auch Sachzuwendungen des Arbeitgebers wie z. B. eine Unterkunft, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellt.
Sachverhalt: Der Kläger war Zeitsoldat. Die Bundeswehr stellte ihm eine Unterkunft in der Kaserne unentgeltlich zur Verfügung. Der Kläger übernachtete aber nicht in der Kaserne, sondern fuhr nach Dienstschluss in seine Wohnung zurück. In der Unterkunft bewahrte er seine Dienstkleidung und Ausrüstung auf und nutzte die Kaserne zum Umziehen. Für die Überlassung der Kaserne wurde ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil von jährlich 612 € angesetzt. Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung in gleicher Höhe Werbungskosten für die Kasernenunterkunft sowie Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. H. von ca. 1.800 € geltend. Das Finanzamt erkannte zwar die Fahrtkosten an, nicht aber die Unterkunftskosten.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Der BFH ließ offen, ob die Zurverfügungstellung der Kasernenunterkunft überhaupt zu Arbeitslohn geführt hat. Jedenfalls hätte der Kläger in gleicher Höhe einen Werbungskostenabzug gehabt. Denn hätte er für die Kasernenunterkunft Geld bezahlt, hätte es sich bei diesen Aufwendungen um Werbungskosten gehandelt.
Die Aufwendungen für die Kasernenunterkunft wären Werbungskosten gewesen, weil sie beruflich veranlasst waren. Denn der Kläger hat in der Kaserne seine Uniform und Ausrüstung aufbewahrt und seine Uniform in der Kaserne gewechselt.
Zwar sind Wohnkosten grundsätzlich nicht als Werbungskosten absetzbar. Der Kläger hat in der Kaserne aber nicht gewohnt, da er dort nicht übernachtet hat und die Kaserne auch nicht für den privaten Aufenthalt außerhalb seiner Dienstzeiten genutzt hat.
Hinweis: Hätte der Kläger in der Unterkunft gewohnt, also übernachtet und sich dort auch privat aufgehalten, hätte er Unterkunftskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung geltend machen können. Er hätte dann aber nicht zusätzlich die Fahrtkosten für die täglichen Fahrten zwischen der Kaserne und seiner Wohnung geltend machen können, sondern nur eine wöchentliche Familienheimfahrt absetzen können.
BFH, Urteil vom 28.4.2020 – VI R 5/18; NWB
14.10.2020
Eine vermietende Personengesellschaft kann ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und damit gewerbesteuerpflichtig sein, wenn die Mehrheit der Gesellschafter, die auch die Mehrheit bei der Betriebs-GmbH stellt, die Geschäftsführung der Personengesellschaft innehat und damit über die Mietverträge mit der Betriebs-GmbH entscheiden kann. Ein zivilrechtliches Doppelvertretungsverbot steht der Betriebsaufspaltung nicht entgegen, wenn es durch Übertragung der Vertretung auf eine andere Person, z. B. auf einen Prokuristen, umgangen werden kann.
Hintergrund: Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein Unternehmen, das sog. Besitzunternehmen, einem anderen Unternehmen, der sog. Betriebsgesellschaft, wesentliche Betriebsgrundlagen vermietet bzw. verpachtet, so dass eine sachliche Verflechtung besteht, und wenn zwischen beiden Unternehmen zusätzlich eine personelle Verflechtung besteht, d. h. eine Person oder Personengruppe in beiden Unternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Die Betriebsaufspaltung führt dazu, dass das Besitzunternehmen gewerbliche Einkünfte erzielt und somit der Gewerbesteuer unterliegt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der A, B und C zu jeweils 33 % beteiligt waren und zusätzlich noch X mit 1 % beteiligt war. Die Klägerin verpachtete der ABC-GmbH zwei Betriebsgebäude. Gesellschafter der ABC-GmbH waren A, B und C mit jeweils 1/3; der X war an der ABC-GmbH also nicht beteiligt. A, B und C waren Geschäftsführer der ABC-GmbH. Die ABC-GmbH wurde durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten.
Geschäftsführer der Klägerin waren A, B und C, nicht aber der X. Jeweils zwei Geschäftsführer gemeinsam sollten die Klägerin vertreten. Es galt das Einstimmigkeitsprinzip, und eine Befreiung vom sog. In-sich-Geschäft (Doppelvertretungsverbot) war nicht erfolgt.
Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und sah sich nicht als gewerbesteuerpflichtig an. Das Finanzamt behandelte die Klägerin hingegen als Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und setzte einen Gewerbesteuermessbetrag fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Es lag eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der ABC-GmbH vor. Denn es bestand eine sachliche und eine personelle Verflechtung zwischen beiden Unternehmen.
Die sachliche Verflechtung ergab sich aus der Verpachtung zweier Betriebsgrundstücke an die ABC-GmbH. Die Grundstücke waren für die ABC-GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen, weil sie den räumlichen und funktionalen Mittelpunkt der ABC-GmbH darstellten.
Es bestand auch eine personelle Verflechtung zwischen der Klägerin und der ABC-GmbH, da die Personengruppe aus A, B und C in beiden Unternehmen ihren Geschäftswillen durchsetzen konnte. Denn gegen den Willen von A, B und C konnten die Pachtverträge nicht aufgelöst werden, und A, B und C beherrschten alle Geschäfte der laufenden Verwaltung der Verpachtung. X war von der Geschäftsführung bei der Klägerin ausgeschlossen und konnte deshalb nicht als Geschäftsführer auf die Auflösung der Pachtverträge hinwirken. Auch als Gesellschafter konnte er nicht die Auflösung der Pachtverträge erreichen, da er nur mit 1 % an der Klägerin beteiligt war und zudem das Einstimmigkeitsprinzip galt.
Der personellen Verflechtung stand nicht entgegen, dass A, B und C vom sog. Doppelvertretungsverbot nicht befreit waren; sie konnten also als Vertreter der Klägerin nicht mit sich als Vertreter der ABC-GmbH Geschäfte abschließen. Jedoch konnten sie das Doppelvertretungsverbot aufseiten der ABC-GmbH dadurch umgehen, dass sie einen anderen Vertreter ermächtigen, mit der Klägerin Rechtsgeschäfte abzuschließen, indem sie z. B. einen Prokuristen bei der ABC-GmbH bestellen. Alternativ hätte z.B. der A zusammen mit einem Prokuristen die ABC-GmbH vertreten und dann mit der durch B und C vertretenen Kläger Rechtsgeschäfte abschließen können.
Hinweis: In der Regel kann eine Betriebsaufspaltung dadurch vermieden werden, dass ein sog. Nur-Besitzgesellschafter am Besitzunternehmen beteiligt wird, d. h. ein Gesellschafter, der nicht an der Betriebs-GmbH beteiligt ist. Der Streitfall zeigt aber, dass dies nicht immer gelingt und scheitert, wenn die verbleibenden Gesellschafter, die sowohl am Besitzunternehmen als auch an der Betriebsgesellschaft beteiligt sind, ihren geschäftlichen Betätigungswillen in beiden Unternehmen durchsetzen können.
Die Verpachtung von Grundstücken begründet in der Regel eine sachliche Verflechtung, selbst wenn das Grundstück nicht den Mittelpunkt der Betriebs-GmbH darstellt.
BFH, Urteil vom 28.5.2020 - IV R 4/17; NWB
13.10.2020
Reißt der Steuerpflichtige ein Gebäude ab, das er nicht in Abbruchabsicht erworben hatte und das er teilweise vermietet und teilweise selbstgenutzt hat, kann er die Abbruchkosten sowie den Restbuchwert des abgerissenen Gebäudes grundsätzlich nur insoweit als Werbungskosten absetzen, als er das Gebäude vermietet hat. Soweit er es selbstgenutzt hat, gehören die Abrisskosten und der Restbuchwert hingegen zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes. Machte die Selbstnutzung aber weniger als 10 % aus, können die Kosten für den Abriss und der Restbuchwert insgesamt als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden.
Hintergrund: Reißt ein Steuerpflichtiger ein Gebäude ab, stellt sich die Frage, wie die Abbruchkosten und der Restbuchwert des Gebäudes steuerlich behandelt werden: als sofort abziehbare Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben oder aber als zu aktivierende Herstellungskosten des neuen Gebäudes?
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb am 1.2.2012 ein Einfamilienhaus, das sie bis Juli 2014 an ihre Schwiegermutter vermietete und ab 1.8.2014 teilweise (zu 78 %) einem anderen Mieter überließ; im Übrigen nutzte sie das Haus ab August 2014 selbst. Im März 2017 ließ sie das Haus abreißen und durch einen Neubau ersetzen, den sie vermietete. Sie machte die Abbruchkosten in Höhe von ca. 27.000 € sowie den Restbuchwert des abgerissenen Hauses in Höhe von ca. 260.000 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt ging davon aus, dass das Haus nur zum Teil vermietet worden sei, und erkannte die geltend gemachten Kosten nur zum Teil an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) gab der Klage statt:
Wird ein Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben, kommt es für die steuerliche Behandlung der Abbruchkosten und des Restbuchwertes grundsätzlich auf die bisherige Nutzung des abgerissenen Gebäudes an.
Soweit das Gebäude vermietet worden ist, sind die Abbruchkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in vollem Umfang sofort abziehbar.
Soweit das Gebäude selbstgenutzt worden ist, werden die Abbruchkosten als Herstellungskosten des neuen Gebäudes behandelt und wirken sich nur über die jährliche Abschreibung aus.
Im Streitfall ist das Gebäude zunächst vollständig vermietet worden (Februar 2012 bis Juli 2014; dies entsprach einem Zeitanteil von ca. 54 %, nämlich 31 von 57 Monaten) und anschließend zu 78 % vermietet worden (dies machte zeitanteilig 46 % aus, nämlich 26 von 57 Monaten). Berücksichtigt man sowohl den Zeitanteil als auch den Flächenanteil, ergibt sich ein Selbstnutzungsanteil von insgesamt 9,8 %.
Zwar wären danach 90,2 % der Kosten als Werbungskosten absetzbar. Da der Selbstnutzungsanteil aber unter 10 % lag, ist er als unwesentlich anzusehen. Daher können die Abbruchkosten und der Restbuchwert in voller Höhe als Werbungskosten abgesetzt werden.
Hinweis: Da das Einfamilienhaus ohne Abbruchabsicht erworben worden war, kam es auf die bisherige Nutzung an. Denn man unterstellt, dass der Abriss aufgrund des Verschleißes infolge der bisherigen Nutzung (Vermietung oder Selbstnutzung) erfolgt.
Anders ist dies, wenn der Abriss nicht wegen des Verschleißes aufgrund der bisherigen Vermietung erfolgt, sondern weil das Gebäude abgerissen wird, um das Grundstück zu veräußern oder um es künftig selbst zu nutzen. In diesen Fällen werden die Abbruchkosten und der Restbuchwert nicht als Werbungskosten berücksichtigt, weil sie nicht durch die bisherige Vermietung und den hierdurch eingetretenen Verschleiß des Hauses veranlasst sind.
Vermietung und den hierdurch eingetretenen Verschleiß des Hauses veranlasst sind. Wird das Gebäude von vornherein in Abbruchabsicht erworben, gehören die Abbruchkosten und der Restbuchwert des abgerissenen Gebäudes zu den aktivierenden Herstellungskosten des neuen Gebäudes. Sie wirken sich dann nur über die jährliche Abschreibung aus.
FG Münster, Urteil vom 21.8.2020 - 4 K 855/19, Rev. beim BFH: Az. bisher keine Revision ersichtlich; NWB
12.10.2020
Erwirbt ein Kind ein zu einem Betrieb oder Sonderbetriebsvermögen gehörendes bebautes Grundstück im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, gelten für die Abbruchkosten die allgemeinen Grundsätze: Hatte das Kind also im Zeitpunkt des Erwerbs die Absicht, das Gebäude abzureißen, gehören die Abbruchkosten sowie der Restbuchwert des Gebäudes zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes. Die Abbruchkosten wirken sich damit nur über die reguläre Abschreibung aus, die bei betrieblichen Gebäuden 3 % p.a. beträgt.
Hintergrund: Reißt ein Unternehmer ein Gebäude ab, stellt sich die Frage, wie die Abbruchkosten und der Restbuchwert des Gebäudes steuerlich behandelt werden: als sofort abziehbare Betriebsausgaben oder aber als zu aktivierende Herstellungskosten des neuen Gebäudes? Die Rechtsprechung prüft, ob er das Gebäude in Abbruchabsicht erworben hat. Falls ja, gehören die Abbruchkosten und der Restbuchwert des abgerissenen Gebäudes zu den aktivierenden Herstellungskosten des neuen Gebäudes.
Sachverhalt: Der Kläger war zusammen mit seinem Vater ursprünglich zu je 50 % an einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) beteiligt. Zum Mitunternehmeranteil des Vaters gehörte auch noch ein bebautes Grundstück, das sich im sog. Sonderbetriebsvermögen befand. Im Jahr 2011 übertrug der Vater seinen OHG-Anteil sowie sein im Sonderbetriebsvermögen befindliches Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Kläger hatte von Anfang an vor, das Gebäude auf dem Grundstück abzureißen und ein neues Geschäftshaus zu errichten, das sich auch auf das angrenzende Grundstück erstrecken sollte, das bereits dem Kläger gehörte. Der Kläger machte den Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt behandelte die beiden Positionen als Herstellungskosten des neuen Gebäudes.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
Die steuerliche Behandlung von Abbruchkosten hängt davon ab, ob beim Erwerb des Gebäudes eine Abbruchabsicht bestand. Falls ja, besteht ein Zusammenhang zwischen den Abbruchkosten sowie dem Restbuchwert des abgerissenen Gebäudes mit der Herstellung des neuen Gebäudes, so dass die Abbruchkosten und der Restbuchwert als Herstellungskosten des neuen Gebäudes aktiviert werden und nur über die jährliche Abschreibung den Gewinn mindern.
Diese Grundsätze gelten nicht nur beim Kauf eines bebauten Grundstücks, sondern auch beim unentgeltlichen Erwerb wie z.B. bei einer Schenkung des bebauten Grundstücks. Sie gelten darüber hinaus auch im Fall der vorweggenommenen Erbfolge, wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil von einem Elternteil auf ein Kind übertragen wird und hierzu ein bebautes Grundstück gehört. Zwar kann in diesem Fall das Kind den Buchwert fortführen und grundsätzlich in die betriebsbezogene Rechtsstellung des übertragenden Elternteils eintreten; dies führt aber nicht dazu, dass die Grundsätze zum Erwerb eines Gebäudes mit Abbruchabsicht nicht gelten. Denn die Abbruchkosten entstehen beim Kind und nicht beim übertragenden Elternteil.
Im Streitfall bestand eine Abbruchabsicht des Klägers, da er bereits im Zeitpunkt des Erwerbs vorhatte, das vorhandene Gebäude abzureißen und ein neues Gebäude zu errichten, das sich über das erworbene Grundstück und über das bereits dem Kläger gehörende Grundstück erstrecken sollte.
Hinweise: Bezüglich der Abbruchkosten und des Restbuchwertes des abgerissenen Gebäudes behandelt der BFH den Käufer eines bebauten Grundstücks genauso wie den unentgeltlichen Erwerber. Dabei spielt es nach dem aktuellen Urteil keine Rolle, ob es sich um eine "gewöhnliche" Schenkung oder um die steuerlich begünstigte unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils (einschließlich Sonderbetriebsvermögen) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handelt.
BFH, Urteil vom 27.5.2020 - III R 17/19; NWB
09.10.2020
Nach dem Bundestag hat am 9.10.2020 auch der Bundesrat die Verlängerung der zehnjährigen Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge gebilligt. Reine Elektrofahrzeuge, die in der Zeit vom 18.5.2011 bis 31.12.2025 erstmals zugelassen wurden, sind damit weiterhin von der Kfz-Steuer befreit. Bisher galt die Befreiung nur für Zulassungen oder Umrüstungen bis Ende 2020. Die Befreiung ist bis zum 31.12.2030 befristet.
Weitere Einzelheiten zur Befreiung:
Für Verbrennungsmotoren orientiert sich die Kfz-Steuer künftig stärker am Schadstoff-Ausstoß der Fahrzeuge. Je nach Höhe der Emissionen steigt sie stufenweise von zwei bis auf vier Euro je Gramm Kohlendioxid pro Kilometer an.
Die Hubraum-Besteuerung bleibt unverändert bestehen. Allerdings gilt künftig für emissionsarme Pkw bis zum Schwellenwert von 95 Gramm Kohlendioxid je Kilometer für fünf Jahre ein neuer Steuerfreibetrag von 30 €. Fällt nur eine Steuer auf den Hubraum an, müssen Autobesitzer auch nur den über 30 € hinausgehenden Betrag zahlen. Diese Entlastung gilt für Autos, die in der Zeit vom 12.6.2020 bis zum 31.12.2024 erstmals zugelassen werden und ist bis zum 31.12.2025 befristet. Soweit die Steuervergünstigung bei einem Halterwechsel noch nicht abgelaufen ist, wird sie dem neuen Halter gewährt.
Zur Entlastung des Mittelstands entfällt künftig die bisherige Sonderregel für die Besteuerung bestimmter leichter Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen, die sowohl der Personenbeförderung als auch dem Gütertransport dienen - wie z. B. Kasten- oder Pritschenwagen.
Ausblick: Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt und anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet. Es soll am Tag darauf in Kraft treten.
BundesratKOMPAKT, NWB
09.10.2020
Verkauft ein Gesellschafter einer Sozietät seine Beteiligung zum Nennwert an einen Pool-Treuhänder, der die Beteiligung treuhänderisch hält, bis ein neuer Gesellschafter gefunden ist, löst dies keine Schenkungsteuer aus. Weder handelt es sich um ein steuerbares Ausscheiden gegen Abfindung unter dem tatsächlichen Wert, noch handelt es sich um eine unentgeltliche Zuwendung an die verbleibenden Gesellschafter.
Hintergrund: Zu den Schenkungen gehören nicht nur unentgeltliche Zuwendungen, sondern auch das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft gegen Abfindung, die unter dem tatsächlichen Wert der Beteiligung liegt; denn dann profitieren die verbleibenden Gesellschafter von der Wertdifferenz, weil die Personengesellschaft eine zu niedrige Abfindung zahlt und die Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern zuwächst.
Sachverhalt: Der Kläger war Sozius einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und hielt eine Beteiligung zum Nennwert von 50.000 €. Die Gesellschafter hatten ein sog. Pool-Treuhändermodell vereinbart: Danach sollte jeder Gesellschafter bei Vollendung seines 63. Lebensjahres seine Beteiligung, die für jeden Gesellschafter 50.000 € betrug, an einen Pool-Treuhänder zum Preis von 50.000 € übertragen, der ebenfalls Gesellschafter war. Eine Vergütung für die stillen Reserven, insbesondere den Mandantenstamm, erfolgte also nicht. Der Pool-Treuhänder sollte die Beteiligung verwahren, bis ein neuer Gesellschafter gefunden wurde, und die Beteiligung dann an den neuen Gesellschafter wieder für 50.000 € verkaufen; die von ihm treuhänderisch gehaltene Beteiligung vermittelte während der Dauer der Treuhandschaft weder Stimm- noch Gewinnbezugsrechte.
Im Jahr 2005 verkaufte der Gesellschafter X seine Beteiligung für 50.000 € an den Pool-Treuhänder. Das Finanzamt sah darin zunächst eine Schenkung des X an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Hiergegen klagte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und hatte vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Erfolg. Daraufhin setzte das Finanzamt Schenkungsteuer gegen die übrigen Gesellschafter fest, u.a. gegen den Kläger.
Entscheidung: Der BFH gab der Klage statt:
Die Schenkungsteuer ist schon deshalb rechtswidrig, weil der Kläger die Beteiligung gar nicht erhalten hat und auch nicht mittelbar vom Wert der Beteiligung des X profitiert hat, sondern nur der Pool-Treuhänder die Beteiligung des X erhalten hat. Für die Schenkungsteuer ist das Zivilrecht maßgeblich, und zivilrechtlich wird der Treuhänder Inhaber der Beteiligung. Die dem Treuhänder zivilrechtlich zustehende Beteiligung kann nicht wirtschaftlich dem Kläger anteilig zugerechnet werden; denn eine wirtschaftliche Betrachtung gibt es im Schenkungsteuerrecht grundsätzlich nicht.
Zwar ist ein Ausscheiden des Gesellschafters gegen Abfindung, die niedriger ist als der tatsächliche Wert der Beteiligung, schenkungsteuerbar. Der Kläger ist aber nicht gegen Abfindung ausgeschieden, sondern hat seine Beteiligung verkauft, und zwar an den Pool-Treuhänder. Der Verkauf zu einem – ggf. zu niedrigen – Kaufpreis ist mit einem Ausscheiden gegen Abfindung nicht gleichzusetzen.
Es handelt sich auch nicht um eine „klassische“ Schenkung an den Kläger und an die verbliebenen Gesellschafter. Denn hierfür wäre ein Wille des X zur Unentgeltlichkeit erforderlich gewesen. Die Übertragung auf den Pool-Treuhänder war aber gesellschaftsvertraglich vereinbart gewesen und erfolgte daher nicht unentgeltlich. Denn jeder Gesellschafter war verpflichtet, seine Beteiligung bei Vollendung des 63. Lebensjahres auf den Pool-Treuhänder zu übertragen.
Hinweise: Der BFH hat einen Gestaltungsmissbrauch abgelehnt. Dieser wäre nur dann anzunehmen, wenn ein – steuerbares – Ausscheiden gegen Abfindung unter dem tatsächlichen Wert durch einen Kaufvertrag verdeckt wird. Beim Pool-Treuhändermodell ist eine derartige missbräuchliche Gestaltung aber nicht zu bejahen, weil der Treuhänder die Beteiligung nur hält, bis ein neuer Gesellschafter gefunden wird. Zudem hat der X seine Beteiligung zum selben Preis verkauft, wie er sie gekauft hat.
Das BFH-Urteil ist insbesondere für freiberufliche Sozietäten ausgesprochen positiv, weil der BFH eine Belastung mit Schenkungsteuer verneint und weil der Verkauf der Beteiligung zum Buchwert, d.h. ohne Vergütung der stillen Reserven, grundsätzlich auch keine Einkommensteuer auslöst. Dadurch wird eine Umstrukturierung bei Sozietäten deutlich erleichtert.
BFH, Urteil vom 6.5.2020 - II R 34/17; NWB
08.10.2020
Das Finanzgericht Nürnberg (FG) hält den Solidaritätszuschlag auch für Zeiträume ab 2020 für verfassungsgemäß und lehnt daher einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ab. Das FG sieht sowohl die Abschmelzung des Solidaritätszuschlags ab 2020, die nur noch eine Minderheit der Steuerzahler mit dem Solidaritätszuschlag belastet, als auch das Auslaufen des sog. Solidarpakts II als verfassungsrechtlich unbedenklich an. Gegen die Entscheidung ist Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt worden.
Hintergrund: Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Einkommensteuer. Ab 2021 wird der Solidaritätszuschlag nur noch bei höheren Einkommen erhoben, so dass ca. 90 % der Steuerzahler keinen Solidaritätszuschlag mehr zahlen werden. Die verbleibenden 10 % der Steuerzahler werden etwa 50 % des bisherigen Aufkommens aus dem Solidaritätszuschlag, nämlich ca. 11 Mrd. € von bislang 22 Mrd. €, entrichten. Die Grenze für die Entrichtung des Solidaritätszuschlags wird für Ledige bei einem zu versteuernden Einkommen von ca. 62.000 € beginnen. Außerdem müssen Kapitalanleger, die den Sparerfreibetrag ausgeschöpft haben, sowie Kapitalgesellschaften den Solidaritätszuschlag weiterhin bezahlen.
Sachverhalt: Die Kläger sind Eheleute und sollten für 2020 einen vierteljährlichen Solidaritätszuschlag von ca. 450 € entrichten. Sie wandten sich gegen die Festsetzung der Vorauszahlung mit der Begründung, dass der sog. Solidarpakt II Ende 2019 ausgelaufen sei, so dass keine Aufbauhilfen mehr in die neuen Bundesländer geleistet werden dürften und deshalb auch der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung verloren habe.
Entscheidung: Das FG wies die Klage im Grundsatz ab, weil es nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags ab 2020 überzeugt war:
Der Solidaritätszuschlag ist in den Veranlagungszeiträumen 2020 und 2021 noch verfassungsgemäß. Es handelt sich nicht um eine Steuer, sondern um eine sog. Ergänzungsabgabe. Eine Ergänzungsabgabe dient dazu, dass Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt gedeckt werden.
Eine Ergänzungsabgabe muss nicht befristet sein. Zwar ist noch nicht geklärt, ob und ab wann es einen verfassungsrechtlichen Zwang zur Aufhebung einer Ergänzungsabgabe gibt. Der Gesetzgeber hat aber einen sehr weiten Gestaltungsspielraum bei der Laufzeit.
Zwar ist der sog. Solidarpakt II im Jahr 2019 ausgelaufen. Damit verlor der Solidaritätszuschlag aber nicht seine Rechtfertigung. Denn es gibt keine rechtliche Verbindung dahingehend, dass allein der Solidarpakt II einen Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Folgen der Wiedervereinigung zu begründen vermag. Jedenfalls besteht keine Pflicht zu einer schlagartigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags, sondern es genügt die bereits beschlossene Abschmelzung des Solidaritätszuschlags.
Hinweise: Das FG hält es im Übrigen für denkbar, dass der Solidaritätszuschlag umgewidmet wird und künftig zur Deckung der Kosten der Corona-Krise verwendet wird, so dass er auch unter diesem Gesichtspunkt verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre.
Die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags kann nur vom BVerfG festgestellt werden. Gegen das Urteil des FG ist Revision beim BFH eingelegt worden, so dass abzuwarten bleibt, ob der BFH einen Vorlagebeschluss an das BVerfG richtet. Für die Praxis scheint es ratsam zu sein, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags im Steuerbescheid ab 2020 durch Einspruch anzufechten und die Festsetzung offenzuhalten, bis die Verfassungsmäßigkeit abschließend geklärt ist.
FG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2020 - 3 K 1098/19, Rev. beim BFH: IX R 15/20; NWB
07.10.2020
Eine Verbindlichkeit ist bei Beginn der Liquidation einer GmbH nicht gewinnerhöhend aufzulösen, auch wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt, das Anlagevermögen verkauft wird und abzusehen ist, dass die Verbindlichkeit nicht mehr erfüllt werden wird.
Hintergrund: Die Tilgung einer Verbindlichkeit erfolgt gewinnneutral, so dass hieraus keine Steuern entstehen. Anders ist dies aber, wenn die Verbindlichkeit ausgebucht wird, weil z.B. der Gläubiger auf seine Forderung verzichtet. Die Ausbuchung der Verbindlichkeit erhöht dann den Gewinn.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die ein Restaurant betrieb. Alleingesellschafterin war die L, die ihr Grundstück an die GmbH vermietete, so dass zwischen der Klägerin und der L eine Betriebsaufspaltung bestand. Im Jahr 2016 stellte die Klägerin ihren Betrieb ein und verkaufte ihr Anlagevermögen. Zudem kündigte die L als Gesellschafterin bereits die Liquidation der Klägerin an, die sie aber erst im Jahr 2018 beschloss. Am 31.12.2016 hatte die Klägerin eine Verbindlichkeit gegenüber der L. Das Finanzamt ging davon aus, dass die GmbH diese Verbindlichkeit nicht mehr tilgen würde, und erhöhte den Gewinn der GmbH für 2016, indem es die Verbindlichkeit ausbuchte.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) gab der Klage statt:
Die Verbindlichkeit durfte nicht gewinnerhöhend ausgebucht werden, da sie nicht erloschen war, sondern am 31.12.2016 noch bestand. Die L als Gläubigerin hatte auf ihre Forderung gegen die GmbH nämlich nicht verzichtet. Sie hatte auch nicht konkludent, d.h. stillschweigend, auf ihre Forderung verzichtet; aus ihrem Verhalten ergab sich nämlich kein unmissverständlicher Verzichtswille. Allein die Ankündigung im Jahr 2016, die GmbH zu liquidieren, beinhaltete keinen Verzichtswillen.
Die Verbindlichkeit kann auch nicht deshalb gewinnerhöhend ausgebucht werden, weil die GmbH am 31.12.2016 vermögenslos war, keinen Geschäftsbetrieb mehr unterhielt und auch künftig keine Einnahmen mehr erzielen würde. Die Fähigkeit des Schuldners, die Verbindlichkeit zu tilgen, hat keinen Einfluss auf die Passivierung in seiner Bilanz.
Zwar hätte die GmbH die Verbindlichkeit ausbuchen können, wenn sie eine Einrede hätte erheben können und anzunehmen gewesen wäre, dass sich die Klägerin auf die Einrede berufen wird, z.B. auf die Einrede der Verjährung. Hierfür bestanden aber keine Anhaltspunkte.
Hinweise: Noch nicht entschieden ist die Frage, ob eine Verbindlichkeit im Fall der Liquidation in der Liquidationsschlussbilanz gewinnerhöhend aufzulösen ist. Das FG brauchte diese Frage nicht zu entscheiden, weil die Liquidationsschlussbilanz nicht im Jahr 2016, dem Streitjahr, aufzustellen war. Denn die Liquidation wurde erst im Jahr 2018 beschlossen und war im Zeitpunkt des Urteils immer noch nicht abgeschlossen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Frage bislang ebenfalls noch nicht beantwortet, sondern offengelassen. Allerdings geht z.B. die Hessische Finanzverwaltung davon aus, dass eine Verbindlichkeit nicht am Ende der Liquidation auszubuchen ist.
Selbst wenn es zu einer gewinnerhöhenden Ausbuchung einer Verbindlichkeit kommen sollte, führt dies steuerlich nicht zu einer Belastung, wenn die GmbH über Verlustvorträge verfügt, die mit dem Gewinn infolge der Ausbuchung verrechnet werden können. Dabei ist aber die sog. Mindestbesteuerung zu beachten, die eine uneingeschränkte Verrechnung von Verlusten mit einem laufenden Gewinn nur bis zu einer Höhe von 1 Mio. € zulässt.
FG Münster, Urteil vom 23.7.2020 - 10 K 2222/19; NWB
06.10.2020
Wird eine Pensionszusage für einen Alleingesellschafter-Geschäftsführer durch eine Entgeltumwandlung begründet, ist die Pensionsrückstellung mit dem niedrigeren Teilwert zu bewerten und nicht mit dem höheren Barwert. Der Barwert darf im Fall einer Entgeltumwandlung nur dann angesetzt werden, wenn es sich um die Pensionszusage für einen Arbeitnehmer handelt, der vom Betriebsrentengesetz erfasst wird; ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer fällt aber nicht unter das Betriebsrentengesetz.
Hintergrund: Erteilt ein Unternehmen seinen Arbeitnehmern Pensionszusagen, muss es hierfür gewinnmindernd Pensionsrückstellungen bilden. Im Steuerrecht erfolgt die Bewertung grundsätzlich mit dem Teilwert; dies ist, solange das Arbeitsverhältnis noch läuft, die Differenz zwischen dem Barwert der künftigen Leistungen und dem Barwert der künftigen Beträge. Handelt es sich um eine Entgeltumwandlung, bei der ein Teil des Gehalts für die Finanzierung der Pensionszusage einbehalten wird und die nach den Regelungen des Betriebsrentengesetzes erfolgt, ist mindestens der Barwert der unverfallbaren künftigen Pensionsleistungen anzusetzen.
Sachverhalt: Die Klägerin erteilte ihrem Alleingesellschafter und -geschäftsführer A im Jahr 2014 eine weitere Pensionszusage, die aus einer Entgeltumwandlung finanziert wurde, indem das Gehalt des A gekürzt wurde. Die Klägerin bewertete die Pensionsrückstellung mit dem Barwert, während das Finanzamt die Rückstellung mit dem um ca. 3.800 € niedrigeren Teilwert bewertete und den Gewinn entsprechend erhöhte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Pensionsrückstellung war mit dem niedrigeren Teilwert zu bewerten. Der Ansatz mit dem höheren Barwert ist nur dann zulässig, wenn es sich um eine Entgeltumwandlung handelt, die vom Betriebsrentengesetz erfasst wird, und wenn die künftige Pensionsleistung nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes unverfallbar ist.
Zwar lag im Streitfall eine Entgeltumwandlung vor. Diese Entgeltumwandlung wurde aber nicht vom Betriebsrentengesetz erfasst, weil das Gesetz nicht für beherrschende Geschäftsführer gilt. A war Alleingesellschafter und hielt damit mehr als 50 % der Geschäftsanteile, so dass das Betriebsrentengesetz für ihn nicht galt. Zudem war die Pensionsleistung auch nicht nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes unverfallbar; mangels Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf einen Alleingesellschafter konnte sich die Unverfallbarkeit auch nicht aus diesem Gesetz ergeben. Eine vertragliche Unverfallbarkeit genügt nicht, um die Bewertung mit dem Barwert zu rechtfertigen.
Hinweise: Damit steht die Klägerin bei einer Pensionszusage durch Entgeltumwandlung gegenüber einem beherrschenden Gesellschafter schlechter da, als wenn sie einem „normalen“ Arbeitnehmer eine Pensionszusage durch Entgeltumwandlung erteilt hätte. Der BFH hält diese unterschiedliche Behandlung aber für verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber wollte Arbeitgeber und Arbeitnehmer fördern, die eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung begründen. Für die Arbeitnehmer wurde in diesem Fall eine gesetzliche Unverfallbarkeit eingeführt, für die Arbeitgeber hingegen eine höhere Bewertung der Pensionsrückstellung ermöglicht, die sich gewinnmindernd auswirkt. Die unterschiedliche Bewertung der Pensionsrückstellung knüpft nicht an die Gesellschaftsform der Klägerin oder an die Stellung des A als Gesellschafter an, sondern an die arbeitsrechtliche Stellung des A.
BFH, Urteil vom 27.5.2020 - XI R 9/19; NWB
16.04.2019
Wir wurden zum zweiten Mal in Folge vom Handelsblatt als TOP Steuerberater ausgezeichnet.
Das Ergebnis der Studie ist hier zu finden.
21.02.2019
DATEV-Magazin „Blitzlicht“ – Ausgabe Oktober 2018. U. a. mit diesen Themen: Fälligkeitstermine Steuern, Verschmelzung nach Forderungsverzicht, Anwendung der Fahrtenbuchmethode, …
21.02.2019
DATEV-Magazin „Blitzlicht“ – Ausgabe September 2018. U. a. mit diesen Themen: Fälligkeitstermine Steuern, Haftung nach Insolvenz, Umsatzgrenze für Kleinunternehmer, Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete, …
06.02.2019
DATEV-Magazin „Blitzlicht“ – Ausgabe August 2018. U. a. mit diesen Themen: Fälligkeitstermine Steuern, Kindergeldanspruch, Wohnungseigentümer und Sanierungskosten, Privatverkauf bei eBay, …
06.02.2019
DATEV-Magazin „Blitzlicht“ – Ausgabe Juli 2018. U. a. mit diesen Themen: Fälligkeitstermine Steuern, Entschädigung für entgangene Einnahmen, Befreiung von der Erbschaftsteuer, Werkvertragsrecht, …
17.10.2018
Informationen zum Thema digitale Buchführung auf der Seite der DATEV.